Grundlagen religiöser Einheit

Russell Perkins, der Herausgeber des Sat Sandesh, erörtert bei der vierten Gesprächsrunde Begriffe, die allen Religionen gemeinsam sind.

Liebe Freunde!

Einige der angenehmsten Augenblicke meines Lebens wurden mit dem Studium der Schriften und Überlieferungen aller Religionen zugebracht. Obwohl ich von Geburt ein Christ bin und auch so erzogen wurde und mir die Bibel lieb und teuer ist, studierte ich auch gerne das Leben und die Lehren von Milarepa, Ramakrishna, des heiligen Franz von Assisi, Guru Nanak, Kabir und auch vielen anderen. Und es gibt gewisse Dinge, die in allen ihren Lehren enthalten sind, obwohl es äußerliche Unterschiede gibt. Wenn es nicht so wäre, glaube ich nicht, dass es möglich wäre, die Schriften und Lebensgeschichten von allen zu lesen und dasselbe Maß an Begeisterung zu empfinden.

Es gibt eines, das in jeder Religion zu finden und für die religiöse Betrachtungsweise des Universums grundlegend ist; nämlich sich mit der Tatsache des Todes auseinanderzusetzen. Jedermann stirbt; und dennoch beruht das Leben, so wie es die Welt lebt, auf der Annahme, dass wir niemals sterben werden. Die Leute arbeiten, gehen Verbindungen ein und behandeln einander, als ob sie ewig leben würden. Und wenn wir unsere eigenen Handlungen und unsere Lebensweise betrachten, werden wir herausfinden, dass dies so ist.

Jesus erzählte eine Geschichte über einen Bauern, dessen Ernte eingebracht war, und er war mit sich selbst zufrieden und sehr glücklich; und Gott kam zu ihm und sagte:

Du Tor, diese Nacht wird eine Seele von dir verlangt werden.

So wurde plötzlich all das, was er getan hatte, belanglos; es spielte einfach keine Rolle mehr. Wenn wir uns in das Leben dieser großen Heiligen und Propheten vertiefen, finden wir, dass das, was sie taten und sagten, in Bezug auf die Tatsache des Todes wichtig war. Somit ist das einzige, das jedem von uns ohne Ausnahme widerfährt, der Tod; es scheint, dass jede Art von Lebensanschauung oder jede Geistesschule, die den Tod nicht in Betracht zieht, töricht ist.

Das ist also das eine, das wir in jeder Religion finden. Das andere ist dies: Jeder weiß, dass Jesus, gefragt nach den beiden großen Geboten, antwortete:

Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte. Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

Aber was viele Leute nicht wissen ist, dass Jesus diese Gebote nicht erfand, man findet sie im Gesetz von Moses, der sie 1500 Jahre vor Christus verkündete. Als Christus also diese Gebote als die Grundlage seiner eigenen Lehren verkündete, machte er in einer sehr schönen Art und Weise den Weitergang von Gottes Offenbarung deutlich.

Ein wenig später bezeugten Petrus, Jakobus und Johannes die Verklärung Christi; als sie Ihn aber verwandelt sahen, war er nicht allein – Moses und Elias waren bei Ihm. Sehen Sie? Zwei große Heilige, die vor Ihm gekommen waren. Und obwohl Jesus die Größe Gottes offenbarte, Der durch Ihn in diesem Pol wirkte, zeigte Er auch, dass Er nichts Neues tat; dass die, die vorher gekommen waren, bei Ihm waren.

Ebenfalls bezog sich Mohammed, als der Koran durch Ihn offenbart wurde, viele Male auf Moses, Jesus, Abraham und viele andere, die vor Ihm gekommen waren. Und als Guru Arjan den Adi Granth, die Schriften der Sikhs, zusammenstellte, nahm Er nicht nur die Lehren Guru Nanaks und seiner Nachfolger auf; Er sammelte auch die Schriften von Ravi Das, Ramananda, Namdev usw., die Hindus waren, als auch die von Sheikh Farid, Kabir und Sheikh Bikhan, die Moslems waren. Und wenn Er irgendwelche christliche Heilige gekannt hätte, würde Er auch diese mit aufgenommen haben.

Nicht so weit zurück liegt das Leben Ramakrishnas, der sehr drastisch die grundlegende Einheit der Religionen demonstrierte, indem Er sage und schreibe zu verschiedenen Zeiten sowohl ein Christ als auch ein Moslem wurde und ebenfalls ein Hindu war. Und jedermann weiß, dass Mahatma Gandhi in seinen Gebetslesungen aus den Lehren aller Überlieferungen vortragen ließ.

Das Besondere ist, dass jeder dieser großen Menschen anschaulich demonstrierte, dass Er nichts Neues tat und dass die Leute, die vor Ihm kamen, diejenigen waren, von Denen Er das vermacht bekam, was Er besaß. Alle Religionen müssen also geachtet werden.

Der große buddhistische Kaiser Ashoka sagte:

Wer seine eigene Glaubensrichtung verehrt und die anderer verachtet, hat verfehlt, die Grundwahrheit der Religion zu begreifen.

Wie viel Leid gerade in der heutigen Welt hat seine Ursache eben darin: in der Unfähigkeit zu begreifen, dass Gott sich verschiedenen Menschen auf unterschiedliche Art und Weise offenbart. Der Weg, den wir für den halten, auf dem Er kommt, ist nicht notwendigerweise der einzige oder beste Weg; es mag für uns der beste Weg sein.

Wie Friedrich der Große sagte:

In meinem Staate steht es jedem frei, nach seiner eigenen Facon selig zu werden.

Der Sinn dieser fortwährenden Offenbarung ist, wie wir festgestellt haben, die Notwendigkeit, Gott zu lieben und den Menschen zu lieben. Dies ist eine Konferenz, die dem Gedanken der Einheit des Menschen gewidmet ist, und ich meine, dass diese Einheit wirkliches Einssein bedeutet – nicht ein Miteinanderversammeln, sondern eine tiefgehende Betrachtung und die Erkenntnis, dass wir eins sind. In der gestrigen Prozession riefen wir alle:

Die ganze Menschheit ist Eins!

Das ist der Kernpunkt: Gemäß dem Gebot ‚Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.‘ können wir leben, wenn wir sehen, dass unser Nächster wie wir selbst ist. Wenn wir andere verletzen, verletzen wir uns selbst, wenn wir anderen dienen, dienen wir uns selbst. Die Bergpredigt kann nur verstanden werden, wenn das begriffen wird, und die großen christlichen Heiligen haben dies verstanden. Ich habe mich in das Leben des Heiligen Franziskus, des Heiligen Antonius, der Heiligen Theresa und des Heiligen Ignatius vertieft, und sie verstanden dies; aber so können auch wir es verstehen.

Und es ist noch nicht einmal eine Sache des abstrakten Verstehens. Unser nächster ist nicht die ganze weit verbreitete Menschheit; unser Nächster ist der, dem wir jeden Tag begegnen. Wenn wir verheiratet sind und eine Familie haben, ist unser nächster um damit zu beginnen, unsere Familie; und wen nehmen wir selbstverständlich hin?

Ob wir verheiratet sind oder nicht, unser Nächster ist jeder, dem wir begegnen, in dem Augenblick, wo wir ihm begegnen, auch wenn wir ihn nicht mögen. Jemanden zu mögen hat damit nichts zu tun. Wir lieben ihn wegen seines Wesens, für das, was er ist. Der Kern des Gleichnisses vom ‚guten Samariter‘ ist, dass die Samariter von den damaligen Juden verachtet wurden; sie waren das, was wir eine Minderheit nennen würden.

Gott und unseren Nächsten zu lieben ist also etwas für jede Minute des Tages, nicht nur für einmal in der Woche an Sonntagen, Freitagen oder Samstagen, oder wann immer wir zum Tempel gehen. Es ist etwas, das jede Sekunde getan werden muss, würde ich sagen,

Denn es ist wichtig, dass wir niemals die Tatsache aus dem Auge verlieren, dass wir das Wesen eines Menschen achten und lieben müssen – seine grundlegende Seinsart, denn es heißt:

Es gibt eine göttliche Absicht hinter dem Leben eines jeden, der in die Welt kommt; niemand ist für nichts und wieder nichts geschaffen worden. Wir haben von jedem etwas zu lernen. Das ist das Geheimnis der Demut.

Ich danke Ihnen.