Kirpal Singh

Die Wissenschaft der Seele

Deutsche Fassung eines von Meister Sant Kirpal Singh Ji in Hindi gehaltenen Satsang-Vortrages im Sawan Ashram.

Immer wieder haben die Meisterseelen die Erde zur Spirituellen Erleuchtung der Menschheit begnadet. Zu unserer Führung hinterließen sie die kostbaren Aufzeichnungen über das, was Sie im Innern erfahren hatten. Seit dem ersten Aufflackern von Leben auf der Erde war der Mensch sehr damit beschäftigt, nach Glück zu suchen. Er hat auf allen Lebensgebieten ungeheure Fortschritte gemacht. Nehmt zum Beispiel die medizinische Forschung. Viele wundervolle Wissenschaften kamen zutage: Die Unani-Medizin, das ayurvedische Heilsystem, die Allopathie, Homöopathie, Naturheilkunde und dergleichen. Sie alle streben das reibungslose Arbeiten des physischen Körpers an. Die Chirurgie ist in einem früher ungeahnten Ausmaß fortgeschritten – das feinste Organ des menschlichen Körpers kann nun durch ein anderes ersetzt oder übertragen werden. Ähnlich hat der Mensch große Fortschritte auf intellektuellem Gebiet gemacht. Der Mensch hat nicht nur die Naturkräfte besiegt, sondern hat sie in seinen Dienst gezwungen. Man kann einen Menschen mit Hilfe des drahtlosen Funkgeräts und des Fernsehens über Tausende von Meilen hinweg hören und sehen. Und nun versucht der Mensch, die Geheimnisse des Weltraums zu ergründen und interplanetarische Beziehungen herzustellen. All dies sind die Wunder des wissenschaftlichen Verstandes.

Mit der gebührenden Ehrerbietung dem wissenschaftlichen Fortschritt gegenüber hat der Mensch den wesentlichsten Teil seines Lebens ignoriert – nämlich das aktive Lebensprinzip in sich, die Seele, die Essenz des Lebens oder den Funken des Allbewusstseins, eine ungesehene und unsichtbare Macht hinter der ganzen Schöpfung. Die Meister der mystischen Wissenschaft sind sehr damit beschäftigt, diese geheimnisvolle Macht, genannt Leben, zu entfalten, und die Ergebnisse ihrer Erfahrungen sind in Form der verschiedenen Schriften der Welt aufgezeichnet worden. Diese Heilige Literatur offenbart, trotz anscheinender Verschiedenheiten, im Kern eine wunderbare Gleichheit – eine grundsätzliche Einheit, die die Einheit des Ursprungs bezeugt – die unveränderliche Ausstrahlung der Gottheit. Infolge des Mangels an Praktikern, die mit ‚Para Vidya‘ oder der Wissenschaft vom Jenseits wohlvertraut sind, werden uns wesenlose Riten und Rituale geboten, Symbole der großen Wahrheit, die von Leben überfließt. So viele Glaubensbekenntnisse und Ismen verfehlen, uns eine vollkommene Lösung der Lebensprobleme zu bieten. Das Höchste, das die Priesterschaft geben kann, ist ein gewisser Glaube an das Gute, das in ferner Zukunft kommen wird. So bleiben die meisten Leute, die sich sogenannter Spiritueller Erleuchtung ergeben, in ihrer Begrenztheit der Wahnvorstellung über religiöse Verbindungen und folgen einem Gesetz festgelegter Grundsätze und hoffen, dass all dies sie letzten Endes zur Befreiung führen wird.

Alle die gegründeten religiösen Vereinigungen haben ihren Ursprung in einem Meister der Vergangenheit, Der zu Seiner Zeit die Menschen einem höheren Lebenszweck zuführte – der Spirituellen Vollendung. Jeder Flut folgt in den Angelegenheiten der Menschen eine Ebbe. Irren ist menschlich und für gewöhnlich erschlaffen die Menschen im Laufe der Zeit, bis die Unwissenheit eintritt. Die barmherzige Vorsehung jedoch versorgt die Welt zur rechten Zeit mit den Mitteln für die Erneuerung. Ein anderer Prophet, ein neuer Messias erscheint, um die sterbenden Funken zu Flammen anzufachen und versucht, all Seine Kinder in den seidenen Banden einer Weltgemeinschaft zu verbinden. Die Meister, als die Wahren Verehrer des Lebens, verehren nur das höchste Lebensprinzip, das sichtbar und unsichtbar hinter aller Schöpfung existiert. Die Meister verlangen von uns nicht, unsere Religion zu verlassen, die schließlich die verschiedenen Gedankenschulen sind und als Übungsgrund für das Streben nach höheren und Wahren Aspekten der Religion dienen, sondern Sie begründen die Wiedervereinigung der Seele mit der Überseele. Wahrlich, wo die Philosophen der Welt enden, da beginnt die Religion in ihren wesentlichen Aspekten. Wir dürfen über diese Feststellung nicht erschrecken. Die verschiedenen religiösen Gemeinschaften sind gleich den Abzeichen, welche Studenten als unterscheidende Merkmale tragen, um anzuzeigen, zu welcher der verschiedenen Institutionen oder Universitäten sie gehören. Nehmt zum Beispiel den Fall Indiens mit seiner Fülle von überall verbreiteten Flussgebieten. Hier wird es als notwendig erachtet, dass man sich nach einem Ganzbad zur Meditation begibt. Wiederum nehmt Arabien, ein Wüstenland mit akutem Wassermangel. Dort beten die Menschen nach dem ‚wazu‘ - einem einfachen Waschen der Hände, Füße und des Gesichts – und an Orten, wo es kein Wasser gibt, sind die Leute mit ‚taumum‘ zufrieden – dem Reinigen der Hände mit Wüstensand. Bei gründlichem Nachdenken findet man, dass die Grundidee für all diese Formen der Reinigung die ist, dass man die Meditation wachen Sinnes und ohne Anzeichen von Müdigkeit oder Trägheit verrichten soll.

Nehmt gleicherweise den Fall von kirchengemeindlichen Gebeten an religiösen Orten. In Tempeln, Moscheen und Gurdawaras wird es von den Ergebenen als tugendhaft angesehen, die Gotteshäuser mit bedecktem Haupt und bloßen Füßen zu betreten, während die Christen im Allgemeinen barhäuptig und mit Schuhen in ihre Kirchen gehen. Dies alles ist auf die klimatischen Unterschiede im Osten und Westen zurückzuführen, aber die Hauptsache ist in jedem Falle, das rechte Benehmen zu beachten und der Heiligkeit des Gotteshauses Ehre zu erweisen. Die Meister haben daher an den religiösen Ordnungen mit deren traditionellem, sozialem Hintergrund nichts auszusetzen. Aber sie bieten uns einen höheren Weg nach oben – einen Weg ins Jenseits – der eine rein praktische Angelegenheit ist, völlig frei von religiöser oder sozialer Gestaltung und nur für den Zweck bestimmt, zur Selbstverwirklichung und Gottverwirklichung zu verhelfen.

Es gibt zwei Arten von Wissen – die eine ist exoterisch (Apara Vidya) und die andere ist esoterisch (Para Vidya). Während erstere im Studium der Schriften, Pilgerfahrten, Beachten von Fasten und Nachtwachen und Einhalten von Härten usw. besteht, was alles natürlich auf dem Sinnenplan getan wird, ist letztere ein praktischer Weg nach oben in die Spirituellen Regionen. Die Meister legen andererseits die Betonung stets darauf, sich über das Körperbewusstsein zu erheben und die Spirituelle Reise in die Regionen jenseits der Sinne zu unternehmen. Man kann sein ganzes Leben lang damit fortfahren, religiöse Praktiken zu beobachten und auszuführen. Dies würde einen befähigen, zur Religiosität zu gelangen, aber nicht zur Religion in ihrem Wahren Aspekt, was durch Erweckung der inneren Impulse für die Göttliche Gnade kommt, die von Leben überfließt.

Ein genaues Studium des Menschen offenbart, dass er eben ein Bündel von Gewohnheiten ist und ein Leben gewohnten Scheinglaubens führt. Er hat keine Zeit, ernsthaft über das Problem seiner Existenz und über das Seelen-Wesen in sich nachzudenken. Sein ganzes Leben lang läuft er wesenlosen Dingen ohne Bedeutung nach und sucht sein Glück im Materiellen zu finden. Gerade wie das Moschustier, da es nicht weiß, dass der Duft aus ihm selbst kommt, wild einem unwirklichen Trugbild nachläuft, bis es völlig erschöpft ist. Welche Vergnügungen es auch sein mögen, der Mensch leitet alles von den Sinnesfreuden ab und es ist nicht die Glückseligkeit, die von der inneren Ruhe kommt. Auch die sogenannten Vergnügungen sind das Ergebnis unserer eigenen konzentrierten Aufmerksamkeit, deren Strahlen auf die Sinnesobjekte fallen, welche an sich genau wie ein magerer Knochen ohne Fleisch daran sind.

Wir leben in einer Welt ständig wechselnder Panoramas. Was immer wir sehen, wir binden uns daran und verleihen dem einen augenblicklichen Reiz. Wir empfinden den Schmerz der Loslösung und die Enttäuschung in dem Moment, da die Szene wechselt oder wir gezwungen sind, die Vergnügungen aufzugeben, was wir früher oder später müssen. Die Meister legen daher Nachdruck auf etwas von einmaligem und dauerndem Nutzen inmitten des Wandels. Sie verlangen von uns nicht, dass wir die Welt verlassen und in hilfloser Zurückgezogenheit verkommen, sondern Sie bieten uns einen einfachen, aber praktischen Weg an, um die wirkliche und Ewige Glückseligkeit schon hier und jetzt zu erreichen. Das Gemüt hat, wie wir wissen, gleich einer Parasitenpflanze keine eigenen Wurzeln. Es leitet sein Bestehen von der Seele ab und hält doch seine Fangarme fest um unsere Aufmerksamkeit geklammert, welche der äußere Ausdruck der Seelenströme im Innern ist. Nur in den ruhigen Augenblicken vollkommener Entspannung erfährt man die Harmonie höherer Ordnung und von unvergleichlicher Art, wenn das Gemüt sich umwendet und auf sich selbst richtet, anstatt nach außen zu strömen.

So habe ich den Spirituellen Aspekt des menschlichen Lebens besprochen – den wichtigsten und am meisten übergangenen. Wir versammeln uns hier von Zeit zu Zeit, um die Wissenschaft der Seele zu besprechen. Gewöhnlich wird die Schrift eines Meisterheiligen, die Er zu unserer Führung zurückgelassen hat, als Grundlage zum Verständnis der höheren Wahrheiten des Lebens genommen. Heute nehmen wir eine Hymne von Guru Nanak, dem ersten Sikh-Guru.

Das reiche Wasser des Lebens, an dem teilzuhaben ihr in diese Welt gekommen seid, ist ‚Amrit‘ und dies kann von einem lebenden Meister erhalten werden.

Guru Nanak hat eine liebevolle Einladung auf alle ausgedehnt. Der Meister sagt uns, dass wir einen Lebenszweck haben. Haben wir jemals Sorge getragen, darüber nachzudenken, warum uns dieses physische Dasein gewährt wurde? Die menschliche Geburt ist wirklich ein großer Segen. Der Mensch ist das Höchste und die Krone aller Schöpfung. Er ist ein vernunftbegabtes Wesen und das ist es, was ihn von der übrigen Schöpfung unterscheidet. Ihm wurde tatsächlich die Fähigkeit der Unterscheidung verliehen, um Recht und Unrecht zu beurteilen. Es liegt an ihm, den besten Gebrauch von seinem Intellekt zu machen und in sich das Bewusstsein der Seele zu entwickeln, das augenblicklich schlafend liegt. Guru Nanak erinnert uns daher, dass wir, um ‚Amrit‘, den Göttlichen Nektar oder das Wasser des Lebens, zu erlangen, zu einem lebenden Meister gehen sollten, der Zugang zu der Spirituellen Quelle hat und kompetent ist, uns zu ihr zu führen. Der Lebende Meister erfreut Sich einer hohen Stellung. Er ist das Leben selbst und das Licht der Menschheit.

Der Sohn kennet den Vater und jene, denen der Sohn es offenbart,

sagte Christus. Die Meisterseelen sind die Kinder des Lichts und kommen, um das Heilige Licht unter jenen, die zu Ihnen kommen, zu verbreiten. Die Veden werfen eine einschlägige Frage auf: Was ist das, was einen, wenn man es erlangt hat, völlig befriedigt, sodass man keinen weiteren Wunsch mehr hat? Und dann fahren sie fort zu erklären, dass die Krone des Lebens die Verwirklichung Gottes ist, durch die man, wenn man sie erlangt, Ewige Wonne und Harmonie genießt. Die Seele ist eine bewusste Wesenheit. Sie ist ein Tropfen vom Meer allen Bewusstseins. Sie ist mit allen Attributen des Herrn begabt. Kabir sagt uns, dass sie vom gleichen Wesen ist wie Gott. Die Moslem-Heiligen betrachten sie als ‚Amar-i-Rabbi‘ oder die Essenz Gottes. Infolge seiner fehlgeleiteten Haltung wird das Gemüt von wilden Leidenschaften überkommen. So kann die Seele, wenn sie vom Körper analysiert und von dem Netzwerk des Gemüts und der Materie befreit ist, wieder ihren Weg zum Elixier des Lebens im Innern nehmen. Es ist das Heilige ‚Naam‘, das Heilige Shabd oder der hörbare Lebensstrom, den der Meister denen offenbart, die zu Ihm kommen. Das ist das zentrale Thema Seiner Lehren.

Ihr mögt es vielleicht besser durch ein Gleichnis verstehen. Verbrecher werden ins Gefängnis geschickt, um die ihnen zugeteilte Strafe abzusitzen. Ein Würdenträger kommt und findet, dass die Gefangenen keine angemessenen Lebensbedingungen haben. Er genehmigt eine große Summe für die Errichtung gut belüfteter Räume für sie. Ein anderer geht hin und entdeckt, dass die Nahrung für die Gefangenen nicht gut ist. Er weist mehr Geld für diesen Zweck an und den Insassen wird gutes Essen gereicht. Beide haben eine gute Tat getan, jeder auf seine Weise. Ein anderer Mann – der Meister des Gefängnisses – geht hin mit dem Gefängnisschlüssel in der Hand. Aus Mitleid öffnet er die Gefängnistore und erlaubt den Gefangenen zu entkommen, wenn sie wollen. Ihr werdet zustimmen, dass der letzte Mann einen großartigen Dienst geleistet hat, indem er den Gefangenen die Möglichkeit verschaffte, wieder frei zu sein. Die Welt ist ein großes Gefängnis, wo jeder von uns seine Zeit – die ihm zugemessene Spanne des Lebens – dient. Wir sind sehr mit den verschiedenen Belangen des Lebens beschäftigt, ohne Kenntnis des freien Lebens jenseits der Gefängnismauern. Der Meister hat den Schlüssel zu den Bereichen jenseits davon und wenn Er kommt, stößt Er die Tür des Gefängnisses auf und ermuntert uns, die Gelegenheit wahrzunehmen und die freie Luft draußen zu atmen. Jene, die die Chance nutzen, sind tatsächlich gesegnet. In den folgenden Versen werden wir von den verschiedenen Umständen hören, die einen Menschen befähigen, die Befreiung seiner Seele zu erlangen.

Mach Schluss mit allem Künstlichen, mit allen äußeren Formen und deinem Verstand, denn in der Dualität und Ungewissheit kannst du keinerlei Spirituellen Nutzen haben.

Der Meister versucht, uns aus unserem tiefen Schlummer aufzurütteln. Aus Mitleid zeigt Er uns den Weg zur Freiheit. Er fordert uns auf, unser Leben zu vereinfachen. Es ist ein Segen, in einem Tempel geboren zu sein, aber eine Sünde, darin zu sterben. Gerade wie vorher besprochen ist es nötig, in der Religion zu bleiben, zu der man gehört, aber während man darin bleibt, muss man lernen, sich über alle religiösen und sozialen Schranken zu erheben und sein Selbst auszudehnen, sodass es die ganze Menschheit, nein, die ganze Schöpfung umfasst, und das Prinzip der Vaterschaft Gottes und der Bruderschaft der Menschen in die Tat umsetzen. Wenn ein Mensch sich einmal über das Körperbewusstsein und die körperlichen Begrenzungen erhoben hat, fallen die Scheuklappen von seinen Augen und er sieht sich selbst in allem und alles in sich. Alle einengenden Vorurteile der Nationalität, Rasse und Klasse sinken tief nach unten, denn nun gehört er zu der einen großen Familie des Menschen. Wir nehmen gewisse religiöse Glaubensbekenntnisse an zwecks Spiritueller Erleuchtung, aber nach einer gewissen Zeit finden wir zu unserem Bedauern, dass wir den Wahren Zweck des Lebens verfehlen und uns in einem Teufelskreis von Formen und Formalitäten gefangen haben. Man muss achtsam sein, um zu sehen, woher der Wind weht und wohin er fährt. Nochmals möchte ich betonen, dass der Grundbegriff aller Religionen – die Spirituelle Erleuchtung – niemals aus den Augen verloren werden sollte. Wir müssen das Zentrum der Schießscheibe dauernd vor uns haben, wenn wir darauf aus sind, ein guter Scharfschütze zu sein. Ein Gottliebender muss daher Gott lieben mit seiner ganzen Seele, mit seinem ganzen Gemüt und mit all seiner Kraft. Zuviel Formalismus und Formalitäten werden zwangsläufig Zweifel, Argwohn und Dualität mit sich bringen. Es ist eine verschiedene Welt zwischen einem intellektuell und einem spirituell eingestellten Menschen. Die beiden sind getrennte Pole. Ein Philosoph befasst sich mit Theorien, während sich ein Mystiker allein mit der Wirklichkeit befasst. Daher die Notwendigkeit, das Selbst von allem begrenzenden Beiwerk zu befreien, das die Seele unter der schweren Last von Riten und Ritualen erstickt.

O Gemüt, sei still und laufe nicht in die Wildnis!

In der Stille des Gemüts kann man das Antlitz der Gottheit sehen. Ein genaues Studium des Themas wird zeigen, dass das Gemüt im Allgemeinen unter der Herrschaft der Sinne ist und letztere stürmen hilflos in den Bereich der Sinnesfreuden. In der Hindu-Mythologie wird beschrieben, dass die Seele den Wagen des Körpers fährt, mit dem Intellekt als dessen Lenker, dem Gemüt als den Zügeln und den Sinnen als machtvolle Streitrosse, die ihn unausgesetzt in sinnliche Vergnügungen hinein wirbeln. So ist der erste Schritt für einen Aspiranten, seine Sinne zu beherrschen und sich selbst davor zu bewahren, unwissentlich den Versuchungen zur Beute zu fallen. Es wird gesagt, dass wir 83 % unserer Eindrücke durch die Augen aufnehmen, 14 % durch die Ohren und den Rest von 3 % durch andere Organe. So seht, wie unachtsam wir kopfüber ins wilde Drama des Lebens hineinstürzen. Der Meister leitet uns nicht nur an, wie wir uns aus dieser Gefangenschaft befreien können, sondern bietet dem Gemüt tatsächlich einen besseren Ersatz in Form des inneren Lichts und des Tonstroms oder der Sphärenmusik. Wir haben gerade gesehen, dass die Vorsehung uns als Gegengewicht zu den beiden Fähigkeiten des Gemüts – der des Sehens und des Hörens – mit einem Schatz der Gottheit im Innern ausgerüstet hat, der mit der Hilfe eines kompetenten Meisters zu unserem Vorteil ausgegraben werden kann. So kann das Gemüt nur mit der Gnade des Meisters kontrolliert werden, Der es auf das Wesentliche im Innern abstimmt – auf das Licht und die Stimme Gottes. Wir sollten immer versuchen, bequem am Augenbrennpunkt zu sitzen, dem Ruheplatz der Seele während der wachen Stunden, und versuchen, die mystische Erfahrung zu erlangen, die der Meister allen gewährt, die zu Ihm kommen.

Die äußere Suche verursacht eine Menge Pein und Sorgen. Die Quelle des Leben spendenden Nektars ist im Inneren und man muss hinein tauchen.

Durch all unsere Genüsse auf der Sinnesebene kommen wir nirgendwo hin. Der Wunsch ist die Grundursache allen Übels, erklärte Buddha. Es ist das starke Verlangen nach den Sinnesfreuden, das zu unsagbarem Elend und Pein führt. Es ist ein falscher Standpunkt, dass wir unseren Durst nach Vergnügungen durch Nachgiebigkeit zu befriedigen suchen. Selbst auf dem Spirituellen Gebiet fahren viele Seelen damit fort, nach dem Herrn außen in den Schriften zu suchen, an Pilgerorten, durch asketisches Leben oder in anderen guten Taten, was alles Mittel sind, das Selbst außen zu suchen und die Tatsache zu übersehen, dass die Quelle der Glückseligkeit und Unsterblichkeit, bekannt als Amritsar (der Teich des Nektars), im Innern ist und mit der Gnade eines Meister-Heiligen richtig erschlossen werden kann. Das Wonne spendende Heilige Naam oder das Wort ist im Körper und wir verschwenden unsere kostbare Zeit und Kraft, indem wir Es in der falschen Richtung suchen. Die Göttliche Quelle der Unsterblichkeit ist in uns allen und jene, die sich nach innen kehren und sich dahin zurück ziehen, nippen vom Elixier des Lebens, und indem sie Es trinken, finden all ihre Sehnsüchte ein Ende. Die Heilige Initiation in diese mystische Wissenschaft durch den Lebenden Meister gibt einen Vorgeschmack des Weines des Göttlichen Kelchträgers, der ihn unter dem Göttlichen Gebot verteilt und verwaltet. Keine weltlichen Freuden können der unaussprechlichen Erhabenheit gleichkommen, die weit jenseits des Gesichtskreises menschlichen Verstehens und Begreifens liegt.

Nachdem wir die Wahre Quelle der Ewige Seligkeit und Harmonie in uns kennen gelernt haben und glücklicherweise mit der Heiligen Initiation durch den gnädigen Meister gesegnet wurden, ist die nächste Frage, wie wir den größten Vorteil erreichen können. Die folgenden Verse geben eine Antwort auf diese Frage:

Meidet alle Laster. Werdet eine Wohnstatt aller Tugenden. Wenn ihr in Fehler verfallt, müsst ihr sie ehrlich bereuen.

Hierin liegt das Geheimnis der Spirituellen Disziplin. Sich irren ist eine Sache, aber weiterhin frühere Fehler zu wiederholen ist unverzeihlich. Die meisten Menschen haben überhaupt keine Ahnung von ihren Taten. Im Wirbelwind der Leidenschaften sorgen wir selten dafür, nach innen zu sehen und innezuhalten, um unsere Fehler und Unzulänglichkeiten zu betrachten. Viele von uns kennen nicht einmal das Übel, mit dem wir behaftet sind. Daher wird die tägliche Selbstprüfung anempfohlen; denn wenn wir unsere Fehler nicht kennen, können wir nicht den nächsten Schritt tun, sie auszurotten. Ethisches Leben geht der Spiritualität voraus. Nur während der stillen Augenblicke tiefen Nachdenkens und der Meditation kommt man dazu, diese verborgenen Diebe zu finden, die uns in ständiger Knechtschaft halten. Jede Tat hat eine Rückwirkung. Das ist ein universales Gesetz. Es wirkt überall. Von dem spirituell Strebenden wird notwendigerweise verlangt, dass er streng über seine Gedanken, Worte und Taten wacht. Das Übel hat seine Wurzeln tief unten in der unergründlichen Vergangenheit und wächst kräftig mit den gegenwärtigen Taten. Ihr solltet als sicher nehmen, dass die Vergangenheit nicht ungeschehen gemacht werden kann, aber irgendwo kann man einhalten. Das ist nur möglich, wenn wir etwas haben, das uns mehr fasziniert und wobei wir tiefer verharren als bei den Sinnesobjekten, die uns verzaubert halten. Das Gemüt liebt es, sich zu erfreuen, und alle Freuden, die von der Sinnesebene herkommen, sind nur Widerspiegelungen der Aufmerksamkeit des Selbst im Innern. Die groben Fehler, die uns augenblicklich gefangen halten, sollten durch Selbstanalyse und Selbstprüfung ausgemerzt werden. Sie sollten durch das Gegenteil ersetzt werden, die veredelnden Tugenden, indem man ein wohlgeordnetes Leben führt. Regelmäßige Meditation und fortgesetzte Selbstprüfungen helfen eine Menge in dieser Richtung. Die Verwandlung kann natürlich nicht über Nacht vollzogen werden, aber geduldige und beharrliche Bemühungen tragen viel dazu bei, die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Wir mögen hier und da fallen und fehlen, aber durch jeden Fehler bekommen wir mehr Kraft zu kämpfen und das Übel zu überwinden. Aufrichtige Reue und Gebet um Göttliche Hilfe und Führung machen uns am Ende unbesiegbar. So können wir durch fortgesetzte Wachsamkeit und Kontrolle guten Gewinn haben. Das Gemüt ist ein heimtückischer Spieler. Nach jedem Verlust sehnt es sich nach mehr Gewinn. Wenn wir nicht aufhören, Gift zu essen, können wir das Gift unmöglich aus unseren Knochen und unserem Blut herausbekommen.

Der Mensch unterscheidet nicht zwischen Gut und Böse mit dem Ergebnis, dass er immer wieder tief im Sumpf der Täuschung versinkt.

Dies ist der Wahre Stand der Dinge. Wir können die Ergebnisse unserer Taten kaum vorhersehen und klammern uns törichterweise an die erfreulichen Empfindungen und sorgen uns wenig um die Folgen. Vollkommen von den Verlockungen und Versuchungen des physischen Lebens in Anspruch genommen, steigen wir unwillig die Leiter der moralischen Werte hinab. Unsere Flucht gleicht der eines unwissenden Mannes, der sich im Treibsand der Zeit festhält und bei jedem Schritt vorwärts tiefer in dem tückischen Sand versinkt. Die mächtige Hand eines Freundes mag zu unserer Rettung kommen und uns aus unserer hilflosen Lage befreien. Unsere starke, kleine Seele ist beklagenswert in die physischen Begrenzungen verstrickt, und nur der gnädige Meister in Form des Heiligen Naam kann zu unserer Befreiung kommen. Andernfalls gibt es keine Hoffnung für unsere Errettung. Gleich Mistkäfern wühlen wir im Schlamm. O Herr, habe Mitleid und hole uns heraus.

In dir ist der Unrat der falschen Bindungen. Wie kann da das Waschen des Körpers helfen?

Das Wasser kann den Schmutz vom Körper abwaschen, aber nicht von dem mit Fehlern verunreinigten Gemüt. Es gibt viele Laster, die im Gemüt verborgen liegen, einschließlich jener der Falschheit und Gier. Dies sind die latenten Gebundenheiten des Gemüts und ihre Ausrottung erfordert viel Mühe. Falschheit bedeutet nicht einfach, dass man Lügen erzählt, sondern sie bedeutet und umschließt den großen Abgrund zwischen dem, was in unserem Kopf und Herzen ist, und dem, was wir sagen und tun. Viele Menschen kommen und finden Gefallen am Spirituellen Weg, aber innerlich mit versteckten weltlichen Motiven. Sie erreichen ihr Ziel nicht. Wir sollten wahr uns selbst gegenüber sein und tief in unseren Herzen graben, um herauszufinden, welches der zugrunde liegende Faktor ist, für den wir den Heiligen Pfad aufgenommen haben. Der Meister ist kompetent, uns alles zu gewähren, auf das wir in dieser oder der anderen Welt Wert legen. Aber er rät uns immer, unser Ziel, die Spirituelle Vollkommenheit, hochzuhalten. Das Begehren ist gleichfalls eine starke Fessel. Es sollte durch Entsagung überwunden werden. Begierde erzeugt Hass und füttert das verborgene Ego. Sie blendet das innere Auge und verdichtet den dunklen Schleier. Ein Spiritueller Aspirant sollte immer dankbar sein für die mannigfaltigen Segnungen, die ihm durch die Gnade des Meisters gewährt werden. Wenn wir zu der Heiligen Wahrheit erwachen und die Größe des Heiligen Naam, das der Meister gewährt, erfassen, werden wir durch die Göttliche Ekstase sprachlos sein.

Möge das unvergleichliche Naam immer bei dem Gurmukh sein. Es wird die inneren Geheimnisse offenbaren.

Das Heilige Naam ist makellos rein und Seine dauernde Praxis verleiht die größten Segnungen. Man muss jedoch versuchen ein Gurmukh zu sein, das Sprachrohr eines Gurus im täglichen Leben. Es bedeutet, dass wir die Gebote des Meisters unbedingt befolgen sollten. Der Ausdruck Gurmukh hat eine besondere Bedeutung in der Heiligen-Terminologie. Er bedeutet buchstäblich das Sprachrohr des Meisters oder ein Urbild des Meisters. Wir sollten uns immer nach Spiritueller Vollendung sehnen, wie sie der Meister uns durch Lehre und Tat vorlebt. Bei allem, was man erreicht hat, sollte man sich niemals als vollkommen betrachten, weil es unzählige Spirituelle Bereiche gibt, einen über dem anderen, wie die vielen Wohnungen im Haus des Vaters. Schau immer auf die zauberhafte Strahlende Form des Meisters im Innern und folge Ihm liebevoll. Die Heilige Meditation über Naam wird viele neue Regionen eröffnen und die Göttliche Gnade wird sie im Übermaß erfüllen.

Gib Begierde, Kritik an anderen und die Liebe zu irdischen Dingen auf und halte dich an die Suche nach der Wahrheit durch das Wort des Meisters.

Der Meister wiederholt seine Ermahnungen mit noch stärkeren Ausdrücken. Wir sollten die Gewohnheit unnützen Redens für oder gegen andere aufgeben. Tadel bedeutet Kritik, aber die Meister gehen noch einen Schritt weiter. Sie schließen beides darin ein, Lob und Tadel. Was immer wir sprechen, hat eine Wirkung auf unseren Charakter. Wenn wir von den Übeltaten eines Menschen sprechen, werden diese natürlich beginnen, sich allmählich auf uns selbst auszuwirken. Ähnlich, wenn wir jemandem unangemessene Bedeutung beilegen, wird das zu falscher Darstellung führen, denn wir können unmöglich den inneren Wert eines Menschen kennen. Es wird daher eingeschärft, immer ruhig, kühl und innerlich gesammelt zu sein. Nichts ist vollkommen, außer dem gnädigen Meister, über Dessen auserwählten Pol diese Göttliche Kraft wirkt. Wenn es jemanden gibt, Der über unsere Verehrung und Anbetung gebietet, so ist es der Meister. Und es ist unser eigenes Gemüt mit all seinen Fehlern, das Prüfung und Tadel verdient. Wenn wir einen Ziegelbrocken in einen Teich mit schmutzigem Wasser werfen, können wir sicher sein, dass wir unsere Kleider beschmutzen. So müssen wir in dieser Beziehung immer achtsam sein und stets in unserem eigenen Selbst verweilen, indem wir unsere Kräfte durch Selbstprüfung und Spirituelle Disziplin unter Kontrolle halten. Wenn die Heiligen Worte des Meisters sorgsam gepflegt werden, bringen sie reiche Belohnung.

Erlöse uns, o Herr, auf jede Weise, die Dir gefällt. Dein Diener Nanak verehrt das Heilige Shabd.

Demut ist das höchste Zeichen der Spiritualität. Guru Nanak schließt die Hymne, indem Er den Herrn anruft, jeden Weg einzuschlagen, der Ihm gefällt, und indem Er um die Erlösung von Lust und Leidenschaften bittet. Ich verehre und erkenne stets die Größe des Heiligen Shabd an – der sich zum Ausdruck bringenden Gotteskraft –, die mich mit dieser seltenen Vereinigung gesegnet hat. So ist Naam oder der hörbare Lebensstrom das Hauptthema der Lehren der Meister, durch Deren Gnade wir Ewigen Frieden und Harmonie finden. Tatsächlich ist der Lebende Meister das Personifizierte Wort, denn es ist durch Ihn, dass das Göttliche Wort uns offenbart wird und uns hilft, zu gegebener Zeit die Vollkommenheit zu erreichen.