Die Suche nach der Wahrheit

II

Nun nehmen wir eine Hymne von Guru Arjan, dem 5. Guru in der Nachfolge Nanaks. Wir wollen sehen, was Er in diesem Zusammenhang zu sagen hat. Auch was Er sagt, ist ähnlich dem vorher von Seinem unmittelbaren Vorgänger Guru Ram Das Gesagten.

In Innersten meines Herzens war der sehnliche Wunsch, meinen Geliebten zu treffen; auf die eine oder andere Weise hat der vollendete Meister gnädig meinen langgehegten Wunsch erfüllt.

Noch einmal, es ist eine Frage der Ernsthaftigkeit. Brauchen wir Gott wirklich? Manchmal verlangen wir nach Gott. Selbst unser Intellekt empfindet zeitweise die Notwendigkeit Gottes. Aber will unser Gemüt Gott? Dies ist der Kernpunkt des Problems. Wir bitten um die Dinge mit geheimem Vorbehalt, nur wenn sie uns auf der physischen Ebene von Nutzen sind. Andererseits ist das Gemüt vollständig in der Farbe der Welt gefärbt. Es hat keine Zeit, an irgendetwas anderes zu denken. Dem Gemüt wohnt eine große Kraft inne. Um das, was es haben möchte, betet es inbrünstig. Manchmal weint es sogar darum. Gott spielt dabei nur die Rolle eines Mittels für die Erfüllung der weltlichen Wünsche. Und Tag und Nacht denkt man nichts anderes. Dies ist der tatsächliche Zustand unseres Gemüts. Ihr könnt es selbst herausfinden. Verlangt ihr ernsthaft nach Gott? Nein. Wir wollen Ihn nur als ein Mittel zum Ziel; das Ziel sind physische Freude und Bequemlichkeiten. Sonst hat Gott keine Bedeutung für uns. Es ist eine Frage von Bedarf und Versorgung. Wenn wir Gott wirklich wollen, kommt uns das Naturgesetz zu Hilfe. Wo Feuer ist, kommt Sauerstoff zur Hilfe. Alles, was wir tun müssen ist, unser Gemüt, unseren Intellekt und unsere Rede auf eine Ebene zu bringen. Eine solche Haltung verstärkt die Kraft des Gemüts. Wo das Gemüt stark ist, kann uns nichts im Weg stehen. Wir müssen unserem ‘Selbst‘ treu sein, dann wird uns jeder Wunsch erfüllt werden:

Wenn unsere Gebete aufrichtig sind und aus dem zufriedenen Gemüt aufsteigen, dann wird Gott, wenn Er sie hört, uns zu Sich rufen, nein, uns zu Sich ziehen.

Was ist ein aufrichtiges Gebet? Es ist ein Gebet, das gleicherweise vom Gemüt, vom Intellekt und von den Lippen kommt. Sonst sind wir nicht aufrichtig zu uns selbst und betrügen uns selbst und Gott. Warum werden unsere Gebete nicht erhört? Weil wir verkehrt bitten. Das Notwendige richtig zu erbitten, ist die erste Bedingung. Die zweite ist, dass wir mit dem, was wir haben, zufrieden und dafür dankbar sein sollten. Undankbarkeit ist das größte Übel. Was hat uns Gott nicht gegeben? Alles was wir brauchen und noch viel mehr. Haben wir je ein Dankgebet dargebracht für das, was Er für uns getan hat und für die reichlichen Gaben, die Er gewährt? Wenn wir diese Bedingungen der Aufrichtigkeit und Zufriedenheit mit dankbarem Herzen erfüllen, wird Er uns nichts verweigern, worum wir auch bitten. Wenn wir von Ihm, Gott aufrichtig erbitten, wird Er sich uns nicht versagen. Im Gegenteil, Er wird uns zu sich ziehen. Er kennt unsere Herzen und liest in uns genau. Wir können nichts vor Ihm verbergen bei all unserer Schlauheit und Geschicklichkeit. Er durchschaut genau, was in uns vorgeht, und handelt entsprechend. Wir weinen um unser Brot, wir weinen um unsere Verluste, aber wir weinen niemals um Gott.

Von Namdev, dem Heiligen, der Kattun-Drucker war, wird erzählt, dass einmal der Balkon seines Hauses herunterbrach. Seine Familie bat ihn, einen Zimmermann zu holen, um die notwendigen Reparaturen ausführen zu lassen. Wie ihr wisst, denken die Ergebenen kaum an solche Dinge. Er ging wie gewöhnlich von zu Hause weg und saß in liebevollem Gedenken an Gott. Er vergaß sich, er vergaß die Welt um sich, er vergaß den Balkon und den Zimmermann. Am Abend stand er von seiner Meditation auf und ging nach Hause. Seine Leute fragten ihn, ob er mit einem Zimmermann Vereinbarungen für die Arbeit getroffen habe. ”Es tut mir leid, ich habe es ganz vergessen. Ich werde morgen den Zimmermann bestimmt holen.” sagte er. Einige Tage vergingen auf diese Weise. Alle zu Hause waren verärgert und drohten ihm schlimme Folgen an, falls er den Zimmermann am nächsten Tag nicht brächte. ”Ich werde den Zimmermann morgen bestimmt bringen.” antwortete Er. Es mag seltsam erscheinen, aber Namdev vergaß wieder, einen Zimmermann zu holen. Ein Mann Gottes ist immer in Gott vertieft. Wie kann Er an die Welt und die weltlichen Dinge denken? Sie sind für ihn bedeutungslos. Als Er am Abend wieder aus der Meditation erwachte, schämte Er sich sehr. Aber es gab keine Möglichkeit, aus dieser misslichen Lage herauszukommen. Voll Sorge ging Er langsam nach Hause zurück. Gott, der Seine schwierige Lage vorhersah, war während des Tages in der Kleidung eines Zimmermannes zu Seinem Haus gegangen und hatte den zerbrochenen Balkon in Ordnung gebracht. Als Namdev zu Hause eintraf, war Er sprachlos, als Er das Werk erblickte. Es war eine Arbeit von erlesener Handwerkskunst und in einer ungewöhnlich kurzen Zeit fertig gestellt worden. Er konnte sich denken, wer der Zimmermann war. Nur Gottes Hand konnte dieses Wunder tun.

‘Nur eine Nachtigall kann eine Nachtigall verstehen.‘ Der Ergebene wusste, dass Sein Gott diese Arbeit getan hatte. Er fasste Mut und ging schnell seinen Gartenweg entlang. Die Nachbarn drängten sich um Ihn und fragten nach dem Lohn, den Er mit Seinem Zimmermann vereinbart habe. Er antwortete: "Liebe ist der einzige Lohn, den mein Zimmermann verlangt." Die nächste Frage war, wie man diesen Zimmermann herbeiholen könne. ”Mein Zimmermann kommt, wenn man sich selbst vollständig von seiner Familie löst,” fügte Er hinzu. Ihr könnt nun die Situation gut verstehen. Wenn ihr Sein werdet, wird Er euer. Er kommt dann von selbst zu euch, ohne gerufen zu werden. Namdev hatte in Seiner Ergebenheit sich selbst vergessen. Er hatte Gott niemals gebeten, Seinen Balkon instand zu setzen. Gott hält die Ehre Seines Ergebenen aufrecht um Seines Namens willen.

Ich möchte euch aus meiner eigenen Erfahrung berichten. Es geschah zu Lebzeiten meines Meisters Hazur Baba Sawan Singh Ji Maharaj. Mein Sohn war ernstlich krank. Er schwebte zwischen Leben und Tod. Die Ärzte unterrichteten mich von dem kritischen Zustand meines Sohnes. Sie baten mich, selbst auf das Schlimmste vorbereitet zu sein. Sie rieten mir, ein paar Tage frei zu nehmen, um am Krankenbett meines Sohnes zu sein. Der folgende Tag war zufällig ein Sonntag. Ich sollte in Amritsar einen Vortrag halten. Dies war eine Aufgabe, die mir mein Meister übertragen hatte. Ich stand zu einer sehr frühen Stunde an Morgen auf. Die warnenden Worte der Ärzte klangen mir noch in den Ohren. Ich dachte, dass Leben und Tod in anderen Händen lagen als den meinen. Was konnte ich letzten Endes tun? Das Geheiß meines Meisters zu erfüllen, lag selbstverständlich in meinen Händen. Ich beschloss, meiner Pflicht nachzukommen, und Hazur die seine tun zu lassen. Dementsprechend ging ich nach Amritsar, um die mir zugewiesene Aufgabe zu erfüllen. Der Vortrag wurde wie gewöhnlich gehalten. Das Wetter war heiß und schwül. Um 10.00 Uhr hatte ich meine Arbeit beendet. Eine Stunde später verließ ich den Saal. Als ich auf halbem Wege nach Beas war, hatte ich plötzlich den starken Wunsch, mich zu beeilen, um Hazurs ‘darshan‘ zu bekommen. Ich kam gegen 13.30 in Beas an. Hazur ruhte gerade. Als er erfuhr, dass ich gekommen war, rief er von oben nach mir. Er setzte sich auf und fragte: ”Was ist mit deinem Sohn?” Ich antwortete: ”Er war krank und in einem ziemlich bedenklichen Zustand. Aber ich musste die mir übertragene Pflicht erfüllen. Ich konnte nichts mehr tun, noch lag es in meiner Macht, ihn zu retten, indem ich dort blieb.”

Meine Worte schienen Hazur sehr besorgt zu machen. Eine Weile saß er still da. Ich sagte ruhig: ”Hazur, wer auch immer an Euch denkt, ist befreit von all seinen Sorgen. Warum macht Ihr Euch so viel Sorge um mich?” Er antwortete: ”Kirpal Singh, du hast dich von der Last befreit und ich muss sie auf meine Schultern nehmen. Wenn du dich so deinen Pflichten beugst, was kann ich dann anderes tun?” Die Schriften sagen uns: Der gnädige Vater hat so bestimmt: Worum der Sohn auch bittet, das muss ihm gewährt werden. Aber worum sollte man bitten? Um Gott oder um die Welt? Nanak sagt uns:

Der geringe Nanak bittet nur um eines: O Herr, pflanze Deine Lotosfüße in mein Herz.

Das sagen alle Schriften. Im Heiligen Koran haben wir: ”Ich werde dem Menschen gewähren, was er erbittet. So sollte das Einzige, das man verlangt, eine starke Sehnsucht nach dem Herrn sein. Wenn wir in unserem Bestreben aufrichtig sind, werden wir Ihn sicher bekommen.

Einmal saß ein kleiner Junge ganz allein in einem Zimmer. Seine Mutter war in der Küche. Der Milchtopf stand auf dem Feuer vor ihr. Das Kind wollte aufstehen, rutschte aber aus und fiel. Dann versuchte es, sich selbst hochzustemmen, indem es sich gegen die Wand stützte. Seine kleinen Hände fanden keinen Halt und es fiel wieder. Dann sah es den Türvorhang und streckte seine Hände danach aus, um sich daran hochzuziehen. Wie das Unglück es will, glitt der Vorhang von der Stange und beide fielen auf den Jungen. In seiner Hilflosigkeit fing er an, erbarmenswert zu weinen und rief nach seiner Mutter. Sobald die Mutter sein Weinen hörte, eilte sie auch schon in das Zimmer, ohne sich um die kochende Milch zu kümmern und drückte ihn an sich. Sie nahm das Kind und ging zurück in die Küche, um nach der Milch zu sehen. Aber es war zu spät, die Milch vor dem Überkochen zu retten. Das Kind glaubte vielleicht, dass es den Trick erkannt habe, seiner Mutter Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Als es ein paar Tage später alleine im Zimmer saß, begann es wieder ‘Mutter, Mutter‘ zu schreien. Die Mutter konnte annehmen, dass es sich nur einem mäßigen Singsang hingab und kam nicht. Das Kind kam daraufhin langsam in die Küche und fragte, was die Mutter täte. Sie antwortete, dass sie damit beschäftigt sei ‘dal‘ (Haferbrei) zu kochen. Das Kind sagte, es habe gedacht, dass sie vielleicht ein besonders leckeres Gericht zubereite, viel besser als Milch, weil sie auf seinen Ruf so lange nicht geantwortet habe. Die Mutter entgegnete: ”Mein Kind, heute war kein Schmerz in deiner Stimme.”

Ihr seht, es ist eine Frage des inneren Verlangens. Wir flehen nach weltlichen Dingen und wünschen uns nicht Gott. Gott beantwortet nur den Schrei aus dem Herzen. Er antwortet nicht auf unsere Lippengebote. Während wir im Gebet sitzen, laufen unsere Gedanken nach den Familienangelegenheiten. Entschuldigt, wir sitzen nicht im Tempel unseres Herzens, sondern praktizieren Götzendienst. Gott wird niemals kommen, wenn es so viele Götzen gibt, die euch anziehen und euch beschäftigen. Ihr würdet gut daran tun, euren Gemütszustand mit dem von erwachten Seelen zu vergleichen. Guru Arjans Herz brennt in Liebe zu Gott und sucht eifrig Mittel und Wege, um Seinen Geliebten zu finden. Der einzige Weg, Gott zu finden ist, zuerst Mittel zu diesem Zweck zu finden. Gott kann nicht gefunden werden, ohne die Hilfe eines Gottmenschen. Wenn ihr euch nach Gott von ganzen Herzen und von ganzer Seele sehnt, stellt Er selbst die Mittel zur Verfügung. Es wird gesagt, dass ein einfacher Schrei aus einem reuevollen Herzen Gott schneller erreicht, als die lauten und langen Gebete, die in der Öffentlichkeit von prahlerischen Menschen dargebracht werden. Wenn Gott in allen Herzen wohnt, kennt er auch die allerfeinsten Schwingungen darin. Er ist die Seele unserer Seele und sitzt nicht in hohen Himmeln. Wir können uns selbst und wir können die Menschen der Welt täuschen, aber wir können die große Kraft in uns nicht täuschen. Wenn ihr aufrichtig seid in eurer Liebe zu Gott, wird euch Gott sicherlich zu Hilfe kommen. Seine Gnade ist über alle Maßen groß und Er wird euch einen Gottmenschen treffen lassen. Es ist ein großer Segen, eine wirklich erwachte Seele zu finden. Ihr könnt einer solchen Seele nicht begegnen, wenn nicht Gott es will. Wir können einen Gottmenschen nicht einmal erkennen, da wir Gott nicht erkennen können. Ein Blinder kann nicht einen Menschen mit Sehvermögen herausfinden. Der Letztere kann Mitleid mit dem Blinden haben und ihn bei der Hand nehmen. Wenn unser Inneres Auge noch nicht geöffnet ist und wir uns auf der Sinnesebene befinden, können wir unmöglich den menschlichen Pol sehen, durch den die höhere Kraft wirkt. Offensichtlich sieht der Pol Gottes wie irgend einer von uns aus und wir haben keine Mittel, seine Innere Größe zu erkennen. Wie ihr wisst, wurde Nanak ein Mann mit verdrehtem Verstand genannt. Warum? Weil die Menschen nicht den Blick hatten, um Gott in ihm zu ergründen. Ein kompetenter Meister ist eine Seltenheit. Die Schriften sprechen mit Hochachtung von einem vollkommenen Meister. Dies bedeutet, dass es Meister auf der Welt gibt, die nicht vollkommen und nicht völlig kompetent sind, Spirituelle Erfahrung zu vermitteln. Die Welt ist voll von so genannten Lehrern und solchen, die sich selbst Meister betiteln. Christus mahnt uns, uns vor falschen Propheten und Halbpropheten in Acht zu nehmen. Ein vollendeter Meister ist einer, der das ‘Selbst‘ in sich erfahren hat und die Kraft hat, es auch in anderen zu offenbaren. Er, der Gott gesehen hat, kann auch andere befähigen, Ihn zu sehen. Niemand kennet Gott, denn nur der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren. Wie erkennt man eine solche voll erwachte Seele? Er kann nicht anhand der prächtigen Gebäude beurteilt verden, in denen er weilt, oder durch die riesigen Menschenmengen, die sich vor ihm versammeln. Der wirkliche Prüfstein ist, dass Er in der Lage sein muss, einen praktischen Beweis der Gotteskraft zu geben, indem Er die Seele vorübergehend von der Sinnesebene erhebt. Ihr könnt ihn nicht auf der Ebene des Intellekts beurteilen, so sehr ihr euch auch bemühen mögt, nicht einmal durch ein enges Zusammensein mit ihm über eine lange Zeit. Die Wirklichkeit ist in ihm und er hütet sie als ein heiliges, von Gott anvertrautes Gut. Er würde es nie zur Schau stellen. Er kann durch euren aufrichtigen und tiefen Wunsch nach Gotterkenntnis gerührt werden. Und wenn ihr Gottes Namen in eure Stirn geschrieben habt, wird er bestimmt den Geist Gottes und die Kraft Gottes in euch offenbaren. ‘Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.‘ So ist es also eine Frage des Bittens, Suchens und Anklopfens an der Tür des Gottmenschen. Und außerdem hängt die Erfahrung von dem Lebensimpuls ab, den der Gottmensch verleiht, denn Leben kommt von Leben. Bloße Kenntnis der Formeln aus Büchern oder von so genannten Lehrern wird nicht helfen. Es ist die Ausstrahlung, die von Auge zu Auge geht und das Wunder bewirkt.
”Ein Gnadenblick von Ihm genügt, um den Zweck zu erfüllen.”
Er ist es, der unsere Aufmerksamkeit erhebt und sie oben hält, um uns so die Innere Erfahrung zu geben.

Zu Hazurs Zeiten kamen viele gelehrte, in den Schriften bewanderte Menschen und wollten mit dem Meister müßige Diskussionen führen. Hazur fragte sie dann einfach, ob sie Zugang nach Innen hätten, und wenn ja, ob sie dann andere auch mit in die Inneren Ebenen nehmen könnten. Das brachte sie natürlich zum Schweigen, denn sie hatten selbst nicht einmal solch eine Erfahrung.

Einmal kam Kartar Singh, ein blinder Philosoph, um Hazur zu hören. Nachdem er die Rede gehört hatte, stand er auf und sagte: ”Ich bin ein großer Philosoph. Ich habe immer rhetorische Reden gehalten, die jegliche Opposition verstummen ließen. Nachdem ich Eure Worte gehört habe, fühle ich, dass ich genau wie ein Kind bin, das am Strand Kieselsteine sammelt, während der große Ozean unerforscht vor mir liegt.” Ihr seht, dass ein weltweiter Unterschied besteht zwischen der Rede eines praktischen Lehrers und der eines gelehrten Menschen. Des Meisters Rede sinkt tief in die Herzen der Zuhörer. Es wird gesagt, das die Gedanken, die ohne Denken von oben kommen, fehlerlos und vollkommen sind.

Hört auf das Zeugnis der Heiligen, denn sie sprechen aus, was sie wirklich Innen sehen.

Ich tue nichts von mir selbst, sondern, wie mich der Vater gelehrt hat, so rede ich.

Johannes

Nanak spricht über Gottes Gegenwart und sagt:

Ich sehe meinen Gott als stünde Er vor mir.

Heilige sprechen mit Autorität. Das ist die Art der Weisen, die mit göttlichem Wissen begabt sind. Sie haben Liebe für alle und Feindschaft mit niemandem. Sie lieben sogar ihre Feinde. Einmal fragten die Jünger Jesus, wie sie sich den Leuten und besonders ihren Feinden gegenüber verhalten sollten. Jesus erklärte:

Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde, und bittet für sie; auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel.

Ihr seht, dass göttliche Gesetze entsprechend der Zeit und den Bedürfnissen der Menschen gegeben werden. Das Mosaische Gesetz wurde den Menschen gegeben, da sie harten Herzens waren. Mit dem Wechsel der Zeiten änderte Jesus das Gebot in der oben geschilderten Weise.

Wahrhaft Große Menschen wünschen jedermann Gutes. Ihre Liebe ist allumfassend. Ihre Herzen sind so groß wie das Meer. Sie erheben nicht einmal den kleinen Finger gegen die, die sie kritisieren und beleidigen und schlecht von ihnen sprechen.

Es ist schade, dass die Welt voll von Menschen ist, die sich selbst um des Leibes willen vergessen. Sehr selten werdet ihr jemanden finden, der wirklich auf der Suche nach Gott ist. Unsere Tempel und heiligen Stätten sind zum Ersticken voll. Tausende von Menschen gehen dorthin, um den üblichen Gottesdiensten beizuwohnen. Sie hören den Gesängen und Reden zwar aufmerksam zu, suchen aber nur ihren Vorteil. Jeder hat sein persönliches Motiv für diese Art von Religiosität. Entschuldigt, aber wir machen aus Gott ein willenloses Werkzeug. Wir wollen Gott nicht um Gottes willen. Wir müssen deshalb lernen, wahr zu uns selbst zu sein. Das ist der erste Schritt und der wichtigste dazu. Gott ist groß und gnädig. Er gibt uns, was wir wünschen. Wenn wir die Welt wollen, gibt Er uns die Welt, aber nicht Sich. Der Kreislauf der Welt ist lang und endlos.

Habt ihr erkannt, was das größte Hindernis auf unserem Weg zu Gott ist? Wir stehen an der Pforte und versperren den Weg und bitten Gott einzutreten. Wie kann Er das? Wir müssen zur Seite treten und Ihm den Weg freigeben. Wir müssen uns aller Gedanken an die Welt entledigen und so Platz für Ihn machen. Wir müssen warten und nach Ihm ausschauen.

Er kommt wie ein Dieb in der Nacht und es ist keine Stunde festgesetzt für Sein Kommen.

Gott ist nicht taub. Er weiß, was in unseren Herzen vorgeht und handelt entsprechend.

Das Gesetz Gottes ist gut, gerecht und dient uns letztlich zum Besten. Wenn wir falsch bitten, wird Er uns nicht erhören. Wir müssen lernen, in Seinem Willen zu leben und Seinen Willen anzunehmen, was es auch immer sei. Darin liegt unsere Sicherheit und Geborgenheit. Wir wissen nicht einmal, was wir von Ihm erbitten und wie wir bitten sollen? Der Fehler liegt bei uns. Manchmal kommt es daher vor, dass unsere Wünsche erfüllt sind und am Ende die Dinge doch verkehrt laufen. Dann werden wir uns bewusst, dass wir etwas erbeten haben, das nicht wünschenswert ist. Warum also beten wir nicht lieber zu Gott, uns das zu gehen, was Er für das Beste hält, als die Sterne dafür verantwortlich zu machen, wenn etwas schief geht. Deshalb hat ein erwachter Mensch eine vorherrschende Leidenschaft für Gott allein. Alle Dinge dienen zum Besten derer, die die Liebe Gottes gewinnen. Wie können wir das tun? Wir wissen nicht einmal, wo Gott ist und wie wir zu Ihm gelangen können. Es ist gesagt:

Wir müssen uns so hoch erheben, wie Er ist, erst dann können wir Ihn erkennen.

Gott ist sehr subtil und außerhalb der Reichweite unserer Sinne, unseres Gemüts und unseres Intellekts. Wir können Ihn mit den Augen des Fleisches nicht sehen. Wenn wir lernen, uns zu vergeistigen, können wir mit dem sich zum Ausdruck bringenden Gott in Verbindung kommen und dadurch Seine Liebe gewinnen.

Nun erhebt sich die Frage, wie man einen Guru der richtigen Art findet. Auf der einen Seite haben wir Gurus, die sich lediglich als solche ausgeben. Indem sie die Rolle eines Guru spielen, verdienen sie sich ihren Lebensunterhalt. Wir haben mit dieser Art Gurus nichts zu tun. Dann gibt es soziale Lehrer und Prediger, die ihre Arbeit entsprechend den festgesetzten Regeln der Organisationen tun, zu denen sie gehören. Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen und kann nur in der Gemeinschaft leben. Die Fundamente aller sozialen Ordnungen sind sich weitgehend ähnlich. Sie besagen, dass wir auf einen ehrbaren Lebensunterhalt und ein keusches Leben der Wahrheit und Enthaltsamkeit achten sollen. Das ist etwas Empfehlenswertes. Sozialreformer können sicherlich dazu beitragen, die Gesellschaft und das soziale Leben der Menschen bis zu einem bestimmten Ausmaß zu heben. Aber unglücklicherweise werden unsere Reformer im Laufe der Zeit auch engstirnig und verlieren den elastischen Kontakt mit der Gemeinschaft, mit dem Ergebnis, dass innerhalb der Gemeinschaft Splittergruppen entstehen. Das führt zu Spaltung, Spannung und Unruhe. So ist  was auch immer sie tun  etwas von begrenzter Natur für eine begrenzte Zeit. Das Gute, das sie tun, ist nicht dauerhaft. Dies ist die zweite Kategorie der Lehrer und wir können sie als Lehrer der Gesellschaft und des weltlichen Wissens klassifizieren. Sie können uns bei der Selbsterkenntnis und Gotterkenntnis nicht von großer Hilfe sein. Für diese Ziele müssen wir nach einer anderen Art von Guru suchen, einem Satguru oder einem, der in Sat oder der Wahrheit verankert ist. Satgurus sind verwirklichte Seelen mit dem Wissen von und dem Zugang zu den jenseitigen Bereichen, den Bereichen jenseits der Ebene der Sinne, des Gemüts, des Intellekts und der pranas (vitale Kräfte). Sie sind wahrlich Lehrer und halten die Schlüssel von Himmel und Hölle und vom Jenseits in ihren Händen. Der verunstaltete Weise Ashtavakra, der Raja Janaka eine praktische Erfahrung des Innern gegeben hat, gehörte zu dieser Kategorie von Lehrern. Er war der einzige Rishi, der nicht nur lehrte, sondern für sich in Anspruch nahm, sein eigenes ‘Selbst‘ verwirklicht zu haben und fähig zu sein, anderen gleicherweise die Erkenntnis zu vermitteln. Zu jener Zeit war Indien, wie Ihr wisst, auf dem Höhepunkt seines Ruhms, voll von Weisen und Sehern verschiedener Art und verschiedenen Ranges, aber keiner konnte dem königlichen Gottsucher (Raja Janaka) eine Gotteserfahrung geben. Der große Weise Yaggavalkya konnte dem König nur die Theorie von ‘Para Vidya‘ oder der Wissenschaft der Seele vermitteln. So ist alles, was wir brauchen, ein Vollendeter Meister zu unserer Belehrung und Führung auf dem Gottespfad. Die nächste Frage ist, wo ein Vollkommener Meister zu finden ist. Ihr sollt wissen, dass er nicht an irgendeine besondere Gesellschaft oder irgendein bestimmtes Land gebunden ist. Ein Mensch des Geistes kommt und geht so frei wie der Wind. Und außerdem kann Gott irgendeinen Menschlichen Pol als das geeignete Gefäß erwählen, um durch ihn zu wirken. Er kann als Flickschuster wie Ravi Das, oder als Tuchdrucker wie Namdev, oder als Weber wie Kabir, kommen. Er kann seine Geburt unter Kschatrijas (Kriegerkaste) oder unter Landwirten, wie Dhanna Bhagat nehmen. Er kann in diesem oder jenem Land erscheinen, im Osten oder Westen oder sonstwo in der Welt. Wo auch immer Gottes Licht erscheint, werden die Menschen ganz sicher wie Motten angezogen. Er mag in einer hochstehenden Familie kommen, oder niedrig geboren werden, das spielt keine Rolle. Aber dies ist sicher, dass ihr, wenn er die Selbstverwirklichung erreicht hat, von ihm allein eine Innere Erfahrung erwarten könnt.

Wir müssen alsdann Tag und Nacht beten‚ einen Kompetenten Meister zu finden. Ich will euch eine meiner eigenen Ehrfahrungen erzählen. Auch als Kind hatte ich meinen eigenen Hintergrund. Jeden Tag nahm ich einen Vers aus den Sikhschriften vor. Ich schrieb ihn nieder und den ganzen Tag lang dachte ich darüber nach. Einmal nahm ich einen Vers, der betonte, dass es wichtig sei‚ mit einem Wahren Guru in Verbindung zu treten, vielleicht mit einem Sadh, einem Sant oder einem Mahatma. Dies machte mich nachdenklich. Ich fing an, Gott zu bitten, dass Er mir zu einem Wahren Guru verhelfen möge, damit ich vollen Nutzen aus diesem jetzigen Leben haben und so meinen lang gehegten Wunsch erfüllen könne. Allmählich ergriff dieser Gedanke völlig Besitz von mir. Ich wünschte sogar, dass Gott selbst seine Gnade direkt auf mich ausgießen mochte, so wie Er es Dhruva oder Praladh in der Vergangenheit getan hatte. Aber jetzt hatten sich die Zeiten geändert. Die Gotteskraft konnte jetzt nur durch die Gnade eines Gottmenschen erfahren werden. Ich hatte Angst‚ dass mein Leben vergeudet wäre, wenn ich in meiner Wahl irrte.

Lange Zeit fuhr ich fort auf diese Weise zu denken. Von Zeit zu Zeit hatte ich Göttliche Visionen. Ich hielt die Form des Heiligen Mannes, der mich in meinen Meditationen zu besuchen pflegte, immer für Nanak. In jenen Tagen schrieb ich ein Gedicht, in dem ich die liebenswürdigen Eigenschaften des göttlichen Führers‚ der fortfuhr, mich all diese Jahre hindurch, Tag für Tag auf verschiedenen Ebenen zu führen, in schöner Weise schilderte. Dieser Zustand hielt ungefähr sieben Jahre an. Erst 1924 ging ich zufällig nach Beas und traf diese visionäre Gestalt in der Form von Hazur Sawan Singh Ji Maharaj. Was ich sagen möchte, ist, dass Gott auf unsere Gebete hört, vorausetzt, sie sind echt, tief und aufrichtig. Als ich Hazur fragte, warum er so lang gewartet hatte, mich zu Seinen Lotosfüßen zu führen, erwiderte Er einfach, dass dies die geeignetste Zeit dafür gewesen wäre.

Ich muss ständig wiederholen, dass ein Gottmensch nicht ein Mensch im gewöhnlichen Sinne des Wortes ist. Er ist immer ein Menschlicher Pol, in Dem und durch Den die Gotteskraft wirkt. Die Kraft Gottes durchdringt alles und im auserwählten Menschlichen Pol wirkt sie auf den unterschiedlichsten Ebenen. Als Guru wirkt Er auf der physischen Ebene wie jeder andere weltliche Lehrer auch. Er teilt unsere Freuden und Sorgen. Er mag in unserem Leid sogar Tränen mit uns vergießen. Dies alles tut Er, um unsere menschliche Natur und unser Vertrauen in Ihn zu entwickeln. Innerlich bleibt Er, wie Er ist‚ unberührt und unbekümmert durch alle unser Wohl unnd Wehe. So handelt Er auf der menschlichen Ebene wie ein vollkommener Mensch. Aber darüber hinaus ist Er noch einiges mehr. Wenn ihr die physische Ebene verlasst und in die astrale Welt hinübergeht, nimmt der ‚Guru‘ nun die Form des ‚Gurudev‘ an und erscheint in Seiner Strahlenden Gestalt. Wenn der Schüler fähig ist, in sich die Strahlende Form des Meisters zu offenbaren, und sich mit Ihm zu besprechen beginnt, wird Er ein ‘Gursikh‘ (Wahrer Schüler des Guru). Diese Strahlende Form des Meisters wird nun unser Führer auf den Inneren Ebenen und leitet uns zu den Füßen des ‚Sat Purush‘. Die Kraft, Die uns mit dem ‚Sat Purush‘ verschmilzt, wird ‘Satguru‘ genannt. Diese Kraft ist es, Die in der Welt auf der menschlichen Ebene als ein ‚Guru‘ wirkt. Daher ist gesagt: ”Der Satguru bleibt beständig in Seiner Fülle.”

Das bedeutet, dass Er ganz offenbart ist‚ wo Er auch immer ist, selbst im Menschlichen Pol, aber Er ist nicht an den Pol gebunden. Entschuldigt, wir haben die Wahre Natur des Guru und seine Größe noch nicht verstanden. Wie ein kleines Kind nehmen wir an, ihn zu kennen. Was kann ein Kind von seinem Vater wis-sen und mehr noch, von seinem himmlischen Vater? Wir erkennen ihn nur in dem Ausmaß, das Er uns erkennen lässt oder in welchem Er sich uns offenbart. Der Guru ist so unbegreiflich und unbeschreiblich wie Gott selbst. Wir können Ihn auf der menschlichen Ebene des Intellekts einfach nicht erkennen.

Ihr könnt die Lebensgeschichte irgendeiner großen Seele nehmen, und ihr werdet feststellen, dass sie die Höhen, die sie erreichte, durch das starke Feuer in sich gewann. Gott kann man nicht so einfach erlangen, wie wir es uns vorstellen. Ra-bia Basri, eine Moslem-Heilige, litt unter schweren Qualen der Trennung vom Herrn. Sie hatte großes Verlangen nach Ihm. Sie pflegte sich in der frühen Morgendämmerung zur Meditation zu setzen und blieb so bis zur Nacht. Und dann saß sie wieder bis zum Tagesanbruch. Ihre Nachbarn waren erstaunt über ihre ununterbrochene Hingabe. Sie fragten sie einmal: ”O Rabia, bitte, sag uns, ob Gott dich besucht, bevor du zu meditieren beginnst, oder wenn du die Meditation beendet hast?” Sie sagte: ”Er kommt vor der Meditation.” Sie fragten: ”Wie weißt du das?” Sie antwortete: ”Er ist es, der mich zur Meditation drängt. Immer wenn ich ruhelos bin und von starken Gefühlen und Gemütsbewegungen überwältigt werde, weiß ich, dass Er gekommen ist.” Das ist etwas Normalen im Leben der spirituell Großen. Von sehr frühem Alter an hatte Nanak keine Liebe für die Welt. Als Kind verharrte er in einer Art Selbstvergessenheit. Er war der einzige Sohn seiner Eltern. Sein Vater und die Familienmitglieder konnten es nicht ertragen, ihn in einem Zustand der Qual und und Verwirrung zu sehen. Nanak wurde auf eine Wallfahrt geschickt. Sie half ihm nicht. Ein Arzt wurde gerufen. Er fühlte den Puls des jungen Mannes. Nanak selbst beschreibt diesen Vorfall sehr schön:

”Der arme Doktor kam herein und befühlte meinen Puls. Wie konnte der Einfältige die Qual in meinem Herzen erkennen?”

Und dann fügte Er bedeutsam hinzu:

”O Arzt, geh deinen Weg zurück, den ich bin von der Liebe Gottes getroffen.”

Als Erstes müssen wir ein inneres Verlangen nach dem Herrn haben. Im Schmelzfeuer der Liebe erstrahlt der Herr in vollem Glanz. Die vergangenen ‚Samskaras‘ (Eindrücke) erhalten durch einen Menschen der Verwirklichung einen segensreichen Antrieb. Er entfacht die Flamme der Liebe. In jedem Herzen ist Liebe. Aber was gewünscht wird, ist die Liebe zum Herrn und nicht die Liebe zur Welt. Der Guru findet einen bereiten Boden in einem liebevollen Herzen, um das Wort Gottes zu sähen. Guru Arjan erklärt weiter:

Worauf auch immer eines Menschen Herz gerichtet wird, ohne das kann er nicht sein.

Es ist eine Sache der allgemeinen Erfahrung, dass wir immer dem Herzen folgen. Wenn ein Kind hungrig ist, kann es durch nichts zufriedengestellt werden, außer durch Nahrung. Eine Mutter mag dem Kind Hunderte von Spielsachen hinlegen und ver-suchen, mit ihm auf verschiedene Arten zu spielen, es wird weiter nach Milch schreien. Milch bedeutet alles für es. Genau dies ist der Fall bei einem, der in sich Hunger nach dem Herrn hat. Die Welt und die Dinge der Welt haben für ihn keinen Wert. Reichtum und Besitz, wie riesig sie auch sein mögen, können ihm keinerlei Befriedigung geben. Das innere Verlangen nach Gott zerfrisst ihn. Alles, was er will‚ ist, einen Weg zu Gott zu finden. Er ist bereit, alles für Einen hinzugeben, Der ihn auf den Weg zu Gott stellen kann.

Einmal ging ein Mann zu einem Mahatma. Dieser wollte gerade zum Fluss gehen und baden. Er bat den jungen Mann, ihn zu begleiten. Sie zogen ihre Kleider aus und stiegen in den Fluss. Der Mahatma stieß den jungen Mann dahin, wo das Wasser tief war und drückte seinen Kopf unter Wasser. Der Mann bekam keine Luft und kämpfte, um den Kopf über Wasser zu bekommen. Der Mahatma zog ihn heraus und fragte ihn, ob er ein so zwingendes Verlangen nach dem Herrn habe, wie er es unter Wasser nach Luft gehabt habe. Das ist es, was von einem Gottsucher verlangt wird. Ohne dieses Verlangen kann man nichts tun.

Einmal ritt Hazrai Junid von Persien an einem Flussufer ent-lang, als plötzlich seine Stute stehenblieb. So sehr er das Pferd auch antrieb, das Tier bewegte sich nicht. Als alles Zureden und Anfeuern nichts nützte, lockerte er die Zügel und überließ es dem Tier, zu tun, was es wollte. Auf einmal fing es an zu galloppieren und brachte den Hazrat zu einer Berghöhle, wo ein alter Mann alleine saß. Der Hazrat stieg ab und blieb einige Zeit bei dem alten Mann und gab ihm Anweisungen für den Weg zu Allah (dem Herrn). Bevor er ging, gab der Hazrat dem Gottsucher seine Adresse. Der alte Mann sagte völlig unbekümmert und naiv: ”Ich werde keine Gelegenheit haben, euch zu eurem Haus zu folgen. Er, der euch jetzt gesandt hat, wird euch wieder senden, wenn ich eurer irgendwann bedarf.” Das ist natürlich von einem ‘Mureed‘ (Schüler) zu viel von seinem ‚Murshid‘ (Meister) verlangt. Tatsache ist, dass Gott nicht weit entfernt von uns ist. Er ist in uns, auch wenn wir nicht in Ihm sind. Er ist es, der den Gottmenschen führt, die verlorenen Schafe zu suchen und zu finden.

Ich kann euch aus meiner persönlichen Erfahrung etwas berichten. Eines Tages saß ich mit Hazur im Hause eines Duli Chand in Amritsar, als ein Herr, ein Sikh‚ hereinkam. Hazur schaute mit einem Augenzwinkern zu dem Neuankömmling und sagte in vertrautem Ton: ”O, du bist gekommen.” ”Ja, Maharaj‚ ich bin gekommen.”, antwortete er. Überrascht fragte ich ihn, wie er denn gekommen sei. Der Mann erwiderte: ”Letzte Nacht erschien mir Hazur in einer Vision. Er bat mich, am nächsten Tag in dieses Haus zu kommen. Ich habe Hazur nie zuvor gesehen. Es ist mein gutes Schicksal, dass ich zu Ihm gekommen bin.” Was ich damit sagen will ist, dass eine erwachte Seele einem Menschen auf der Spitze eines Berges gleicht, der von einem günstigen Platz aus rings herum schauen kann und von den Herzen, die nach Gott verlangen, Rauch aufsteigen sieht. Wenn er das sieht, trifft er entweder Vorkehrungen‚ um sie zu erreichen, oder sie auf die eine oder andere Art zu sich zu leiten. Ein solcher Mensch wird ein Guru oder Mahatma (große Seele) genannt.

”O Mutter, mit all deinen köstlichen Speisen vor mir fühle ich mich so ungesättigt wie vorher.”

Die Liebe zu Gott ist endlos und wächst von Augenblick zu Augenblick. Nicht die größte Menge weltlicher Freuden kann die Aufmerksamkeit eines Menschen ablenken, der unter der Qual der Trennung leidet. Die elterliche Liebe ist zweifellos sehr groß, aber die Liebe des Meisters für seinen Schüler überschreitet alle Grenzen. Sie ist so allumfassend wie Gott selbst. Einmal besuchte ich Hazur in Beas. Es war Abend. Ich erwies Ihm meine Ehrerbietung und setzte mich neben die Couch, auf der Hazur lehnte. Im Laufe des Gesprächs bemerkte ich: ”Hazur, diejenigen Schüler, die ein wenig ‘Bhajan‘ und ‚Simran‘ üben, tun zweifellos etwas, aber was ist mit denen, die noch auf der Sinnesebene schlummern?” Hazur setzte sich auf und sagte: ”Kirpal Singh‚ meinst du, ich solle aufhören‚ Naam zu geben? Ein liebender Vater wünscht seinen Kindern immer Gutes. Bin ich nicht darauf bedacht, dass jedes meiner Kinder versuchen soll, auf eigenen Füßen zu stehen?” Die Gnade des Meisters ist immer mit uns. Sein Geist und Seine Kraft wirken allezeit zu unserem Guten. Wenn Er die irdische Ebene verlassen hat‚ heißt das nicht, dass Er von uns gegangen ist. Ich habe euch so oft gesagt, dass die Meisterkraft niemals stirbt. Sie wechselt nur den Menschlichen Pol. Derjenige, der den Samen von Naam einpflanzt, kümmert sich um die Saat und hilft ihr zu sprießen und zu einem Baum heranzuwachsen, der Blüten und Früchte hervorbringt. Seine Kraft fährt fort, zu unserem Besten zu wirken, sowohl hier als auch danach. Wir irren immer, wenn wir annehmen, dass die Gotteskraft im Guru mit dem physischen Tod des Guru stirbt. Aber es ist nicht so. Wenn Gott ewig ist‚ ist Seine Kraft euch ewig. Erhält diese Kraft nicht Himmel und Erde und alles, was darin ist? Obwohl wir Ihn physisch nicht sehen können, ist Er nicht weit von uns entfernt. Seine astrale Form in Göttlichem Strahlenglanz ist weiterhin hinter unserem Augenbrennpunkt. Alles, was wir tun müssen, ist, uns selbst in Geist umzuformen, um uns mit dem Geist Gottes‚ jetzt in der Leuchtenden Form des Meisters (Gurudev) zu verbinden. In seiner Strahlenden Form wartet Er sehnlich auf uns, um uns mit Seinem Segen zu überschütten, sobald wir zu Seinen Füßen kommen. Er ist wie eine ‘Parda-Nashin‘ (verschleierte Frau), die nicht in der Öffentlichkeit erscheinen will. Wenn wir fortfahren, in der Welt zu spielen und uns nicht Ihm zuwenden, liegt der Fehler bei uns. Wir müssen uns deshalb bemühen, die Tür zu erreichen, wo Er steht. In dem Augenblick, in dem wir Ihm nahe kommen, wird Er Seine Hände ausstrecken, um uns zu halten und uns zu Sich zu ziehen. Seid dessen sicher, Er wird es um Seines Namens willen tun. Dies ist Seine Wahrheit und Er steht immer für sie ein.