Gurumukh und Manmukh

II

Jene, die bewusst in Gott leben, werden im Laufe der Zeit Bewusste Mitarbeiter des Göttlichen Plans, und solche Persönlichkeiten sind als disziplinierte Seelen und Heilige bekannt. So sehen wir, dass das Wort die Gotteskraft im Guru ist – das Fleisch gewordene Wort –, denn allein der Mensch kann Lehrer des Menschen sein. Er lebt unter uns, um uns zu belehren und zu führen.

So heißt es im Gurbani:

Es ist Gott Selbst, Der im Guru die Gabe von Shabd austeilt.

Der Guru ist folglich der Menschliche Pol, durch Den Sich die Gotteskraft offenbart und das Werk der Erlösung ausführt.

Er lebt unter den Menschen, aber Seine Seele weilt in Ihm.

In der Welt wirkt Er als das Sprachrohr Gottes.

Nanak erklärte Seinem Freund Lalo:

Ich spreche nur das aus, was mir von oben eingegeben wird.

Während Er auf Erden lebt, weilt Sein Geist im Himmel,

sagt ein Moslem-Heiliger.

Äußerlich sehen wir Ihn mit weltlicher Arbeit beschäftigt wie jeden von uns. Seinen Lebensunterhalt mag Er auf dem Acker erarbeiten, in einem Gewerbe oder im öffentlichen Dienst. Er mag gleich uns ein Familienleben führen. Aber Er kann sich jeden beliebigen Augenblick über den Körper und die körperlichen Beziehungen erheben. In der menschlichen Gestalt ist Er nichts anderes als Der im Menschen offenbarte Gott oder ein Mensch, Der wahrhaft in Gott lebt.

Wir hingegen sind Sklaven des Gemüts und der Sinne und so sehr in den Zauber der Welt verstrickt, dass wir uns mit ihnen identifiziert und unsere Wahre Natur – die Seele hinter dem Gemüt und den Sinnen, die allem, was da ist, Leben und Licht gibt – vergessen haben. Das Hinausströmen unserer Aufmerksamkeit erhält die uns umgebende Welt für uns aufrecht. Manchmal kommt es vor, dass wir sehen und doch nichts wahrnehmen, hören, aber nichts verstehen. Was ist der Grund für diese Geistesabwesenheit? Es liegt daran, dass unsere Aufmerksamkeit anderswo ist und wir in dem Moment nicht wir selbst sind. Es ist gerade wie bei einer Maschine, die zum Stillstand kommt, wenn man den Riemen vom Schwungrad nimmt. Die verschiedenen Teile unseres Körpers führen ihre Funktion im Licht und Leben des Geistes aus. Es ist der Geist, der dem Gemüt und den verschiedenen Sinnesorganen, die mit ihm verbunden sind, Stärke und Kraft verleiht. Derselbe Geist muss überwacht, richtig gelenkt und zum Dirigenten des Körpers und der körperlichen Funktionen gemacht werden. Wir müssen unsere geistige Kraft stärken und imstande sein, sie mehr in den Dienst unseres Willens zu stellen, als ihr zu erlauben, zusammen mit dem Gemüt hinauszufließen. Wer die spirituelle Kraft gut entwickelt hat, kann als Herr des von ihm bewohnten Hauses tun, was ihm beliebt. Wer das vermag, ist ein Sadh, ein Heiliger oder ein Mahatma.

Bhai Gurdas sagt:

Wer seine nach außen fließenden Kräfte diszipliniert hat, wird ein Sadh (geschulte Seele) genannt.

Und Kabir erklärt:

Wer sich innerhalb der neun Tore des Körpers verliert, kann nicht zur Wirklichkeit gelangen.

Ein Mensch, der diese Gabe erworben hat, wird zum Sprachrohr Gottes. Von ihm heißt es:

Seine Worte sind die Worte Gottes, auch wenn sie allem Anschein nach ein Mensch ausspricht.

Nanak sagt:

Der geringe Nanak öffnet seinen Mund erst, wenn ihm so zu tun geheißen wird.

Das nennt man rechtes Verstehen, und jeder von uns hat die Fähigkeit, die Dinge auf die rechte Weise zu sehen, wenn er seine Aufmerksamkeit unter Kontrolle hält. Die Aufmerksamkeit der Weltklugen fließt in die Welt hinaus. Wenn man durch Selbstanalyse seine Aufmerksamkeit vom Gemüt unterscheiden könnte, würde man sich selbst erkennen und Gott erkennen.

Darum der Leitspruch: Erkenne dich selbst.

O Nanak, ohne Selbstanalyse kann man der großen Täuschung nicht entgehen.

Wer das Selbst oder den Menschen in sich erkannt hat, weiß alles. In Seiner Gemeinschaft können andere gleich Ihm zum Sprachrohr Gottes werden. Er bringt nichts von außen hinein. Er macht uns nur verständlich, worauf es ankommt:

Der allein ist unser Freund, durch Dessen Unterweisung wir erneuert und verwandelt werden.

Ein Freund wie Er berichtet uns ausführlich von den großen Wundern im Innern dieses vortrefflichen Hauses, in dem wir leben. Der menschliche Körper ist der Tempel Gottes und Gott wohnt fürwahr darin. Alle Schriften preisen ihn. Er wird Brahmpuri genannt, weil Brahman in ihm offenbar werden kann. Er ist ein Haus mit neun Eingängen und sechs Nervenzentren, das als Ajudhya oder das Reich Lord Ramas beschrieben wird. Alle Götter und Göttinnen halten sich dort auf. Deshalb nennt man ihn Nar-Naraini Desh oder den Wohnsitz von Mensch und Gott. Selbst die himmlischen Wesen streben nach der menschlichen Gestalt, denn nur in dieser Gottverwandten Form können sie hoffen, erlöst zu werden. Kurz gesagt, der Mensch steht Gott am nächsten. Man kann ihn sogar als einen Gott im Kleinen bezeichnen.

Mit der Gabe des menschlichen Körpers können wir Innerlich der Gotteskraft begegnen. Was sagen uns die Erleuchteten Seelen in diesem Zusammenhang? Von Guru Amar Das wird berichtet, dass Er volle siebzig Jahre und länger auf der Suche nach Gott von einem Ort zum anderen ging und Sich bemühte, Ihn auf jede nur denkbare Weise zu finden. Erst nach dieser langen Suche kam Er zu den Füßen Guru Angads und fand die Wirklichkeit in Sich selbst.

Nun wollen wir eine Seiner Hymnen erörtern und sehen, was Er zu sagen hat:

Fürwahr gesegnet ist der menschliche Körper, in dem Sich Gott Selbst offenbart.

Es heißt, dass Gott, als Er den Menschen schuf, den Engeln gebot, ihm Ehrerbietung zu erweisen. In der Taittirya (der dritten) Upanishade lesen wir, dass die Rishis und Munis um eine menschliche Wohnstatt für sich baten. Glücklicherweise wurde uns diese günstige Gelegenheit zuteil. Wir müssen den größten Nutzen daraus ziehen und bestrebt sein, die Gotteskraft in uns zu offenbaren – die aus Sich Selbst Leuchtende Kraft, Die uns bereits innewohnt. Aber wo diese Kraft schon offenbar ist, haben wir einen wahrhaftigen Tempel Gottes. Wie können wir das wissen?

Allein durch die Gnade eines Meister-Heiligen kann man dies erkennen.

Aus uns selbst können wir die Wahrheit dessen, was gesagt wird, nicht verstehen. Nur eine Seele, Die Gott verwirklicht hat, kann uns instand setzen, diese Wahrheit zu begreifen. Wir mögen den Körper als etwas betrachten, das voller Schmutz ist. Doch wir denken nicht daran, dass Gott Selbst im menschlichen Körper wohnt und dieser somit ein wunderbares Gotteshaus darstellt. Wir suchen auf unsere Weise, den Körper mit Kosmetik zu verschönern, wofür wir eine Menge Geld ausgeben. Aber würden wir beginnen, bewusst in der Gotteskraft, Die in uns ist, zu leben, bestünde kaum eine Notwendigkeit für eine Schönheitspflege. Der Gebrauch von Toilettenartikeln bringt uns nicht das ein, was wir erreichen wollen. Es sind unsere Gedanken, die unserem Körper Farbe und Geruch geben. Sind die Gedanken rein, benötigen wir schwerlich solche äußeren Hilfsmittel. Wer das Auge seiner Seele entwickelt hat, kann jeden Menschen, dem er begegnet, auf einen Blick durchschauen und sehen, was in ihm vorgeht. Die wahre Natur eines Menschen wird deutlich hervortreten.