Universelle Harmonie

Dr. Sean Sieglan vom Manav Kendra in Maine erörtert eingehend die damit verbundenen Probleme bei der dritten Gesprächsrunde.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Wenn wir uns mit der Frage der universalen Harmonie beschäftigen, müssen wir zuerst herausfinden, welche Art von Harmonie wir in der Welt suchen. Sicherlich stimmt die Menschheit darin überein, dass Harmonie erwünscht, ja in der Tat äußerst notwendig ist. Es ist inzwischen eine Binsenweisheit, zu erklären, die Menschheit werde sich in verschiedenen technischen und politischen Kriegen vernichten, wenn die internationalen Beziehungen nicht harmonisch gestaltet werden. Annähernd gleich bedrohlich ist der Mangel an Harmonie der Menschen mit dieser Erde, die sein physisches Leben erhält. Die Disharmonie auf diesem Gebiet der Ökologie (Lehre des Zusammenlebens mit der Umwelt) droht die Zivilisation zum Krüppel zu machen, droht selbst große Teile der Bevölkerung innerhalb eines Jahrhunderts auszulöschen. Einige Fachleute sagen sogar innerhalb von Jahrzehnten. Jedoch habe ich nicht vor, diese Probleme zu erörtern, da wir alle mit den alarmierenden Gefahren vertraut sind, die mit diesen Zuständen verbunden sind. Ich werde vielmehr folgende Fragen stellen:

1. Welche Art von Harmonie kann der Mensch seinen Möglichkeiten entsprechend für sich selbst verfolgen, und

2. Wie kann der Mensch am besten sein Ziel erreichen?

Eine Form, die sich viele Menschen als Art der harmonischen Beziehung gewählt haben, in der sie mit anderen Personen oder anderen Nationen, anderen Religionen oder mit Mutter Natur umgehen wollen, könnte als die ‚Laissez-faire-Behandlung eines Ghettos‘ beschrieben werden. In allgemeinverständlichen Worten: Er und ich werden freundschaftlich miteinander auskommen, wenn er mir aus dem Wege geht oder wir nicht den geringsten Kontakt miteinander haben. Daher kam in den Vereinigten Staaten eine verbreitete Meinung auf, dass zwei Themen, die man nicht disli ist auch durch eine solche verborgene Scheinfrömmigkeit verstärkt worden, und ich nenne dies so, weil derartigen isolationistischen Anschauungen die Überzeugung zugrunde liegt: Ich bin von ihm verschieden und Ich habe Recht.

Aber natürlich setzt diese Konferenz schon durch ihre Existenz das Gegenteil voraus, und wir können festhalten, dass die einzelnen Menschen nicht verschieden sind. Seine Religion, seine Person oder seine Nation von dem Restlichen zu trennen ist also allenfalls ein zweideutiger Standpunkt.

Ein besseres Streben nach harmonischen Beziehungen würde vielleicht die Harmonie als das Akzeptieren durch das Verständnis für den Weg seines Nachbarn erscheinen lassen oder als ein Akzeptieren des anderen auf Grund der Achtung vor der anderen Nation oder Religion; ganz allgemein Achtung für seine Mitmenschen. Wenn solch eine vereinigende Art von Harmonie der der

isolationistischen Art vorzuziehen ist, die in der Geschichte unserer verschiedenen Länder meistens vorherrschend war – das heißt, wenn starker Nationalismus und Chauvinismus in jeder Richtung, von der rassischen bis zur religiösen, von der beruflichen bis zur persönlichen, nicht wünschenswert ist –, an wen oder was müssen wir uns dann wenden, um ein klareres Verständnis von der Art von Harmonie zu bekommen, wie ich sie gerade andeutete?

Zuerst denkt man an die Vereinten Nationen; aber wir alle wissen, dass diese Organisation nicht die Art von weitreichender Harmonie (oder brüderlicher Liebe) erzeugen kann, nach der wir in dieser Gesprächsrunden suchen, obwohl von ihr gewisse wertvolle Ergebnisse erzielt wurden.

Dann werden wir uns an die vielen religiösen, die ganze Welt betreffenden ökumenischen Versammlungen erinnern, die dem  zweiten Weltkrieg folgten. Im Westen trafen sich Katholiken, Protestanten und Juden, um Schwierigkeiten zu lösen; im Osten saßen Buddhisten, Jains, Moslems, Sikhs und Hindus zusammen, um ihre Einheit hervorzuheben. Jedermann hier ist sich sehr gut der Errungenschaften bewusst, die in dieser Hinsicht durch die Weltgemeinschaft der Religionen erzielt

wurden und die so lange Zeit den Schirmherrn dieser Konferenz, Sant Kirpal Singh Ji Maharaj, zum Präsidenten hatte. Hier wurde ein gewisser Erfolg erzielt, indem unvereinbare Gruppen, die vorher nicht auf einem Podium zu einer Meinung kommen konnten, zusammenkamen, um über Einheit und Harmonie zu sprechen.

Jedoch wurde auf dieser Ebene der Religionen oder Organisationen nicht die volle Einheit verwirklichet, da wieder jede Gruppe nach der Einheit ihrer eigenen Gemeinschaft trachtete, statt nach der Integration aller Gruppen, um dadurch unter Gott vereinigt zu werden.

Die Harmonie, die wir hier suchen, muss also auf der Ebene des Menschen gesucht werden, nicht auf der der Nationen, Religionen oder Organisationen. Diese brüderliche Liebe ist von einer Natur, die jeden einzelnen umfasst und die Ähnlichkeiten statt der Unterschiede betont. Eine Harmonie dieser Art setzt einen Gott, eine Menschheit voraus. Jeder einzelne ist nur vorübergehend verschieden – nämlich bis er erkennt, dass er sich von den anderen in Wirklichkeit überhaupt nicht unterscheidet. Er wird dann nicht den Isolationismus, Chauvinismus oder irgendeinen anderen Ismus für diese Sache wählen, da alle Ismen eher darauf hinwirken, zu trennen, als zusammenzubringen. Sie können wir ‚Harmonie‘ als die freundschaftliche Wechselbeziehung von Wesen oder Menschengruppen definieren, die alle fühlen, dass sie Teile desselben Gottes, Tropfen desselben Meeres der Allbewusstheit sind. Dieses freudige Miteinanderumgehen oder diese brüderliche Liebe entsteht, wenn jeder Mensch weiß, dass obwohl die Körper verschieden sind, die Seelen doch aus derselben Substanz geschaffen sind; und dass die Substanz bedeutsamer ist als irgendein Vorurteil oder eine Trennung.

Mit dieser Definition und dem Ideal der Harmonie vor uns lassen Sie uns an die nächste Frage herangehen, wie man ein so schwieriges Ziel erreichen kann, besonders zu einer Zeit in der Geschichte, in der ein großer Prozentsatz der Menschheit nur materielle Werte akzeptiert und Werte Spiritueller Natur nicht beachtet oder ablehnt. Wie ist es möglich, so harmonisch zu leben, dass Ärger, Eifersüchteleien, Hass, Unrecht und Kriege verschwinden und vollkommen aufhören?

Eine solche Gesellschaft und Welt, die in dieser Art von Eintracht lebt, muss als ein utopisches Ideal angesehen werden. Praktisch angewandten Utopien ist es in der Geschichte nicht gut ergangen. Die berühmte Brock-Farm des 19. Jahrhunderts, an der ‚Emerson und Hawthorne beteiligt waren, zeigt bezeichnenderweise das Hauptproblem – Meinungsverschiedenheiten. Die Beteiligten stritten sich um die Führerschaft, Pflichten usw., und obwohl Gleichheit angestrebt wurde, fand man sie nicht. Einige der besten Utopien finden sich bei Menschen, deren Leben so einfach ist, dass sie sich kaum dessen bewusst sind, dass ihre Gesellschaft ideal ist.

Ein Beispiel dafür sind die Hunzas nördlich von hier in den Himalayas. Ihr Tal ist wirklich ein Shangri La, und der Grund dafür scheint zu sein, dass sie materiellen Errungenschaften keine Bedeutung beimessen. Es gibt bei ihnen weder hoch noch niedrig. Obwohl sie die Weisheit des Alters achten, sind sie alle in ihrer Gruppe gleich. Sie haben eine einfache Ernährung, eine beispielhafte Moral und eine saubere, geordnete Umgebung.

Gegenwärtig helfe ich dabei, einen utopischen Versuch im Staate Maine in den USA zu koordinieren. Es ist ein Menschenzentrum – der Manav Kendra von Maine – errichtet zum Dienst an Gott, Dienst am Menschen und Dienst am Land, parallel zu den beiden Zentren, die hier in Indien bei Dehra Dun und Baroda existieren. Dieses Zentrum versucht eine einzigartige Lage herzustellen, bei der eine nicht festgelegte Zahl von Männern und Frauen harmonisch, ohne Ärger oder Unehrlichkeit, zusammenleben. Sie führen ein reines Leben und versuchen, jedem, mit dem sie in Verbindung kommen, zu dienen und ihn zu lieben. In einfacheren Worten, sie versuchen Gutes zu tun, gut zu sein und eins zu sein, nicht nur mit Menschen, sondern auch mit Tieren und dem Land – Ökologie und Landwirtschaft sind von größter Wichtigkeit. Der Manav Kendra versucht, eine selbstständige, sich selbst versorgende Gemeinschaft zu werden, die somit der in der Nachbarschaft lebenden Gesellschaft zeigen mag, wie eine harmonische Lebensweise erreicht werden kann.

Aber wieder erhebt sich die Frage: Wie ist dieses Ziel zu erreichen?

Die Antwort darauf ist der Kernpunkt dieser Ausführung. Universelle Harmonie in dem Umfang, von dem wir gesprochen haben, kann nur erlangt werden, wenn zuerst die persönliche Harmonie verwirklicht wird. Auf der Ebene des Menschen muss jeder harmonischen Idealen ihren Platz einräumen und sie in seinem eigenen Leben praktizieren, damit er Frieden und Zufriedenheit in all seinen Handlungen und auf all seine Bekannten ausstrahlt.

Drei Milliarden Menschen müssen ihre Gefühle bis zu dem Ausmaß bezwingen, dass sie ihre Kräfte und Sinne unter Kontrolle haben. Wenn das Gemüt eines Menschen unter seiner eigenen Kontrolle steht, er die Rosse des Wunsches lenkt, die den Wagen des Körpers ziehen, und der Wagenlenker niemals einem von diesen (Körper, Gemüt, Gefühle) freien Lauf lässt, dann mag von ihm gesagt werden, dass er Innere Harmonie besitzt.

Der Mensch, der sein Gemüt wie einen zahmen Elefanten beherrscht, wird es in allen Situationen und mit allen Menschen leicht haben. Er wird sich nicht einmal über diejenigen ärgern, die ihn beschimpfen, noch wird er sich durch Lob geschmeichelt fühlen. Es ist nicht nötig zu erwähnen, dass dieser Mensch Harmonie ausstrahlen und alle um sich mit seiner Freude anstecken wird. Ein Mensch wie dieser kann Tausende beeinflussen und verbessern, auf dass sie selbst diese Ebene erreichen können.

Wir haben Beispiele dieser Art von Mensch im Leben der Heiligen gesehen. Buddha hatte ein so großes Mitleid, dass Millionen Menschen in Tausenden von Jahren versucht haben, Ihm gleichzukommen. Ich spreche nicht vom Buddhismus als solchem, sondern von der Wirkung der Ausstrahlung eines großen Heiligen. Jesus predigte überzeugend von Liebe und hat die Menschen zweitausend Jahre lang bewegt – ganz gleich, ob sie seine Botschaft verstanden oder nicht. Viele, viele Anhänger folgten seiner Ausstrahlung und stiegen in große Höhen des Friedens und des Verstehens auf: Augustinus, Thomas von Aquin, Johannes vom Kreuz, Theresa von Avila und Jakob Böhme, um ein paar wenige zu nennen. Diese Ausstrahlung stirbt nicht mit dem Menschenkörper. Guru Nanak brachte eine Reihe von Meistern hervor, die zahllose Menschen in ihrer Spirituellen Natur tief beeinflussten, geradeso wie der Prophet große Sufis wie Hafiz, Rumi und Mansur hervorbrachte. Und natürlich können wir Mahatma Gandhi nennen, um die Entwicklungen, die in den Menschen Gottes möglich sind, zu demonstrieren, Menschen, deren Leben den Impuls trägt, der vielleicht vor Tausenden von Jahren von einem ausgesandt wurde, der sich die Zeit nahm, Herr seiner Wünsche zu werden, und der versuchte, die Harmonie für die Menschheit zu fördern, indem er sie zuerst in sich selbst erreichte.

Was können die drei Milliarden Menschen tun? Was können wir hier tun, um diese Harmonie zu erlangen? Sicherlich werden keine weiteren Religionen gebraucht. Wir haben wirklich genug Religionen, denn alle drei Milliarden sind von diesen Glaubensrichtungen erreicht worden, da sie danach trachten, mehr Anhänger und Bekehrte für sich zu gewinnen. Ein Schritt wäre, sich mehr in die bestehenden Religionen zu vertiefen, um herauszufinden, was für universelle Wahrheiten dort verborgen sind. Ein anderer wäre, still zu sitzen und im stillen Kämmerlein des eigenen Körpers zu meditieren, bis die Stille beredt wird. Großer Frieden entsteht durch diese Übung; aber es ist jemand erforderlich, der die Meisterschaft darüber erlangt hat, wegen der besonderen Natur der damit verbundenen Schwierigkeiten, um uns zu lehren, wie wir nach Innen gehen und unser Gemüt zur Ruhe bringen können.

Eine Art des stillen Gottvertrauens ist unbedingt notwendig, aber sehr wenige Menschen sind überhaupt mit Gott vertraut, auch wenn sie es versucht haben. Die meisten versuchen es natürlich nicht. Sie suchen ihn statt dessen in äußeren Dingen, aber werden nur noch mehr verstrickt und nach außen gezogen. Es wird offenbar, dass ein stark beruhigender Faktor erforderlich ist.

Diese Abhandlung ist an drei vorläufigen Schlussfolgerungen angelangt:

1. dass universale Harmonie mit persönlicher Erfahrung beginnt.

2. dass viele große Heilige einen solchen Zustand nicht nur erreicht haben, sondern diese Ruhe auch auf Ihre Anhänger ausstrahlten; und

3. dass wir jetzt jemanden finden müssen, der die praktische Fähigkeit hat, uns den Frieden und die Harmonie zu geben, die Er erlangt hat.

Wenn heute Menschen wie diese leben und ganz und gar nicht in dem Dschungel oder den Himalayas versteckt, sondern erreichbar sind und man Ihnen begegnen kann, dann können Menschen wir Sie finden und zu Ihren Füßen sitzen.

Die Wirkung ist wie die einer Kobaltbombe, wenn Sie den Vergleich entschuldigen wollen; denn wenn man mit ausstrahlenden Menschen dieser Art in Verbindung kommt, wird die Anfangszündung eine Kettenreaktion in Gang setzen, die unbegrenzt weiterlaufen wird, da jeder, der die wundervolle Ausstrahlung dieser Liebe empfängt, Dutzende, vielleicht Hunderte dadurch anstecken wird. Wenn zum Beispiel hunderttausend Menschen auf dieser Konferenz einen oder mehrere Menschen entdecken würden, die sie mit Liebe und Harmonie erfüllen könnten, dann würde die Kettenreaktion nicht lange brauchen, um drei Milliarden Menschen zu erreichen. Und wir müssen daran denken, dass das Wort ‚unmöglich’ im Wörterbuch der Narren steht.