Die Wahre Wirklichkeit

VI

Nur durch die Einfalt des Herzens kann man etwas erreichen. Wir können in der Welt nichts gewinnen, seien es ihre Reichtümer oder Name und Ruhm, ohne dafür zielstrebig zu arbeiten. Die Welt ist bereit, euch zu verehren, wenn ihr euch des Selbst in euch würdig erweist. Wir wissen von Nanak und Kabir und lieben Sie um Ihretwillen. Entschuldigt, aber sehr wenige von uns kennen Ihre Abstammung und andere Einzelheiten über Ihre Familien. Während Sie lebten, gaben Sie den Menschen rechtes Verstehen, und man bringt Ihnen bis auf den heutigen Tag große Wertschätzung und Hochachtung entgegen. Wir kämpfen die verlorene Schlacht des Lebens, und Gott allein weiß, wann wir wieder eine Gelegenheit wie diese erhalten:

O Nanak, kümmere dich um den Bedarf deines Körpers, auf dass du die Gotteskraft in dir offenbaren kannst und dich damit beschäftigst, dem Herrn zu lobsingen.

Es ist notwendig, nach dem Körper zu sehen und für ihn zu sorgen, so dass er uns beim Erreichen unseres Ziels von Hilfe ist. Wir sollten auch unsere Rechnungen mit jenen begleichen, die um uns sind. Die Hauptsache ist daher, das Selbst in uns zu erkennen. Tun wir das nicht, ist alles andere nutzlos.

In diesem Zusammenhang sagt Guru Arjan:

Verflucht sind alle unsere Handlungen: die Nahrung, die wir zu uns nehmen, und gleichermaßen die Bequemlichkeit; verflucht ist aller äußere Putz, in den wir unseren Körper hüllen, auch alle Freunde und Verwandten um uns her, so wir durch all das den Herrn nicht erreichen. Denn wenn wir diese goldene Gelegenheit einmal versäumen und sie uns entgehen lassen, sind wir verloren.

Es ist die gleiche alte Geschichte, die uns alle Weisen von Zeit zu Zeit verkündet haben. Aber denkt selbst nach, inwieweit ihr euch geändert habt. Wir hören etwas, aber handeln nicht danach.

Seid Täter […] und nicht Hörer allein,

sagt Jesus.

Wir hören bloß und geben es an andere weiter, übernehmen es aber nicht in unser eigenes Leben. Wir wollen die Welt verbessern, nicht jedoch uns selbst.

Swami Ram Tirath sagte treffend:

Reformer werden gesucht, aber nicht solche, die andere reformieren, sondern sich selbst.

Was würden wir dann erlangen?

Er antwortete:

Die Gottheit.

Guru Nanak unterrichtet uns nun über die traurige Lage des Körpers und wie er in Todespein klagt.

Wehe mir, o Nanak, was für eine Schande, dass sich jetzt niemand um mich kümmert.

Wenn der Herr des Körpers diesen verlässt, was bleibt? Er hat keinerlei Wert mehr, und niemand ist bereit, ihn auch nur für kurze Zeit zu behalten. Alle sind bestrebt, ihn so schnell wie möglich loszuwerden. Er wird im Haus als ein Gräuel empfunden, und solange er da ist, kann man nichts weiter tun. Dies ist also die Klage des armen Körpers, der unbeachtet und vernachlässigt im Elend liegt. Die Mühe des ganzen Lebens ist in einem einzigen Augenblick zunichte gemacht. Alle religiösen Bekenntnisse, alle Gesellschaftsordnungen und jeder weltliche Besitz bleiben zurück.

Man mag die schönsten Pferde haben, ungeheuren Reichtum und die kostbarsten Gewänder. O Nanak, nichts davon wird mit der scheidenden Seele gehen, alles wird zurückgelassen.

Heutzutage haben wir große Limousinen zu unserer Beförderung. Wir wohnen in zentralgeheizten Häusern mit Klimaanlagen. Wir besitzen Brokat und Chiffon, in die wir unseren Körper hüllen. Wir geben uns all diesem Luxus hin, damit wir es schön und bequem haben.

Schließlich brauchen wir etwas, um den Körper zu bekleiden. Doch warum müssen es teure Stoffe sein, was über unsere Mittel geht? Wir können ein einfaches Dach über dem Kopf haben. Jeder möchte das Rennen machen und andere, die in wohlhabenden Verhältnissen leben, übertreffen. Was ist die Folge davon? Man ist gezwungen zu betteln, zu borgen oder zu stehlen. Offen gesagt kann sich ein ehrlicher Mensch nicht alle diese Dinge leisten. Aber er ist genötigt, unehrliche Methoden anzuwenden, um den steigenden Ansprüchen von Frau und Kindern zu genügen. Gelingt ihm das nicht, wird Tag und Nacht an ihm herumgenörgelt.

Wir sind Sklaven der Mode geworden und wechseln mit jedem Windstoß die Richtung wie eine Wetterfahne. Unsere Frauen können viel tun, um den verdienenden Familienmitgliedern zu helfen; je weniger Ansprüche sie stellen, desto geringer ist die Gefahr, dass die Männer vom Weg abkommen, um sich unrechtmäßige Einnahmen zu verschaffen und zu sichern. Man sagt, dass eine Hausfrau allein mit der Spitze ihrer Nadel ein Haus aufbauen oder niederreißen kann. Wenn der Durchschnittsmensch zwei ordentliche Mahlzeiten am Tag bekommt und für die Nacht ein einfaches Dach über dem Kopf hat, ist das genug. Reiche und Arme gehen gleichermaßen mit leeren Händen.

Wir kennen die Geschicke von Krösus, Alexander dem Großen und Mahmud, dem Bilderstürmer. Sie alle waren große Monarchen, jeder auf seine Weise. Was nahmen sie mit sich, als sie die Welt verließen? Nichts. Sie vergossen bittere Tränen der Reue. Obwohl Reue an sich gut ist, kann sie das Geschehene nicht mehr ändern. Folglich ist es immer besser, sein Geld durch ehrliche Mittel zu verdienen, als viel Geld zu erwerben, indem man andere unterdrückt und ihre Rechte mit Füßen tritt.

Kurz gesagt:

Man kann nicht Reichtümer anhäufen, ohne zu unsauberen und unfairen Mitteln zu greifen; aber o weh, am Ende bleibt alles zurück!

Und die arme Seele nimmt, in die alten mentalen Hüllen gekleidet, ihren einsamen Flug allein.

O Mensch, du hast alle Freuden der Welt gekostet! Aber was du nicht gekostet hast, ist das Elixier von Naam, das Süßeste von allem.

In der Welt haben wir früher oder später alles Angenehme gehabt. Alles war in der einen oder anderen Form Freude:

Kandis, Zucker, Sirup, der Honig und die Milch, alle diese Dinge sind wunderbar süß; aber o Herr, keines erreicht die Süße Deines Namens.

Gott ist Licht in Fülle. Auch unsere Seele ist ein Funken dieses Lichts. Wir sind so geschaffen, dass wir keine Ruhe finden, bis wir in Ihm ruhen. Der Teil ist immer rastlos, bis er im Ganzen ruht. Ist eine bewusste Seele abhängig, bewegt sie sich weiterhin auf dem Rad des Lebens auf und ab. Nur die unabhängige, vollkommen Erwachte Seele kann das Meer des Bewusstseins erreichen. Von Körper und Gemüt beeinflusst, haben wir unsere Umgebung verschönert, nicht aber den innewohnenden Geist. Sorgt euch so viel wie möglich um das Haus, aber vergesst nicht den Bewohner des Hauses. Er braucht ebenfalls Nahrung und Aufmerksamkeit, genau wie der Körper. Der Geist, der von Gott ist, muss durch die Kraft und den Geist Gottes (das Heilige Wort oder Naam) gespeist werden.

Dies alles hat man auch als Familienvater zu tun. Ein echter Reiter ist, wer sicher im Sattel sitzt, die Füße fest in beiden Steigbügeln. Es besteht keine Notwendigkeit, Heim und Herd zu verlassen und in die Einöde zu gehen. Ein Schiff segelt auf der Oberfläche des Wassers gleichmäßig dahin, nicht auf trockenem Land. Man muss mit der Gotteskraft in Verbindung kommen, während man im Körper und in der Welt ist, nicht anders. Ich sage euch dies alles aus eigener Erfahrung. Selbst wenn einer in die Einsamkeit geht, verfolgen ihn noch die Probleme des Lebens. Für seinen bloßen Unterhalt ist er von anderen abhängig. Die Erinnerungen an seine Familie und die Kinder lassen ihn die ganze Zeit nicht los. Auch hier wird man verhaftet an Bäume, entwickelt eine Verwandtschaft zu den Wäldern und Tieren mit seidigem Fell, wie dem gesprenkelten Wild, oder zu Milchvieh wie Ziegen und Kühen. So hat es nicht viel Sinn, das Haus unter dem Druck der Umstände oder aus anderen Gründen zu verlassen, wenn nicht eine wirkliche, innere Loslösung (Vairagya) da ist. Einer, der inmitten der Welt und weltlicher Betriebsamkeit lebt, kann doch losgelöst sein, wenn er rechtes Verstehen entfaltet.

Nehmt zum Beispiel den Fall von Raja Janaka. Er war ein Raj Rishi (ein königlicher Weiser), den der Glanz seines Hofes unberührt ließ und der gut und weise regierte. Es kommt also auf die Änderung des Blickwinkels an. Man kann leben, wo man will, und seinem gewohnten Beruf oder seiner Beschäftigung auf rechtschaffene und ehrliche Weise weiterhin nachgehen, aber gleichzeitig innerlich erwachen, was einen automatisch von allen Gedanken an seine Umgebung freimacht.

Und wie vorher gesagt, kommt dieses innere Erwachen durch die Gnade eines Heiligen, Der das Personifizierte Wort ist und Es in uns offenbart:

O ihr, nehmt es als sicher an, bar des geringsten Zweifels, dass ohne den aktiven Beistand und die Führung eines Vollendeten Meisters niemand aus dem gewaltigen Irrgarten der Welt herauskommen kann.

Die Notwendigkeit des Gurus ist ein Muss, wenn man das Meer des Lebens überqueren will. Selbst einem Entsagenden gelingt es nicht ohne einen Guru. Das Gleiche gilt für einen Familienvater. Aber dieser braucht einen Guru, Der selbst einen Hausstand hatte. Warum? Ein Guru, der nie die Wechselfälle des Lebens erfahren hat, kann kaum die Schwierigkeiten weltlicher Gottsucher verstehen. Wer in der Welt gelebt und Sich über sie erhoben hat, ist imstande, uns die richtige Führung zu Gott zu geben. Er sagt uns, dass es für alle Hoffnung gibt, selbst für die schlimmsten Sünder. Jeder Heilige, sagt Er, hatte Seine Vergangenheit. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Die Dinge können durch tägliche Praxis verbessert und geändert werden, auch während man in der Familie lebt.