Auszüge aus ‚Spirituelles Elixier‘

Fragen, die durch den Meister beantwortet wurden

Frage an Kirpal Singh:

Welches sind die Eigenschaften des Gemüts?

Antwort von Kirpal Singh:

Das Gemüt hat vier Spiegelungsflächen oder Eigenschaften, nämlich

1.Chit – es kann mit einem See verglichen werden, in dem unmerklich die ganze Zeit über zahllose Ströme von Eindrücken fließen.

2.Manas – die Denkfähigkeit des Gemüts sinnt über die Eindrücke nach, die sich auf der Oberfläche des Sees in Form von Wogen und Wellengekräusel erheben, gerade wie eine Bewusstseinskrise über das Wasser des Chit-Sees weht und nacheinander eine endlose Kette Gedanken in Bewegung setzt. 

3.Buddhi oder Intellekt, ist die Fähigkeit des Verstandes, der Schlussfolgerung, der Unterscheidung und schließlichen Entscheidung, nachdem das Für und Wider erwogen wurde, wie durch Manas dargelegt. Er ist der große Schiedsrichter, der die Probleme des Lebens, die auf ihn zukommen, zu lösen sucht.

4.Ahankar oder Ego – es ist die selbstbehauptende Fähigkeit des Gemüts, denn es liebt, für alle vollbrachten Handlungen anerkannt zu werden, und es bereitet somit eine reiche Ernte von Karmas, die einen auf dem gewaltigen Rad des Lebens ständig hinauf und wieder herunter bringen.

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Frage an Kirpal Singh:

Gibt es irgendeinen guten oder hilfreichen Wesenszug des Gemüts?

Antwort von Kirpal Singh:

Ja, das Gemüt hat wie Janus noch ein anderes Gesicht. Wenn es durch sanfte Überredung und gütige Ratschläge und einem kleinen Klaps dann und wann, richtig geschult wird, kann es von einem furchtbaren Feind in einen wertvollen Freund verwandelt werden, der der Seele in ihrer Suche nach der Wahrheit hilft. Es ist nur eine Frage der Zeit und der Geduld, diese Umwandlung zustande zu bringen; und wenn sie erreicht ist, kann man keinen besseren Gehilfen haben als das Gemüt. Es hat wie ein Chamäleon die Fähigkeit, die Farbe des Ortes anzunehmen, an dem es sich befindet, und das ist tatsächlich etwas, das uns mit ihm wieder aussöhnt. Wenn es sich an der Peripherie des Lebens befindet, dehnt es sich nach außen und unten hin aus. Aber da es im Gaggan (Himmel) verwurzelt ist, ist es den höheren und heiligeren Einflüssen einer Meisterseele, auf die es reagiert, nicht unzugänglich, und Er lenkt es dann auf den anderen Weg.

Wie das Feuer ist es ein sehr guter Diener, aber ein schlechter Herr. Das Gemüt hat die hilfreiche Eigenschaft, die gewohnten Rillen zu benutzen und an Handlungen Freude zu finden, die sich stets wiederholen Wir können daraus Nutzen ziehen, wenn wir es  zu guten Handlungen veranlassen, die zu Spiritueller Disziplin und Fortschritt führen. Ein Heiliger hat einmal so schön gesagt:

Meine Füßen gehen immer weiter, und das Gemüt folgt ganz sanft und heiter.

Wenn wir das Gemüt durch bedachtes und stetiges Streben daran gewöhnen, sich für eine bestimmte Reihe von Tagen zu einer festgelegten Zeit still zur Meditation hinzusetzen, wird eine gute Gewohnheit gebildet sein. Es ist eine erwiesene Tatsache, wenn die Zeit der Meditation naht, kommt ihr unsere Aufmerksamkeit bereits entgegen, und wir werden allmählich daran Gefallen finden. Ähnlich ist es mit dem regelmäßigen Besuch des Satsang. Wir können diese Gewohnheit entwickeln, indem wir regelmäßig zum Meister gehen und Seine Vorträge, die voll des Göttlichen Wissens sind, hören. Es wurde oft beobachtet, dass Menschen mit einem sehr dürftigen Spirituellen Hintergrund, spirituell zu wachsen beginnen, da sie von der Ausstrahlung der Meisterkraft in der geladenen Atmosphäre Vorteil haben.

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Frage an Kirpal Singh:

Was verursacht die Leere nach ungefähr einer halben Stunde der Konzentration oder wie kann man sie überwinden?

Antwort von Kirpal Singh:

Der Gedanke ist der Schlüssel zum Erfolg. Die Umkehrung mit Hilfe der Wiederholung der geladenen Namen dient zum Inneren Zurückziehen der Sinnesströme vom Körper unten zum Augenbrennpunkt. Dann beginnt die zweite Phase von Dhyan, nämlich die Kontemplation. Sie kann erlangt werden, wenn man die Aufmerksamkeit in das Innere Göttliche Licht so sehr versenkt, dass man sich selbst vollkommen vergisst. Die empfundene Leere nach etwas einer halben Stunde, kommt von dem Mangel an gleichmäßig durchgeführter Praxis und Vertiefung im Innern. Nur durch große Bemühung und strenge Spirituelle Disziplin wird der menschliche Körper von den Unreinheiten des Gemüts frei und kann auf das Heilige Naam im Augenbrennpunkt abgestimmt werden.

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Frage an Kirpal Singh:

Wenn man den Tonstrom übt, aber nicht weit kommt oder die höheren Töne hört, wird dann das karmische Gewicht auch leichter?

Antwort von Kirpal Singh:

Ja, die Last  der karmischen Schuld wird leichter, wenn man auf den Heiligen Tonstrom hört und selbst wenn es die untersten Bindeglieder sind, denn es hält den Kiel unseres Schiffes fest auf dem stürmischen Meer des Lebens und bewahrt es davor, durch die Untiefen, Sandbänke und versunkenen Felsen auf Grund zu laufen. Aber man muss danach streben, höhere Töne zu ergreifen, denn die letzteren üben eine gewaltige Anziehungskraft auf die Seele aus, die einen, wenn man ihnen folgt, letzten Endes zur Befreiung führen. Diese höheren Töne kann man durch liebevolle Hingabe und Praxis leicht unterscheiden und mit der Gnade der Meisterkraft, die immer bereit ist, den Aspiranten auf dem Pfad alle mögliche Hilfe zuteilwerden zu lassen, kann man sich leicht mit ihnen verbinden.

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Frage an Kirpal Singh:


Warum wird das Gemüt als ein furchtbares Hindernis für den Spirituellen Fortschritt angesehen?

Antwort von Kirpal Singh:

In seinem gegenwärtigen Zustand ist das Gemüt mit einer riesigen karmischen Last vergangener Lebensläufe beladen. Es wird durch die nach außen gehenden Sinneskräfte unterjocht und dadurch hilflos in den Sumpf der Sinnesfreuden hineingetrieben. Das Alphabet des Spirituellen Fortschritts beginnt mit der Kontrolle des Gemüts. Es wird gesagt, dass, solange das Gemüt nicht unter Kontrolle, die Sinne diszipliniert und der Intellekt zur Ruhe gebracht ist, wir keine Erfahrung der Selbsterkenntnis haben können. Der menschliche Körper gleicht einem Wagen, in dem sich die Seele befindet, mit dem Gemüt als Fahrer, dem Intellekt als Zügel und mit den Sinnen als mächtige Rosse, die im Sumpf der Sinnesfreuen Amok laufen. Aus dem Grunde und um die Tatsachen zurückverfolgen zu können, müssen die Sinne diszipliniert, der Intellekt beruhigt und das Gemüt kontrolliert werden, so dass man die Innere  Erfahrung der Seele erlangen kann. Das Gemüt ist seit Urzeiten gewöhnt, im Äußeren umherzustreifen. Solange ihm nicht etwas im Innern geboten werden kann, an dem es mehr Freude hat, kann man es nicht unter Kontrolle bringen. Die vier Haupteigenschaften des Gemüts, wie oben erörtert, müssen vergeistigt werden, ehe ein wahrnehmbares rechtes Verstehen der Sache erzielt werden kann. Genauso sind wir gegenwärtig so sehr durch die  Gegebenheiten des äußeren Lebens beeindruckt, dass wir wenig oder kein Wissen über die höheren Spirituellen Wahrheiten, die voll der Göttlichen Glückseligkeit sind, haben, was von tiefer Unwissenheit zeugt; deswegen gibt es keine Hoffnung, dass unser  Gemüt die rechte Richtung geht, solange wir nicht eine feste Überzeugung vom Leben im Jenseits haben. Nur in der Gegenwart des Lebenden Meisters, der Sein Gemüt völlig beherrscht und unter Kontrolle hat, finden wir eine Strahlende Widerspiegelung der Inneren Stille und Ausgeglichenheit des Gemüts.

(aus ‚Sat Sandesh‘ 2; 4, 1969)