V

Im Palast des Padischah

Tage vergingen, und wieder eines Abends sagte das Mädchen scheu und voll Bangen:

Herr, nun ist es – um mich geschehen! Man hat mich beim Padischah verklagt und vieler Schändlichkeiten beschuldigt. Jetzt, Herr, so ist es doch, bin ich verloren?

Aber wieder klang das leise Lachen als Antwort, und die tiefe Stimme sagte mahnend:

Weißt du nicht mehr, dass du beschützt bist? Holde Törin, du bist niemals verloren! Achte auf: Ich schicke dir wieder Dienerinnen und Diener, die dich zum Serail bringen. Du sei ohne Sorge, du glaube mir auch jetzt.

Sie bat leise:

Die Worte, Herr, die wunderbaren Worte …

Er sagte sie, und seine Stimme war nicht ganz so ruhig wie bisher immer. Dann verließ er sie, doch wandte er sich im Hinausgehen noch einmal um, und sein Blick schweifte durch den kleinen Raum, der so viel Glück umschlossen hatte schweifte abschiednehmend umher. Dann war er fort.

Am Morgen kam wieder die schweigsame Dienerin und mit ihr kamen die zwei Sklavinnen.

Das Mädchen wurde gekleidet wie eine Sultana. Weiße Seide stand um sie gleich einer Schutzwehr und leuchtete von kunstvoller Goldstickerei.

Ehe der glitzernde Schleier sie umhüllte, war eine Rosenranke aus Rubinen in ihre dunklen Haare gelegt worden und strahlte durch das zarte Gewebe hindurch.

Wieder lag ein Teppich vor der niederen Tür des Häuschens, wieder stand eine Sänfte bereit, doch dieses Mal war sie von edelster Machart, weiß mit Goldverzierungen.

Das Mädchen aber, ganz eingesponnen in ihren Traum von Glück und Seltsamkeit, achtete nicht darauf, wie zahlreich die Begleitung ihres Zuges war, wie Läufer Warnungen riefen, wie Reiter neben der Sänfte daherzogen. Sie sagte sich die wunderbaren Worte in ihrem Herzen vor, damit keine Angst in ihr aufkäme. Und dann wurde die Sänfte niedergesetzt, die Hand einer Frau öffnete die schmale Tür, – und die erste Dienerin des Serails verneigte sich tief.

Sei die Stunde gesegnet, da dein Fuß, Herrin, den Boden des Harems betritt, und sei jeder Schritt dir Freude und Heil! Komme Herrin, folge mir, ich bitte dich.

Sie gingen weite Gänge entlang, darin nichts zu hören als das Rauschen des schweren Seidengewandes, und gelangten an Vorhänge, die eine Säulenhalle umgaben.

Sieh Herrin,

flüsterte die Dienerin,

die Säulengänge dieses größten Saales sind, alle mit kostbaren Stoffen verhängt. Es geschah aus Ehrfurcht vor dir, Herrin, damit kein Blick dich treffe. Tritt nun ein und gehe dorthin in die Mitte. Hinter jenem Vorhang weit hinten, befindet sich der Padischah, dort an der Seite, auch verdeckt, der elende Ankläger. Du stehe hier Herrin, und sei ohne Scheu.

Die Dienerin ging.

Das Mädchen stand allein in dem hohen großen Saale, und ihre weißen Seidenfalten berührten den lichten Marmorboden, dass ihr war, als stünde sie in klarem Wasser, so leuchtete alles rings und auch sie selbst.

Dann klang von dort her, wo sich der rückwärtige Vorhang befand, eine laute, starke Stimme, der es anzuhören war, dass sie Befehle zu erteilen wusste. Die kalte Stimme sagte:

Rede, Bey, wir hören.

Und nun wurden hinter dem Vorhang in der rückwärtigen Säulenreihe die Worte des Bey hörbar; Hass und Zorn gaben ihm Kraft, und eine Flut von Schmähungen ergoss sich aus seinem Munde, steigend mit jeder Silbe.

Dem Mädchen war es, als Ströme diese Flut wie etwas Beschmutzendes um sie herum, und sie zog die weißen Seidenfalten fest an sich, dass nichts von den Anklagen sie berühre. Eine Weile so, dann klang wieder die befehlende Stimme:

Genug jetzt. Wir haben alles vernommen. Bringt ihn fort. Unruhe entstand hinter dem Vorhang, Waffen klirrten, dann ward es still.

Unsichtbare Hände hoben den Vorhang, hinter dem hervor die befehlende Stimme geklungen hatte, und heraus schritt der Padischah in all seiner Pracht.

Seine seidenen edelsteingeschmückten Schuhe machten seinen Schritt geräuschlos, nur die schwere Seide seiner Gewänder rauschte weich. Er kam auf das Mädchen zu, streckte die Hände aus und sagte mit der leisen Stimme des Derwisch, aus tiefster Bewegung, kaum vernehmbar dem Ohr, wenn auch im Herzen verstanden, sagte:

Du Traum auf meiner Stirne, du Kleinod in meinem Herzen, du Durst auf meinen Lippen, komm, dass ich dich beschütze …

Und die edelsteinbeschwerten langen Ärmel des Padischah schlossen sich um sie, wie es die dunklen des Derwisch getan hatten.

Um diese zwei aber blühte hinfort das wunderbare Märchen des Glücks, hinter dessen Schleier kein Menschenauge schauen und forschen darf.

El hamd üllülah …