Von Brahman bis hinunter zum Individuum

Von der astralen Welt der Wünsche gehen manche der Seelen in eine andere Welt, die Welt der Gedanken. Es ist eine mentale Zone – Man-o-mai-srishti –, die vom denkenden Gemüt oder Manas, wie es genannt wird, geschaffen wird. Gedanken haben eine gewaltige Kraft und jeder Mensch schafft sich, während er auf Erden lebt, durch Gedankenflüge und Fantasie sein eigenes Traumland und zu diesem wird die Seele nach dem Tode allmählich geführt, um die Luftschlösser, wie man zu sagen pflegt, zu erleben.

Auf jeder Stufe, vom universalen Brahman mit seiner reinen Gemütsessenz bis hinunter zum Individuum, webt sich das Gemüt seine eigene Welt und freut sich, darin wie eine Spinne im selbst gemachten Netz gefangen zu leben und hinauf und hinunter, nach rechts und nach links in dem hauchdünnen Gewebe zu wandern, das sie mit einer leichten, dünnen Substanz, die aus ihrem eigenen Körper kommt, kunstvoll gebildet hat. So gehen die Gedankenmuster und Gedankenbilder eines jeden Individuums hinaus, um ein wundervolles Gedanken-Königreich zu schaffen, lange bevor der Denkende im Körper aus dem Gefängnishaus der physischen Existenz in der materiellen Welt befreit wird.

Wie du denkst, so wirst du. Dies ist das Gesetz der Natur und niemand kann seiner Wirksamkeit entkommen. In dieser Welt der Gedanken sind Gedankenvibrationen die alleinigen Kommunikationswege von Seele zu Seele und alle Seelen leben in enger Gemeinschaft miteinander. Raum und Zeit spielen dort keine Rolle. Wenn es überhaupt eine Trennung zwischen ihnen gibt, gibt es sie nur aufgrund des Mangels an Sympathie und nicht aus irgendeinem anderen Grund. Insgesamt ist das Leben dort reicher, vollkommener und entwickelter als in irgendeiner der vorangegangenen Regionen, aber es bleibt trügerisch, da es aus dem Gemütsstoff eines jeden kommt und niemand kann hier der Täuschung völlig entkommen, obschon ein jeder in Fülle seine eigene Himmelswelt genießt, weit und sich ausdehnend oder flach und begrenzt, entsprechend seines eigenen Gemütsstoffes, aber dennoch bewahrt jeder inmitten der umliegenden Illusion einen Sinn für die Wirklichkeit in sich.

Ein Heiligtum von besonderem Interesse in der mentalen Welt ist Dev Lok, die Stätte der Devas oder Strahlenden – hocherleuchtete Menschen ihrer Zeit und weit fortgeschritten in ihren Forschungen. Hier befinden sich die Svargas und Baikunths der Hindus, das Sukh Vati der Buddhisten, die Himmel der Zoroaster-Anhänger und der Christen, die Arshas der weniger materialisierten Moslems und die überirdischen Paradiese oder Orte der Freude bei den späteren Juden. Hier liegt der Garten Eden, aus dem der Mensch wegen seiner ersten Unfolgsamkeit Seiner Gebote von Gott vertrieben und ausgegrenzt wurde. 

John Milton (1608–1674), ein großer Dichter und Genius seiner Zeit und ein tiefgründiger politischer und spiritueller Denker, hat in seinen unsterblichen Klassikern 'Das verlorene Paradies' und 'Das wiedergewonnene Paradies' eine wunderbare Darstellung vom Sündenfall des Menschen gegeben, von seiner Auferstehung und Heimkehr zu Ihm durch die Fürsprache des Menschensohnes.

Ohne sich durch die Schriften der verschiedenen Religionen hindurchzuarbeiten, die sich mit der Existenz des Menschen nach dem Tode in den verschiedenen Bereichen befassen, sollten wir uns noch einmal auf Brahma Vidya oder die göttliche Weisheit beziehen, die von den Griechen richtig als Theosophia bezeichnet wurde und die eine adäquate Philosophie bietet, welche in ihrem Schoß die Weisheit des Ostens und des Westens umfasst.

Wenn wir uns wieder der großen Okkultistin Mrs. Annie Besant zuwenden, finden wir die mentale Ebene von menschlichen Wesen bewohnt, nachdem sie ihre physischen und astralen Gewänder abgelegt haben. Von den selbstischen animalischen Leidenschaften gereinigt, tritt jeder in diese Region ein, um den Ertrag seiner guten Taten zu ernten, wie diese auch immer sein mögen, groß oder unbedeutend, entsprechend dem Ausmaß an guten Gedanken, persönlichen Bestrebungen und Ambitionen, Hoffnungen und Ängsten, Zuwendungen und Interessen.

Wir können nicht mehr haben, als wir sind, und unsere Ernte entspricht unserer Aussaat. Irret euch nicht; Gott lässt Sich nicht spotten; denn was der Mensch säet, das wird er ernten.

Galater 6:7

Es ist ein Universum des guten Gesetzes, das gnädig gerecht ist und jedem den genauen Lohn oder die Belohnung für seine Arbeit auf Erden zuführt. Alles, woran man denkt, jedes Bestreben, das zu Kraft verarbeitet wird, frustrierte Bemühungen, die in Fähigkeiten umgewandelt werden, Anstrengungen und Niederlagen, die zu Pfeilern der Stärke und Kraft werden, Sorgen und Irrtümer, die zu einer glänzenden Rüstung geschmiedet werden; finden nun Erfüllung in einer der sieben Unterebenen oder Himmel in dem Land der Mitternachtssonne, wo das erwachende Selbstbewusstsein einem seine Umgebung außerhalb seiner selbst voll bewusstmacht; mit einer Erinnerung, welche sich in die bisher unbekannte Vergangenheit ausweitet, welche die Ursachen ans Licht bringt, die sein Leben auf Erden formten, und die Ursachen, die von ihm ebenso für die weite Zukunft geschaffen wurden. Die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft zeigen ihm nun ein ganzheitliches Bild des Lebens auf, wie ein offenes Buch, in dem nichts zu verbergen und vorzuenthalten ist. Hier entwickelt er für sich selbst ein alles sehendes Auge und wird im wahrsten Sinne des Wortes zu einem vollkommenen Seher, soweit es ihn selbst betrifft.

In dieser Himmelswelt ist der niedrigste Teil für die am wenigsten entwickelten Seelen mit aufrichtiger und selbstloser Liebe für ihre Familien und Freunde, einer Bewunderung für noblere, reinere und bessere Menschen als sie selbst bestimmt. Das Ausmaß ihres Lohnes ist entsprechend begrenzt und flach, das Gefäß ihrer Empfänglichkeit ist klein; aber dennoch sprudelt es bis zum Rand über vor Freude, Reinheit und Harmonie; und sie werden nach einer Weile mit besseren Kräften und Fähigkeiten auf dieser Ebene wiedergeboren.

Als Nächstes kommen Männer und Frauen von religiöser Gläubigkeit, die mit Herz und Gemüt Gott zugewandt sind – dem persönlichen Gott ihrer eigenen Wahl, jeglichen Namens und jeglicher Form, an den sie glaubten, und der Namenlose und Formlose erscheint ihnen in der besagten Gestalt, in der sie Ihn liebevoll verehrten, und überschüttet sie mit ergebener Verzückung, entsprechend ihrem mentalen und emotionalen Aufnahmevermögen. Das Göttliche kleidet Sich Selbst in die Form, die Seinem Ergebenen vertraut ist. Es ist wirklich seltsam, dass die Menschen vergessen, dass alle Gottheiten in der menschlichen Brust wohnen. Wir brauchen uns nur nach innen zu wenden, um einen Blick des Formlosen in eben jener Form, in der wir Ihn am meisten verehren, zu erhaschen.

Es heißt daher:

Formlos ist Er und doch sind alle Formen die Seinen; namenlos ist Er und doch sind alle Namen die Seinen; nennt Ihn, wie immer ihr wünscht; und Er wendet Sich euch zu.

Zur dritten Ebene kommen ergebene und aufrichtige Seelen, die Gott im Menschen sehen und Ihm dienen und Ihn in Seiner geoffenbarten Schöpfung verehren. An diesem Ort werden sie zu großen Philanthropen von noch ungeborenen Zeiten vervollkommnet und mit einer mächtigen Kraft selbstloser Liebe für die Menschheit ausgestattet.

Die Seelen überragender Geister der schönen Künste, wie Musik, Bildhauerei und Malerei; die Erforscher und Entdecker der Naturgesetze; eifrige und ehrfurchtsvolle Gelehrte, die in die Tiefen des Wissens eindringen, erhalten in der vierten Unterebene eine Gelegenheit, sich zu vollkommenen Lehrern für die Menschheit in kommenden Zeiten zu entwickeln; und wenn sie kommen, dienen sie als Fackelträger, und hinterlassen ihre Fußspuren im Sande der Zeit.

Als nächstes gibt es drei hohe Regionen formloser Himmel. Eine große Zahl von Seelen erreichen nur die untersten Bereiche, wo sie lediglich einen kurzen Aufenthalt und einen Gedankenblitz haben, entsprechend ihrer Aussaat und dann kommen sie in die irdische Ebene zurück, wo sie in das große Unbekannte eintauchen.

Doch Seelen mit tiefer Denkart und nobler Lebensweise erkennen die Wahrheiten genau und sofort, sehen die fundamentalen Ursachen und die zugrundeliegenden Einheiten und erfahren von dem unveränderlichen Arbeiten des Göttlichen Gesetzes in aller Harmonie, inmitten der widersprüchlichsten Auswirkungen, wie es dem ungeschulten Auge erscheint – und wo 'obwohl sich alle Dinge unterscheiden, alle übereinstimmen' (Alexander Pope).

Fortgeschrittenere Seelen mit einem vollkommenen und lückenlosen Gedächtnis finden ihren Weg zur sechsten Unterebene, und nachdem sie die Reichtümer des göttlichen Gemüts – Brahmand – gesammelt haben, kehren sie als große Pioniere der Menschheit zurück, um die Wege Gottes für die Menschen auszurichten und um Gott zu preisen. Die mächtigen Toten der vergangenen Zeitalter erhalten hier einen Vorgeschmack des glorreichen Lebens, indem sie das Arbeiten des Willens Brahmans in seiner Fülle sehen und bezeugen, wobei kein Glied in der Kette der Kausalität fehlt.

In die höchste Unterebene kommen die Seelen der Meister des Brahma Vidya und ihre Initiierten – Brahmacharis –, denn niemand außer einem Initiierten kann die enge Pforte und den schmalen Weg, der zum Leben führet, finden; und so treten die wenigen Auserwählten in das Land und Leben von Brahman ein. Sie erfreuen sich dort in höchstem Maße ihrer Selbstbewusstheit, sind aber noch nicht mit kosmischem Bewusstsein ausgestattet.

Am Ende gibt Mrs. Annie Besant folgende Zusammenfassung:

Dies ist ein Abriss der 'sieben Himmel', in deren einen oder anderen die Menschen nach der 'Umwandlung, welche die Menschen Tod nennen', zu gegebener Zeit gehen. Denn der Tod ist nur eine Umwandlung, die der Seele eine teilweise Befreiung gibt, indem sie sie von ihren schwersten Ketten freilässt. Er ist nur eine Geburt in ein umfangreicheres Leben, eine Rückkehr nach kurzer Verbannung auf Erden in die wahre Heimat der Seele (Heimat des Universalen Gemüts), indem sie aus einem Gefängnis in die Freiheit der höheren Atmosphäre gelangt. Der Tod ist die größte der Täuschungen der Welt; es gibt keinen Tod, sondern nur Veränderungen in den Lebensbedingungen. Das Leben ist fortdauernd, ununterbrochen, unzerstörbar; 'ungeboren, ewig, uralt und beständig', es endet nicht mit dem Verenden der Körper, die es bekleiden. Wir könnten genauso gut denken, dass der Himmel herabfiele, wenn ein Gefäß zerbricht, wenn wir uns vorstellen, dass die Seele zugrunde geht, wenn der Körper zerfällt.