Die Reichweite und Technik des Surat Shabd Yoga

von Dr. George Arnsby Jones

Der Mensch lebt gegenwärtig im Atomzeitalter, in der Epoche der Befreiung der Kräfte.

Das äußere Symbol eines solchen Zeitalters ist der Wolkenpilz einer Atomexplosion, aber die Innere Bedeutung eines solchen Zeitalters ist die Entwicklung eines ‚Nuklearbewusstseins‘, das heißt, der Mensch taucht in das Seelenzentrum seines eigenen Seins ein. Der erwachende Mensch wendet sich ab von der Illusion einer weltlichen Macht und bemüht sich, seine eigenen atomaren Möglichkeiten zu erkennen: Sich selbst und Gott zu erkennen. Die Entwicklung höherer Bewusstseinsebenen führt den Menschen zum Gewahrwerden eines kosmischen Planes der Dinge, welcher so ausgedehnt ist, dass er dem menschlichen Geist und seiner Vorstellung unverständlich ist. Das ganze physische Universum mit seinen Millionen von Milchstraßen, unzählige Lichtjahre voneinander entfernt, ist nur wie ein Staubkorn in dem Universum von And und Brahmand. Von diesen beiden ist Brahmand noch viel ausgedehnter als And. Brahmand selbst ist unbedeutend im kosmischen System der ersten Spirituellen Aufteilung, von wo es seine Macht hat und erhalten wird. Die Erschaffung und Aufrechterhaltung der physischen, überphysischen und mentalen Universen ist einer großen Hierarchie von Wesen anvertraut. Der Höchste dieser Hierarchie ist Sat Purush, der Herr der niedrigsten Ebene der Ersten Aufteilung. In einer Abstufung folgen viele kosmische Regenten, Götter, Erzengel, Engel, Cherubime, Seraphime bis zum Menschen selbst.

Diese kosmische Hierarchie wird auf Erden von Heiligen Männern repräsentiert, die das gegenwärtige Stadium des menschlichen Bewusstseins überschritten haben. Der Begriff eines Weisen oder Priesters der Weisheit, der die Menschen durch Göttliche Inspiration führt, wurde seit vielen Jahrhunderten in alten Mythologien und religiösen Schriften dargelegt. Die hebräischen Schriften zum Beispiel deuten eine Folge von historischen Zeitaltern an, in welchen jene Heiligen Priester, ‚nach der Weise Melchisedeks‘, Göttliche Erleuchtung durch den Heiligen Geist empfingen und dadurch das Schicksal der damaligen Völker lenkten. Der Begriff Theokratie1 wird oft gebraucht, um diese primitive Form der Regierung zu beschreiben, diese einzig mögliche Art unter den alten Völkern. Selbst Plato behauptete, dass er Unterweisungen von solchen Lehrern der Mystik erhalten hatte. Er bestätigte, dass die Machtübertragung von Gottgleichen auf den Menschen unvermeidlich zu Anarchie und Tyrannei führte, durch welche sich die Menschheit bei fortschreitender Bewusstwerdung zu kämpfen hatte. In der christlichen Ära zum Beispiel gibt die katholische und apostolische Kirche den Beweis des Machtmissbrauchs. Diese Macht wurde Einzelnen durch eine geistliche Hierarchie übertragen.

Die moderne Theosophie und andere mystische Bewegungen der Gegenwart behaupten, dass es eine ‚Innere Regierung‘ der Welt gäbe und ihre Hauptaufgabe bestehe darin, den Entwicklungseinfluss unter allen Rassen und Nationen zu kontrollieren und auch der Weltverbesserung zu dienen. Diese Regierung fällt unter die Rechtsprechung von Brahma, dem Herrn der vierten Aufteilung und den niedrigeren Ebenen der dritten Aufteilung. Brahma, der den Adepten der Mystik auch als Kal bekannt ist, der die Herrschaft über die niedrigeren Ebenen der Schöpfung innehat, arbeitet dennoch in Übereinstimmung mit den Göttlichen Gesetzen des Sat Purush. Es ist die Pflicht von Kal, als der Negativen Kraft der Schöpfung, die Menschheit an das Rad der Wiedergeburten zu binden. Und der Menschheit langer aufwärts gerichteter Kampf gegen diese Macht ist von dem Höchsten Wesen ersonnen worden, um uns von unseren Sünden und Unreinheiten zu reinigen und um uns bereit zu machen für unsere Reise zur Wahren Heimat.

Der Begriff Kal bedeutet buchstäblich ‚Zeit‘ und so umfasst Kal in seinem Wesen die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, wie die Zeit gewöhnlich von den Menschen verstanden wird. Es ist jedoch unmöglich, ein kosmisches Datum für den Ursprung Kals festzusetzen und vorauszusagen, wann er enden wird. Anfang und Ende sind unwirkliche Vorstellungen, die von des Menschen nach außen strebenden Sinnen geschaffen werden, welche einen scheinbaren Anfang und eine scheinbare Beendigung in allem sehen, was in ihrer Umgebung geschieht. Vom Standpunkt des Höheren Bewusstseins aus betrachtet, hat sich das, was als der Anfang eines Ereignisses in der physischen Welt angesehen werden kann, vorher unsichtbar als eine Idee in der mentalen Welt ereignet; und jenseits der mentalen Welt sind Bereiche, welche über die Zeit (oder Kal) hinaus gehen. Dem physischen Organismus geht immer eine mentale Funktion voraus. Ähnlich ist die ‚Beendigung‘ einer Sache nur ein Dahinschwinden von einer Erfahrungsebene zu einer anderen.

Es kann jedoch gesagt werden, dass die ‚Dauer‘ von Kal sich von einem großen Zyklus zum anderen erstreckt. Während dieses Zyklus verbleibt das Universum von Gemüt und Materie in seiner offenbarten Form bis zu seiner Auflösung. Östliche Weise haben – was unseren Planeten betrifft – vier Erfahrungszyklen errechnet. Es sind die folgenden Zeitalter: ‚Sat Yuga‘, das goldene Zeitalter der vollkommenen Gerechtigkeit; ‚Treta Yuga‘, das Zeitalter der vorherrschenden Gerechtigkeit; ‚Dwapar Yuga‘, das Zeitalter der vergleichsweise geringen Gerechtigkeit; und zum Schluss ‚Kali Yuga‘, das Zeitalter, in dem überhaupt keine Gerechtigkeit erscheint. Nur in seiner latenten Form ist Gerechtigkeit vorhanden, aber verdeckt von Dunkelheit im Übermaß. Wir leben gegenwärtig im Kali Yuga, und auf diese planetarische, zyklische Ordnung vom Sat Yuga bis zum Kali Yuga folgt eine planetarische Auflösung. Danach beginnt wieder eine neue zyklische Ordnung in einem anderen Weltsystem.

Im Kali Yuga regiert Kal als Höchster über die niedrigeren Bereiche der Schöpfung und wir leben innerhalb der Begrenzungen einer vollkommen dimensionalen Welt von Zeit, Raum und Kausalität, welche die Flucht der Seele in ihrem Kampf um die Freiheit durchkreuzen. Je mehr sich das Bewusstsein des Menschen erweitert, desto mehr bemerkt er die Fesseln der Zeit. In uranfänglichen Tagen, als das Bewusstsein der physischen Organismen sich noch in einem halbschlafähnlichen Zustand befand, wurde die unglaubliche Langsamkeit, was die Grade des Wachstums und des Wechsels auf unserem Planeten angeht, durch eine sozusagen vorweltliche Zeit widergespiegelt. Falls diese anfängliche Zeitenfolge im menschlichen Bewusstsein wiederersteht, wird man sehen, dass unser gegenwärtiges (weltliches) Zeitmaß dem Grad des Entwicklungswechsels gleicht, welcher von acht- bis zehntausend Jahren uranfänglicher (vorweltlicher) Zeiten bedeckt ist. So fühlt die erwachende Seele diese Göttliche Unzufriedenheit mit ihrer zeitgebundenen Welt. Sie sucht die Fähigkeit, sich über die vergänglichen Eigenschaften des Gemüts und der Materie zu erheben, welche beide die Hauptagenten von Kal sind.

Die gegenwärtige Menschheit wird vom Zeitbegriff regiert und lässt für jede folgende Sekunde mehr Energie frei, als es die uranfängliche Lebenswelle in vielen vorweltlichen Tagen vermochte. Die Geschwindigkeit des gegenwärtigen menschlichen Lebens steht im umgekehrten Verhältnis zum Grad des Wechsels ursprünglicher, geologischer Epochen. Der Mensch lebt in einer Epoche, die von der Zeit beherrscht wird, und die uranfängliche Epoche wurde vom Raum regiert.2 Das tierische und pflanzliche Leben in der vorweltlichen Ära neigte zu großer Masse und zu schleimigen und alkalischen Zuständen. Kal regierte damals die Schöpfung, wie er es jetzt tut, indem er jedes lebende Wesen von der Lebensbühne aussonderte, sobald seine vorgeschriebene Zeit erschöpft war. Wenn einmal eine Raum-Zeit-Entwicklung ihr Ziel erreicht hat, sollte des Menschen Werk in der physischen Inkarnation beendet sein, aber der nach unten gerichtete Zug der Negativen Kraft hält ihn in der weltlichen Knechtschaft.

Kal ist der Urheber der Naturgesetze, welchen alle gehorchen müssen, solange sie in der physischen Inkarnation leben. Als der Schöpfer der niedrigeren Welten ist er den meisten Religionsgemeinschaften als ‚Gott‘ bekannt. Die Hierarchien der Inneren planetarischen Regierung dienen ihm getreulich. Nur die Adepten der Mystik der Höchsten Ordnung, Ihre Schüler und Studenten, wissen von einem höheren Gott als Kal; und dennoch wird die Negative Kraft von Millionen als der höchste Herr der Schöpfung verehrt. Im Vergleich mit der Spirituellen Vollkommenheit von Sat Purush, dem Wahren Herrn, ist Kal nur ein Untergeordneter in der Hierarchie des kosmischen Universums. Und als solch ein Untergeordneter ist er nicht frei von Unvollkommenheiten. Jedoch verglichen mit der Menschheit ist Kal ein erhabenes Wesen, eine Verkörperung des Lichts, der Weisheit und der Kraft.

Man sollte wohl bedenken, dass Kal die Ewigkeit der kosmischen Sonnen- und Planetenentwicklung kontrollierte. Er wachte über seiner Schöpfung seit den Äonen von Zeiten, bevor moosartige Pflanzen auf der Erde wuchsen und bevor Dinosaurier und Saurier erschienen. Die Tatsache, dass die Negative Kraft unsere materiellen und materiell-Spirituellen Universen kontrolliert, gibt uns einen Anhaltspunkt für den Ursprung des sogenannten ‚Bösen‘. Denn das Böse ist eine Rückkehr in veraltete (und so unerlaubte) Verhaltensformen. In Elementarorganismen fühlt eine beschädigte Zelle Schmerzen und bemüht sich, ihre Schmerzensbotschaft durch den Organismus zu konzentrieren. Ein Mangel an Aufmerksamkeit gegenüber dieser Botschaft führt dazu, dass die umliegenden Zellen von der Notlage der beschädigten Zelle mit betroffen werden. Wenn diese Unausgeglichenheit immer noch nicht beachtet wird, dann werden mehr und mehr Zellen einbezogen, bis die gesamte Widerstandskraft der Zellengruppe zusammengebrochen ist. Der Organismus wird dann krank (aus der Ruhe gebracht). In Kals Universum stellen die Empfindungen von Freude und Schmerz die Sprache der einzelnen Zelle und auch des menschlichen Individuums dar. Physischer Schmerz ist der Warnruf einer körperlichen Unstimmigkeit und der Schmerz der Seele ist der Warnruf starker Spiritueller Disharmonie im menschlichen Organismus. Kein Warnruf sollte überhört werden.

Die hierarchischen Vertreter von Kal – im Osten bekannt als ‚Inkarnation von Brahma‘ – sind die Avatare und Propheten. Sie haben die Mission, sich in jedem Zeitalter zu inkarnieren. Sie sollen Ungerechtigkeit und das Böse ausrotten, das Gute beschützen und Übeltäter bestrafen, und sie sollen die Gesetze der Gerechtigkeit in der Welt festigen. Die Avatare und Propheten geben also das Versprechen, die Gerechten zu erlösen; trotzdem ist diese Erlösung an die Zeitskala der niederen Welten gebunden und ist nicht von Dauer. Der Strom von Kal oder der ‚Zeit‘ ist in seinem Lauf endlos für die Menschheit, aber Seelen, die die Hilfe eines Wahren Adepten der Mystik haben, können über die Zeit hinaus in das zeitlose Reich von Sat Purush aufsteigen und allmählich tauchen sie in die Spirituelle Weite der höchsten Reiche ein. Diese Innere Reise beginnt auf der niedrigsten Stufe der Schöpfungsleiter, der Welt von Pind. Und allmählich steigt sie auf zu Brahmand, dem höchsten Bereich von Kal, und von dort geht sie weiter zu Par-Brahm und schließlich erreicht sie die reinen, Spirituellen Reiche. Nur der höchste Adept der Mystik, Einer, Der selber diese Spirituelle Reise unternommen hat und in den höchsten Spirituellen Zustand eingetaucht ist, kann anderen ebenfalls zu diesem Ziel verhelfen. Solch ein Adept der Mystik ist nicht Teil der Inneren Regierung von Kals Welt, obwohl Er Ehrerbietung für alle hat, die ihre Rolle in der Schöpfungsordnung spielen. Der Adept der Mystik ist ein Sendbote von Sat Purush und Er ist vom Höchsten Wesen beauftragt, Seelen zu retten und die Menschheit zurück zur Wahren Heimat zu führen. Solch ein Adept der Mystik wird in der östlichen Terminologie Sant Satguru3 genannt. Und nur Er allein kann den Menschen von der Bindung an die niederen Welten befreien und ihm Ewige Freiheit geben. Hier muss betont werden, dass der Unterschied zwischen dem Menschen und den Wesen der ganzen aufsteigenden Skala, welche die große Hierarchie der Schöpfung in sich fassen, nur auf Spiritueller Errungenschaft beruht. Es gibt keinen Unterschied in der Qualität der Seele eines heillosen Materialisten und eines Höchsten Spirituellen Heiligen, denn alle Seelen sind vom Wesen des Höchsten Einen. Die erweckte und gereinigte Seele, die vom hörbaren Lebensstrom durch die Gnade eines Kompetenten Adepten der Mystik gereinigt worden ist, bewegt sich die kosmische Skala hinauf, bis sie ihre Wahre Heimat erreicht. Es gibt keinen anderen Maßstab als diesen, um die verschiedenen Grade des Fortschritts zwischen den unterschiedlichen menschlichen Wesen zu messen. Und nur ein Adept der Mystik kann den Maßstab mit vollkommener Richtigkeit und Genauigkeit benutzen. Nur der Satguru steht vollkommen jenseits von Kals Regierung und nur Er ist nicht den Gesetzen der Negativen Kraft4 untertan.

Über der großen Hierarchie von Kal und seinen Agenten und getrennt von ihr ist der Akal Purush, die große Positive Kraft. Diese kontrolliert nicht nur die große Aufteilung von Sach Khand, sondern erhält und unterstützt auch die niedrigeren Regionen von Brahmand, And und Pind. Alle diese Reiche überlässt er sonst Kal, der über diese drei niedrigeren Welten die Herrschaft hat. Der Satguru ist eine Inkarnation dieser großen Positiven Kraft und als solche wurde Er von Sat Purush beauftragt, die Menschheit auf dem Inneren Pfad zur Wahren Heimat zu führen. Der Satguru bringt den Aspiranten in Kontakt mit dem Spirituellen Tonstrom. Dieser hörbare Lebensstrom variiert zwischen verschiedenen Frequenzebenen, wenn Er die fünf Inneren Ebenen der Schöpfung durchquert; deswegen wird Er von den östlichen Weisen als ‚die fünf Melodien des Himmels‘ bezeichnet.

Die Satgurus, Adepten der Mystik der höchsten Ordnung, kennen zwei Arten von Wissen im religiösen Erleben. Die erste Art ist bekannt als Apara Vidya und besteht aus dem Studium der religiösen Schriften, der Ausführung von Ritualen und Zeremonien und dem Geben von Almosen und aus guten Taten. Die zweite ist als Para Vidya bekannt und das ist die Wissenschaft der verwirklichten Wahrheit oder die Wissenschaft der Seele. Ein anfängliches Interesse, sein eigenes Selbst und Gott zu erkennen, und ein ethisches Leben sind Voraussetzungen für des Menschen Suche nach der Spiritualität. Aber für die praktische Innere Entfaltung muss der einzelne Aspirant die Führung eines Menschen suchen, der das Höchste Spirituelle Ziel verwirklicht hat. Es gibt viele Lehrer des Apara Vidya, dem theoretischen und intellektuellen Wissen religiöser Erfahrung, aber es gibt nur wenige Lehrer des Para Vidya, dem Wissen der verwirklichten Wahrheit.

Die Seele des Menschen untersteht dem Gemüt und der Materie. Der strebende Sucher muss eine praktische Methode der Selbstanalyse erlernen und dann eine Methode, wie man sich über das Körperbewusstsein erhebt. Wenn er diesen Grad von Bewusstheit erreicht, dann entdeckt er wirklich, dass er nicht der Körper ist, nicht der Intellekt und die nach außen strebenden Kräfte. Obwohl er viele objektive Fakten kennen mag, nimmt er nicht wahr, dass diese alle durch die Begrenzungen des Gemüts bedingt sind. Er weiß, dass er seine eigene Selbstverwirklichung vollenden muss, indem er Innen der Gotteskraft gewahr wird; er kann dieses Ziel erreichen, wenn er die Anweisungen eines Adepten des Para Vidya, eines Sant Satguru, befolgt. Der Wissenschaft des Para Vidya können sich Menschen jeden Alters anschließen, denn sie ist ein einfacher und natürlicher Weg zu Spirituellem Erfolg. Wenn der Mensch nicht seiner eigenen höheren Natur und seiner Verwandtschaft mit Gott und der Schöpfung gewahr wird, kann er nicht Innere Freude und Wahren Frieden erlangen.

Der Kern des Para Vidya liegt im Yoga des Hörbaren Lebensstromes, welcher im Osten als Surat Shabd Yoga5 bekannt ist. Diese älteste Yogawissenschaft der Adepten der Mystik ist die Methode, die angewandt wird, um die Seele bewusst mit dem transzendentalen Tonstrom, der sich zum Ausdruck bringenden Gotteskraft, zu verbinden. In der Praxis dieser Spirituellen Wissenschaft legt der Satguru nachdrücklich Wert auf die mentale Wiederholung der Spirituell geladenen Worte. Diese helfen, die zerstreute Aufmerksamkeit des Aspiranten zu sammeln und sie am Punkt der Seele im Zentrum hinter den Augen im Kopf zu festigen. Dieser besondere Aspekt des Surat Shabd Yoga ist als Simran6 bekannt. Die erfolgreiche Vollendung des Simran führt zu Dhyan7 oder Konzentration. Das Innere Auge des Aspiranten ist nun geöffnet und er sieht innen den strahlenden Punkt Spirituellen Lichts. Die Strahlen mögen erst schwanken, aber sie werden allmählich hell und am Ende ist das Licht stetig und stark. Wenn Dhyan vollkommen ist, dann wird der Aspirant zu Bhajan8 oder dem Einstimmen auf den Spirituellen Tonstrom geführt, der aus dem Zentrum des Spirituellen Lichts hervorgeht. Diese erhabene Melodie hat einen nach oben gerichteten Zug, welcher unwiderstehlich ist, und die Seele muss schließlich mit der Inneren Musik reisen, bis sie jene Spirituelle Quelle erreicht, von der die Musik ausgeht. Durch diesen dreifältigen Prozess von Simran, Dhyan und Bhajan wird die Seele schließlich befreit von den Fesseln des Gemüts und der Materie und wird in ihrem Wahren Selbst oder Atman9 verankert. So kehrt sie zurück zu ihrer ursprünglichen Spirituellen Quelle, dem Reich des reinen Geistes.

Jesus, der galiläische Adept, sagte: Nehmet auf euch mein Joch! Und das Wort ‚Yoga‘, welches mit ‚Joch‘ verwandt ist, bedeutet verbinden, die Seele mit Gott verbinden. Der Spirituelle Tonstrom ist das verbindende Glied mit Gott und es ist dasselbe Wort, von dem Christus und alle Adepten der Mystik sprechen. Der ganze Prozess der Gottverwirklichung wird durch drei wesentliche Punkte genährt: Satguru oder der Adept der Mystik, Der ein lebender Ausübender der Heiligen Wissenschaft ist; Shabd, die Kraft des Höchsten Herrn, welche durch die Schöpfung hindurch erklingt; und Satsang10 oder Gemeinschaft mit einem Wahren Adepten der Mystik. Der lebende Satguru ist wahrhaftig das fleischgewordene Wort oder die verkörperte Form des Ewigen Shabd. Der Shabd wirkt durch den Satguru sowohl auf den äußeren als auch den Inneren Ebenen des Lebens und das gibt ihm die vom Göttlichen festgelegte Kraft, die individuelle Seele sicher zurück zu ihrer Spirituellen Heimat zu führen.

Die Kombination von Spirituellem Licht und Spirituellem Ton ist das Wesentliche der Inneren Reise. Das Spirituelle Licht hält die Seele vertieft in ihr Ziel, und bis zu einem gewissen Grad führt es die Seele aufwärts; der Spirituelle Ton – das Wort – zieht die Seele hinauf und bringt sie von Ebene zu Ebene und hilft ihr, die Hürden und Schwierigkeiten der niederen und dazwischen liegenden Ebenen zu überwinden, bis sie ihre Bestimmung erreicht. Der Surat Shabd Yoga ist nicht nur die vollkommenste der verschiedenen Spirituellen Wissenschaften, sondern ist auch vergleichsweise leicht auszuführen, und er ist für alle Menschen zugänglich. Die Aspiranten, die sorgfältig dieser Spirituellen Disziplin folgen, erreichen nicht nur ihr letztes Ziel, sondern erreichen es mit weniger Anstrengung, als es bei jeder anderen Methode möglich ist.

Der Surat Shabd Yoga beginnt dort, wo alle anderen Yogatechniken enden. Der Yoga Übende erreicht das Überschreiten des körperlichen Bewusstseins durch Techniken, die die verschiedenen Chakras oder mikrokosmischen Kraftzentren im Körper nacheinander erwecken. Solche Praktiken befassen sich mit der geschickten Handhabung der Pranas. Pranas sind die verfeinerten Lebensströme und jedes Resultat wird nur nach langen und anstrengenden Übungen erreicht. Die Technik des Surat Shabd Yoga beginnt beim höchsten mikrokosmischen Zentrum, dem Sitz der Seele, zwischen und hinter den Augenbrauen, und oft erhält der Aspirant dieser höchsten Wissenschaft dieselbe Erfahrung bei seiner ersten Meditation zum Zweck der Initiation, wie der fortgeschrittene Yogi, der lange und hart dafür gearbeitet hat. In Wirklichkeit ist der Surat Shabd Yoga eine weit wissenschaftlichere und natürlichere Wissenschaft als irgendeine der anderen Yogatechniken. Wenn der Spirituelle Strom die Körperchakren eher von oben als von unten erreicht, warum sollte es dann nötig sein, jedes der unteren Chakras nacheinander zu entwickeln, um den Pfad des Spirituellen Erfolgs zu wagen? Außerdem sind die Yogis fast ausschließlich von den Gemütskräften und den pranischen Strömen abhängig, und diese Energien – sogar wenn sie ganz verfeinert sind – sind nicht vom Wahren Spirituellen Wesen und können so die Seele nicht von ihrer Knechtschaft in den niederen Welten befreien. Von diesem Punkt ‚Tisra Til‘, dem Dritten Auge, breiten sich die Energien der Seele im Körper aus. Alles, was verlangt wird, ist, den nach unten fließenden Spirituellen Strom durch die Kontrolle der Sinne aufzuhalten; Er wird so – aus eigenem Antrieb – sich konzentrieren und zu seiner Quelle zurückfließen.

Der Surat Shabd Yoga gibt dem Schüler auf seiner Inneren Reise dort einen Start, wo der Yogi für gewöhnlich aufhört. Das ist die Region von Sahasdal Kanwal (die Region des tausendblättrigen Lichts). Das bedeutet allgemein das Ende der Reise eines Yogis, nachdem er die verschiedenen körperlichen Chakras durchquert hat. Es ist die erste Sprosse auf der Leiter des Aufstiegs für den Praktizierenden des Surat Shabd Yoga. Auch weil der Aspirant der höchsten Spirituellen Wissenschaft es ablehnt, die feurige Kundalinikraft im Körper zu stören, ist die Anstrengung des körperlichen Übersteigens weitgehend reduziert, und dabei gibt es kein mögliches Risiko eines Schadens, der dem physischen oder mentalen Organismus zugefügt werden kann. Durch den Kontakt mit Shabd werden die Sinnesströme automatisch nach oben gezogen, ohne bewusste Anstrengung von seiten des Aspiranten. Auch braucht der Aspirant keine äußere Hilfe, um zum Körperbewusstsein zurückzukehren – so wie es bei einigen Yogatechniken der Fall ist, und Innerer Auf- und Abstieg können mit der Geschwindigkeit eines Gedankens erreicht werden.

Der Satguru ist der Personifizierte Shabd. Er steht über allen Hierarchien des Inneren Universums, obwohl Er die äußere Erscheinung eines Menschen unter Menschen hat. Sein Verhältnis zu seinen Schülern ist rein geistiger Natur; Er ist interessiert an ihrem Spirituellen Fortschritt und hat nichts mit weltlichen Angelegenheiten zu tun. Der Wahre Spirituelle Lehrer ist der Heilige Shabd oder das Wort und der einzige Schüler ist der Surat oder der individuelle Geist. Für jeden Menschen, wie er vor den Wahren Adepten der Mystik kommt, ist Er wahrhaftig Gott in menschlichem Gewand, das fleischgewordene Wort, und der einzelne Aspirant ist eine lebendige Seele, das Wesen der universalen Seele. Kabir, der Dichterheilige von Indien, war ein Beispiel für das Ewige Wort in menschlicher Gestalt. Er sprach so von sich:

Ich komme vom Königreich Gottes, um das Gesetz Gottes zu verwalten.

Wahrhaftig ist der Satguru die größte Gabe Gottes und Gott ist die größte Gabe des Satguru. Es kann keinen Höheren geben als Ihn.

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Anmerkungen: 1) Aus dem Griechischen: Theos, Gott; krate, Herrschaft. 2) Alfred Korzybski, der Begründer der Semantik, benutzte die Begriffe ‚zeitbindend‘ und ‚raumbindend‘, um ähnliche Begriffe in seinen eigenen Werken zu verdeutlichen. 3) Der Sant Satguru ist ein Adept der Mystik, Der freien Zugang zur Spirituellen Region von Sach Khand hat. Er ist auch ein Spiritueller Lehrer, Der Schüler auf dem Inneren Pfad annimmt. 4) Obwohl der Satguru eine befreite Seele ist und deshalb nicht den Gesetzen der kausalen und physischen Welten untergeordnet ist, respektiert Er dennoch die Gesetze Kals und tut nichts, um das Wirken der Naturgesetze zu ändern. Er stellt keine Wunder zur Schau und demonstriert keine okkulten oder psychischen Phänomene für neugierige Sucher. Er ist kein Asket, sondern lebt in dieser Welt als ein Mensch unter Menschen. Er erhält niemals ein Honorar, Kapital oder Unterstützung für Seine Dienste, sondern verdient immer Seinen Lebensunterhalt selbst in Übereinstimmung mit den Gesetzen der Welt. 5) Das Wort Shabd bezieht sich auf den Spirituellen Tonstrom; Surat bedeutet Aufmerksamkeit oder individuelles Bewusstsein; auch die Seele wird manchmal als Surat in der östlichen Mystik bezeichnet. 6) Simran bedeutet ‚Wiederholung der eigentlichen Namen Gottes‘. 7) Dhyan ist abgeleitet von der Sanskritwurzel Dhi; das bedeutet binden oder festhalten. 8) Bhajan bezeichnet das Einstimmen des Selbst auf den hörbaren Lebensstrom. 9) Atman bedeutet das Wahre Seelenselbst oder der reine Geist. 10) Satsang bedeutet Gemeinschaft mit einem Adepten der Mystik oder Satguru. Es gibt zwei Arten von Satsang: Verbindung mit einem Satguru ist äußerer Satsang und die Verbindung der Seele mit Shabd ist Innerer Satsang. Wenn ein Satguru an eine Versammlung von Aspiranten eine Ansprache hält, dann ist das auch Satsang, und auch das Nachdenken über den Adepten der Mystik und seine Lehren ist Satsang.