Die verlorenen Seelen, im Einzelnen rufend

Ahoi, ich bin ein Seemann auf großer Fahrt. Ein Seemann im Ozean der Welt.

Ich sah all die Ungeheuer und Geschöpfe der Tiefsee. Sturm und Drangsal waren immer präsent. Aug in Aug sah ich sie alle.

Viele Jahrzehnte fuhr mein Schiff, von Ost nach West, Nord nach Süd. Meinen Lotsen habe ich nie gesehen, so manch eine Wunde trug ich davon.

Mutter, Vater, Frau und Kind ließ ich zurück, selbstsüchtig und alleine trieb ich mit dem Schiff des Lebens.

Ahoi, ich bin ein Seemann auf großer Fahrt.

Meine Heuer hab ich nie gesehen. Zahltag war immer nur Betrug. Der Reeder des Frachters war die Zeit. Freud und Leid, sagte man mir, sei Heuer genug!

Der Seelenfänger liegt nun auf Reede, den Frachter verlassend bleibt mir nicht viel. Liebe, Freundschaft und Achtung waren mein Gepäck, im Seesack verschlossen blieben sie an Deck.

Der Reeder grinst, die Sanduhr ist leer.

Ahoi, ich war ein Seemann auf großer Fahrt!

Bhai Jamal

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Verfasst für Ralf.

Veranschaulichung:

Die verlorenen Seelen, im Einzelnen rufend: Siehe auch das Unterkapitel '5. Kal fängt die Jivas', insbesondere den Abschnitt 'Woran ihr verhaftet seid – dort werdet ihr hingehen'.

Im Ozean der Welt: Kal Desh.

Ungeheuer und Geschöpfe der Tiefsee: 8 400 000 Geburten und Lebensformen.

Mein Schiff: Der Körper ist das Schiff, mit dem man auf dem Ozean des Lebens fährt. Er gehört Kal. Doch als Seele muss man das Schiff des Satgurus besteigen, denn dann realisiert man, dass man nur der Bewohner des Körpers ist.

Kirpal Singh sagte:

[…] Wir sind der Bewohner des menschlichen Körpers, haben uns aber so sehr mit ihm identifiziert, dass wir so wurden, als seien wir der Körper selbst. […]

Morgengespräche (Übersetzung aus der
englischsprachigen Erstedition, 1970) –
XIII. Lerne zu sterben, damit du zu leben beginnen kannst,
von Kirpal Singh, 1894–1974

Sobald sie des Satgurus Schiff besteigt, ist die Seele aus dem Ozean des Lebens befreit und der Satguru ist ihr sicherer Führer. (Siehe auch den englischsprachigen Satsang 'Sail on the Satguru’s Ship', von Kirpal Singh, 1894–1974.)

Meinen Lotsen: Guru Dev.

Selbstsüchtig und alleine: Der Verantwortung gegenüber unseren von Gott auferlegten Verpflichtungen selbst entzogen.

Meine Heuer hab ich nie gesehen: Fortschritt der Seele.

Zahltag war immer nur Betrug: Hiermit sind die religiösen Rituale und Yogapraktiken gemeint, die von Kal erschaffen wurden, ferner das Streben nach weltlichen Freuden, Anerkennung und Reichtum. All dies führt zur Vergeudung des Spirituellen Schatzes im Menschen.

Der Reeder […] war die Zeit: Kal, Negative Kraft.

Freud und Leid: Karmische Bindung – das Ernten guter und schlechter Früchte der Handlungen.

Liegt nun auf Reede: Die Erschöpfung der Seele durch die Befriedigung der weltlichen Freuden und Wünsche.

Bleibt mir nicht viel: Erkenntnis, die die Abkehr von der Welt einleitet, Bankrott-Erklärung der Seele.

Liebe, Freundschaft und Achtung: Tugenden und gute Eigenschaften.

Der Reeder grinst: Kal speist durch den Verlust der Tugenden das Rad der drei Welten, Pind, And und Brahmand.

Die Sanduhr ist leer: Die Zeitspanne des Lebens, um die Wahrheit zu erfassen und anzuerkennen, ist vorbei. Die menschliche Geburt ist sinnlos vergeudet, der Gang in die unteren Lebensformen ist ohne Naam unabänderlich.