Die Universale Weltschau der Meister

von Dr. George Arnsby Jones

Die meisten großen sozialen Religionen versuchen, eine Weltanschauung oder Theologie von der befreienden Kraft – die Gott ist – darzulegen und diese Kraft mit dem gesamten Spirituellen und physischen Universum in Beziehung zu setzen. Der Begriff Theologie setzt sowohl eine Synthese oder Philosophie der Religion voraus als auch eine kritische Studie der religiösen Lehren. Idealerweise sollte solch eine Theologie umfassende Erklärungen bezüglich des Wesens Gottes sowie Seiner Eigenschaften und Seiner Beziehungen zur Menschheit vorlegen. Die Theologien der größeren Weltreligionen enthalten mehrere Grundsätze, die ihnen allen gemeinsam sind, aber jede dieser Religionen hat einen reichlichen Zuwachs an Dogmen und Lehrsätzen und Erwägungen im Laufe von Tausenden von Jahren erhalten. Die Theologie oder umfassende Weltschau, die hier dargelegt wird, leitet sich von den reinen Lehren der Adepten der Mystik selbst her und nicht von berufsmäßigen Theologen und gelehrten Metaphysikern. Im Zentrum der Weltschau der Adepten der Mystik steht das Höchste Wesen, das, wie die Mystiker betonen, nicht mit Namen belegt werden kann; daher wird Es oft mit dem Begriff ‚Anami Purusha‘ - ‚Namenloser Geist‘ oder ‚Der Namenlose‘ - bezeichnet. Dieses erhabene, hehre Wesen weilt auf einer so Spirituellen Ebene, dass Sein Wesen gänzlich jenseits der Fassungskraft des menschlichen Geistes liegt. Aber es gibt viele Herrschaftsgebiete und Regionen unter diesem obersten Bereich des Höchsten Wesens. Diese Herrschaftsgebiete, ‚Wohnungen in des Vaters Haus‘, können passend in vier große Aufteilungen des kosmischen Schöpfungsplanes unterteilt werden. Die Adepten der Mystik legen diese Aufteilungen auf folgende Weise dar:

  1. die rein Spirituelle Region
  2. die spirituell-materielle Region
  3. die materiell-spirituelle Region
  4. die materielle Region

Die höchste Aufteilung, die rein Spirituelle Region, wird im Hinduismus ‚Sat Lok‘ genannt, im Sikhismus ‚Sach Khand‘ und ‚Muqam-i-Haq‘ in den Lehren der islamischen Weisen. Es ist der höchste und wirklich Spirituelle Bereich, gänzlich ohne physische, mentale oder vergeistigte Materie. In der Terminologie der Adepten der Mystik wird sie als ‚unveränderlich und ewig‘ bezeichnet, als lauter Freude und Glückseligkeit; alle Weisheit und Liebe; die Wohnstatt Gottes. Hier weilen in unaussprechlichem Erstaunen die Vollendeten Spirituellen Wesen und die Höchsten Heiligen aller Zeiten. Der Herr der niedrigsten Ebene dieser wunderbaren Region ist in der orientalischen Terminologie als ‚Sat Purush‘, das Wahre Wesen, bekannt. Die esoterischen Schriften des Ostens stellen fest, dass dieses Wesen ein Licht gleich dem von Billionen Sonnen ausstrahlt, obwohl dies noch eine armselige Beschreibung von Ihm ist, denn Er ist jenseits der Fassungskraft der menschlichen Sprache oder des Intellekts, um Ihn zu beschreiben. Der ‚Sat Purush‘ lenkt und kontrolliert die Schöpfung und Auflösung des gesamten kosmischen Universums, aber Seine eigene Region ist von irgendeinem derartigen Wechsel unbeeinflusst. Dieses Wahre Wesen leitet Seine Kraft von ‚Anami Purusha‘, dem ‚Namenlosen Einen‘ her.

Die zweite Aufteilung wird in den Lehren des Orients ‚Brahmand‘ (das Ei von ‚Brahm‘) genannt. Sie wird so aufgrund ihrer offenbar elliptischen Form genannt. Sie umfasst in ihrer Gesamtheit sowohl die materiell-Spirituellen als auch die materiellen Regionen, aber sie ist weit unermesslicher als beide zusammen gefasst. Tatsächlich können die drei niedrigeren Aufteilungen der kosmischen Schöpfung als eine Gesamtheit aufgefasst werden, wobei ‚Brahmand‘ der Gipfel dieser Region ist (der spirituell-materiellen Region), und der mittlere Abschnitt ‚And‘ - die orientalische Bezeichnung für die materiell-Spirituelle Region – und der niedrigste Abschnitt ‚Pind‘ - der orientalische Begriff für die niedrigste materielle Region – das physische Universum ist.

Die Bewohner von ‚Brahmand‘, der spirituell-materiellen Region, sind unaussprechlich glücklich, aber sie sind nicht unsterblich wie die Wesen in der Höchsten Region von ‚Sach Khand‘. Sie leben jedoch nach unendlich größeren Zeitbegriffen als die Wesen in den beiden niederen Aufteilungen. ‚Brahmand‘ ist am Ende eines jeden größeren kosmischen Lebenszyklus der Auflösung unterworfen. ‚Brahmand‘ ist die Region von ‚Brahm‘ und ‚Par-Brahm‘, die in der östlichen Terminologie auch als ‚Kal‘ und ‚Maha-Kal‘ bekannt sind. ‚Brahm‘ ist das Wesen, dem die Leitung der materiellen Schöpfung anvertraut ist und das ‚Par-Brahm‘ als Helfer zur Seite steht. Letzterer ist die beherrschende Gottheit der drei niederen Aufteilungen ‚Brahmand‘, ‚And‘ und ‚Pind‘. ‚Par-Brahm‘ residiert in dem oberen und mehr Spirituellen Abschnitt von ‚Brahmand‘, indes ‚Brahm‘ in dem niederen, materiellen Teil herrscht. In diesem niedrigeren Abschnitt von ‚Brahmand‘ überwiegt mentale Materie, denn es ist die Ebene des Gemüts. Das Gemüt an sich besteht aus einer äußerst verfeinerten Form von Materie mit einer gewissen Beimengung von Geist. ‚Trikuti‘, der östliche Name für den niedrigeren Abschnitt von ‚Brahmand‘, ist daher die Region des Universalen Gemüts, die sich viele Metaphysiker und Theologen irrtümlich als ‚Gott‘ vorstellen.

‚And‘, die dritte, materiell-Spirituelle Region, ist die dem physischen Universum nächste Große Aufteilung. Die zentrale Kraftquelle von ‚And‘ ist in der östlichen Terminologie als ‚Sahasdal Kanwal‘ (der tausend blättrige Lotos) bekannt, und von dieser Kraftquelle her leitet das physische Universum seine Bewegungsenergien. Die Zeitbegriffe in ‚And‘ sind kürzer als in ‚Brahmand‘, aber sie sind noch viel größer als in ‚Pind‘, dem physischen Universum. Die Region von ‚And‘, die bis zu ‚Trikuti‘ reicht und es noch einschließt, unterliegt der Auflösung am Ende eines kürzeren, kosmischen Lebenszyklus, der viele Millionen Jahre dauert. Die ‚Himmel‘ der Weltreligionen sind in ‚And‘ bzw. in den niedrigsten Reichen von ‚Brahmand‘ gelegen. Der ‚Himmel‘ des Christentums, das ‚Paradies‘ des Islam und die ‚Swargas‘ des Hinduismus haben ihren Sitz hier. Diese ‚Himmel‘ sind sehr schön, aber sie sind letzten Endes auch alle der Auflösung unterworfen.

‚Pind‘, die vierte und niedrigste Aufteilung der Schöpfung, umfasst die Gesamtheit unseres physischen Universums: Alle Planeten, Sonnen, Sterne, Sonnensysteme, Milchstraßen und kosmischen Systeme, die der modernen Astronomie bekannt oder noch unbekannt sind. In unserem physischen Universum besteht die Materie in ihrer gröbsten und dichtesten Form, mit nur einer sehr begrenzten Beimengung von Spiritueller Substanz, gerade genug, um die Materie zu beleben und das Leben aufrecht zu erhalten. Der physische Aufbau unseres Universums ist die niedrigste Projektion einer kosmischen Idee, die durch das Medium des Universalen Gemüts geleitet wird. An einem ursprünglichen Punkt in dem Bereich von Raum und Zeit haben die ersten abwärts gerichteten Energiewellen von ‚Brahmand‘ und ‚And‘ die Urmaterie (die in mancher esoterischer Schrift als ‚Feuer-Nebel‘ beschrieben wird) in die ersten Welten der physischen Schöpfung aufgeteilt. Jene Masse des Feuer-Nebels, die einmal unsere Erde werden sollte, strömte einst nahe der großen Sphäre ihrer Sonne. Ihre Menge von Uratomen vervielfachte sich mit ungeheurer Geschwindigkeit und die Entwicklung jenes Planeten, auf dem wir nun wohnen, war in Gang gesetzt. Dieser schöpferische Prozess beschleunigte sich im Verlaufe von Äonen von Zeiten durch die schöpferischen Prinzipien, die den ursprünglichen Lebenskräften innewohnen, die von ‚Brahmand‘ und ‚And‘ ausgingen. Wellen von kosmischer Kraft stiegen auf der Spirale der Schöpfung hinab und der Planet Erde entwickelte sich auf einer der Wellenlängen jenes Wesens, das die Ordnungen der offenbarten Lebensformen kontrolliert.

Diese abwärts strömende kosmische Kraft, die die lebenden Seelen in die niedere Schöpfung zwingt, ist der negative Pol desselben hörbaren Lebensstromes, der in seiner aufwärts ziehenden positiven Offenbarung die Seelen von der Bindung an Gemüt und Materie befreien kann. Dieser negative Aspekt der Spirituellen Urkraft war für den Zweck der universalen Schöpfung notwendig; unter seinem pulsierenden Strom hat jener ursprüngliche Feuer-Nebel, der schließlich unsere Heimat werden sollte, seine Dichtigkeit vergrößert und strebte der Sonne zu. Die magnetische Kraft der Sonne brachte den Feuer-Nebel in einen flachen, scheibenähnlichen Zustand; und diese Beziehung zwischen Sonne und Erde bestand für weitere Zeitepochen. Dann befruchtete die Sonne allmählich die Uratome des Feuer-Nebels mit den veränderlichen atomaren Möglichkeiten der Minerale und Gase, die nun unseren gegenwärtigen Planeten sowie seine umgebende Atmosphäre darstellen. Der Feuer-Nebel erhöhte nun rasch seine Dichte und begann die Anziehungskraft in seinem eigenen Kern zu spüren. Diese innere Schwingungsaktivität verursachte die Kugelgestalt der Erde und sie begann sich nun in den Raum, fort von der Sonne, zu drehen. Sie wurde ein sich selbst drehendes System, verhinderte auf diese Weise eine weitergehende Bewegung von der Sonne weg und begann nun, ihre gegenwärtigen Beziehungen mit der Sonne und den anderen Planeten, die in diesem Sonnensystem eingeschlossen sind, herzustellen. Der negative Pol der kosmischen, schöpferischen Kraft hält die Erde auf ihrer gegenwärtigen elliptischen Bahn um die Sonne. So verlief die Schöpfung dieses winzigen Staubfleckens in der ungeheuren Weite von ‚Pind‘ - der ursprünglichen Heimat der Menschheit. Die Adepten der Mystik lehren, dass dieser Planet ein riesiger Komplex lebender Seelen ist. Es gibt Abstufungen der Seelen-Bewusstheit durch alle Grade der Materie hindurch: Durch Neutronen, Protonen, Elektronen, Atome, Moleküle, Zellen, Zellgewebe und weiter aufwärts auf der aufsteigenden Lebensleiter bis zum Menschen. Wie lange ist der Mensch schon auf dieser Erde? Und wie lange noch ist es ihm bestimmt zu bleiben?

Der Mensch ist noch an die niederen drei Aufteilungen von Gemüt und Materie durch den negativen Pol des kosmischen Lebensstromes gekettet. Grobe Materie ist kosmische Energie in ihrem niedrigsten Schwingungsgrad, und subtile Energie ist Materie an ihrem höchsten Punkt in der Schöpfungsspirale. Materie und Energie sind in einem beständigen Wechselspiel in den drei Aufteilungen - ‚Brahmand‘, ‚And‘ und ‚Pind‘ - und dieser Zustand besteht schon seit unzähligen Äonen; es gibt kein Entrinnen aus dem beständigen Zyklus des Aufsteigens und Absteigens auf diesen niederen Ebenen der Schöpfung, bis das menschliche Wesen sein Bewusstsein voll und ganz mit dem aufwärts wogenden Spirituellen Strom verschmolzen hat, der zu des Menschen Wahrer Heimat führt, der Wohnstatt der Glückseligkeit. Es ist von einigen Metaphysikern gesagt worden, dass Materie ‚befreit‘ werden könne, indem man ihre Schwingungen beschleunigt, sodass sie in Energie umgewandelt wird. Ähnlich könne auch der Mensch, so sagen die Weisen, sich selbst in höhere ‚Energie‘ verwandeln. Das ist eine Halbwahrheit, denn die Energie, von der gesprochen wird, ist noch immer die der materiell-Spirituellen oder bestenfalls der spirituell-materiellen Welt. Materie ist wirklich, trotz der Negierungen bezüglich dieses Themas, die bei manchen religiösen Gemeinschaften so beliebt sind, aber trotz all ihrer Realität ist die Materie doch unbeständig und ewig wechselnd aufgrund der fortwirkenden Kräfte des Entwicklungsprozesses. Und die gleiche Wahrheit stimmt für die verfeinerten Formen der Materie in der zweiten und dritten Schöpfungsaufteilung. Daher kann das, was als die illusorische Natur unserer äußeren Welt bekannt ist, als die Unbeständigkeit der Schöpfung in allen drei niederen Aufteilungen des kosmischen Universums aufgefasst werden.

Der Mensch musste diese planetarische Wohnstätte haben, um einen Zustand der Selbstbewusstheit und der Selbstverwirklichung zu entwickeln. Ihm wurde ein ‚intelligenter Planet‘ gegeben, um auf ihm das Ziel zu erreichen. Als die Erde ihre gegenwärtige Kreisbahn im Sonnensystem einnahm, war sie in einem überhitzten Zustand. Diese konzentrierte Hitze verursachte die Freisetzung von Energie aus der strahlenden Oberfläche und diese Energie schuf Wolkenmassen, die die Erde vollständig umgaben. Diese Wolkenmassen, die aus verschiedenen Gasen bestanden, die durch den Abkühlungsprozess des Planeten erzeugt wurden, wurden schließlich in die jetzige Atmosphäre umgewandelt. Zufolge der Intelligenz, die der ganzen Schöpfung innewohnt, dienten diese ersten Wolkenmassen als ein Schutz für die sich entwickelnde Erdensphäre vor den mächtigen kosmischen Ausstrahlungen der äußerst verdichteten Sterne. Die gegenwärtig die Erde umgebende Atmosphäre, die einen hoch entwickelten Grad von innewohnender Intelligenz hat, filtert nun diese von außen kommenden kosmischen Strahlen weit wirksamer heraus, als es die ursprünglichen Wolkenmassen taten. Die Sonnensphäre richtete alsdann ihr wohltätiges Sonnenlicht durch die Wolkenmassen auf das Erdenkind, um das Stadium zu erreichen, wo es organische Formen hervorbringen konnte.

Aufgrund des Abkühlungsprozesses, den die Erde durchgemacht hat, hat sie jene Temperatur erreicht, bei der anfängliche Vegetationsarten entstehen konnten. Diese frühen Formen der Vegetation – Moose und Flechten – besaßen eine primitive Gestalt. Die ersten Tierformen waren ebenfalls schwerfällig und grotesk. Das Gestaltungsprinzip, das den abwärts strömenden schöpferischen Kräften innewohnte, entwickelte allmählich feinere Strukturen in den mineralischen, pflanzlichen und tierischen Gestalten. Und bald war die planetarische Szenerie für die endgültige Gestalt des physischen Organismus vorbereitet, der das höchst beseelte Wesen – den Menschen – beherbergen sollte. Und der Mensch selbst ist nun durch viele Epochen seiner Geschichte geschritten und hat so viele Dinge in der äußeren Welt erprobt, dass er vergisst, dass er ein aus der Göttlichen Flamme hervorgegangener Funke war, bevor er ein beseelter Körper wurde. Es wird Zeit für ihn, sich daran zu erinnern, dass das ‚summum bonum‘ seiner ganzen irdischen Existenz jener Punkt ist, wo er bereit ist, zu der Wahren Heimat als eine voll bewusste und befreite Seele zurückzukehren.