Kirpal Singh

Demut

Auszüge aus dem Gurumat Sidhant

Um der Gnade Gottes würdig zu werden, müssen wir unser Herz von falschem Stolz und eitler Einbildung befreien, denn nur ein leeres Gefäß kann gefüllt werden. Wenn wir demütig sind, können Kal und Maya uns nichts anhaben. Allen Heiligen ist Demut eigen, und sie verleiht ihnen Glanz.

Was ist falscher Stolz und Prahlerei? Sich auf eine Tugend etwas einbilden, die wir nicht besitzen oder lediglich als Geschenk bekommen haben, das ist falscher Stolz. Wir haben keinen Anspruch auf Ansehen und Ehre, nur, weil wir einer vornehmen Familie entstammen, die Großes leistete, oder weil unsere Vorfahren in selbstloser Weise Wohltätigkeit geübt haben.

Gedenke stets des wunderbaren Gottes, Durch dessen Gnade du ein schönes Gesicht bekamst. Gedenke Tag und Nacht des Herrn, Durch dessen Gnade du die Menschengestalt erhieltest. Gedenke des Herrn mit Liebe, Durch dessen Gnade du mit einem gesunden Körper beschenkt wurdest.

Adi Granth

Wenn man auf sein Wissen und seine Begabung stolz ist, steht einem dieser Stolz nicht zu. Dem Lehrer hat man es zu verdanken, der einen unterrichtete, und dem Intellekt, den Gott einem gab. Worauf sollte ein Mensch dieser Welt stolz sein? Manche sind stolz auf Reichtum und Besitz. Diese sind jedoch vergänglich wie schwindende Schatten. Manche bilden sich auf ihre Jugend etwas ein; die aber vergeht mit Krankheit und Alter. Dies alles ist dem Wandel unterworfen. Bleibt es dennoch einmal beständig, dann nur für kurze Zeit. Es schwindet dahin wie Blätter, die vom Baum fallen.

Das oben Erwähnte zeigt eindeutig, dass es nicht ratsam ist, auf irdische Annehmlichkeiten stolz zu sein. Halten wir uns die zahllosen Gaben des Herrn und unsere unzähligen Sünden und Fehler vor Augen, so wird deutlich, dass wir nur Bettler an Seiner Tür sind. Überlegen wir uns daher, welche Seiner Gaben wir dankbar anerkennen und was wir dafür tun. Erst, wenn wir erkennen, dass alles was wir an Gutem und Bösem in uns haben, nicht von uns kommt, sondern von Ihm, dann können wir auf nichts mehr stolz sein. Welche Gaben haben wir nicht alle von Gott empfangen? Was haben wir getan, um unsere Dankbarkeit zu zeigen? Wenn diese Gedanken Stolz in uns erwecken, dann ist das unfehlbare Heilmittel dagegen, uns unserer Fehler und unserer Undankbarkeit bewusst zu sein. Der Herr liebt weder Egoismus noch Stolz.

Den Bescheidenen und Demütigen gewährt Er Seine Gnade.

Wasser sammelt sich nicht oben, sondern unten an; Wer sich beugt, der trinkt, der Halsstarrige bleibt durstig.

Kabir

Hochmut kommt vor dem Fall, und ein Hochmütiger nimmt die Tugenden anderer nicht an.

Der Demütige und Bescheidene aber vermag den geistigen Reichtum der spirituell gesinnten Menschen in sich aufzunehmen. Hat man einmal den Pfad gefunden, dann sollte man ihn in aller Demut und mit Beharrlichkeit gehen. Es ist der Gnade Gottes und des Meisters zu verdanken.

Nehmen wir keine demütige und bescheidene Haltung ein, wenn wir eine gute Tat vorhaben, und behalten wir diese Haltung nicht bei, wenn wir die Tat ausführen, und sehen wir es nicht als die Gnade des Herrn und des Meisters an, dass wir sie vollbringen durften, dann wird uns inmitten unseres Frohlockens unser Stolz alles zunichte machen.

Demut ist der Weg zu Gott, Demut und nichts als Demut.

Solange also  jeder guten Tat, die wir vollbringen, nicht Demut vorausgeht, sie begleitet und folgt, reißt Stolz uns jedes gute Werk, zu dem wir uns selbst gratulieren, aus der Hand.

Nur die Ameise kann Zucker aus dem Sand aufsammeln, der Elefant ist dazu nicht in der Lage. So können auch Menschen, die stolz auf ihren Reichtum oder ihre Herkunft sind, keine Tugenden erwerben oder aus Gottes Schöpfung lernen. Nur der Demütige hat diesen Vorteil.

Selbst wenn man viele gute Eigenschaften hat, sollte man ein Leben in Demut führen und die Eigenschaften  als Geschenk Gottes betrachten, denn Gott liebt die Demütigen.

Präge dies deinem Herzen tief ein und lass dich nicht in unnötige Debatten und Besserwisserei ein. Streitgespräche führen zu nichts, sie sind nur Schaumschlägerei. Wer den Herrn sucht, dem liegt nichts an äußerer Schau und Ruhm. Er lebt glücklich im Willen des Herrn, und seine Seelengröße lässt sich an den Werken, die der Herr ihm aufträgt, erahnen.

Wir geben vor, uns den Augen der Öffentlichkeit zu entziehen, und verstecken uns, aber in Wirklichkeit möchten wir gesucht und gefunden werden. Bei Versammlungen setzen wir uns auf eine hintere Bank oder auf einen niedrigen Stuhl, damit man uns nach vorne holt oder auf einem hohen Stuhl einen Platz zuweist.

Wahre Demut stellt sich nie zur Schau und erlaubt sich keine demütigen Worte. Ein wahrhaft Demütiger will nicht nur sich und seine Eigenschaften verbergen, sondern er versucht auch, sich den Blicken der Welt zu entziehen.

Wir sprechen zwar immer von unserer Bedeutungslosigkeit und davon, dass andere besser sind als wir, behaupten das jedoch andere von uns, dann sind wir betrübt, weil wir doch gerade vom Gegenteil überzeugt sind.

Jene aber, die sich innerlich für wirklich gering halten, das sind die geistig Fortgeschrittenen. Es schickt sich daher nicht, falsche Bescheidenheit vorzutäuschen. Bringen wir aber Bescheidenheit zum Ausdruck, dann sollte sie unsere wahre innere Überzeugung sein.

Wir sollten uns nicht erniedrigen, bevor wir nicht Demut und Nichtigkeit bejahen. Wenn wir nicht den aufrichtigen Wunsch nach Demut und Bedeutungslosigkeit haben, sollten wir es auch nicht zum Ausdruck bringen.

Ein wahrhaft Demütiger möchte, dass andere an seiner Stelle sagen, dass er der unbedeutendste und unwichtigste Mensch sei. Wird dies dann tatsächlich von ihm behauptet, dann fühlt er sich nicht gekränkt, sondern ist froh, dass man auch von anderer Seite so über ihn denkt, wie er selbst.

Wahre Demut verlangt nicht, dass wir uns zum Narren machen oder wie Weise aufführen. Stolz ist das Gegenteil von Demut.

Ebenso sind Falschheit, Vortäuschung, Raffinesse, Schein, Heuchelei, Verschlagenheit und weltliche Verworfenheit das Gegenteil von Seelenfrieden und vorbildlichem Lebenswandel.

Wenn Weltkluge, um ihr Ziel zu erreichen, vorbildliches Verhalten gemein und dumm nennen, dann sollte der wahrhaft Demütige  Kritik und Verleumdung heiteren Sinnes ertragen, denn der Anlass zur Verleumdung kommt nicht von ihm, sondern von den anderen.

Manch einer benutzt die Demut als Deckmantel, die inwendigen Gebete aufzugeben, weil er sich für unvollkommen hält und glaubt, er sei ihrer nicht würdig. Einige wollen anderen keinen Rat erteilen, weil sie selbst nicht ganz fehlerfrei sind. Andere möchten ihre Fähigkeiten im Dienst des Herrn deshalb nicht einsetzen, weil sie ihre Schwächen genau kennen und befürchten, dass, wenn sie dienen, sich Stolz einstellen könnte, und dass, während sie anderen ihr Wissen kundtun, sie sich im Feuer  von Stolz und Eitelkeit selbst zu Grunde richten könnten.

Solche Gedanken kommen bei einem wahrhaft Demütigen nicht auf, denn es sind Ausflüchte der Faulen und  Feigen.

Sie wollen einerseits mit ihrer Gesinnung für den Herrn und Seiner Inkarnation, dem Meister, Eindruck schinden, andererseits aber, unter dem Vorwand der Bescheidenheit, sich selbst vor der großen Demut verschließen, mit der Er sie in Seiner Barmherzigkeit segnen will.

Der Höchste und der Meister wünschen, dass wir genauso vollkommen werden, wie Er ist und so Seiner Gnade teilhaftig werden.

Ein Mensch ohne Selbstvertrauen bringt Einwände und Rechtfertigungen dafür vor, dass er seiner Pflicht nicht nachkommt.

Ein Ergebener aber, obwohl er sich für ganz untauglich hält und sehr wohl weiß, dass er ungeeignet ist und nichts vollbringen kann, legt voller Glauben und Vertrauen alles in die Hand des Herrn und Seiner Inkarnation, des Meisters. Er führt die Anweisungen aus, um die ihm vom Meister gegebene Aufgabe zu erfüllen.

Demut bedeutet nicht Schwäche. Sie ist etwas so Gewaltiges, dass alle Mächte der Welt sich vor ihr beugen müssen.

Wer seinen Stolz besiegt hat, hat sich selbst besiegt. Ein Mensch ohne Stolz ist unschlagbar, da hinter seiner Demut die geheime Kraft Gottes wirkt.

Demut ist der Schmuck erhabener Menschen.

Unser Herz sollte zu einem Quell der Liebe für das ganze Universum werden, und wir sollten so viel Demut besitzen, dass, selbst wenn jemand uns Böses zufügt, wir es mit Liebe erwidern.

Wer mit Demut erfüllt ist, kann anderen tatsächlich nicht weh tun. Er ist selbst dem, der ihm unrecht tut, nicht übelgesonnen.

Wahre Demut lässt Liebenswürdigkeit in unserem Herzen entstehen; dann kommen nur freundliche Worte über unsere Lippen. Das Leben wird in jeder Situation köstlich. Allen gegenüber werden wir liebenswürdig und unsere Mitmenschen werden es spüren. Unsere Worte und Taten im großem oder kleinen sind dann voller Demut, und unsere Verwandten und andere werden davon beeinflusst.