Das Leben von Guru Teg Bahadur

III

Des Gurus Liebe und Barmherzigkeit können sich alle erfreuen. Ich will niemanden beunruhigen. Unter der Weisung Guru Nanaks werde ich dafür Sorge tragen, dass der Wahre Name (Sat Naam) in der ganzen Welt wiederholt wird.

Teg Bahadur begann zu reisen, um den Bitten derer zu entsprechen, die vom Mysterium des Lebens und des Todes ergriffen waren. Doch beinahe überall, wo Er hinkam, stieß Er auf Feindseligkeit. Aber Er blieb gelassen im Göttlichen Willen verankert, gewährte in Ruhe Seine spirituellen Gaben den wenigen Suchern und setzte dann Seinen Weg fort. Während dieser Reisen erfuhr Er, dass Seine Anhänger den von Dhir Mal gestohlenen Granth Sahib zurückbehalten hatten. Voller Missfallen ordnete Er an, dass Er zurückgegeben werden müsse.

Obwohl sich die Schüler darauf beriefen, dass der Granth rechtmäßig dem Meister gehöre, da Dhir Mal ihn durch seinen unrechtmäßigen Anspruch auf die Guruschaft erworben hatte, ließ Teg Bahadur dies nicht gelten:

„Wenn er ihn durch Betrug erlangt hat, wie ihr sagt, dann habt ihr ihn jetzt durch Diebstahl bekommen, was euer Tun nicht besser macht. Mag er auch heilig oder von historischem Wert sein, so wurde er doch gestohlen und muss zurückgegeben werden. Wir haben andere Exemplare des Granth Sahib, die unseren Bedürfnissen dienen werden. Es besteht kein Grund, einen Kult daraus zu machen oder diese spezielle Ausgabe zu vergöttern.“

Sie wurde ans Ufer des Beas-Flusses gebracht und Dhir Mal entsprechend unterrichtet. Kurz danach fand er sie und bewahrte sie künftig in seiner Familie auf.

Teg Bahadur kam durch viele Dörfer und freute sich über die einfachen und unschuldigen Landleute, die ihr Herz in so tiefer Ergebenheit hingaben. Doch als Er Amritsar erreichte, fand Er einen ganz anderen Schauplatz vor. Guru Har Gobind hatte Seinen Wohnort von Amritsar nach Kirtapur verlegt, und zu der Zeit waren auch die meisten Schüler von dort weggegangen. Der Goldene Tempel gelangte in die Hände von Menschen, die Reichtum und Macht suchten, und als ihn Teg Bahadur betreten wollte, wurden die Türen vor Seinen Augen verschlossen und verriegelt. Einige Schüler wollten den Eintritt mit Gewalt erzwingen, aber der Meister erlaubte das nicht und setzte Sich einige Stunden ruhig unter einen Baum. Da die Priester einen mächtigen Einfluss hatten, wagten die Bewohner des Gebiets nichts zu unternehmen.

Schließlich kam eine Frau aus einem nahe gelegenen Dorf und bot dem Meister, indem sie sich vor Ihm verneigte, ihr einfaches Heim an. Daraufhin kamen auch die anderen Frauen heraus und hießen den Meister willkommen. Erst als die Männer von Amritsar durch die Liebe und den Mut der Frauen beschämt waren, kamen sie herbei und entschuldigten sich bei dem Meister. Von Amritsar wandte sich Teg Bahadur nach Kirtapur, und von dort begab Er Sich zu einem Landflecken, der einige Meilen entfernt war, wo Er mit dem Aufbau der Stadt Anandpur begann. Dhir Mal verfolgte den Meister weiterhin, aber Dieser setzte Seine Reisen fort. Wo immer sich fromme und aufrichtige Herzen fanden, erschien Er, um Seine Segnungen zu geben. Und den Herzen, die von weltlichem Verlangen geplagt wurden, gab Er Ruhe im kühlenden Licht von Naam.

Teg Bahadurs wachsender Einfluss kam schließlich dem Kaiser zu Ohren. Da Aurangzeb die Macht des Meisters fürchtete, ordnete er Seine Festnahme an. Glücklicherweise schritt ein Rajput-General, Ram Singh, für den Meister ein, und der Befehl wurde fürs Erste aufgehoben. Sein guter Dienst wurde ihm schon bald vergolten. Der Kaiser befahl Ram Singh, eine Armee gegen den gefürchteten König von Kamrup anzuführen. Schon früher hatten sich viele Expeditionen auf den Weg gemacht, aber keine war zurückgekehrt, und das Land hatte einen mysteriösen und Furcht erregenden Ruf erlangt. So suchte Ram Singh verzweifelt die Hilfe des Meisters. Teg Bahadur begleitete den General auf seinem Feldzug, und wenngleich Er es ablehnte, eine der beiden Seiten aktiv zu unterstützen, gelang es Ihm schließlich, die militärische Auseinandersetzung friedlich beizulegen.

Zu der Zeit bekam die Frau des Meisters in Patna einen Sohn, Gobind Rai. Doch erst drei Jahre später konnte Er zu Seiner Familie zurückkehren und Sein Kind zum ersten Mal sehen. Doch auch jetzt blieb Er nur kurze Zeit. Nachdem Er die nötigen Vorkehrungen für das Wohlergehen und die Erziehung des Kindes getroffen hatte, nahm der Meister Seine Reisen wieder auf, die Ihn durch den Punjab nach Kaschmir führten und von dort über Anandpur und Agra.

Wo immer Er hinkam, begegnete Ihm Terror: Die religiöse Unterdrückung nahm wieder zu, und Aurangzeb drohte allen mit der Hinrichtung, die es ablehnten, sich zum Islam zu bekehren. Unschuldige Menschen wurden eingesperrt. Die Schwächeren oder jene, denen der Hinduismus wenig bieten konnte (Angehörige der niedrigen Hindukaste), retteten ihr Leben, indem sie ihre Religion wechselten. Aber viele andere zogen den Tod einer Aufgabe ihres Glaubens vor. Der Kaiser wandte nun seine Aufmerksamkeit der Bekehrung der Brahmanen zu, denn wenn ihm dies gelänge, würden andere leichter ihrem Beispiel folgen. Die Brahmanen waren verzweifelt; es fanden geheime Treffen statt, in der Hoffnung, einen Weg aus dieser gräßlichen Notlage zu finden. In Amarnath, einem heiligen Ort in Kaschmir, fand sich eine kleine Gruppe Brahmanen zusammen, um die Gnade von Lord Shiva zu erflehen. Hier hatte einer der Pandits eine Vision: Lord Shiva erschien ihm und zeigte ihm den Weg zu dem Lebenden Meister, Guru Teg Bahadur. Indem er eine Gruppe von fünfhundert Pandits mit sich nahm, ging dieser Brahmane, Kirpal Ram, nach Anandpur.

Als er mit Tränen in den Augen vor dem Göttlichen Meister stand, bat er um Seine Barmherzigkeit:

Unsere heiligen Bücher werden verbrannt, unsere Schreine entweiht, und nun ist unser Leben bedroht, wenn wir uns nicht zum Islam bekehren. In unserer äußersten Hilflosigkeit wenden wir uns an Euch.

Das Haus Guru Nanaks, 

antwortete der Meister, 

hat immer die fundamentalen Glaubensrechte der Menschen unterstützt. Ihr mögt nun unbekümmert sein, denn ich werde nicht ruhen, bis etwas in dieser Sache getan ist.

Für eine Weile saß Teg Bahadur alleine da, Seine Augen waren voller Mitleid, als Er über das Leid Seiner Mitmenschen nachdachte. Gerade in diesem Moment betrat Gobind Rai den Raum. Durch den sorgenvollen Blick in seines Vaters Antlitz bewegt, berührte er Seine Füße und fragte Ihn, was es sei, das so schwer auf Ihm laste.

Teg Bahadur erzählte ihm von der Bitte der Brahmanen und fügte hinzu:

Ein tapferer und Gottesfürchtiger Mensch muss bereit sein, selbst sein Leben für diese Sache zu opfern.

Spontan erwiderte das fromme Kind: 

Wen gibt es, der größer wäre als Du, Vater, und wer ist Gottesfürchtiger und mutiger? Wer in diesem dunklen Zeitalter ist einer solchen Aufgabe gewachsen außer Dir?

Als Er dies hörte, verschwand die Sorge aus dem Gesicht des Meisters. Er rief den Führer der Brahmanen zu Sich und sagte zu ihm: 

Habe keine Furcht, noch erlaube, dass andere sie haben. Ich will eher mein Leben hingeben, als dass euch Leid zugefügt wird. Ihr mögt Aurangzebs Statthalter sagen, dass ihr nur dann einlenken würdet, wenn es ihm gelänge, mich zu bekehren.

Als die Brahmanen dies hörten, schöpften sie neue Hoffnung, denn sie hatten die Größe des Meisters gesehen und vertrauten auf Seine Tapferkeit. Doch unter Seinen eigenen Anhängern herrschte große Sorge: Alle wussten, dass ihr geliebter Meister, wenn man Ihn vor die Wahl stellte zwischen Bekehrung und Tod, Er den Tod wählen würde.

Als Aurangzeb von der Erklärung des Meisters hörte, war er voller Zufriedenheit. Er dachte, dass er diesen einen Mann sicher bekehren könne und dann Tausende Seinem Beispiel folgen würden. Da er sich seiner Sache ganz sicher fühlte, gab er die Order, dass gewaltsame Maßnahmen gegen die Brahmanen bis zu seiner Begegnung mit Teg Bahadur unterbleiben sollten.

O Wahnsinniger, du hast das Juwel des Gottesnamens vergessen. Du erinnerst dich seiner nicht, und so vergeht dein kostbares Leben ohne Sinn. Nanak sagt: Der Mensch befindet sich zeitlebens im Irrtum. O Herr, möge ich nur an die Gnade deiner Vergebung denken.