Das Leben von Guru Amar Das

IV

Durch die Gnade Gottes können wir einen Meister finden, Der uns in den Dienst des Surat Shabd Yoga stellt.

Rag Magh M3

Guru Amar Das ging nun wieder auf Pilgerfahrt zu den verschiedenen heiligen Plätzen; doch nicht mehr als Suchender, sondern als der Eine, Der der Welt die Erleuchtung bringt.

Ihr habt den menschlichen Körper erhalten – der der höchste in der ganzen Schöpfung ist; erntet nun den rechten Gewinn eures Lebens: Erkennt euch selbst und erkennt Gott. Das vermögt ihr zu den Füßen eines Meisters, Der euch die Initiation gibt, mit der ihr beginnen könnt; Er zeigt euch, wie man den Körper verlässt und gibt euch eine Verbindung mit dem Göttlichen Wort im Innern. Es gibt einen kostbaren, verborgenen Schatz der Gottheit, der die ganze Schöpfung durchdringt – der in euch und überall ist. Eine Verbindung damit und eine kleine Kostprobe dieses lieblichen Elixiers ließe euer Gemüt die sinnlichen Freuden gänzlich vergessen. Dieses Elixier wird Naam genannt.1

Er begegnete den Wahrheitssuchern mit dem tiefen Verständnis eines Menschen, Der all die vorgeschriebenen Wege der Gottverehrung Selbst mit aller Aufrichtigkeit durchschritten hatte und ermutigte sie auf jede Weise, nach der Wahrheit zu suchen. 

Wenn jenen, die in äußerliche Verehrung vertieft waren, der Weg zum Ziel zu weit erschien, dann ließ Er sie wissen, dass es für alle Hoffnung gibt: 

Einst war ich wie ihr – dem Gemüt und den Sinnen unterworfen – und bin es nun nicht mehr. Mit Seiner Gnade habe ich mich über diese Dinge erhoben. Durch den Guru kommt die Gnade Gottes zu uns herab. Er zog mich aus dem Abgrund des sinnlichen Verderbens heraus.

Er ließ die Menschen wissen, dass das, was ein Mensch getan hatte – was Er Selbst vollbracht hatte – ein anderer genauso gut vermag, natürlich mit der rechten Hilfe und Führung.

Weiterhin sagte Er ihnen, dass es des Menschen Geburtsrecht ist, Gott zu erfahren; und dass man erkennt, wie diese Kraft das ganze Universum überwacht, wenn man während des Lebens zu sterben lernt. Aber wenn man diese Erfahrung nicht selbst erlangt, dann hat man keinen wirklichen Gewinn von all dem Lernen und Üben und bleibt weiter in der Dunkelheit. 

Wer Gott rühmt, ohne Ihn zu sehen, der ist blind… er ist wie ein Blinder, der zum Ruhme der Sonne singt.

Guru Amar DasAls Er eine Gruppe von Männern traf, mit denen Er einst auf Pilgerfahrt war, gab Er ihnen einen Flaschenkürbis mit und bat sie, ihn in jeden der heiligen Flüsse zu tauchen. Als sie von ihrer langen Pilgerfahrt zurückkehrten, brachten sie Amar Das den Kürbis zurück, Der ihn zerteilte und jedem ein Stück reichte. Als sie hineinbissen und über den bitteren Geschmack klagten, erklärte ihnen der Meister, dass das Baden in den heiligen Flüssen wohl nichts bewirkt habe. Das treffe auch auf den menschlichen Geist zu: Wie könne er durch bloße äußere Reinigung seine Bitterkeit verlieren und Gottes Süße gewinnen?

Die Heiligen, die unsere Seele so geduldig und liebevoll den Weg zu Gott geleiten, werden im Angesicht eines wirklich liebenden Schülers hilflos. 

Bibi Bani war die Tochter von Guru Amar Das und eine Seiner größten Ergebenen. Als der Meister einmal in Meditation auf dem Bett saß, bewahrte sie es die ganze Nacht vor dem Umfallen, um Ihn nicht in der Meditation zu stören; ein Bein des Bettes war gebrochen, und sie hielt es fest, ohne sich um einen Nagel zu kümmern, der ihre Hand verletze. Als Er sah, was sie getan hatte, wollte ihr der Meister dafür eine Gunst erweisen; doch sie sagte, dass sie nichts weiter wolle, als dem Meister zu dienen. Der Guru bestand darauf, ihr eine Gunst zu erweisen, und schließlich bat sie, dass das Amt des Gurus in ihrer Familie bleiben sollte. 

Der Meister versicherte ihr, dass dies geschehen würde, doch als Er das sagte, wurde Sein Gesicht sehr ernst: 

Du wirst einem Großen Erlöser (Guru Arjan) das Leben schenken, doch der klare Quell der Meisterschaft wird sich trüben und großes Leid mit sich bringen.

Es heißt, dass dies die Hinrichtung des fünften Gurus und des neunten Gurus zur Folge hatte und der sechste und der zehnte Guru dadurch zu Kriegern wurden.

Als Amar Das glaubte, es sei nun Zeit, einen Nachfolger zu benennen, unterwarf Er Seine Schüler einer Prüfung. Er hieß sie, kleine Plattformen zu bauen. Es schien eine recht einfache Aufgabe zu sein und war in kurzer Zeit geschehen. Doch als sie der Guru besah, entsprachen sie nicht Seinen Wünschen, und Er bat, sie erneut zu errichten. Als sie fertig waren, verlangte Er, sie an einer anderen Stelle nochmals zu erbauen. Wieder und wieder wurden die Plattformen errichtet und zerstört. Und nach und nach gaben alle Schüler die Arbeit auf, bis nur noch einer blieb. Sie verspotteten ihn, weil er den Anweisungen eines alten Mannes gehorchte, Der durch Sein hohes Alter wohl den Verstand verloren hatte. 

Jetha Ji, der einzige, der noch weiterarbeitete, blickte sie mit Tränen in den Augen an und entgegnete: 

Der Meister ist alle Weisheit und alle Bewusstheit – wenn Er mir befehlen würde, das ganze Leben diese Plattformen zu bauen und zu zerstören, hätte ich nur den einen Wunsch, Seinem Gebot zu gehorchen.

Da umarmte Amar Das Jetha Ji, Seinen geliebten Diener – der nun wieder Ram Das genannt wurde – und sagte ihm, dass er allein bereit sei, das Werk des Meisters fortzuführen.

O meine Augen, der Herr hat euch Licht gegeben – so blickt auf Ihn ohne Unterlass. Die ganze Welt, die ihr erblickt, ist nichts als Seine Widerspiegelung. Als ich durch die Gnade des Gurus das rechte Verstehen erwarb, sah ich nur den Einen Gott und keinen neben Ihm. Nanak sagte: Diese Augen waren blind, doch die Begegnung mit dem Satguru zeigte ihnen das Göttliche Licht.

Rag Ramkali M3

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Erläuterung: 1) Worte von Guru Amar Das, wie sie Kirpal Singh 1955 in Washington wiedergab.