Die Begründung für eine keusche Lebensweise

von Russell Perkins
Einführung

Das Gebot des Meisters, das vielleicht am schwierigsten einzuhalten ist, insbesondere für junge Menschen, ist das der Keuschheit. Die Gesellschaft, in der wir leben, ist so von Sexualität durchdrungen, und die meisten von uns sind seit ihrer Geburt von so vielen Menschen und von so vielen Dingen umgeben, die mit unkeuschen Vorstellungen angefüllt sind, dass der Gedanke an Selbstbeherrschung  schwerfällt.

Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die Lehren des Meisters in dieser Hinsicht auf festem Boden stehen, einerseits, was die Spirituelle Notwendigkeit betrifft und andererseits im Hinblick auf die menschliche Natur. Wir brauchen nicht viel Zeit zu der Entdeckung, wenn wir es ernsthaft mit dem Pfad meinen und unserer Verpflichtung zu ihn, dass Sexualität und Innere Erfahrungen unvereinbar sind. Und wenn wir uns einmal über die Befürchtungen und Vorurteile hinwegsetzen, die uns durch alle Teile der Gemeinschaft (traurigerweise einschließlich der Kirchen) eingepflanzt wurden, und wenn wir eine Zeitlang frei von der Bindung an Sexualität leben, werden wir für uns den Frieden und die Zufriedenheit entdecken, die Wahre Keuschheit mit sich bringt.

Wir haben gelernt, dass der erste Schritt zu einem aufrichtig keuschen Leben das verstandesmäßige Annehmen des Wertes der Keuschheit ist. Da die meisten von uns seit Jahren das Gegenteil geglaubt haben, ist alles hilfreich, was den Begriff der Keuschheit in unseren Herzen bestärkt. Und wenn wir uns klar machen, dass die Lehren des Meisters in vollkommener Harmonie mit denen aller bisherigen Meister als auch einer erstaunlichen Zahl von bedeutenden Menschen in allen Lebensbereichen übereinstimmen, werden wir uns wahrscheinlich noch mehr in unserem eigenen Bemühen bestätigt fühlen.

Der folgende Artikel, der aus Auszügen von Schriften verschiedener Meister und bedeutender Menschen besteht, ist ein Schritt zu diesem Verständnis. Er ist nur ein Anfang, vieles bleibt noch zu sagen. So Gott will, wird eine vollständige und gründlich dokumentierte Untersuchung hinsichtlich der physiologischen Konsequenzen der Keuschheit in Kürze auf diesen Seiten erscheinen, wobei viele Fragen, die in diesem Artikel unbeantwortet bleiben, aufgegriffen werden.

Nur ein Punkt sei erwähnt. Alle Meister und andere, die den Wert der Keuschheit verstehen, haben sich übereinstimmend gegen die Verwendung von empfängnisverhütenden Mitteln ausgesprochen (Mahatma Gandhi hat zum Beispiel lang und ausführlich darüber geschrieben). Dies hat manche Kritiker zu der Meinung veranlasst, dass die Meister und andere keinen Kontakt mit der modernen Welt und ihrem ungeheuren Problem der Überbevölkerung hätten. Aber dem ist nicht so.

Die Meister kennen sehr wohl die Gefahren der Überbevölkerung und haben übereinstimmend ihren Schülern angeraten, nur kleine Familien zu haben. Aber sie wissen auch, dass alle Versuche, das grundlegende Naturgesetz in irgendeinem Bereich zu untergraben, neue Probleme im Gefolge haben, die schlimmer sind als das eine, das vermeintlich geheilt worden ist.

Die gewöhnlich geäußerte Meinung, dass Keuschheit eine nicht ausführbare und unnatürliche Alternative zu den empfängnisverhütenden Mitteln sei, wird eindrucksvoll zurückgewiesen, wenn man den Zustand der Bewohner des Hunsa-Tales in Nord-Pakistan beobachtet. Diese Menschen, die in der ganzen Welt für ihre außerordentliche Gesundheit und ihr langes Leben bekannt sind, sind keineswegs Heilige. Sie haben dennoch seit Jahrhunderten eine erfolgreiche Geburtenkontrolle mit Hilfe einer keuschen Lebensweise betrieben. Im Jahre 1949 besuchte eine bemerkenswerte Amerikanerin, Jean Bowie Shor, das Hunsa-Tal als einen Teil ihrer ausgedehnten Reise auf den Spuren von Marco Polo. Sie schreibt folgendes:

Genauso wichtig wie die Ehe ist die Geburtenkontrolle. Es gibt nur eine begrenzte Menge Ackerland in Hunsa; und wenn die Hunsas genauso viele Kinder wie andere asiatische oder orientalische Völker hätten, würde bald eine bedrohliche Überbevölkerung entstehen. Schon vor Jahrhunderten lösten sie das Problem. Wenn eine Frau schwanger wird, verlässt sie das eheliche Bett, um nicht eher zurückzukehren, bis das Kind abgestillt ist, was zwei Jahre bei einem Mädchen und drei Jahre bei einem Jungen dauert. Die  Familien sind daher klein, gewöhnlich mit drei oder vier Kindern, und die Bevölkerungszahl verändert sich nicht nennenswert. Und wie beeinflusst diese ‚unnatürliche’ Gepflogenheit die Hunsas? Sind sie nervös, schwach, enttäuscht, gehemmt?

‚Wir sind das glücklichste Volk auf der Erde‘, sagte der Mir mit einer ruhigen Sicherheit, die jede Prahlerei ausschloss, ‚und ich werde Ihnen auch sagen, warum. Wir haben gerade genug von allem, aber nicht so viel, dass es jemand anderen veranlassen sollte, es uns wegzunehmen. Man mag es das ‚Glückliche Land des gerade Ausreichenden’ nennen.‘

Je länger wir in Hunsa verweilten, um so mehr waren wir von der Ausdauer der Leute beeindruckt. Es ist nichts Ungewöhnliches für einen Hunsa, sechzig Meilen an einem Tag über Bergpfade dahinzuwandern. Sie steigen auf Berge, die höher sind als irgendeiner in den USA, und das mit größerem Gleichmut als ich, wenn ich vier Etagen in einem Wohnhaus hinaufsteige.

Sir Robert McCarrisson, früher der führende Chirurg von Indien, beschrieb die Hunsas als ‚unübertroffen in ihrer körperlichen Vollkommenheit, fähig zu großer physischer Ausdauer, und sie erfreuen sich eines bemerkenswerten Freiseins von Krankheiten aller Art.‘

Einst waren die Hunsas ein mächtiges, kriegerisches Bergvolk, das von den umliegenden Ländern gefürchtet wurde. Nun leben sie in heiterem Frieden miteinander und mit ihren nervösen Nachbarn. Es gibt keine Armut in Hunsa, Geld wird jedoch nicht als notwendig angesehen. Langlebigkeit ist ein Volksmerkmal. Während der Arbab von Misgar um die sechzig Jahre alt war, gingen einige seiner Berater auf die Hundert zu.

Viele Zivilisationskrankheiten, einschließlich Krebs, sind unbekannt. ‚Erzählen Sie uns etwas über den Mir‘, fragte Frank, ‚und übrigens, wo sind die Soldaten und die Polizei?‘ Nabi Khan lachte: ‚Es gibt keine Polizei‘, sagte er, ‚weil es keine Verbrechen gibt. Deswegen gibt es auch keine Gefängnisse. Hunsa hat auch keine Armee. Vor einigen Jahren hatte der Mir eine kleine Leibwache aber er hat sie entlassen. Warum sollte er eine Leibwache haben? Er hat keine Feinde.‘

Es gibt keine Ärzte in Hunsa – mit Ausnahme irgendeines ausländischen Arztes, der gelegentlich Hunsa besucht, um das außerordentliche Freisein von Krankheit zu bewundern. McCarrison, der einige Zeit in Hunsa verbrachte, vermerkte das völlige Fehlen von Geschwüren und Verdauungsstörungen, wie auch das Fehlen von Krebs.

Die armen Hunsas! Stark, gesund, zufrieden, heiter, glücklich und – keusch. Lebende Beispiele dessen, was der Meister meint, wenn Er sagt:

Selbst wenn ihr nicht dem Spirituellen Pfad folgt, so versichere ich euch, dass ihr Frieden haben werdet, wenn ihr ein Leben der Zurückhaltung lebt.

Die Hunsas sind keine Heiligen, aber sie sind Menschen.

Die folgenden Abschnitte beweisen die Tatsache, dass der Meister mit Seinem Eintreten für die Enthaltsamkeit nicht alleine steht. Dementsprechend ist nur ein winziger Teil Seiner eigenen Schriften über dieses Thema enthalten. Jene Leser, die noch nicht Kapitel 11 in dem Buch  ‚Morgengespräche’: `Enthaltsamkeit, wir müssen in uns selbst ruhen´, gelesen haben, sollten dies tun, da es wahrscheinlich die wertvollste Abhandlung über dieses Thema ist, die es gibt. Hilfreich ist auch der  Abschnitt ‚Keuschheit’ in der Schrift ‚Die sieben Wege zur Vollendung’.

Russel Perkins

1. Gautama Buddha

Als Antwort auf diese Aufforderung wandte sich der Erhabene an die Versammlung: Ananda hat mich soeben gebeten, zu erklären will.

Ananda und ihr anderen alle, die ihr hier versammelt seid! Als ich euch die Regeln des Vinaya erläuterte, habe ich häufig Nachdruck auf drei gute Grundregeln gelegt, nämlich 

  1. der einzige Weg, um die Vorschriften einzuhalten, verlangt als erstes, dass man fähig ist, das Gemüt zu konzentrieren;

  2. durch Einhalten der Vorschriften werdet ihr fähig, den Samadhi zu erreichen;

  3. vermittels des Samadhi entwickelt man Verständnis und Weisheit.

Wenn man diese drei guten Grundregeln gelernt hat, hat man Freiheit von Rauschmitteln und Hindernissen erlangt.

Ananda, warum ist die Konzentration des Gemütes notwendig, bevor man die Vorschriften einhalten kann? Und warum ist das Erreichen des Samadhi notwendig, bevor man Wahres Verständnis und Weisheit erlangen kann? Lasst es mich euch erklären. Alle empfindenden Wesen in allen sechs Bereichen des Seins sind für Versuchungen und Verlockungen empfänglich. Da sie diesen Versuchen und Verlockungen nachgeben, fallen sie den wiederkehrenden Kreislauf der Tode und Wiedergeburten anheim und werden fest daran gebunden. Da man geneigt ist, diesen Versuchungen und Verlockungen nachzugeben, muss man, um sich selbst von ihrer Bindung und ihrer Berauschung zu befreien, sein ganzes Gemüt auf den Entschluss konzentrieren, ihnen aufs Äußerste zu widerstehen. Die wichtigste dieser Verlockungen ist die Versuchung, sexuellen  Gedanken, Wünschen und ihrer Befriedigung nachzugeben, wobei ihnen Schwächung, Bindung und Leid nachfolgen.

Bevor man sich nicht selbst von dieser Bindung und diesen Befleckungen befreien und diese sexuellen Gelüste ausrotten kann, gibt es weder von dem Leid, das darauf folgt, ein Entrinnen, noch gibt es Hoffnung auf Fortschritt in Richtung auf Erleuchtung und Inneren Frieden. Es hat nichts zu sagen, wie scharfsinnig ihr sein mögt oder in welchem Maß ihr fähig seid. Dhyan zu üben, oder zu welch hohen Graden eines scheinbaren Samadhi-Zustandes ihr gelangt seid; bevor ihr nicht gänzlich alle sexuellen Bereiche des Seines zurückfallen. In diesen niederen Mara-Bereichen des Seins gibt es drei Stufen von bösen Wesen;

• der Mara-König,
• böse Geister und
• weibliche Unholde,

und alle haben ihre eigenen Doppelgänger, die sich selbst als Engel des Lichts, die die höchste Erleuchtung erlangt haben, verkleiden können.

Nach meinem Parivirvana, in dem letzten Zeitalter dieser Welt, wird es allerorts eine große Menge all dieser Arten von bösen Geistern geben. Einige von ihnen werden euch offen mit den Eigenschaften der Habsucht und Sinnlichkeit bedrängen, und andere werden als heilige und gelehrte Meister auftreten. Keiner wird ihren Vorspiegelungen entrinnen, die Menschen in den Sumpf der Sünde locken und so vom Pfad der Erleuchtung abbringen. Ananda und ihr anderen alle, ihr solltet daher beständig die Menschen dieser Welt lehren, vollkommene Konzentration des Gemüts zu erreichen, damit sie fähig werden, erfolgreich Dhyan zu üben und Samadhi zu erlangen. Dies ist die klare Lehre all der gesegneten Buddhas der Vergangenheit, es ist meiner Lehre gegenwärtig, und es wird die Lehre all der Tathagatas der Zukunft sein.

Ananda, deshalb ist ein Mensch, der Dhyan zu üben versucht, ohne zuerst Kontrolle über sein Gemüt erlangt zu haben, wie ein Mann, der Brot aus einem Teig von Sand backen will. Er kann so lange backen, wie er will, es wird doch nur Sand sein, der etwas heiß gemacht ist. Das gleiche ist es mit den empfindenden Wesen. Sie können nicht hoffen, den Buddha-Zustand mit einem unreinen Leib zu erlangen. Wie können sie hoffen, die wunderbare Erfahrung des Samadhi aus einem Zustand der Zuchtlosigkeit zu erreichen? Wenn die Quelle unrein ist, wird auch das Nachfolgende unrein sein. Und so entsteht das ewige Zurückkehren zu dem niemals endenden Kreislauf der Tode und Wiedergeburten. Sexuelle Gelüste führen zur Vielfalt. Kontrolle über das Gemüt und der Samadhi führen zu der Erleuchtung und zu dem auf ein Ziel ausgerichtete Leben des Buddha-Zustandes. Vielfalt führt zu Kampf und Leiden. Kontrolle des Gemütes und Dhyan führt zu dem glückseligen Frieden des Samadhi und des Buddha-Zustandes. Die Verhinderung sexueller Gedanken und die Ausrottung sexueller Gelüste ist der Pfad zum Samadhi: Aber auch die Vorstellung der Verhinderung und der Ausrottung solcher Gedanken muss aufgegeben und vergessen werden. Wenn das Gemüt vollkommen kontrolliert ist und wenn alle unreinen Gedanken ausgeschlossen sind, dann kann eine begründete Hoffnung bestehen, die Erleuchtung eines Buddha zu erlangen. Jede andere Lehre als diese ist nur die Lehre böser Geister. Dies ist meine erste Ermahnung, was die Einhaltung der Vorschriften betrifft.

2. Jesus Christus

Ihr habt gehört, dass gesagt ist: ‚Du sollst nicht ehebrechen.‘ Ich aber sage euch: Wer eine Frau ansieht, ihrer zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen. Wenn dir aber dein rechtes Auge Ärgernis schafft, so reiß es aus und wirf’s von dir. Es ist dir besser, dass eins deiner Glieder verderbe und nicht der ganze Leib in die Hölle geworfen werde. Wenn dir deine rechte Hand Ärgernis schafft, so haue sie ab und wirf sie von dir. Es ist dir besser, dass eins deiner Glieder verderbe und nicht der ganze Leib in die Hölle fahre.

Da traten zu ihm die Pharisäer, versuchten ihn und sprachen; ‚Ist´s auch recht, dass sich ein Mann scheide von seiner Frau um irgendeiner Ursache willen?‘ Er antwortete aber und sprach. Habt ihr nicht gelesen, dass der im Anfang den Menschen geschaffen hat, schuf sie als Mann und Weib und sprach: ‚Darum wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen, und werden die zwei ein Fleisch sein? So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.‘

Da sprachen sie: ‚Warum hat dann Mose geboten, einen Scheidebrief zu geben, wenn man sich scheidet?‘ Er sprach zu ihnen: Mose hat euch erlaubt, euch zu scheiden von euren Frauen, um eures Herzens Härte willen; von Anbeginn aber ist´s nicht so gewesen. Ich aber sage euch: Wer sich von seiner Frau scheidet, es sei denn um der Hurerei willen, und freie eine andere, der bricht die Ehe.

Da sprachen die Jünger zu ihm: Steht die Sache eines Mannes mit seiner Frau so, dann ist`s nicht gut, ehelich zu werden. Er sprach aber zu ihnen: Dies Wort fasset nicht jedermann, sondern denen es gegeben ist. Denn etliche enthalten sich der Ehe, weil sie von Geburt an zur Ehe unfähig sind: etliche enthalten sich, weil sie von Menschen zur Ehe untauglich gemacht sind; und etliche enthalten sich, weil sie um des Himmelreichs willen auf die Ehe verzichten. Wer es fassen kann, der fasse es!

3. Ramakrishna

Verrückt – das ist das richtige Wort! Man muss verrückt werden vor Liebe, um Gott zu erkennen. Aber diese Liebe ist unmöglich, wenn das Gemüt an ’Frauen und Gold‘ hängt. Geschlechtsverkehr mit einer Frau – welches Glück ist denn dabei? Die Verwirklichung Gottes bringt zehnmillionenmal mehr Glück. Gauri pflegte zu sagen, wenn ein Mensch die ekstatische Liebe zu Gott erlangt, würden all die Hautporen und auch die Haarwurzeln zu unzähligen Liebesorganen, und durch jede Pore erfreute sich der Aspirant der glückseligen Vereinigung mit dem Atman.

Man muss Gott mit Sehnsucht im Herzen anrufen. Man muss vom Guru lernen, wie Gott verwirklicht werden kann. Für wen der Guru selbst das vollkommene Wissen erlangt hat; kann Er den Weg zeigen. Ein Mensch wird von all seinen Begierden frei, wenn er vollkommenes Wissen erlangt. Er wird wie ein Kind von fünf Jahren. Weise wie Dattatreya und Jadabharata hatten das Wesen eines unschuldigen Kindes.

Um Gott erfahren zu können, muss man absolute Enthaltsamkeit üben. Weise wie Sukadeva sind Beispiel eines ’urdhareta‘ (ein Mensch von ununterbrochener und vollkommener Enthaltsamkeit). Ihre Keuschheit war absolut unangetastet. Es gibt eine zweite Gruppe, die früher ein Ausströmen von Samen hatte, es aber später beherrschte. Ein Mann, der seine Samenflüssigkeit zwölf Jahre lang beherrscht, entwickelt eine besondere Kraft. In ihm wächst ein neuer innerer Nerv, der der Nerv der Erinnerung genannt wird. Mit Hilfe dieses Nerves erinnert er sich an alles, er versteht alles. Ramakrishna (zu Mahima): ‚Was ich den Schülern über das Einhalten der Enthaltsamkeit sagte, ist wahr. Ohne Keuschheit kann man diese Lehren nicht richtig aufnehmen.‘

Einmal sagte ein Mann zu Chaianya: ‚Ihr gebt den Ergebenen so viele Anweisungen. Warum machen sie dann keine großen Fortschritte?‘ Chaitanya sagte: ‚Sie vergeuden ihre Kräfte im Umgang mit Frauen. Das ist der Grund, warum sie die Spirituelle Lehre nicht aufnehmen können. Wenn man Wasser in einem undichten Krug aufbewahrt, so rinnt das Wasser ganz allmählich durch die undichte Stelle.‘ Mahima und die anderen Ergebenen blieben still. Nach einer Weile sagte Mahima: ‚Betet zu Gott für uns, damit wir die nötige Kraft erwerben können.‘ Ramakrishna: ‚Seid daher auf der Hut von jetzt an. Es ist ohne Zweifel schwer, in der Regenzeit einen Sturzbach einzudämmen. Aber ein großer Teil des Wassers ist schon abgeflossen. Wenn ihr jetzt einen Damm baut, wird er standhalten.‘

4. Thoreau

Wenn die Ehe das Ergebnis einer reinen Liebe ist, so gibt es nichts Sinnliches in ihr. Keuschheit ist etwas Positives, nichts Negatives. Sie ist insbesondere eine Tugend von verheirateten Menschen. Alle Gelüste oder niederen Vergnügungen müssen erhabeneren Freuden Platz machen. Jene, die sich als höhere Wesen begegnen, können nicht die Taten niederer Wesen ausführen. Taten aus Liebe sind weniger fragwürdig, als es sonstige Tagen eines Menschen sein können, denn da sie auf dieser so seltenen gegenseitigen Achtung beruhen, feuern die Partner einander unablässig zu einem edleren und reineren Leben an. Das Wirken, in dem sie miteinander verbunden sind, muss in der Tat rein und edel sein, denn Unschuld und Reinheit haben nicht ihresgleichen. In solch einer Partnerschaft verkehren wir mit jemandem, den wir religiös mehr achten, als unser eigenes besseres Selbst, und wir sollten uns zwangsläufig wie in der Gegenwart Gottes verhalten. Welche Gegenwart kann dem Liebenden mehr Achtung einflößen als die Gegenwart des Geliebten?

Kann Liebe tatsächlich mit Zerstreuung verknüpft sein? Lasst uns lieben, indem wir uns einander verweigern, statt uns hinzugeben. Liebe und Lust sind weit voneinander getrennt. Das eine ist gut, das andere ist schlecht. Wenn die Herzen in ihrem höheren Aspekt miteinander übereinstimmen, so ist es Liebe, aber es besteht die Gefahr, dass sie mit ihrem niederen Aspekt übereinstimmen, und dann ist es Lust. Dies muss nicht einmal absichtlich oder bewusst geschehen, aber bei der engen Berührung der Liebe besteht die Gefahr, dass wir einander beflecken und beschmutzen, denn eine Umarmung ist immer eine vollständige Umarmung.

Wir müssen unsere Freundin so sehr lieben, dass sie nur mit unseren reinsten und heiligsten Gedanken verbunden ist; wenn wir unreine Gedanken empfinden, haben wir uns zu einer niederen Begegnung herabgelassen, wenn wir es auch nicht wissen.

Der Sinnlichkeit ist der Sprachverlust von so vielen fruchtbaren Symbolen zuzuschreiben. Die Blumen, die aufgrund ihrer unendlich vielen Farben und Duftvarianten die Hochzeit der Pflanzen feiern, sind als ein Symbol der offenen und ungeahnten Schönheit jeder Wahren Ehe gedacht, wenn die Blütezeit des Menschen herannaht.

Die Keuschheit ist ebenfalls eine knospende Blume, und durch eine unreine Ehe wird die Jungfrau ihrer Blüte beraubt. Wer Blumen liebt, liebt auch Jungfräulichkeit und Keuschheit. Liebe und Lust sind so weit auseinander, wie ein Blumengarten von einem Bordell.

Eine Wahre Ehe braucht in keiner Hinsicht der Erleuchtung zu ermangeln. In jedem Wahrnehmen der Wahrheit liegt eine Göttliche Ekstase, ein unaussprechliches, freudiges Verzücktsein. Die äußersten Freuden einer Wahren Ehe sind diesen gleich.

Es verwundert nicht, dass von solch einer Vereinigung, nicht als deren Ziel, sondern als eine Begleiterscheinung, die unsterbliche menschliche Rasse herrührt. Der Mutterleib ist ein äußerst fruchtbarer Boden.

Einige haben gefragt, ob der Stamm des Menschen nicht verbessert werden könne – ob er nicht wie Vieh gezüchtet werden könne. Lasst nur die Liebe reiner werden, und alles übrige wird von selbst folgen. Eine reine Liebe ist in der Tat das Heilmittel für alle Übel der Welt.

Die einzige Entschuldigung für eine Fortpflanzung ist die Veredelung. Die Natur schreckt vor Wiederholungen zurück. Nur Tiere pflanzen ihre Art fort. Edle Männer und Frauen erhoffen sich, dass ihre Nachkommenschaft noch besser ist, als sie selbst es sind. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.

5. Mahatma Gandhi

Nein, ich muss es mit aller mir zu Gebote stehenden Kraft erklären, dass die sinnliche Anziehung selbst zwischen Mann und Frau unnatürlich ist. Die Ehe ist dazu da, um die Herzen von schmutzigen Leidenschaften zu reinigen und sie näher zu Gott zu bringen. Eine Liebe ohne Gelüste zwischen Ehemann und Frau ist nicht unmöglich. Der Mensch ist kein Vieh. Er ist nach zahllosen Geburten in der tierischen Schöpfung zu einem höheren Stand aufgestiegen. Er ist dazu geboren, um zu stehen, nicht um auf allen Vieren zu gehen oder zu kriechen. Die Tiernatur ist von der Menschennatur so weit entfernt wie die Materie vom Geist.

Ich behaupte, dass die Ehe eine Hecke ist, die die Religion schützt. Würde die Hecke zerstört, ginge auch die Religion in Stücke. Die Grundlage der Religion ist die Enthaltsamkeit, und die Ehe ist nichts anderes als Enthaltsamkeit. Der Mensch, der keine Zurückhaltung kennt, hat auch keine Hoffnung auf Selbstverwirklichung. Der Körper kann entweder ein Spielplatz der Leidenschaften oder ein Tempel der Selbstverwirklichung sein. Wenn er das letztere ist, so ist kein Platz für Liederlichkeit. Die geistigen Bedürfnisse müssen das Fleisch zu jeder Zeit zügeln.

Die menschliche Gesellschaft ist ein endloses Wachsen, eine Entwicklung mit dem Ziel der Spiritualität. Wenn das der Fall ist, muss sie sich auf eine ständig zunehmende Zurückhaltung gegenüber den Forderungen des Fleisches gründen. Daher muss die Ehe als ein Sakrament angesehen werden, das den Partner Disziplin abverlangt. Die physische Vereinigung darf nur von dem Ehepartner vollzogen werden und nur zum Zwecke der Fortpflanzung, wenn beide Partner es wünschen und dazu vorbereitet sind.

Wenn die Eheleute einander als Bruder und Schwester betrachten, sind sie zu universalem Dienst befreit. Der bloße Gedanke, dass alle Frauen in der Welt die eigenen Schwestern, Mütter oder Töchter seien, wird einen Mann adeln und seine Ketten zugleich sprengen. Der Ehemann und die Frau verlieren dabei nichts, sondern stärken ihre Kraftquellen und fördern sogar ihre Familien. Ihre Liebe wird von der Unreinheit der Begierden frei und wird somit stärker. Infolge des Verschwindens dieser Unreinheit können sie einander besser dienen, und die Anlässe für Streitigkeiten werden seltener. Es gibt dort, wo die Liebe selbstsüchtig und verhaftet ist, mehr Anlässe für Streitereien.

Wenn die oben genannte Begründung akzeptiert wird, wird die Betrachtung der physischen Vorteile der Keuschheit eine Angelegenheit von zweitrangiger Bedeutung. Wie töricht ist es, mit Absicht die Lebensenergie bei Sinnesvergnügungen zu verschwenden! Es ist ein schwerwiegender Missbrauch, das zur leiblichen Befriedigung zu vergeuden, was Mann und Frau zur vollen Entwicklung ihrer körperlichen und geistigen Kräfte gegeben wurde. Solch ein Missbrauch ist die Hauptursache von vielen Krankheiten.

Brahmacharya muss wie alle anderen Übungen in Gedanken, Worten und Taten geübt werden. Die Gita sagt uns – und die Erfahrung wird diese Feststellung erhärten -, dass der törichte Mensch, der anscheinend seinen Körper beherrscht, aber üble Gedanken in seinem Herzen nährt, ein vergebliches Bemühen unternimmt. Es kann sogar schädlich sein, den Körper zu unterdrücken, wenn es dem Gemüt gleichzeitig erlaubt wird, auf Abwegen zu gehen. Wohin das Gemüt geht, dorthin muss der Körper früher oder später folgen.

Es ist an dieser Stelle notwendig, einen Unterschied anzuerkennen. Eine Sache für sich ist es, dem Gemüt zu erlauben, unreine Gedanken zu hegen; etwas ganz anderes ist es, wenn es trotz unserer Bemühungen dorthin abschweift. Der Sieg wird letzten Endes unser sein, wenn wir uns dem Gemüt bei seinen üblen Wanderungen versagen.

Wir erfahren es in jedem Moment unseres Lebens, dass oft genug, während der Körper unter unserer Kontrolle steht, es nicht so ist mit dem Gemüt. Diese physische Kontrolle sollte niemals erlahmen, und zusätzlich müssen wir ein ständiges Bemühen aufrechterhalten, unser Gemüt unter Kontrolle zu bringen. Nicht mehr und nicht weniger können wir tun. Wenn wir dem Gemüt nachgeben, gehen Körper und Gemüt verschiedene Wege, und wir sind falsch gegenüber uns selbst. Man kann sagen, dass Körper und Geist zusammenwirken, so lange wir ausharren, dem Herannahen eines jeden schlechten Gedankens zu widerstehen.

Das Üben von Brahmacharya wurde für sehr schwierig, ja nahezu unmöglich, gehalten. Bei einem Versuch, einen Grund für diese Annahme zu finden, erkennen wird, dass der Begriff Brahmacharya in einem zu engen Sinn aufgefasst wurde. Die bloße Kontrolle von tierischer Leidenschaft hielt man für gleichwertig mit dem Beachten von Brahmacharya. Ich glaube, diese Vorstellung ist unvollständig und falsch. Brahmacharya bedeutet Kontrolle aller Sinnesorgane. Wer versucht, nur ein Sinnesorgan zu beherrschen, und den anderen freies Spiel erlaubt, muss sein Bemühen als nutzlos erkennen. Wenn man zulässt, dass die Ohren verführerische Geschichte hören, dass die Augen verführerische Anblicke sehen, dass die Zunge anregende Nahrung kostet, dass die Hände erregende Dinge berühren, und wenn man dann gleichzeitig erwartet, das einzig übrige Organ zu beherrschen, ist es so, als wenn man seine Hände ins Feuer hält und dann erwartet, unverbrannt zu entrinnen. Wer also entschlossen ist, das eine Sinnesorgan zu beherrschen, muss gleicherweise entschlossen sein, die übrigen zu beherrschen. Ich habe stets empfunden, dass viel Schaden ist, durch eine zu enge Eingrenzung von Brahmacharya. Wenn wir die Selbstkontrolle in allen Bereichen gleichzeitig üben, so wird das Bemühen wissenschaftlich begründet sein mit denkbarem Erfolg. Vielleicht ist der Gaumen der Hauptsünder.

Brahmacharya bedeutet hier nicht bloße körperliche Selbstbeherrschung. Sie bedeutet viel mehr. Sie bedeutet vollkommene Kontrolle über alle Sinnesorgane. Daher ist ein unreiner Gedanke eine Verletzung des Brahmacharya, das gleiche gilt für den Ärger. Alle Kraft kommt von der Bewahrung und Veredelung der Lebensenergie, die für die Neuschöpfung des Lebens verantwortlich ist. Wenn man mit der Lebensenergie sparsam umgeht, anstatt sie zu vergeuden, wird sie in eine schöpferische Kraft höchster Art umgewandelt. Diese Lebenskraft wird beständig und sogar unbewusst durch schlechte oder abschweifende, ungeordnete und unerwünschte Gedanken vergeudet. Und da der Gedanke die Wurzel allen Sprechens und Handelns ist, entspricht die Qualität letzterer der der Gedanken. Daher ist der vollkommen beherrschte Gedanke in sich eine Kraft höchster Wirksamkeit und kann eigenwirksam werden. Das scheint mir die Bedeutung des stillen Gebetes des Herzens zu sein. Wenn ein Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen wurde, so muss er nur ein Ding in der ihm zugewiesenen Sphäre richtig wollen, und es geschieht. Solch eine Kraft ist unmöglich in einem Menschen, der seine Energie auf irgendeine Weise vergeudet, genau wie der Dampfdruck in einem lecken Leitungsrohr keine Kraft mehr hergibt. Der Geschlechtsakt, der von dem bewussten Zweck der Fortpflanzung getrennt wird, ist eine typische und grobe Form dieser Vergeudung und ist daher insbesondere und zu Recht zur Verurteilung hervorgehoben worden. Aber von einem Menschen, der große Teile der Menschheit zu einem Verhalten des Nicht-Schädigens aufzurufen hat, muss die volle, von mir beschriebene Selbstkontrolle versucht und tatsächlich erreicht werden.

Diese Kontrolle ist ohne die Gnade Gottes nicht zu erreichen. Es gibt einen Vers im 2. Kapitel der Gita, der frei übertragen lautet: ‚Sinneseindrücke bleiben unwirksam, während man fastet oder wenn das spezielle Sinnesorgan ausgehungert wird, aber das Verlangen hört nicht auf, es sei, dass man Gott von Angesicht zu Angesicht sieht.‘ Diese Kontrolle ist nichts Mechanisches oder Vergängliches. Wenn man sie einmal erlangt hat, geht sie nie mehr verloren. In solch einem Zustand bleibt die Lebensenergie aufgespeichert, ohne die Möglichkeit, durch einen der unzähligen Ausgänge entweichen zu können.

Heutzutage wird unsere ganze Umgebung – unser Lesen, unser Denken, unser soziales Verhalten – im Allgemeinen so gesteuert, dass es den Geschlechtstrieb fördert und anregt. Dieses Fangnetz zu durchbrechen ist keine leichte Aufgabe. Aber es ist eine Aufgabe, die unserer höchsten Bemühungen würdig ist […]

Zu meiner Genugtuung ist nicht bewiesen, dass die geschlechtliche Vereinigung in der Ehe etwas in sich Gutes und Vorteilhaftes für die Ehepartner ist. Von der gegenteiligen Auswirkung kann ich aus meiner eigenen Erfahrung und aus der vieler meiner Freunde ein umfassendes Zeugnis ablegen. Ich bin mir nicht bewusst, dass einer von uns irgendeinen Nutzen, sei er geistig, spirituell oder physisch, daraus gezogen hätte. Sicherlich war eine momentane Erregung und Befriedigung vorhanden. Aber ohne Ausnahme folgte stets ein Erschöpfungszustand nach. Und das Verlangen nach einer neuen Vereinigung kehrte sofort wieder, nachdem die Auswirkung der Erschöpfung abgeklungen war. Obwohl ich stets gewissenhaft arbeitete, kann ich mich ganz klar an die Tatsache erinnern, dass diese Hingabe meine Arbeit störte. Das Bewusstsein dieser störenden Begrenzung war es, was mich zur Zurückhaltung hinführte. Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass die Enthaltsamkeit für das verhältnismäßige Freisein von Krankheiten verantwortlich ist, dessen ich mich seit langen erfreuen konnte, und dass sie verantwortlich ist für die Leistung an physischer und geistiger Arbeit, die Augenzeugen als phänomenal bezeichnet haben.

6. Baba Sawan Singh

Naam und Kam sind zwei der Begriffe, die in unserem Schrifttum häufig gebraucht werden. Naam bedeutet  ‚Wort’ oder  ‚Tonstrom’ und  ‚Kam’ bedeutet üblicherweise Lust oder Leidenschaft oder Hingabe an sinnliche Begierden als Gegensatz zur Selbstbeherrschung: Aber in seiner umfassenderen Bedeutung meint es alle nach außen gehenden Neigungen des Gemüts. Naam und Kam sind deshalb einander entgegengesetzt. Die Neigung von Naam ist auf das Zuflussrohr zu einem Reservoir hin gerichtet, und Kam führt zu dem Abflussrohr hin. Das Reservoir kann gefüllt werden, wenn das Zuflussrohr groß ist und das Ausflussrohr klein ist. Aber es kann nicht gefüllt bleiben, wenn der Abflusskanal weit offen ist oder auch nur ein Loch hat. Und je eher der Abfluss gestoppt wird, um so schneller wird das Reservoir aufgefüllt.
 
Nun, nehmt Pind oder den physischen Körper als das Reservoir. So lange die Aufmerksamkeit am Augenbrennpunkt weilt, füllt es sich, aber wenn die Aufmerksamkeit unter den Augenbrennpunkt sinkt, läuft es leer. Und je tiefer die Aufmerksamkeit unter den Brennpunkt sinkt, um so schneller läuft es aus. Das sinnliche Zentrum ist sehr tief gelegen. Wenn daher die Aufmerksamkeit auf diesem Zentrum liegt, verursacht dies einen ungeheuren Abfluss, und das bedeutet eine beträchtliche Menge an vergeudeter Energie. Niemand fühlt sich nach einem Tag der Vergeudung glücklicher. Nur jene Tat ist glücklich, die einen glücklicher macht. Kabir vergleicht Naam und Kam mit Tag und Nacht. Tag und Nacht können nicht zusammen auftreten. Wenn es Tag ist, dann ist keine Nacht, und wenn es Nacht ist, dann ist kein Tag. wenn die Aufmerksamkeit Naam geschenkt wird, ist Kam nicht vorhanden, und wenn sie Kam zugewendet wird, ist Naam nicht vorhanden.
 
Die Welt ist die Konstruktion von Kal und Maya, den Negativen Kräften. Um die Seele niedrig zu halten, legten sie dem Bau der Welt zwei Geschlechter zugrunde, nämlich Mann und Frau. Wenn beide, Mann und Frau, den Ton von Naam ergriffen und aufstiegen, würden beide frei sein. Hier ist es aber so, dass einer den anderen unten hält. Und weil wir die andere Seite des ganzen Bildes nicht gesehen haben, halten wir unsere gegenwärtige Existenz und unsere Umgebung für den normalen Zustand.

Genau genommen, leben wir ein anormales Leben. Die Verbindung der Seele mit Gemüt und Materie ist eine Unnatürlichkeit. dass die Seele, eine Königin von königlicher Abstammung, sich der Gemeinschaft von Dienern und Straßenkehrern erfreut, ist ein Missstand.
 
Das Gesetz lässt keine Ausnahme zu. Das Verlangen nach Naam heißt, sich von Kam abzuwenden. Wenn ihr euer Gesicht dem einen zuwendet, heißt dies, sich von dem anderen abzuwenden. Heilige halten die menschliche Natur für schwach. Sie machen sie Schritt für Schritt stark. Sie verbinden den Menschen mit Naam, und ganz allmählich, entsprechend wie sich das Verlangen nach Naam entwickelt, lassen die karmischen Neigungen nach.
 
Diejenigen, die sich Kam nur zum Zwecke des Vergnügens hingeben, tun sich selbst nichts Gutes an. Um ihre Unwissenheit oder Schwachheit zu verbergen, nennen sie dieses Hingeben eine physiologische Notwendigkeit und sind sogar so weit gegangen, dass sie die Verwendung von  Verhütungsmitteln verteidigen. All dies ist der Schwäche der menschlichen Natur zuzuschreiben. Jene, die sich der Schwäche der menschlichen Natur zuzuschreiben. Jene, die sich hingeben, um Kinder zu zeugen, sollten sich um Selbstbeherrschung bemühen, wenn sie die gewünschte Zahl von Kindern haben. Was ist denn für eine Freude dabei, große Familien zu haben, die sie nicht ausreichend ernähren können?

Den Rest ihres Lebens verbringen sie als ’Lastesel der Familie‘. Und außerdem, sich während der Schwangerschaft und so lange das Kind von der Muttermilch abhängig ist; hinzugeben, ist nicht menschenwürdig. Auch hier können wir, um unsere Schwachheit zu verteidigen; irgendeine Sitte vorschützen; aber Schwachheit bleibt Schwachheit, und noch so viele Verteidigungsreden werden sie nicht in Stärke umwandeln.
 
Sich nach oben zu erheben ist ein langsamer Vorgang, aber der Sturz aus der Höhe ist rasch geschehen. Kam bedeutet einen raschen Sturz der Aufmerksamkeit. Die Heiligen betonen die Größe von Naam und bringen sie denen, die mit ihnen in Verbindung stehen, immer wieder zu Bewusstsein. Sie verteidigen das Nach-oben-Schauen, indes die Welt nach unten schaut. Immer, wenn Naam wohlschmeckend wird, wird Kam verschwinden. Es gibt keine andere Möglichkeit, um Kam zu kontrollieren: Das Erheben des Brennpunktes der Aufmerksamkeit bezwingt automatisch Kam. 

7. Maharaj Kirpal Singh

Heirat bedeutet, einen Lebensgefährten für euren irdischen Aufenthalt zu erwählen, um einander in Wohl und Weh im Leben beizustehen und um einander zu helfen. Gott zu erkennen. Es mag eine Pflicht sein, Kinder zu bekommen. Diesbezüglich ist in den Schriften niedergelegt, dass die Zeugungskraft zum Kinderzeugen genutzt werden sollte, dass wir uns aber von jedem Verkehr während der Dauer der Schwangerschaft enthalten sollten und auch danach so lange, wie das Kind Milch von der Mutter erhält. Auf diese Weise werden Kind, Mutter und Vater gesund bleiben. Die meisten Erkrankungen, unter denen die Menschen leiden, werden auf diese Weise beseitigt. Die Heiligen sagen, wenn Kinder geboren werden, sollen sie entweder Heilige werden – ein Helfer der Armen und ein Diener der Bedürftigen – oder sonst sollen sie tapfere Menschen werden, die die Einsamen und Schwachen beschützen können.
 
Die Heiligen führen ein ideales Eheleben, und wenn sie solch eine Rolle übernehmen, beenden sie ihre bisherige Lebensweise. Daher ist eheliches Leben kein Hindernis für Spiritualität, wenn es in Übereinstimmung mit den Schriften geführt wird. Den Ehepartnern wird in ihrem besten Spirituellen Interesse angeraten, Keuschheit zu bewahren, indem sie mit gegenseitiger Hilfe ein mäßiges Leben führen. Die entsprechenden Spalten auf den Tagebuchblättern sind sehr wesentlich
für jene Menschen, die allmählich eine Besserung suchen. Man lernt durch Selbstprüfung und sorgfältige Lebensführung. Den Lieben wird es nicht verboten, zu heiraten und Häuslichkeit zu pflegen, aber sie sollten ein ideales Familienleben führen, das von der Göttlichen Gnade der Meisterkraft durchtränkt ist. Die jungen Leute sollten vor der Ehe aufgefordert werden, ein keusches Leben zu führen, da Keuschheit Leben und Sexualität der Tod ist. Eine Lampe brennt hell, wenn sie Öl im Innern hat, aber wenn das Öl ausgelaufen ist, wie kann da die Lampe Licht geben?

Ein Leben der Selbstbeherrschung macht Körper und Verstand stark.
 
Leider verstehen nur wenige die Bedeutung eines keuschen Verhaltens im Leben. Gerade wegen seiner Unkeuschheit wird der Mensch von den Übeln des Zorns, der Gier und des Verhaftetseins regiert. Wenn er seine sinnlichen Wünsche kontrollieren könnte, würden die anderen Übel allmählich nachlassen. So ist Keuschheit nicht nur der Schlüssel zum Spirituellen Leben, sondern auch für den Erfolg bei jeder anderen Bemühung. Leider befinden sich gerade die Menschen, die ihren Mitmenschen am ehesten helfen könnten, wie Ärzte und Geistliche, selbst in den Fängen der Sexualität und sind kaum geeignet, von etwas abzuraten, dem sie selbst zum Opfer fallen.