Das Geburtsrecht, Gott zu sein

III

Wenn die Meister kommen, geben Sie uns die Lehre vom universellen Standpunkt aus. Sie betrachten alle als Kinder Gottes, als Brüder und Schwestern in Gott, denn alle werden von jener Höchsten Kraft erhalten und kontrolliert. Das ist unsere wahre Situation. Es ist ein Segen, in der Religion zu bleiben, der ihr angehört, doch wenn ihr eure verlorene Göttlichkeit nicht wieder erlangt, bedeutet es, dass ihr immer noch gebunden seid. Zu diesem Zweck sagen uns die Meister, was wir tun sollen.

Es gibt in den Hindu-Schriften eine Geschichte von einem sehr gelehrten Pandit oder Hindu-Priester. Er war Minister eines Königs namens Prikshat. Jeden Morgen las er am Hof aus den Schriften vor. Darin steht, dass diejenigen, welche die Schriften hören und danach handeln, befreit werden. Befreiung (Erlösung) erlangt man nicht nach dem Tod, sondern man muss sie während des Lebens erlangen. Viele Male wurden diese Schriften also vorgelesen, Tag für Tag, Monat für Monat. Eines Tages dachte König Prikshat: „In den Schriften habe ich gelesen, dass wer auch immer diese Schriften hört, ein für alle Mal befreit ist. Ich aber bin gebunden.

Das Gemüt ist wie ein gerechter Richter, es sagt euch, warum ihr gebunden seid. Wenn ihr ihm erlaubt, darüber nachzudenken, ist es ganz wahr (zu euch).

Er sagte zu dem Priester: „Schau her, ich habe diese Schriften so oft gehört. Noch einmal gebe ich dir die Chance, die ganzen Schriften von Anfang bis Ende durchzulesen, und wenn ich danach nicht befreit bin, werde ich dich töten lassen!“

Was geschah? In sieben Tagen waren die ganzen Schriften vorgelesen worden und am letzten Tag kam der Priester nach Hause und legte sich in Verzweiflung nieder: „Morgen ist mein Todestag!“

Seine Tochter war sehr weise. Sie fragte ihren Vater: „Warum bist du so traurig?“ „Ach, meine liebe Tochter, morgen werde ich hingerichtet!“ – „Warum?“ – „Weil in den Schriften steht: Wer auch immer diese Schriften liest und sie befolgt, wird befreit. Doch ich weiß, dass weder der König noch ich frei bin. Ach, morgen werde ich hingerichtet, es gibt kein Entkommen!“

Seine Tochter sagte zu ihm: „Gut, ich werde morgen früh zum König gehen und ihm eine Frage stellen.“

Sie ging am nächsten morgen zum König und er fragte sie: „Warum bist du gekommen?“ Die Tochter sagte. „Ich bin gekommen, um euch Antwort auf die Fragen zu geben, die ihr meinem Vater gestellt habt!“ – „Was ist die Antwort?! – „Hier kann ich sie euch nicht geben. Lasst uns in die Wildnis gehen, ganz allein, Ihr und ich!“

Und sie ließ auch ihren Vater holen und nahm zwei Seile mit. Damit band sie den König an einen Baum und ihren Vater an einen anderen. Beide waren jetzt an einen Baum gefesselt. Sie ging zu ihrem Vater und sagte: „Vater, kannst du bitte den König dort drüben losbinden?“ Er antwortete: „Wie sollte ich, ich bin doch selbst gebunden!“ Dann ging sie zum König: „König, könntet Ihr bitte meinen Vater losbinden?“ – „O du dummes Mädchen, siehst du nicht, dass ich gefesselt bin? Wie kann ein Gefesselter einen anderen befreien?“

Und das war es, was sie damit zeigen wollte, versteht ihr?

So geschieht es tatsächlich: Wir sind an Händen und Füßen durch die nach außen gerichteten Sinne gebunden. Wir wissen nicht, wie wir selbst befreit werden können, wie können wir dann andere befreien? Sich von den Bindungen zu befreien, ist eine praktische Sache. Nur die Schriften zu lesen oder zu hören, ist nicht genug. Es muss jemand da sein, der uns eine Verbindung im Innern gibt und uns praktisch zeigen kann, wie man sich für eine Weile von außen zurückzieht, wie man sich über die Fesseln der nach außen gerichteten Sinne erhebt und wie man das Innere Auge öffnet. Wenn wir es einmal getan haben und durch regelmäßige Übung wieder und wieder tun, werden wir Erfolg haben.

Wenn du nicht gleich erfolgreich bist, versuch es immer wieder von Neuem!

Das also tut der Meister.

Einen Vortrag halten, euch sagen, wie man beten und bestimmte Bräuche und Riten ausführt, kann jeder mit ein wenig Übung: Man kann lernen, wie man sich dabei benimmt, wie man Freude oder Ernst zum Ausdruck bringt – nein, das ist es nicht. Dies hier ist eine Frage der Praxis. Derjenige, Der dieses Wissen und jene Erfahrung hat, ist fähig, sie auch anderen zu geben. Er wird euch eine Erfahrung geben, mit der ihr beginnen könnt, mag es mehr oder weniger sein.

Was möchte Er von uns? Er möchte, dass wir Körper und Gemüt zur Ruhe bringen. Gott kann man nicht mit den nach außen gerichteten Sinnen, dem Intellekt oder den feinstofflichen Lebensenergien, „Prana“ genannt, erkennen. Nur Gleiches kann Gleiches erkennen. Er kann nur von der Seele erkannt werden, wenn sie von den nach außen gehenden Sinnen getrennt und dadurch frei wird. Das ist eine Frage der Praxis. Jetzt leuchtet es uns zwar intellektuell ein, doch wie können wir es praktisch tun? Schriften lesen, Gebete sprechen und Zeremonien abhalten sind Handlungen, die wir mit Hilfe der nach außen gerichteten Sinne tun. Doch das (was hier gesprochen wird) ist etwas, dass erst beginnt, wenn ihr euch über die nach außen gerichteten Sinne erhebt. Ihr könnt es auch nicht mit Hilfe des Gemüts oder Intellekts erlangen, sondern erst, wenn ihr intellektuell still seid. Ihr mögt intellektuell Schlüsse ziehen und zu einem Ergebnis kommen, aber dabei wirkt immer noch das Gemüt durch den Verstand. Wir müssen auch den Verstand zur Ruhe bringen. Dann erhebt sich die Seele und wird frei. Das ist alles, was wir zu tun haben.