Gurumukh und Manmukh

IV

Die Freuden der Welt sind kurzlebig, ob sie nun zehn oder hundert Jahre währen. Wir begegnen uns nur, um uns wieder zu trennen. Auch dies ist eine notwendige Phase im Leben des Menschen. Wir sollten mit jenen glücklich leben, in deren Mitte wir geboren wurden, und unseren weltlichen Aufgaben und Verpflichtungen nachkommen. Aber vor allem muss die Seele mit der Überseele verbunden werden. Eine solche Gemeinsamkeit wird uns für ewig glückselig machen. Wie kann sie bewirkt werden? Sie ist nur durch den Guru-Shabd möglich, das im Innern offenbarte Wort. Außer diesem gibt es keinen anderen Weg. Ohne die Innere Offenbarung vergeht des Menschen Leben umsonst. Solange wir mit der Gotteskraft in uns verbunden sind, sind wir empfindende Wesen. Und wenn man mit dieser Kraft Selbst in Berührung kommt, wird man ein Gottmensch. Darum heißt es, dass wir ohne das Lebensprinzip in uns nicht den geringsten Wert haben.

Die Erleuchteten wenden sich für gewöhnlich lieber an Sich Selbst als an andere:

O Mensch, was hast du erreicht, indem du in die Welt kamst? O weh, du hast nichts gewonnen, seit du hier bist!

Die menschliche Geburt ist ein großer Segen. Gott wohnt wahrhaftig im menschlichen Körper. Es ist eine günstige Gelegenheit für uns, Ihn zu erkennen, damit wir dem Kreislauf der Geburten und Tode entkommen. Dies ist die immer währende Vereinigung.

Mira Bai sagte von sich:

Mira ist unendlich glücklich mit ihrem ewig seienden Herrn.

Im Gurbani heißt es:

Man mag die ganze Welt durchstreifen, aber ohne einen Vollendeten Meister kann man das nicht erreichen.

Es kommt als Geschenk von einem in Gott begründeten Heiligen, einem Menschen, Der Gott zum Mittelpunkt hat. Nur Einer, Der mit Gott im Einklang ist, kann uns auf Ihn abstimmen. Wir haben auf dem Gebiet von Wissenschaft und Technik sehr viel erreicht, aber wir haben nicht das getan, was so überaus notwendig ist im Leben. Wir müssen das Eisen schmieden, solange es heiß ist. Obgleich schon viel Zeit verloren ging, haben wir noch eine Frist. Wir müssen daher das Beste aus der uns verbliebenen Spanne machen. Wenn wir einmal von der obersten Sprosse der Lebensleiter abgleiten, verrinnt das Leben ungenutzt. Der menschliche Körper ist der Tempel Gottes, und seine Heiligkeit muss um jeden Preis gewahrt bleiben. Er ist ein Werkzeug von großer Bedeutung und muss in gutem Zustand gehalten werden.

Gedenke immer des Herrn im Innern, und Sein Name sei auf deinen Lippen. O Nanak, allein für diesen Zweck muss man den Körper schützen, für nichts anderes.

Die Gotteskraft ist in euch. Nehmt diese Kraft mit den eigenen Augen wahr; und habt ihr Sie gesehen, lobpreiset Ihn. Gebt Acht auf den von Gott anvertrauten Körper. Versorgt ihn, so gut ihr könnt. Schützt ihn vor Hitze und Kälte. Gebt ihm ausreichend, damit er solange wie möglich erhalten bleibt. Aber für welchen Zweck? Um der Selbstverwirklichung und Gottverwirklichung willen. Dies ist das höchste Gut des Lebens.

Erlangt man es nicht, heißt es:

Verflucht ist jedes Tun im Leben, wie essen, trinken, schlafen und sich kleiden, verflucht auch der Körper und die körperlichen Beziehungen, wenn man nicht den Herrn erreicht.

Die Ehe ist kein Hindernis für die Spiritualität. Sie ist nur ein erster Schritt im Leben. Sie versieht einen mit einem Lebensgefährten in Wohl und Weh, aber sie ist nichts Dauerhaftes. Einer der beiden muss vor dem anderen gehen. Demgegenüber ist die Gemeinschaft mit dem Herrn beständiger Art. Gott ist der Herr aller; und Er wohnt in jedem von uns. Wir leben Seinetwegen. Alles, dessen wir bedürfen, ist ein Gottmensch, das erwählte Werkzeug des Herrn. Die Gemeinschaft mit einem solchen Gottmenschen ist wahrer Satsang. Eine disziplinierte Seele zu sein, ist eine große Sache.

Guru Arjan kündet uns im Sukhtnani von der Größe eines Sadh und von den Vorteilen, die Seine Gemeinschaft mit sich bringt:

In der Gemeinschaft eines Sadh wird man von aller Unreinheit reingewaschen; in der Gemeinschaft eines Sadh wird man zu einem wahren Ergebenen; in der Gemeinschaft eines Sadh wird man von Grund auf verwandelt; in der Gemeinschaft eines Sadh gelangt man zu dem Unbeschreiblichen.

Ein Sadh gewährt uns die Innere Wahrnehmung. Zu Anfang gibt Er uns ein Kapital, damit wir die spirituelle Arbeit weiterführen können. Indem die Seele ständig mit den Sinnen und den Sinnesorganen verbunden ist, wird sie eins mit ihnen. Das ist der Grund, weshalb wir Gott auf der Sinnesebene suchen. Wir wissen kaum, dass die Gotteskraft über der Sinnesebene weilt. Wie sollten wir dann Gott im Bereich der Sinne (der Welt) finden können? Nur der Geist im Menschen vermag sich Gott zu nähern und Ihn, Der ebenfalls Geist ist und nur im Geist angebetet werden kann, zu erkennen. Solange dieser Knoten zwischen dem Geist und den Sinnen nicht gelöst ist, gibt es für ihn keine Möglichkeit, sich zu erheben. Wir müssen darum zuallererst Geist werden. Dies nennt man Selbstverwirklichung. Wenn man das Selbst in sich verwirklicht hat, wird man fähig, das Überselbst zu erkennen. Selbstverwirklichung geht somit der Gottverwirklichung voraus. Licht allein erkennt das Licht. Und gesegnet ist der Körper, in dem sich die Seele befreit und die Große Seele oder Gott im Innern erfahren hat. Dies nennt man eine dauerhafte Freundschaft, die Vereinigung der Seele mit der Überseele. Seid für immer in der Liebe des Herrn gesegnet, und erlangt die Ewige Gemeinschaft. Diese kann nur durch die Gnade eines Gottmenschen zustande kommen.