Ein Lebensabriss

Es gibt einen kleinen Marktflecken in der Oberlausitz mit Namen Altseidenburg, ungefähr drei Kilometer von Görlitz entfernt, in dem ein Mann namens Jakob lebte, und seines Weibes Namen war Ursula. Sie waren Menschen ärmsten Standes, aber von unauffälligem und ehrenwertem Betragen. Im Jahre 1575 bekamen sie einen Sohn, den sie Jakob nannten. Dies war der göttlich erleuchtete, deutsche Theosoph, den Gott gerade zur günstigsten Zeit des Jahrtausends und Jahrhunderts emporhob, um den Urgrund des Geheimnisses von Natur und Gnade zu zeigen und die Wunder Seiner Weisheit zu öffnen.

So beginnt der Bericht von Böhmes Leben. Seine Jugend verbrachte er auf den Feldern als einfacher Hirtenjunge und als er älter wurde, ging er zu einem Schuhmacher in die Lehre. Eines Tages, als der Meister abwesend war, kam ein Fremder mit ‚ehrwürdigem und ernstem Gesicht, aber ärmlich gekleidet‘ in den Laden und verlangte ein bestimmtes Paar Schuhe. Jakob, der kaum mehr wusste, als den Laden sauber zu halten, konnte nichts aussagen über die Preise; so gab er einen hohen Preis an, von dem er wusste, dass er seinem Meister nicht missfallen würde, falls der Mann sie kaufte. Dennoch kaufte sie der arme Fremde und im Augenblick, als er den Laden verließ, nannte er Jakob beim Namen und bat ihn, ihm zu folgen. Völlig überrascht, dass ein Fremder ihn so familiär Jakob nannte, folgte er ihm scheu. Allein mit Jakob gab er ihm offenbar eine bemerkenswerte Spirituelle Erfahrung. Dann sagte er, indem er seinen Blick tief in Jakobs Augen senkte:

Jakob, du bist klein, aber wirst groß werden und ein anderer Mensch, einer, über den die Welt staunen wird. Deshalb sei fromm, fürchte Gott und verehre Sein Wort. Lies eifrig die Heiligen Schriften, worin du Befriedigung und Belehrung findest. Denn du musst viel Elend, Armut und Verfolgung ertragen. Aber sei zuversichtlich und beharrlich, denn Gottes Liebe ist dir gnädig …

Und indem er seine Hand drückte und ihm mit einem strahlenden und funkelnden Blick ins Gesicht sah, ging er …

So ereignete sich die vielleicht wichtigste Begebenheit in Böhmes Leben und Er bildete diese Lektion zu ihrer vollen Blüte aus. Tagelang badete Er in dem mystischen Licht und der Inneren Musik. Schließlich begann Er ein Buch zu schreiben, als privates Gedenkbuch für das Innere Leben. Ganz ohne Seine Billigung wurde das Buch öffentlich bekannt gegeben. Der lokale Klerus, erschrocken über die Wirkung, die solch universale Lehren auf ihre eigene Gemeinde haben konnten, brachte für Jakob – wie vorausgesagt – den Anfang einer lebenslänglichen Verfolgung. Es war allein die Vorsehung, die Jakob vor einem Leben in der Verbannung bewahrte. Böhme, Der niemals ein öffentliches Missfallen erregen wollte, gebot Seiner Feder Schweigen für sieben Jahre. Indessen, das Geheimnis war gelüftet und die Sucher begannen, zu Seiner Tür zu strömen.

Die Öffentlichkeit vermeidend, brachte Jakob Seine Praktiken zur Entfaltung und stieg zu immer höheren Ebenen und klareren Visionen auf. Seine Feder begann wieder zu fließen und Er sang lange und unermüdlich den Lobpreis des Mystischen Wortes (des Göttlichen Tones) und der Glorie des Inneren Lebens.

Der Prinz von Sachsen, der von Böhmes seltsamer Lehre hörte, brachte ihn vor ein Tribunal der in Philosophie, Theologie und Mathematik gelehrtesten Männer des Tages, um Ihn zu prüfen. Nachdem Böhme einige Zeit mit ihnen gesprochen hatte, weigerten sich alle, ein Urteil zu fällen, da sie darin übereinstimmten, dass das, was Er ihnen zeigte, allen irdischen Verstand überstieg, mit dem sie Ihn beurteilen konnten. Der Prinz selbst hatte manche Stunde bei Ihm verbracht.

Die vielen Schüler, die sich nun um Böhme scharten, kamen aus allen Schichten. Unter ihnen war augenscheinlich eine große Gruppe adliger Familien und Gelehrter, die zu des Schuhmachers Füßen saßen, um von den Mysterien des Jenseits zu hören. Man wird hier lebhaft an den großen Schuhmacher-Heiligen des Ostens, Ravidas, erinnert, um den sich mancher irdische König und manche Königin versammelten.

Einer von Böhmes intimsten Schülern war Dr. Walter, ein Schlesier, der weit im Osten umher gereist war, auf der Suche nach einem Meister, und ohne Erfolg zurückkehrte, um seine Suche an seiner eigenen Tür gekrönt zu sehen.

In Seinen späteren Jahren kam es, dass Böhme Ergebene aus entfernteren Gegenden hatte; um diese Lieben besser unterweisen zu können, legte Er Sein Schuhmacherhandwerk nieder und wurde ein Kleiderhändler; so konnte Er persönlich zu ihnen reisen. Er belehrte Seine Schüler unverändert, dass, während sie das Innere Leben des Geistes pflegten, sie nach außen ein normales Leben aufrecht erhalten und ihr Brot ehrlich verdienen sollten.

Es war damals in Deutschland Brauch, Poesiealben zu haben, in welchen alle Besucher ein Gedenkwort hinterließen. In solche Bücher schrieb Böhme immer Verse wie:

Wenn Zeit und Ewigkeit harmonisch als eines gelten, dessen Seele ist sicher, sein Leben richtig, sein Kampf vorüber, sein Streit zu Ende. Dem Zeit und alles eines sind, dessen Seele hat Ruhe, dessen Krieg ist beendet.

Schließlich kam die Zeit für diesen einfachen Gottesmann, diesen gebrechlichen, menschlichen Körper abzulegen. Die Familie war um Sein Bett versammelt und Er wendete Sich an Seinen Sohn Tobias, der versäumt hatte, das Innere Leben zu pflegen. Von dem Inneren Tonstrom sprechend fragte Er ihn, ob er diese süße, harmonische Musik hörte.

Dann tu das Tor auf,

sagte Böhme,

damit du besser hören kannst.

Böhmes einfaches Dasein war ein vollkommenes Beispiel frommen Lebens, Er lebte in der Welt, aber war nicht von dieser Welt. Er verdiente immer Sein Brot im Schweiße Seines Angesichts, wie arm Sein Leben auch gewesen sein mag; während Er ein normales Familienleben führte, strahlte Er immer Reinheit und die höchsten Tugenden aus; trotz großer Verfolgung war Er immer voll Liebe, selbst zu Seinen Feinden, obwohl niemals schüchtern im Aufrechterhalten der hohen Wahrheit, die Er durch lange Innere Praxis gefunden hatte. Zuletzt und vor allem waren Sein ganzes Leben und Seine Lehren in das strahlende Wort getaucht, den ‚Göttlichen Ton‘, der in den Tiefen des menschlichen Körpers erklingt, von dem Er erklärte, dass alle äußeren Kirchen und Rituale und alle guten Taten von keinem Nutzen seien, wenn man keine Verbindung mit Ihm habe.