Kirpal Singh

Die höheren Werte des Lebens

I

Im vorhergehenden Gespräch kamen wir zu dem Schluss, dass Gott den Menschen schuf und der Mensch alle Religionsgemeinschaften; und dass der Zweck der Religionsgemeinschaften die Erhebung des Menschen ist.

Wir haben uns mit dem äußeren Aspekt des Menschen befasst; wir sagten, dass der Mensch mit den gleichen, von Gott gegebenen Vorrechten geboren wird, ungeachtet dessen, ob er dem einen oder anderen Land, der einen oder anderen Religion angehört. Wir müssen den besten Gebrauch von allen Religionsgemeinschaften machen, damit wir alles über den Menschen erfahren können.

Unser Letztes Ziel ist, Gott zu erkennen. Vorher müssen wir uns selbst erkennen, und dann werden wir Gott erkennen. Alle Schriften sagen, dass wir Gott lieben sollten, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all unserer Kraft. Da wir Gott-Liebende sind – Gott in jedem Herzen wohnt – müssen wir die ganze Menschheit lieben. Jene, Die mit Gott in Verbindung kamen, wurden durch Ihre Liebe zu Ihm zum Sprachrohr Gottes – zum Gott im Menschen oder Gottmenschen. Wir lieben alle Schriften, denn sie sind die Schätze der Erfahrungen der Meister mit Sich Selbst und mit Gott. Wir lieben auch alle heiligen Stätten der Verehrung, da sie jene Orte sind, die zum Lobpreis des Einen Herrn gedacht sind. Wir lieben auch alle Wallfahrtsorte, weil dort ein Gottliebender lebte, Einer, Der mit Gott Eins geworden war und das Sprachrohr Gottes wurde. So lieben wir alle anderen um der Liebe Gottes willen. Wenn wir nur Gott lieben und den einen oder anderen Meister hassen, das eine oder andere Heilige Buch hassen oder auch andere Menschen hassen, lieben wir dann Gott wirklich? Sicherlich nicht, denn Gott wohnt in jedem Herzen, und unser Letztes Ziel ist Gott. Das Letzte Ziel aller Religionen ist ebenfalls Gott. Wie kann dann ein Anhänger dieser oder jener Religion irgendjemanden hassen? Würden wir nach dem leben, was die Schriften sagen, wäre das auf den ersten Blick undenkbar.

Wenn wir nach diesen beiden Geboten leben –

Du sollst Gott lieben von deinem ganzen Herzen, von deiner ganzer Seele und mit all deiner Kraft,

und

Liebe die ganze Menschheit, da Gott in jedem Herzen wohnt –

wird das Reich Gottes auf die Erde herabkommen. An diesen beiden Geboten hängen alle anderen Gebote. Alle Propheten haben die Wichtigkeit dieser Gebote betont. In diesen beiden grundlegenden Lehrsätzen stimmen sie alle überein.

Wir wollen nun weiter untersuchen: Was ist der Mensch? Ehe sich der Mensch nicht selbst erkennt, kann er nicht Gott erkennen. Alle Schriften, die wir heute haben, sagen: Mensch, erkenne dich selbst. Sie sagen nicht: ‚Erkenne andere‘. Warum?

Wer seid ihr? Was seid ihr? Seid ihr dieser 1,60 m oder 1,80 m große Körper, den ihr habt? Das heißt nicht, euch selbst zu erkennen. Ihr werdet euch selbst überzeugen; die Zeit kommt, wo ihr den physischen Körper – dieses schmutzige Kleid des Verfalls – ablegen müsst. Der Körper bleibt zurück wie ein Klumpen Erde und wird verbrannt oder begraben.

Wenn ihr noch so viel über euer physisches Selbst wisst, bedeutet das ehrlich gesagt nicht, sich selbst zu erkennen. Die Griechen und Ägypter hatten auf ihre Tempel diese Worte geschrieben: Gnothi Seauton.

Die Upanishaden sagen es so:

Erkenne dich selbst.

Auch Christus sagte:

Erkenne dich selbst.

Und Guru Nanak sagte auch:

Solange du dich nicht selbst erkennst, bist du nicht imstande, Gott zu erkennen.

Diese ganze Täuschung, die ihr durchlauft, kann nicht so leicht beseitigt werden. Stimmt es nicht, dass ihr der Täuschung unterliegt? Ihr seht Körper gleich dem, den ihr habt. Ihr habt mit euren eigenen Augen gesehen, dass irgendetwas diese Körper verließ und sie verbrannt oder beerdigt wurden. Ihr tragt ebenfalls einen solchen Körper. Wenn ihr auch viel über euer physisches Selbst wisst, folgt daraus nicht, dass ihr euch selbst kennt.

Vor dieser Frage stehen wir seit Anbeginn der Welt. Wir wissen so viel über unser äußeres Selbst – wie wir unseren Körper erhalten, unsere Familie ernähren, sozial und politisch leben. Wir haben eher zu viel an den Körper und die körperlichen Beziehungen gedacht, sind aber nie nach Innen gegangen, um den Inneren Menschen, das Innere Selbst zu sehen, wer wir sind und was wir sind.

Bis der Schüler nicht sein eigenes Bewusstsein öffnet, kann der Lehrer nichts vermitteln. Er kann nur leiten, beraten und erklären. Aber das Verstehen kann nicht übermittelt werden. Das muss von innen her kommen und durch die eigene Entwicklung. Er gibt euch natürlich eine Erfahrung, wie ihr euch selbst erkennen und vom Körper analysieren könnt. Damit müsst ihr zweifellos beginnen. Wenn ihr aber auf diese Weise in Übereinstimmung mit der Führung und Hilfe, die der Meister gibt, arbeitet, werdet ihr eines Tages erkennen, dass die Wirklichkeit in euch ist.

Die Seelen sind ihrer ganzen Natur nach Göttlich. Sie sind so viele Tropfen des Meeres der Göttlichkeit, doch von Gemüt und Materie eingeengt. Sie können sich, so wie sie jetzt sind, nicht erkennen, nicht unterscheiden, wer sie sind.

Welches ist das größte Studium des Menschen? Ist es die Theologie? Ich würde sagen, nein. Ist es die Kenntnis des Gesetzes von Blackstone und anderer großer Menschen, die in der Vergangenheit kamen? Auch hier ist die Antwort: Nein. Ist es das Studium der Werke von Männern wie Shakespeare, Milton, Dickens, Burns? Nein. Ist es der Okkultismus oder der Buddhismus, das Christentum, der Sikhismus oder irgendeine andere Religionsgemeinschaft, die wir studieren mögen? Sind solche Werke das Höchste Ziel menschlichen Studiums? Wieder würde ich sagen, dass die Antwort nein ist. Warum?

Wenn ihr mit all den Schriften, die von den Meistern hinterlassen wurden, vertraut werdet – wovon sprechen sie? Sie sprechen vom Menschen.

Mensch, erkenne dich selbst!

Darum ist das Erkennen des Menschen, sowohl seiner äußeren als auch seiner Inneren Aspekte, unser wichtigstes Studium. Das höchste Studium des Menschen ist der Mensch.

Pope, der englische Dichter, sagte:

So erkenne denn dich selber, und wähne nicht, Gott zu ergründen; das wahre Studium des Menschen ist der Mensch.

Solange man nicht den Menschen kennt, ist alles Übrige bare Unwissenheit und Aberglaube. Je mehr man die Schriften äußerlich studiert, desto mehr stellt man fest, dass alles nichts als eine Ansammlung ist, eine Anhäufung von Gedanken und Meinungen, die andere zum Ausdruck brachten.

Nehmen wir an, dass ihr mit all den Schriften, die wir heute haben, völlig vertraut werdet. Was spielt das für eine Rolle? Wie ich sagte, sind wir im 20. Jahrhundert in all dem begünstigt. Meister, Die in der Vergangenheit kamen, hinterließen für uns Ihre Erfahrungen mit Sich Selbst und mit Gott. Welche besonderen Dinge halfen Ihnen auf dem Weg, und was stand Ihnen bei der Verwirklichung im Wege? Das ist das Thema aller Schriften. Selbst wenn ihr all das wisst, seid ihr damit zufrieden? Es bedeutet lediglich etwas zu haben, Waren, die lediglich in eurem Gehirn angehäuft werden – der und der Meister sagte dieses, das eine oder andere Buch berichtet jenes, die und die Schriften sagen es so. Das ist nicht das Göttliche. Es heißt nur, gewisse Tatsachen über das Göttliche zu wissen, über unsere Göttliche Natur, welche die Meister Selbst und mit Gott erfahren haben. Auch wenn ihr alle Bücher studiert, werdet ihr nicht in der Lage sein, euch selbst zu erkennen. Ihr werdet natürlich ein paar Informationen erhalten, ihr werdet in der Lage sein, so vieles aus verschiedenen Büchern zu zitieren. Aber werdet ihr imstande sein, euch selbst zu erkennen? Nein.

Eliot, der Dichter, sagt:

Wo ist die Weisheit, die wir im Wissen verloren haben? Wo ist das Wissen, das wir in der Information verloren haben?

Das Selbst zu erkennen ist eine Folge der Selbstanalyse – in der Praxis, nicht in der Theorie. Wir sehen viele Menschen, die nachdrücklich behaupten:

Ich bin nicht der Körper. Ich bin nicht der Verstand. Ich bin nicht die Lebensenergien oder Pranas. Ich bin nicht die Sinnesorgane.

Das ist in Ordnung. Aber haben wir uns jemals praktisch analysiert, indem wir das Körperbewusstsein überstiegen und selbst sahen, dass wir etwas anderes als der physische Körper, der Verstand, die Lebensenergien und die Sinnesorgane sind, die alle den äußeren Menschen, getrennt vom Inneren Selbst, ausmachen? Habt ihr euch je über das Körperbewusstsein erhoben, eine Ersthand-Erfahrung von eurem Selbst gehabt? Ihr werdet sehr wenige Menschen finden, die dies wirklich erreicht haben.

So besteht also euer Studium des Menschen einzig darin, gewisse Informationen in eurem Gehirn anzuhäufen. Manchmal lest ihr die Schriften. Der Zweck ist, dass ihr durch das Lesen der Schriften genügend Informationen über das Studium erhaltet, welches die Meister mit Sich Selbst und mit Gott machten, um euch zu helfen, einfach euer eigenes Selbst zu finden, und nicht mehr. Das Lesen dieser Schriften wird etwas Interesse in euch erwecken, um euch selbst zu erkennen und Gott zu erkennen.

Ich meine nicht, dass man die Schriften nicht lesen sollte. Sie sollten gelesen werden, und zwar mit Verstand. Das Studium der Schriften ist der erste, grundlegende Schritt, der in uns ein Interesse dafür wecken wird, dass dieser oder jener Meister Göttliches Licht in Sich sah. Können wir das auch sehen? Ja, wir können es gleichfalls sehen, denn was ein Mensch getan hat, kann auch ein anderer tun, natürlich mit der rechten Ausbildung und Führung.

Ich zitierte euch auch, dass die Meister das Licht Gottes gesehen haben. Die Ihnen folgten und nach dem lebten, was Sie sagten, hatten während ihres eigenen Lebens genau die gleiche Erfahrung in unterschiedlichen Graden. Ihr solltet, während ihr über das menschliche Leben verfügt, in der Lage sein, das Licht Gottes zu sehen. Wenn ihr dieses Licht geschaut habt, wird euer ganzes Leben verändert sein. Und ihr könnt es erst wahrnehmen, wenn ihr euch über das Körperbewusstsein erhebt. Es ist eine praktische Frage.

Was gibt es nun zu tun? Was kann getan werden, wenn man die Wahrheit versteht, das heißt, sein eigenes Selbst erkennt und eine Ersthand-Erfahrung des Selbst und des Überselbst hat? Das allein wird uns frei machen. Diese Dinge können wir nur erlangen, wenn wir uns wirklich erhoben haben, wenn wir von Neuem geboren wurden.

Christus sagt:

Es sei denn, dass jemand von Neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.

Zur Erläuterung fährt Er fort:

Es sei denn, das jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.

Im 1. Korintherbrief lesen wir:

[…] dass Fleisch und Blut nicht können das Reich Gottes ererben.

Petrus erklärt:

[…] als die da wiedergeboren sind, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, aus dem Wort Gottes, das da ewiglich lebt und fortbesteht.

Es ist klar: wenn wir nicht von Neuem geboren werden, können wir das Reich Gottes weder sehen noch es betreten, noch können wir es ererben. Mit anderen Worten, wir können weder eine Ersthand-Erfahrung von uns selbst noch von Gott erlangen. Wir können unser Inneres Auge – das Dritte Auge oder Einzelauge genannt – nicht geöffnet haben, welches uns befähigt, das Licht Gottes zu sehen.

Das Lesen der Schriften allein wird nicht helfen. Aber studiert die Schriften sorgfältig, denn sie sprechen von den praktischen Erfahrungen, welche die Meister mit Sich Selbst und mit Gott hatten. Solange wir nicht diese Schriften unter der Führung von Einem studieren, Der die wirklichen Erfahrungen Selbst hatte, wie sie dort niedergeschrieben sind, werden wir nicht in der Lage sein, ihrer wahren Bedeutung zu folgen.

Was sagt Plutarch? Er sagt:

Die gleichen Erfahrungen, die die Seele beim Verlassen des Körpers hat, werden von jenen gemacht, die in die Geheimnisse des Jenseits eingeweiht wurden.

Eines Tages müsst ihr natürlich den Körper verlassen. Das ist, denke ich, ein sehr klarer Beweis oder ein Zeugnis dafür, dass ihr nicht diese Körper seid, über die ihr so viel wisst. Mit das Selbst zu erkennen ist gemeint, das Innere Selbst zu erkennen, das Spirituelle Selbst, das Spirituelle Wesen, das den Körper zum Zeitpunkt des Todes verlässt. Man kann sagen, dass dieser physische Körper durch den Tod – die große, endgültige Umwandlung – niedergeschlagen werden kann. Aber ihr sterbt nicht. Ihr müsst eines Tages, ob ihr es wollt oder nicht, den Körper und alle Dinge, die mit dem Körper zusammenhängen, verlassen.

Worin liegt sodann die größte Weisheit? Im Erkennen eures Selbst; zu wissen, wer ihr seid und was ihr seid. Ehe ihr nicht euer Selbst erkennt, könnt ihr nicht Gott erkennen. Wer sich selbst erkennt, wird auch Gott erkennen, denn es ist allein die unbegrenzte Seele, die Gott erkennen kann, nicht der begrenzte Verstand. Man kann Ihn nicht mit dem begrenzten Verstand erfassen.

Wie kann das Geringere das Größere begreifen? Oder der begrenzte Verstand die Unendlichkeit erreichen?

John Dryden

Wir können Ihn nicht sehen. Er ist für unseren Intellekt, unsere Sinnesorgane, unsere nach außen gehenden Kräfte unerforschlich. Mit allem Vorstellungsvermögen, der größten Ausdehnung des Vorstellungsvermögens, kann Er nicht erfasst werden. Es ist allein die Seele, der sich Gott zu erkennen gibt. Wenn wir uns nicht selbst analysieren, unser eigenes Selbst sehen – uns erkennen –, können wir Gott nicht sehen.

Selbsterkenntnis geht der Gotterkenntnis voraus. Lasst uns überlegen, welche Hilfe wir für hierfür bekommen können.

Von außen betrachtet, stellen wir fest, dass der Körper so lange lebt, wie die Seele, der Bewohner des Hauses, bei ihm ist. Aber es kommt die Zeit, wo wir den Körper zurücklassen müssen. Das ist der Tag der großen, letzten Umwandlung oder des Todes. Aber fürchtet euch nicht vor dem Tod, er ist kein Schreckgespenst.

Ich habe euch gesagt, dass das größte Studium des Menschen der Mensch ist. Woher kamen alle Schriften? Natürlich vom Menschen – ohne Zweifel einem Menschen der Verwirklichung. Wahrlich groß ist der Mensch. Woher kamen alle Erfindungen? Vom Menschen. Die Gottheit, Die uns eine Ersthand-Erfahrung von Gott gab, indem Sie durch die Menschlichen Pole wirkte, Die Meister genannt werden, wurde ebenfalls durch den Menschen zum Ausdruck gebracht.

Der Mensch ist groß, und das größte Studium für einen Menschen ist der Mensch selbst. Wer seid ihr? Was ist es, das diesen Körper belebt, und was ist es, das ihn verlässt? Solange dieses Innere Selbst oder Spirituelle Selbst im Körper festgehalten wird und durch den Körper wirkt, lebt ihr, bewegt ihr euch. Aber die Zeit kommt, wo ihr den Körper verlassen müsst. Das ist das Schicksal, das jeden von euch erwartet. Von dieser Regel gibt es keine Ausnahme. Alle Könige und Untertanen, die Reichen und die Armen, die Weisen und die Unwissenden und selbst die Meister haben den Körper zu verlassen. Wie könnte es da in eurem Fall eine Ausnahme geben? Wenn das so ist, seid ihr bereit für diese letzte Umwandlung? Wenn nicht, müsst ihr euch vorbereiten. Und dazu müsst ihr das Mysterium des Lebens lösen, solange noch Zeit ist. Ihr müsst euer eigenes Selbst erforschen. Wer ist der wirkliche Mensch im Körper? Bevor ihr das nicht wisst, könnt ihr keinen Frieden haben.

Buddha, Der erst Gautama genannt wurde, war ein Prinz, erzogen wie ein Prinz, inmitten von Luxus und Reichtum. Einmal besuchte er die Stadt, die zu seinem Willkommen geschmackvoll geschmückt war. Als er in einem Wagen durch die Stadt fuhr, sah er einen alten Mann mit hagerem Gesicht, eingefallenen Augen und schwankender Gestalt. Er wankte entlang mit der Hilfe eines Stockes. Auf den alten Mann schauend, fragte der Prinz seinen Wagenlenker: Was war das? – Hohes Alter, mein Herr; der Körper muss alt und gebrechlich werden, erwiderte der Wagenlenker. Das erschütterte ihn sehr.

Als sie weiterfuhren, sah er einen Sterbenden, der nach Atem rang, und fragte wieder, was das sei. Der Wagenlenker antwortete: Nun, Herr, wir müssen sterben und den Körper verlassen. Er stirbt. Er ringt nach Atem. Das machte ihn noch trauriger und nachdenklicher. Der Prinz machte sich Gedanken darüber, ob dies das Los unserer schönen Körper sei. Der Wagenlenker brachte ihn aus der Stadt heraus, um hässliche Anblicke zu umgehen.

Aber außerhalb der Stadt sah der Prinz vier Männer, die einen Leichnam trugen. Er fragte natürlich, was das wäre, und erhielt die Antwort: Nun, Herr, wir müssen den Körper verlassen. Das machte den Prinzen noch bedrückter, und er rief aus: Es ist seltsam, dass wir eines Tages unsere schönen Körper verlassen müssen; aber was ist es, das sie verlässt?

Das war der größte Tag in Gautamas Leben. Er erwachte und fragte sich, was es sei, das den Körper belebt.

Auch wir haben die gleiche Art von Körpern. Wir waren Zeuge so vieler Verbrennungen und Begräbnisse. Wir haben einer großen Anzahl von Bestattungen unserer Freunde und Verwandten beigewohnt, aber das Mysterium des Lebens hat uns nie betroffen, wie es Gautama betroffen hat.

Gautama kehrte heim. Es wurde ihm ein Sohn geboren. Das ist gewöhnlich ein sehr fröhlicher Tag. Aber er war in dieses Geheimnis des Lebens vertieft. Er verließ sein Heim, seine Frau und seinen Sohn, um die Lösung für das Mysterium des Lebens zu suchen – Was bin ich? Wer ist es, der den Körper verlässt?

Solange das Innere Selbst in diesem physischen Körper wirkt, sind wir am Leben, wir sprechen, denken, bewegen uns. Aber wenn es aus dem Körper geht, wird er verbrannt oder begraben. Niemand behält den toten Körper im Haus. Er wird so bald wie möglich weggeschafft.

Dies ist das Problem, das sich uns stellt. Wir müssen ganz in Ruhe darüber nachdenken, mit gebotener Bedächtigkeit. Wir müssen ihm auf den Grund gehen, damit wir entdecken, was es ist: Wer bin ich? Was bin ich? Jene, die wissen und das Mysterium des Lebens ergründet haben, vollbrachten eine wunderbare Leistung. Woher kamen die Schriften? Aus dem Inneren, dem Inneren des Menschen. Woher kamen all die Erfindungen, die wir haben? Aus dem Innern des Menschen, nicht von außerhalb.

Die größte Aufgabe vor uns ist, sich selbst zu erkennen, zu erkennen, wer das Selbst ist und was das Selbst ist. Wir haben gesehen, dass das Schicksal des physischen Körpers der Tod ist. Zum Zeitpunkt dieser letzten Verwandlung verlässt der Bewohner das Haus des Körpers. Wir sind nicht der Körper, das Wohnhaus. Wir sind der Bewohner des Hauses, das wir durch unsere Gegenwart beleben.

Unser erster Begleiter, den wir von Geburt an hatten, ist der physische Körper, der sich jetzt entwickelt hat und erwachsen ist. Wenn wir sterben, wird er zurückgelassen; er begleitet uns nicht. Wie können uns dann andere Dinge, die durch unseren Körper mit uns in Verbindung kamen, in die andere Welt begleiten? Wenn wir das bedenken, wird sich der gesamte Blickwinkel ändern.

Gegenwärtig betrachten wir alles von der Ebene des Körpers aus. Wenn wir uns selbst erkennen – wer wir sind und was wir sind – und wissen, dass wir die Bewohner des Körpers sind, wird sich der ganze Blickwinkel ändern. Ihr werdet dann von der Ebene der Seele, nicht von der Ebene des Körpers aus sehen.

Gegenwärtig arbeiten wir unter falschen Voraussetzungen. Wir sammeln Schätze auf Erden. Wir errichten so viele Häuser, Bauwerke und sammeln anderen Besitztümer an und wir häufen so viel Geld an, wie wir können, ohne auch nur einen Augenblick daran zu denken, dass wir den Körper und alle irdischen Besitztümer verlassen müssen. Das ist der Grund, warum die Meister, wenn Sie kommen, unsere Aufmerksamkeit einzig auf diese bedeutendste Tatsache lenken – die Unvermeidbarkeit des Todes – derer wir uns nicht bewusst und unwissend sind. Trotz all unserer intellektuellen Errungenschaften handeln wir, als ob wir die Welt oder den Körper nie verlassen müssten.

Deshalb sagt Christus:

Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden.

Warum nicht?

Da sie die Motten und der Rost fressen und da die Diebe nachgraben und stehlen.

Was sollen wir tun?

Sammelt euch aber Schätze im Himmel, da sie weder Motten noch Rost fressen und da die Diebe nicht nachgraben noch stehlen.

Was haben wir für die andere Welt getan? Wir werden diesen Körper eines Tages verlassen. Haben wir je daran gedacht? Wenn wir den Körper verlassen, was kann uns dann begleiten?

Als Königin Noor Jahan sterben sollte, so wird uns erzählt, sagten die sie betreuenden Ärzte zu ihr: Nun, Majestät, Ihr müsst jetzt in die andere Welt gehen. Vielleicht hat sie nie gewusst, was die andere Welt ist. Sie sagte einfach: Nun gut, wenn ich in die andere Welt gehen muss, wie viele Leute werden mich begleiten? Der Arzt sagte ihr: Eure Majestät, keiner kann mit Euch kommen. Ihr müsst ganz allein gehen.

Seht nur diese Unwissenheit. Verstandesmäßig wissen wir alle, dass der Tod unvermeidbar ist, dass er alle einholt, aber haben wir je wirklich erkannt, dass wir selbst auch sterben werden? Haben wir je ruhig darüber nachgedacht, wer es in uns ist, der den Körper verlässt und wohin er geht? Alle Heiligen haben die große Notwendigkeit betont, sich selbst zu erkennen. Wenn ihr den Inneren Menschen erkennt, der den Körper verlässt, wisst ihr etwas; und das wird die gesamte Ebene der Wahrnehmung ändern.

Ich bin aus Indien hierher gekommen. Ich weiß, ich muss wieder dorthin zurückkehren. Nun, im Flugzeug sind nur 40 Pfund Gepäck erlaubt. Alles, was diese Grenze überschreitet, werde ich dalassen müssen. Was soll ich also tun? Soll ich zu viele Dinge ansammeln, um sie mitzunehmen? Wie kann ich sie mitnehmen? Ich kann nicht mehr als 40 Pfund mitführen. Desgleichen begleitet uns nicht einmal der Körper, wenn wir in die andere Welt gehen; ganz zu schweigen von all den anderen Besitztümern.

So gibt es zwei Aspekte, die wir bedenken müssen. Erstens, dass wir Pilger auf dieser Welt sind, in der wir eine gewisse Zeitspanne, sei sie länger oder kürzer, zu verbringen haben. Jedenfalls ist es nur ein vorübergehender Aufenthaltsort, und wir müssen ihn eines Tages verlassen. Es ist ungefähr so, als wenn ihr euch auf dem Weg zu eurem Ziel befindet. Unterwegs bricht die Nacht herein, und ihr haltet in einem Hotel an, um sie dort zu verbringen. Und früh am Morgen verlasst ihr es, um euer Ziel zu erreichen. Habt ihr je darüber nachgedacht, dass ihr so lebt, als würdet ihr für ewig auf dieser Welt bleiben? Habt ihr je an den Tod gedacht?

Zweitens besteht der Mensch aus dem physischen Körper, dem Intellekt und der Seele besteht. Wir wissen so viel über unsere physischen Körper. Wir wissen so viel darüber, wie sie zu erhalten sind. Wir wissen so viel über unsere familiären Beziehungen, unsere Kinder, unser gesellschaftliches Leben usw. Wir haben intellektuell so wunderbare Fortschritte gemacht. Wir haben das Fernsehen, wir können in der Luft fliegen. Dies alles macht die Welt einem Haus ähnlich. Es dauert nur etwa vierundzwanzig Stunden, um von Indien nach Amerika zu reisen, von einem Ende des Globus zum anderen. Alle diese Länder sind gleichsam die vielen Räume im Hause meines Vaters, mögt ihr sagen. Wir haben Atombomben, Wasserstoffbomben usw. Ich möchte sagen, dass wir auf intellektuellem und technologischem Gebiet wundervollen Fortschritt gemacht haben.

Aber was wissen wir über unser eigenes Selbst – das Wahre Selbst –, das den physischen und intellektuellen Aspekten unseres Lebens Kraft verleiht? Wir sind in Wirklichkeit der Geist oder die Seele. Der größte Teil des physischen und intellektuellen Bereichs hat seine Grundlage in unserer Seele. Wir haben uns nur in zwei Richtungen entwickelt und wissen nichts über unser eigenes Selbst.

Ein Moslem-Heiliger sagt:

Wie lange wollt ihr fortfahren, wie ein Kind mit Lehm zu spielen und euch selbst damit zu beschmutzen?

Was bleibt, wenn die Seele den Körper verlässt? Erde.

Du bist Staub und wirst wieder zu Staub werden.

Wie lange wollt ihr noch so weitermachen?

Wir sind in zwei Richtungen sehr gut entwickelt, aber über unsere Seele wissen wir nichts oder so gut wie nichts. Wir wissen nur so viel, wie in den Schriften steht. Wir wissen nur so viel, wie wir mit unserem begrenzten Intellekt fassen können. Wenn wir die wahre Bedeutung der Schriften verstehen wollen, müssen wir Jemandem zu Füßen sitzen, Der praktisches Wissen über das Selbst und das Überselbst hat, denn alle Schriften sprechen von derselben Sache.

Auch wenn wir einem Meister begegnen, Der ein Adept in der Praxis ist und Er uns alle Dinge erklärt, die unser eigenes Selbst und das Überselbst betreffen, können wir nicht zufrieden sein, ehe wir diese Erfahrung nicht selbst und mit unserem Selbst gemacht haben.

Falls wir die Schriften überhaupt lesen, ist das Streben im Bereich der Selbsterkenntnis hauptsächlich auf das Lesen der einen oder anderen Schrift beschränkt oder auf den Besuch eines heiligen Ortes der Verehrung, das ist alles.

Dies sind jedoch nur die elementaren Schritte und führen an sich zu keinen lohnenden Ergebnissen. Außerdem werden wir finden, dass viele von uns in Kirchen oder zu heiligen Orten der Verehrung gehen, doch wie viele gibt es, tun es wirklich, um Wissen über Gott zu erhalten? In der Tat, sehr wenige. Die meisten von uns sind dort, um für den Lebensunterhalt zu beten, für die Kinder oder um irgendeinen anderen materiellen Vorteil. Wir lesen die Schriften, damit unsere sonstigen Verhältnisse unseren Erwartungen entsprechend geregelt werden. Die meisten von uns sind nur in dieser Art und Weise religiös.

Aber werden solche Leute, indem sie zu den heiligen Wallfahrtsorten pilgern, Gott finden?

Bittet, so wird euch gegeben. Klopfet an, so wird euch aufgetan.

Wenn wir aber nur um weltliche Dinge bitten, wie können wir dann Gott erhalten?

Gott, der Herr, ist gütig und was du von Ihm erbittest, das wird Er dir geben.

Es wird die Geschichte eines persischen Prinzen namens Majnu erzählt, der sich in die Prinzessin Laila verliebte. Seine Verehrung war so glühend, dass er die Erde küsste, auf die sie trat. Einmal sagten die Leute zu ihm: Siehe, Gott möchte dich besuchen. Er antwortete: Gut, wenn Er mich besuchen will, soll Er in Gestalt meiner Laila kommen. Glaubt ihr, dass ein solcher Mensch je Gott finden wird? Er wird ohne Zweifel Laila finden, aber nicht Gott.

Auf die gleiche Weise, wie so viele Majnus, gehen wir in den Tempel, suchen aber nicht Gott, sondern die Idole unserer Herzen. Wie können wir dann Gott erreichen? Nur die können Gott erreichen, die Gott suchen. Für sie ist der Weg offen; für sie gibt es einen Gottmenschen, Der sie auf den Pfad stellt.

So ist unser Streben auf dem Spirituellen Weg allein auf diese eine Sache beschränkt. Wer ein echtes Verlangen in sich hat, Gott zu suchen und zu finden, für den trifft Gott Vorkehrungen, dass er auf den Weg gestellt wird.

Der elementare Schritt, um sich selbst zu erkennen, ist die Heiligen Schriften zu lesen, die wir haben. Aber sie sagen uns:

Wer sein Leben verliert, der wird’s finden, und wer sein Leben findet, der wird’s verlieren.

Was bedeutet das? Wer nur das physische Leben auf der Ebene der Sinnesorgane lebt und wenig oder nichts über sein eigenes Inneres Selbst weiß, der wird natürlich sein Ewiges Leben gänzlich verlieren. Jene, die über dieses physische Leben hinausgehen, sich selbst erkennen und Gott erkennen, werden Ewiges Leben haben.

Die Schriften sagen das sehr klar in sehr einfachen Worten. Aber die intellektuellen Menschen, die kein praktisches Wissen der Selbstanalyse und keine Erfahrung von ihrem eigenen Selbst und von Gott hatten, haben es schwer gemacht, sie zu verstehen. Das ist alles. Ansonsten sind die Wahrheiten sehr einfach.

Wiederum sagt Christus:

Es sei denn, dass jemand von Neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.

Von Neuem geboren werden? Wie? Nikodemus, ein sehr gelehrter Mann, kam zu Jesus und fragte:

Nun, Meister, warum sagst Du, dass wir von Neuem geboren werden müssen? Wie können wir von Neuem geboren werden? Wie können wir wieder den Mutterleib betreten und von Neuem geboren werden?

Was sagte Christus?

Siehe hier, du bist ein gelehrter Mann, ein sehr weiser Mann. Leute sitzen dir zu Füßen, sie verehren dich wie nichts sonst. Erkennst du nicht, Fleisch ist Fleisch, und du musst aus dem Geiste geboren werden?

Dies war ein persönliches Problem für alle von uns. Die Meister, Die kamen und in der Lage waren, uns die praktische Lösung zu geben, gaben uns die Ersthand-Erfahrung davon, wie wir uns über das Körperbewusstsein erheben und uns selbst erkennen können.

Die ganze Sache ist einfach auf den Kopf gestellt, würde ich sagen. Wir sind die Bewohner des Hauses. Wir müssen etwas wissen und vorsorgen für den Ort, an den wir gehen müssen. Aber wir haben uns so sehr mit dem Körper identifiziert, dass wir uns selbst nicht von ihm unterscheiden können.