Kirpal Singh

Das Gesetz des Karmas – III

Der Ausweg

Die Art und Weise, wie der Meister das schwierige und verwirrende Problem des Karmas in Angriff nimmt, mag nachfolgend kurz erklärt werden:

Sanchit oder Saat-Karmas

Es sind die latenten Karmas, die im Vorratslager auf eines Menschen Rechnung stehen und aus den endlos lange zurückliegenden Zeiten, seit die Welt begonnen hat, herrühren. Keiner kann ihnen entgehen, bevor sie sich – ohne Neues hinzuzufügen, was allerdings der Natur der Dinge nach unmöglich ist – in den unzähligen Lebensläufen, die vor uns liegen, ausgewirkt haben. Es ist darum aussichtslos, dieses ungeheure Schuldkonto eines Menschen zu löschen.

Gibt es dann keinen Weg, um die große Kluft zwischen dem Bewussten und dem Unterbewussten und wiederum den Abgrund, der das Unterbewusste vom Unbewussten trennt, zu überbrücken?

Für jedes Übel, sei es geistiger oder weltlicher Art, gibt es ein Heilmittel. Wenn man in einer Pfanne Samenkörner erhitzt, so dass sie aufplatzen, verlieren sie ihre Fruchtbarkeit oder Keimfähigkeit, also die Kraft, zu keimen oder Frucht zu tragen.

Auf genau dieselbe Weise können die Sanchit Karmas im Feuer von Naam oder dem Wort versengt oder verbrannt werden, wodurch sie sich für die Zukunft als unschädlich erweisen. Denn dann wird man ein Bewusster Mitarbeiter des Göttlichen Plans, indem man jede Verbindung mit der unbekannten Vergangenheit verliert.

Pralabdh Karmas

Sie bilden das gegenwärtige Schicksal eines Menschen, seinen Bestand oder seine Bestimmung sozusagen. Ihre Früchte müssen ertragen werden, und es hat nichts zu sagen, wie bitter oder süß sie sind: es lässt sich nicht umgehen, zu ernten, was bereits gesät ist. Der Meister überlässt sie darum dem Menschen unberührt, damit er sie mit liebevoller Sanftmut erträgt und während seines gegenwärtigen Lebens zu Ende bringt. Würden diese Karmas ausgelöscht oder auf irgendeine Weise beeinflusst, hätte es zur Folge, dass sich der Körper auflöste.

Der Schüler wird jedoch nicht allein gelassen, wenn er sich mit ihnen auseinanderzusetzen hat. Sobald der Meister den Schüler initiiert, nimmt ihn die Meister-Kraft in Ihre Obhut und hilft ihm wesentlich auf Schritt und Tritt. Durch zunehmende Spirituelle Disziplin wird er mit dem Prozess der Selbstanalyse und des Zurückziehens vertraut und erstarkt im Geiste, so dass die sonst schmerzliche Auswirkung des Karmas nur wie eine sanfte Brise über ihn hinweggeht und ihn unversehrt lässt. Auch in ernsten und unheilbaren Fällen lässt die Meister-Kraft das Gesetz der Sympathie und Barmherzigkeit wirksam werden. Alle Beschwerlichkeiten der ergebenen Schüler werden bedeutend abgeschwächt und gemildert.

Manchmal wird die Intensität körperlicher oder geistiger Nöte etwas verstärkt, um die Dauer des damit zusammenhängenden Leidens abzukürzen, während sie in anderen Fällen sehr vermindert und die Dauer verlängert wird, so wie es jeweils als angemessen erscheint.

Aber das ist nicht alles. Die Leiden, Beschwerden und Krankheiten des physischen Körpers rühren von den Sinnesfreuden her. Körperliche Nöte müssen natürlich vom physischen Körper getragen werden. Der Meister als Personifiziertes Wort oder Polarisierte Gottheit weiß alles über Seine Schüler, wo sie sich auch befinden mögen, weit entfernt oder in der Nähe. Er kann sogar nach dem Gesetz der Sympathie das Karma der ergebenen Schüler auf Seine eigenen Schultern nehmen, um es Selbst zu tragen, denn das Gesetz der Natur muss in jedem Falle auf die eine oder andere Weise ausgeglichen werden. Dies geschieht jedoch nur in sehr seltenen Fällen, wenn es der Meister für angebracht hält.

Überdies würde wohl kaum ein Schüler damit einverstanden sein, dass der Heilige Meister für Seine Missetaten leidet.

Der Schüler muss im Gegenteil lernen, aufrichtig zu seinem Meister zu beten. Tut er das, so ist ihm jede nur mögliche Hilfe sicher, die ihm Erleichterung bringt oder die Lage mildert und das sich ergebende Leiden verringert. Die Seele selbst wird erstarken, indem sie sich vom Brot des Lebens nährt und durch das Wasser des Lebens erhält.

Es gibt jedoch Dinge, über die der Mensch keine merkliche Kontrolle hat:

  1. die Süße und Bitternis des Lebens mit den angenehmen und unangenehmen Dingen, die sowohl physisch als auch geistig sein können;

  2. Reichtum, Wohlstand und Macht – oder Not, Armut und Niedrigkeit;

  3. Name und Ruf, allgemeine Bekanntheit oder völliges Vergessensein.

All dies sind die natürlichen Begleiterscheinungen des Erdenlebens, die kommen und gehen, wie es vorherbestimmt ist. Alle menschlichen Bemühungen sind darauf ausgerichtet, eine oder mehrere Annehmlichkeiten des Lebens zu erlangen und das Bittere zu umgehen, ohne dass man erkennt, dass das Leben selbst vorüberzieht wie eine Wolke, ein Schatten ohne Substanz, eine Fata Morgana oder ein Irrlicht. Immer flüchtig, entzieht es sich dem achtlosen Pilger im brennenden Wüstensand der Zeit.

Die Meister-Heiligen machen der Jiva durch Unterweisung und Praxis die trügerische Natur der Welt und alles Irdischen deutlich und offenbaren in ihm die immer währende Quelle des Lebens, die, wenn sie gefunden ist, ihn bis ins Mark und die innersten Fasern seines Wesens durchsättigt und ihn fähig macht, das Leben selbst mit Freuden aufzugeben.

Kriyaman Karmas

Es handelt sich um die Karmas, die wir täglich während unseres gegenwärtigen Aufenthalts auf der irdischen Ebene bewirken. In dieser Hinsicht wird jedem Schüler eingeschärft, in Gedanken, Worten und Taten ein ganz reines und keusches Leben zu führen und von allem, was übel ist, Abstand zu nehmen; denn jede Verletzung oder Missachtung dieses Gebots hat unweigerlich Leid zur Folge, und der Sünde Sold ist nichts weniger als der Tod, der Tod wahrlich an den Wurzeln des Lebens.

Da erhebt sich die Frage, wie die Meister-Heiligen einige der karmischen Lasten der Jivas unter besonderen und seltenen Umständen übernehmen und es einrichten, sie von den harten Auswirkungen zu befreien. Die Karmas, welche mit dem physischen Körper verbunden sind, müssen, wie schon gesagt, vom physischen Körper abgetragen werden.

Gott Selbst kleidete Sich in des gemeinen Menschen Fleisch, um schwach genug zu sein, Leid zu erdulden.

John Donne

Wir kennen eine geschichtliche Begebenheit aus dem Leben von Baber, dem ersten Mogulkönig in Indien. Sein Sohn Humayun wurde ernstlich krank, und jeder bangte um sein Leben. Voller Mitgefühl betete der König zu Gott, es möge ihm erlaubt werden, die Krankheit seines Sohnes zu übernehmen; und so befremdlich es erscheinen mag, vom selben Augenblick an trat eine Wendung ein. Der Prinz erholte sich langsam, während der König dahinsiechte und starb. Dies ist nur ein einzelnes Beispiel stellvertretenden Leidens auf der menschlichen Ebene.

Der Meister ist Eins mit dem Herrn der Barmherzigkeit. In Seinem Reich, das grenzenlos ist, gibt es kein Aufzählen der Taten. In das Göttliche eingebettet, gewährt Er jedem Einzelnen die Verbindung mit der rettenden Lebensschnur im Innern, die in Zeiten der Bedrängnis als Notanker dient. Das Schiff mag in den stürmischen Wassern des Lebens hin- und hergeworfen werden, aber da es an der schwimmenden Boje verankert ist, bleibt sein Kiel stetig, trotz der stürmischen Winde und Wasser ringsumher.

Der Mensch ist unweigerlich gezwungen, sozusagen blindlings auf den Schauplatz der Welt zu kommen, um die Früchte seines Pralabdh Karmas zu ernten, von dem er überhaupt nichts weiß. Er ist sich nicht einmal über das Wirken der physischen Ebene klar, geschweige denn der höheren Regionen. Mit all seinen Bekenntnissen und Beteuerungen erweist er Gott nur einen Lippendienst und hat keinen Zugang zu den Inneren Göttlichen Bindegliedern, der rettenden Lebensschnur: dem Licht und der Stimme Gottes. Er kennt nicht einmal das Wesen seines eigenen Wahren Selbst und bringt seine ganze Zeit in den Sinnesfreuden hin. Sich selbst sieht er nur als ein Geschöpf des Zufalls, als eine Puppe auf der Bühne des Lebens.

Ein Heiliger hingegen kommt mit einem Auftrag und mit einer Bestimmung. Er ist Gottes Erwählter, Sein Messias und Sein Prophet. Er wirkt in Seinem Namen und durch die Kraft Seines Wortes. Er hat keinen eigenen, unabhängigen Willen, getrennt vom Willen Gottes; und indem Er ein Bewusster Mitarbeiter des Göttlichen Plans ist, sieht Er die verborgene Hand Gottes in allen Angelegenheiten des Lebens. In der Zeit lebend, gehört Er in Wirklichkeit dem Zeitlosen an. Er ist Meister des Lebens und des Todes, doch Er ist voll der Liebe und des Mitleids für die leidende Menschheit. Seine Mission ist es, solche menschlichen Seelen mit Gott zu verbinden, die nach der Wiedervereinigung verlangen und auf ernsthafter Suche sind.

Sein Wirkungsbereich ist völlig unterschiedlich und unabhängig von Avataren oder Inkarnationen, da die Letzteren nur auf der menschlichen Ebene wirken. Ihre Aufgabe ist es, die Welt in der richtigen Form und Ordnung zu halten. Lord Krishna hat in unzweideutigen Worten erklärt, dass er in die Welt kommt, wenn immer ein Ungleichgewicht zwischen den Kräften des Guten und des Bösen besteht; es geht also darum, das verlorene Gleichgewicht wiederherzustellen, den Gerechten zu helfen und die Ungerechten zu bestrafen.

In gleicher Weise lesen wir im Ram Charitra Mansa über Lord Rama. Er inkarnierte sich selbst, als das Übel auf der Welt im Ansteigen begriffen war. Die Avatare kommen, um die Gerechtigkeit wiederherzustellen. Sie können jedoch nicht die Gefängnistore der Welt öffnen und die Jivas raus und in die Spirituellen Ebenen holen. Diese Aufgabe fällt gänzlich in den Bereich der Heiligen, Die bewusst als Mitarbeiter der Kraft Gottes nach dem Göttlichen Plan handeln und einzig die Verehrung des Göttlichen lehren; denn dies allein setzt den Auswirkungen des Karmas ein Ende.

Ein Moslem-Heiliger sagt:

Zuletzt kam ans Licht, dass im Königreich der Derwische Karmas nicht zählen.

Außerdem wird gesagt:

Ein Meister-Heiliger verjagt die Karmas, welche fliehen wie Schakale in der Gegenwart eines Löwen.

Keiner kann den Früchten seiner Taten entkommen – nicht einmal Gespenster und Geister; auch nicht die Riesen, Dämonen, Kinnars, Yakshas, Gandharvas, Devas und die Götter. Jene mit leuchtenden, astralen und ätherischen Körpern erfreuen sich der Früchte ihrer Handlungen in der Region von Brahmand, der dritten großen Aufteilung über den ersten beiden, Pind und And. Sie streben nach und erwarten ebenfalls eine menschliche Geburt, um aus den Fängen der karmischen Rückwirkungen herauszukommen; denn allein in der menschlichen Geburt besteht die Gelegenheit, mit einem Gottmenschen in Verbindung zu kommen, Der ihnen das Geheimnis des Göttlichen Pfades enthüllen kann, den Tonstrom oder das Heilige Wort.

Es würde für einen Menschen viele Jahre geduldiger Meditation erfordern, bis er in der Lage wäre, das System von Gottes mächtiger Herrschaft zu verstehen, und dem forschenden Sucher kann auf dieser Stufe nur sehr wenig gesagt werden. Ebenso schwierig ist es, einen Wahren Spirituellen Meister zu verstehen. Doch bei alledem nimmt ein Sant, während Er auf dieser Erde weilt, für gewöhnlich die Rolle eines normalen Menschen an und spricht von Sich Selbst immer als von einem Sklaven, einem Leibeigenen oder einem Diener Gottes und Seiner Geschöpfe.

Wenn ein Meister-Heiliger die karmische Last von ergebenen Seelen auf Seine eigenen Schultern nimmt, übersieht oder übergeht Er deshalb nicht das Höchste Gesetz. Seine Stellung mag mit der eines verkleideten Königs verglichen werden, der sich, um die Lage seiner Untertanen zu verbessern, freiwillig unter sie mischt, um ihre Schwierigkeiten zu verstehen und zeitweilig auch ihre Freuden und Sorgen zu teilen. Soweit es den menschlichen Körper angeht, macht ein Meister-Heiliger von dem besonderen Göttlichen Zugeständnis Gebrauch. Er kann, kurz gesagt, den Tod durch die Guillotine in einen Dornenstich umwandeln. Zuzeiten erlaubt Er Seinem Körper, in einem geringeren Ausmaß zu leiden, was aber einen gewöhnlichen Menschen in große Nöte bringen würde. Auf diese Weise zeigt er den Menschen, dass alle Körper leiden, denn dies ist das Gesetz der Natur für alle verkörperten Geschöpfe.

Das physische Leben ist nur Trübsal,

erklärte Sakya Muni, Lord Buddha.

Auch Sant Kabir sagte, Er habe noch keinen einzigen Menschen glücklich gesehen; jeder, dem Er begegnete, war in irgendeiner Not. Guru Nanak gibt ein anschauliches Bild von dieser Welt voller Leiden und Sorgen, mit Ausnahme einzelner Menschen, die zu Naam Zuflucht genommen hatten.

Diese traurige Erfahrung ringsumher bringt es mit sich, dass wir den Gottmenschen für ein gewöhnliches Wesen halten, wie wir es selbst sind. Im Ertragen von körperlichen Schmerzen übernimmt Er allem Anschein nach die Rolle eines Menschen; aber innerlich ist Er immer vom physischen Körper getrennt. Die beständige Innere Verbindung mit der Gottheit ermöglicht es Ihm, dem zu entgehen, was andererseits für den Schüler ein unerträglicher Schmerz wäre.

Jeder, der auf diesen Pfad gestellt worden ist und sich mit dem Prozess der Umkehr beschäftigt, kann seine Sinnesströme vom Körper zurückziehen, indem er sich am Zentrum hinter den Augen konzentriert. Die dazu erforderliche Zeit mag für die Einzelnen unterschiedlich sein, aber es wird mit Sicherheit Ergebnisse bringen, die in jedem Falle nachweisbar sind. Ergebene Schüler auf dem Pfad verzichten selbst auf dem Operationstisch freiwillig auf die gewöhnlich den Patienten verabreichten Betäubungsmittel. Sie ziehen ihr Bewusstsein vom Körper zurück und empfinden auf diese Weise nicht die Auswirkungen des Messers oder der Lanzette des Chirurgen.

Von Bhai Mani Singh, der zum Tode durch Abschneiden aller Gelenke verurteilt wurde, wird gesagt, dass er sich diesem Vorgang nicht nur lächelnd unterzogen hat, sondern sogar den Scharfrichter bat, sich an den Befehl zu halten, als dieser versuchte, sich der ruchlosen Aufgabe zu entledigen und kurzen Prozess zu machen, indem er die Körperteile abschnitt, statt die einzelnen Gelenke, wie es ihm befohlen worden war.

Satsangis, die die Dinge mit offenen Augen beobachten, begegnen solchen Fällen sehr häufig. Die Seelen, welche Zugang nach innen haben, bleiben in das Große Selbst im Innern vertieft, ohne ihre Fähigkeiten zur Schau zu stellen. Diese Regel bewährt sich aus dem einfachen Grunde, weil Taten dieser Art leicht als Wunder betrachtet werden können und darum gewissenhaft zu vermeiden sind. Heilige zeigen keine Wunder und erlauben auch Ihren Schülern nicht, solchen prahlerischen und müßigen Spielereien nachzugehen.

Wenn Heilige anscheinend krank sind, sieht man Sie allgemein Arzneien nehmen, wie sie von den Ärzten verschrieben wurden, aber in Wirklichkeit brauchen Sie eine solche Behandlung nicht. Sie tun es nur, um Sich an die weltlichen Gepflogenheiten zu halten. Dadurch geben Sie den Menschen ein Beispiel, auf vernünftige Weise den in der Welt üblichen Weg beizubehalten und sich einer richtigen Behandlung zu unterziehen, wenn es nötig ist.

Natürlich wird von den Schülern erwartet, Medikamente zu verwenden, die keine tierischen Produkte oder Substanzen enthalten; aber manche der Schüler, die felsenfest an die gütige Kraft des Meister-Heilers im Innern glauben, meiden für gewöhnlich die sogenannten Hilfsmaßnahmen und erlauben der Natur, durch sich selbst zu wirken, denn die Heilkraft im Innern ist ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Systems.

Die sich einstellenden körperlichen Störungen sollten guten Mutes angenommen und ertragen werden, denn sie sind meistens eine Folge unserer Ernährungsfehler und können durch die richtigen hygienischen Maßnahmen und ausgewählte Nahrung behoben werden.

Hippokrates, der Vater der medizinischen Heilweise, betonte, dass Nahrung als Arznei genommen werden sollte.

Auch eine ernste Erkrankung, die von karmischen Rückwirkungen herrührt, muss mit Geduld und ohne Murren oder Verbitterung ertragen werden, denn alle karmischen Schulden sind zu bezahlen und die Rechnungen hier und jetzt zu begleichen; und je eher dies geschieht, desto besser, anstatt dass irgendwelche Schulden offengehalten werden, die dann später noch zu bezahlen sind.

Von Hazrat Mian Mir, einem großen Moslem-Ergebenen und Mystiker, hört man, dass Abdullah, einer seiner Schüler, seine Sinnesströme zum Augenbrennpunkt zurückzog, wenn er krank war, und sich selbst wohlbehalten in die Zitadelle des Friedens einschloss. Doch als sein Meister, Mian Mir, ihn besuchte, zog Er Abdullah ins Körperbewusstsein zurück und hieß ihn zahlen, was er schuldig war, denn durch eine solche Taktik könne er sich nicht auf die Dauer vor der Bezahlung drücken.

Ungleich den meisten von uns wenden die Meister-Heiligen nicht viel Zeit für Ihre körperlichen Nöte und Bedürfnisse auf. Sie betrachten das physische Gewand als bloßen Lumpen, der eines Tages weggeworfen wird. Sie leisten schwere physische und mentale Arbeit, so es nötig ist, suchen weder Rast noch Ruhe, und schlafen nächtelang nicht. Solche erstaunlichen Handlungen stellen für die moderne Wissenschaft ein Rätsel dar, obgleich sie für Heilige eine gewöhnliche Praktik sind, denn Sie sind erfahren in und machen Gebrauch von den höheren Naturgesetzen, die uns gänzlich unbekannt sind.

Handlungen oder Karmas können unter individuelles Karma oder Gruppenkarma eingeordnet werden. Letzteres sind Karmas, die durch eine Gemeinschaft oder Nation insgesamt ausgeführt werden, was dann Dharma genannt wird. Wie der einzelne die Früchte seiner eigenen Karmas – Handlungen – trägt, so auch die Gemeinschaft, denn sie hat die Früchte der allgemeinen Politik, die sie verfolgt, hinzunehmen, und dies hat zur Folge, dass auch unschuldige Menschen für das Unrecht zu leiden haben, das aus einem fehlerhaft aufgebauten Dharma der Gemeinschaft entsteht, zu der sie gehören.

Als der persische Schah Nadir in Indien eingefallen war und ein allgemeines Blutbad für die Bewohner Delhis befahl, war die ganze Bevölkerung bestürzt und vertrat die Meinung, dass das soziale Unrecht der Nation die Gestalt von Nadir angenommen hatte.

Eine gerechte Vergeltung für die begangenen Sünden oder Unterlassungssünden liegt im Wesen des Naturgesetzes, und die Heimsuchung kommt in der einen oder anderen Form, ob man sie nun Rachegöttinnen, Eumeniden oder anders nennt.

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Quelle: Auszug aus ‚Das Rad des Lebens‘, von Kirpal Singh.