Kirpal Singh

Die Nacht ist ein Dschungel

I

Worin liegt der Unterschied zwischen Gott und dem Menschen? Der Mensch hat das Gemüt, ohne welches er genau wie Gott wäre.

Kabir sagt uns:

All dies (die Schöpfung) ist ein Teil Gottes.

Die Seele ist vom selben Wesen wie Gott, ein Tropfen vom Meer allen Bewusstseins. Doch an das Gemüt gebunden, wurde sie ein Jiva – verkörperte Seele; da sie aber wesenseins mit Gott ist, bleibt nur Gott übrig, wenn das Gemüt ausgeschaltet wird. So ist Gott plus Gemüt der Mensch, und Mensch minus Gemüt Gott.

Gold wird zu Schmuck und anderen reizvollen Gegenständen verarbeitet, das, was direkt aus der Mine kommt, wird Erz genannt, obwohl das Gold darin enthalten ist. Wenn der Schmutz und andere Mineralien davon abgeklärt sind, bleibt reines Gold übrig. Und wenn somit die letzte Analyse durchgeführt wurde, Gemüt und Sinne nicht mehr im Weg sind, ist der Mensch Gott.

Man kann sich die großen Möglichkeiten vorstellen und von ihnen Gebrauch machen, nachdem man den Segen einer menschlichen Geburt erhalten hat; das Bewusstsein von der Materie loszulösen und zu erkennen, wer man wirklich ist. Als die Seele zum Jiva wurde, nahm sie durch die Verbindung mit dem Körper und der Welt deren Identität an, denn man wird so wie das, worauf die Aufmerksamkeit gerichtet ist. Nunmehr in der Schöpfung verloren, kann sich die Seele nicht finden und zu ihrer Wahren Heimat oder ihrem Ursprung zurückkehren, bis sie wieder frei und rein ist. Wer Sein Selbst gefunden, Sich Selbst erkannt hat, ist mit Gott Eins geworden – ist der Mensch in Gott oder Gott im Menschen. Dasselbe Licht, das in Ihm erstrahlt, erhält die ganze Schöpfung.

Was ist Gott? Eigentlich ist Er nicht Licht, ist Er nicht Ton: aber als Er Sich Selbst zum Ausdruck brachte, gingen diese beiden Prinzipien von Ihm aus und kamen ins Sein. Unsere Seele ist ein Tropfen von der Woge dieser sich zum Ausdruck bringenden Gotteskraft. Eine direkte Verbindung mit Ihr wird uns wieder zu der Quelle bringen, von der Sie ausging, von Anami oder dem Absoluten Gott. Es ist die Botschaft, die von allen Wahren Meistern, Die gekommen sind, auf verschiedene Weise und in verschiedenen Sprachen verkündet wurde gemäß der jeweiligen Zeit.

Alles hat eine natürliche Neigung, zu seinem ursprünglichen Zustand und seiner Quelle zurückzukehren. Wenn man eine brennende Kerze auf den Kopf stellt, wird ihre Flamme dennoch nach oben gehen, denn ihre Quelle ist die Sonne. Wie heftig ihr auch einen Erdkloß in die Luft werft, er wird wieder zur Erde zurückkommen, von der er kam. Wenn die Seele von Gemüt und Sinnen befreit ist, wird sie von selbst zu Gott hingezogen.

Das Erste, was wir tun müssen, ist, das Gemüt zur Ruhe zu bringen. Die Grundlage des Yoga ist, des Verstandes Herr zu werden. Das Wort Yoga ist von Yuj abgeleitet, was 'wiedervereinigen' heißt, und die letztliche Aufgabe des Menschen ist, sich wieder mit dem Herrn zu vereinen, eine Aufgabe, die nur in der menschlichen Form ausgeführt werden kann. Andere Formen dienen nur dazu, sich des Lebens zu erfreuen. Auch einige Menschen leben ihres früheren Karmas wegen, um sich zu erfreuen, während andere nicht so schwer beladen sind und ihnen daher die Wahrheit mehr einleuchtet; sie besitzen bessere Unterscheidungskräfte. Die letztgenannte Art von Menschen kann sich selbst und Gott erkennen.

Heute ist das Basakhi-Fest1, das wegen der verschiedenen religiösen Bräuche auf unterschiedliche Art und Weise gefeiert wird. Die Natur selbst feiert es mit dem Aufsprießen neuer Knospen und Blätter, und in dieser Jahreszeit beginnt neues Leben. Wir sollten von der Natur lernen und in einem neuen Leben erblühen. In der Hindu-Religion gibt es zehn Avatare, und gewisse Hindus feiern diesen Tag als ein doppeltes Ereignis: die Geburt von Parshuram und die Überwindung des Bösen durch den Avatar Narsing.

Parshuram war ein großer Yogi. Narsing war der Avatar, der Prinz Prahlad rettete und den Vater des Prinzen, den tyrannischen König Hirnaikashya, tötete, der, während er das Volk mit eisernen Rute regierte, sich selbst zum Gott erhob und anbeten ließ. Da er strenge Härten auf sich genommen hatte, war ihm von den Göttern eine große Gnade zuteil geworden: dass er niemals durch eine Hand aus Fleisch und Blut sterben würde, weder am Tage noch in der Nacht, nicht innerhalb noch außerhalb eines Gebäudes, weder auf der Erde noch in der Luft usw. Sein Sohn Prahlad wurde ein Wahrer Ergebener des Herrn und erklärte feierlich, dass Gott Gott sei und nicht sein Vater. Der König versuchte den Prinzen durch verschiedene Foltermethoden zu töten, aber die reine Ergebenheit des Kindes rief wiederholt die Gnade Gottes zur Rettung herbei, bis schließlich sein Vater befahl, dass Prahlad eine rotglühende Eisensäule umfangen sollte. Einer so furchtbaren Prüfung gegenübergestellt, zögerte das Kind zuerst, aber als es eine Ameise die Säule emporlaufen sah, trat es voller Freude vor und legte seine Arme um die Säule. Diese zerbarst sogleich, und der Avatar Narsing trat in einer Gestalt aus Feuer heraus, die erschreckend anzusehen war. Er nahm den König in seine mächtigen Hände, und da die Sonne gerade unterging, trat er in einen Torweg – weder innen noch außen – und riss ihn entzwei.

Ich beglückwünsche die Buddhisten an diesem Tage, denn Lord Buddha wurde am Basakhi-Tag geboren, am Basakhi-Tag erlangte Er die Erleuchtung, und am Basakhi-Tag verließ Er schließlich Seinen Körper und ging ins Nirvana ein. So haben beide Religionen einen guten Grund zum Feiern. Auch für uns kann es ein großer Tag sein; wir klagen beständig, dass wir das Leben neu beginnen möchten. So sollten wir diesen Tag als den Anfang eines neuen Lebens nehmen, in dem die Blumen blühen und Frucht hervorkommt. An jedem Ast sollten so viele Früchte sein, dass das Gewicht ihn zur Erde neigt.

Auch für die Sikhs ist dies ein großer Tag. Der Sikhismus ist nach meinem Empfinden in Wirklichkeit kein Kult. Ein Dichter sagt, dass sich die Welt wandelt, und ein Wahrer Mensch ist, wer die Welt verändert. An diesem Tag, vor rund drei Jahrhunderten, führte Guru Gobind Singh, der zehnte Sikh-Guru, den Khalsa ein. In jener Zeit töteten die Menschen einander unbarmherzig im Namen der Religion, und Er begann die Streitigkeiten beizulegen, indem Er den Khalsa aufstellte. Ein Khalsa ist ein Wahrer Schüler, und an diesem Tage fand Guru Gobind Singh unter Seinen Anhängern fünf solcher Schüler und machte sie zu Führern des Volkes.

Während der Lebenszeit Guru Nanaks herrschte religiöse Feindseligkeit. Einmal wurde Er gefragt, wer Er sei, und gab darauf zur Antwort:

Ich bin nicht Hindu noch Moslem; der Atem dieses Körpers ist Allah und Ram.

Damit meinte Er, dass Allah und Ram Eines seien, aber sie bestanden noch auf einer weiteren Erklärung, und so erläuterte Er:

Wenn ich sage, ich bin Hindu, werdet ihr mich töten, ein Moslem bin ich nicht; Nanak ist die unsichtbare Kraft, die in dieser aus fünf Elementen zusammengesetzten Marionette wirkt.

Es ging ihnen nur um äußere Kennzeichen, und Er wollte nicht die äußere Form für Sich beanspruchen, die einen Hindu oder Moslem ausmacht. Seine Antwort diente dazu, ihnen zu zeigen, dass der Mensch größer ist als seine äußere Erscheinung, da er tatsächlich die Kraft ist, die der physischen Form innewohnt. Wir hängen alle an Etiketten und verwickeln uns früher oder später dadurch, dass wir uns diesen äußeren Formen anpassen; doch an sich sind wir eben Menschen – menschliche Wesen.

Zu diesem Thema sagt Guru Gobind Singh:

Die Kaste der ganzen Menschheit ist dieselbe.

Wir sind alle auf die gleiche Art und Weise geboren worden und haben die gleichen Fähigkeiten mitbekommen. Zu Lebzeiten Kabir Sahibs erklärten die Brahmanen als offene Herausforderung, dass sie auf direkte Weisung aus dem Munde Brahmas in die Welt gekommen seien, aber Kabir entgegnete:

O Brahmane, wenn du direkt von Gott kommst, warum wurdest du dann nicht anders als die anderen Menschen geboren?

Auch der äußere und der innere Aufbau aller Menschen ist derselbe; niemand hat vier Arme usw. Alle, ob hoch oder niedrig geboren, haben die gleichen Vorzüge, je nach ihrem Karma.

Was dieses Karma der Vergangenheit angeht, sagt Tulsi Sahib:

Das große Gesetz des Karma hat die Bedingungen der Welt geschaffen. Jeder wird die Frucht seiner Taten ernten.

Valmiki gehörte der unteren Kaste der Unberührbaren an und wurde zum Maharishi Valmiki! Wegen des Karmas aus seiner Vergangenheit musste es zu dieser Wendung kommen. Aber heutzutage werden die Kinder von Brahmanen unterschiedslos Brahmanen genannt, und genau so verhält es sich bei anderen Kasten, denn während die Zeit vergeht, werden im Namen der Religion immer mehr Fesseln hinzugefügt, und die zugrunde liegende Einheit aller Menschen ist vergessen.

So wurden an diesem Tag fünf besonders erwählte Schüler auserkoren und Panch Piara oder die geliebten Fünf genannt. Die damals in Indien herrschenden Bedingungen verlangten eine solche Handlung, aber das ist Vergangenheit und für uns ohne Belang. In jenen Tagen hatten die Menschen keine Achtung voreinander, ob es nun Freunde oder Feinde waren, und der Guru wollte das Leben und die Bedeutung der Wahren Lehre wiedererwecken.

Er fragte öffentlich:

Wer will seinen Kopf als Opfergabe darbringen?

Nun ist es eine einfache Sache, Hunderte von Menschen zu finden, die allem, was man sagt, zustimmen und noch mehr, die sich bereitwillig in Ehrerbietung verneigen. Und es gibt auch viele, die ihren Reichtum für eine Sache geben werden. Aber wie viele könnt ihr finden, die ihr Leben hingeben? Nach einer kurzen Bedenkzeit stand ein Mann auf und trat vor den Guru – und dann vier weitere, einer nach dem anderen. Er tötete sie nicht, sondern machte sie zu Seinen geliebten Schülern, die über aller Religion stehen – zu Wahren Menschen, welche die Wahrheit angenommen hatten. Dann gab Er ihnen Sein Licht, denn durch ein Licht werden andere entzündet. Er macht sie zu Khalsas – und was sagt man vom Khalsa?

Der Khalsa ist meine Wahre Form; der Khalsa ist meine Wohnstatt; der Khalsa ist meine ganze Berauschung; der Khalsa ist mein Vollendeter Satguru.

Er ist Einer, Der mich nie verlassen wird.

Er übernimmt die Verantwortung für die Seele bis zum Ende; in diesem Herrn frohlockt mein Gemüt.

Und als weiterer Hinweis:

Halte Ihn für den Reinen, in Dem das strahlende Licht leuchtet.

Er flößt ihnen das Wasser des Lebens ein.

Religion ist keine Sache von Erwägungen; wer Gottes Namen annimmt, wird zu Seinem Eigen.

Meister machen die Menschen nie zu Gefangenen der Religion. Religionen sind unsere Geistesschulen, von denen wir den besten Gebrauch machen müssen.

Ich bin Dein, o Herr, Du mögest überall Sieger sein.

Der Khalsa ist als Lebendiges Licht beschrieben worden. Guru Gobind Singh gab ihnen das Innere Licht, und auch äußerlich band Er sie durch Eide an Sich, wobei Er ihnen aus Seinen eigenen Händen kraftgeladenes, gesüßtes Wasser gab. Und dann hieß Er sie, dasselbe Wasser Ihm anzubieten, um zu zeigen, dass der Guru der Schüler und der Wahre Schüler der Guru ist – ein äußeres Zeichen Seiner Größe.

Alle Meister bildeten natürlich Schüler heran, so auch Lord Buddha, Hazrat Mohammed Sahib, Jesus Christus und andere. Sie machten sie zu Jüngern, damit sie ein Buddhist und ein Christ werden sollten. Sie nahmen regelmäßig das Mahl mit ihren Schülern ein, obwohl die Schüler nie Ihre wirkliche Größe erkannten. Ich spreche ganz offen.

Der zehnte Guru Sahib sagte:

Ich bin ein Khalsa,

und indem Er dies sagte, nahm Er Amrit aus ihren Händen. Ferner stellte Er, um die Missstände der Zeit zu bekämpfen, eine Freiwilligentruppe auf. Er änderte nichts an ihrer Religion; sie blieben Hindus, doch opferten sie bereitwillig ihr Leben für die Sache der Wahrheit und der Ehre. Man wird an Vali Khan und Nabi Khan Ali Khan erinnert, die Moslems waren und ebenfalls ihr Leben für Guru Gobind Singhs Sache opferten.

Als Nabi Khan Ali Khan getötet wurde, ging ein Mann zu seiner Frau, um sie zu benachrichtigen. Ihre ersten Worte bezogen sich nicht auf den Tod ihres Ehemannes, sondern sie fragte:

Ist mein Guru wohlauf?

Welch ein Opfer war das!

Als Bhai Nand Lal Ji das Gebetbuch Nandgi Nama schrieb, gab ihm Guru Gobind Singh den Titel Zindgi Nama, was 'der Lebensspender' bedeutet. Wenn ihr Gelegenheit habt, es zu lesen, werdet ihr vollständig für die Wahren Lehren erwachen.

Der zehnte Guru sagte:

Wir verehren das gleiche Lebendige Licht.

Alle Meister betonten, dass äußere Bräuche zur Vorbereitung des Bodens von uns selbst geschaffen wurden. Maulana Rumi sagte auch, dass Theisten und Atheisten das gleiche Anrecht darauf haben, die Wahrheit zu erkennen, denn die Seele ist in beiden die nämliche. Alle Rituale sind eine Folge des Aberglaubens.

Zuerst wurde die Einheit des Bewusstseins in der Schöpfung festgelegt. Es gibt nur einen Brahm – es gibt nichts anderes –, der später von anderen, gemäß ihrem eigenen Zugang, so benannt wurde.

Durch Gottes Licht wurden alle Seine Kinder in Sein Spiel hineingeboren; durch dasselbe Licht wurde die ganze Welt erschaffen – wer ist gut, und wer ist schlecht?

Es ist ein Thema, über das man tief nachdenken muss. Wie kann man einen Khalsa hervorbringen, indem man lediglich jemandem einen Stempel aufdrückt? Die Größe des zehnten Gurus liegt darin, dass Er Selbst das Licht einflößte und sie dann so groß machte, wie Er Selbst war.

Wo auch immer diese fünf Geliebten sein werden, da werde auch ich sein.

Wenn ihr nahe einer erwachten Seele sitzt, werdet auch ihr erwachen.

Das System war ausgezeichnet, aber es war schwer, ihm einen Rahmen zu geben. Er errichtete ein Haus des Gurus, in dem alle gleich waren. Keiner brauchte sich darum sorgen, was er essen wird, woher seine Kleidung kommt, wie seine Kinder ernährt werden. Er hielt jeden dazu an, Nishkam Seva – selbstlosen Dienst – zu tun und immer das Lebendige Licht im Innern am Leben zu erhalten.

Er gab ein Beispiel:

Wie Funken aus einem Feuer sprühen, fallen sie zurück, um wieder ein Teil davon zu werden.

Wir sind die Funken dieses Lebendigen Lichts. Die Seele hat den ihr angeborenen Wunsch, in ihre Heimat zurückzukehren, aber entfremdet in diesem fernen Land, wurde sie in Gemüt und Sinne verstrickt und gibt dies anscheinend nur widerwillig auf.

Guru Gobind Singh brach die religiöse Engstirnigkeit; das war ein großes Werk. Es ist kein leichtes Unterfangen, sich von herkömmlichen Bräuchen abzukehren, selbst wenn die zugrunde liegenden Lehren dieselben sind, welche von Guru Nanak, Kabir und anderen Meistern verkündet wurden.

Ravi Das Ji sagt:

Er kann nicht gekauft werden, sondern wird durch Wahre Hingabe erlangt.

Es heißt auch:

Halte den Henker für den Reinsten, wenn Gott in seinem Herzen wohnt.

Jeder, in dem Sich Gott offenbart, ist der Reinste von allen. Wenn das System, das Guru Gobind Singh Ji Maharaj einführte, heute angewandt werden könnte, würde jede Unsicherheit des Lebens beseitigt. Von aller Anfang an habe ich daran gedacht, dass es eine gemeinschaftliche Küche geben und jedermann dort essen sollte. Jeder steht auf dem Standpunkt: 'Dies gehört mir, jenes gehört mir', aber das ist ein Hindernis. Nicht alle stehen auf derselben Entwicklungsstufe, aber es gibt große Hoffnung für jene, die aufrichtig und willens sind.

So feiern wir heute Basakhi, weil an diesem Tag der Khalsa Panth eingeführt wurde. Viele Leute verstehen das Wort Khalsa falsch; ein Khalsa ist Der, in Dem das Licht offenbart ist.

Es heißt:

Der Khalsa wird über alle herrschen; alle jene, die zu Seinen Füßen sitzen, werden errettet.

Ihr werdet sehen, dass jene, die zu Seinen Füßen kommen, Rettung finden, die Übrigen nicht. Der Khalsa wird ein solcher nicht durch die äußere Erscheinung, – und am Ende werden nur die Spirituellen Menschen regieren. Der Spirituelle Mensch, in dem Sich Gott Selbst offenbart hat, ist der Khalsa, und jene, die zu Seinen Füßen kommen, werden errettet; andere müssen in ihrer Erniedrigung bleiben.

Was der Mensch durch Generationen infolge der Gewohnheit als Gesetz annimmt, wird von den Meistern von einem losgelösten und daher genaueren Gesichtswinkel aus betrachtet. Sie sehen in religiösen Höhen und Tiefen keinen Wert. Sie entzünden das Licht in allen und offenbaren, dass alle Ein und Dasselbe sind. Die sogenannten Gurus bleiben es auch, und ihre Schüler bleiben Schüler, aber die Wahren Meister erklären: Nein, wir sind Ein und Dasselbe.

Unser Hazur pflegte zu sagen:

Kein Kaiser möchte, dass sein Sohn ein Beamter bleibt.

Ein Wahrer Heiliger will, dass auch Seine Anhänger Heilige werden. Alle Menschen sind sowohl von der menschlichen als auch von der geistigen Ebene aus gesehen ein und dasselbe. Er, die kontrollierende Kraft, ist der Gebende und Handelnde. Selbst die Bedeutung der Puja oder des Namaz – Gebetsübungen der Hindus bzw. Moslems – ist die gleiche. Bei der Puja wird eine Lampe entzündet und dann die Puja ausgeführt, während die Moslems die Hände auf die Ohren legen und einen Baang genannten Laut aussprechen. Auf dem Pfad der Meister wird dem Initiierten gelehrt, wie die Hände an die Ohren zu halten sind und wie der Innere Ton zu hören ist. Man sollte diesem Inneren Baang – Sphärenmusik – lauschen, was spirituell wirksam ist.

Guru Nanak ging einmal nach Shiraz, in Persien, und traf dort einen Moslem-Priester namens Rooknuddin, der den Guru fragte:

Hast du jemals das Haus des Herrn gesehen?

Guru Nanak antwortete:

Ja –

und begann die physische Gestalt zu beschreiben:

Sie hat zwölf Minarette, drei an jedem der Gliedmaßen (Arm- und Beinknochen), zweiundfünfzig Turmspitzen (32 Zähne und 20 Nägel) und zwei Fenster (Augen).

Es heißt auch:

In einem besonders erhabenen Palast schenkt Khuda (Gott) den 'Baang' ein.

So sollte man in der Lage sein, klar zu verstehen, dass die Wahre Moschee, die Wahre Kirche oder der Wahre Tempel die menschliche Gestalt ist. Moscheen sind der Stirn nachgebildet, Kirchtürme nasenförmig, Tempel und Gurdawaras haben die Form der Kuppel oder des Kopfes. Alle sind Nachbildungen des Wahren Gotteshauses.

Dieser Körper ist der Tempel Gottes, in dem das Wahre Licht zu sehen ist.

Maulana Rumi sagt uns, dass für jene, deren Augen nicht geöffnet sind, Moscheen aus Wasser und Lehm erbaut wurden. Für die erwachten Menschen – die Vollendeten Meister – ist die Moschee das Wahre Herz am Sitz der Seele.

Während meiner Reise in den Westen sagte ich den Leuten viele Male, dass Gott nicht in Tempeln wohnt, die aus Stein erbaut sind, sondern dass Er Selbst das Haus schuf, in dem Er lebt. Aber wir haben den wirklichen Tempel vergessen und verehren die vom Menschen erschaffenen äußeren Abbilder des Wahren Hauses.

Welch ein Trauerspiel, dass wir in einen nachgebildeten Tempel gehen und die natürliche Moschee verlassen, die an sich für die Arbeit gedacht ist.

Das vom Menschen erschaffene Modell war dazu bestimmt, uns zu lehren, dass es so etwas wie ein Inneres Licht und einen Inneren Ton gibt, und wir hätten lernen sollen, uns zurückzuziehen, um eine Erfahrung davon zu haben. Aber stattdessen verehren wir wahllos jedes Bildnis. In heiligem Ernst hängen wir an der äußeren Schale und vergessen dabei die Frucht in ihrem Innern.

In den Upanishaden steht geschrieben:

Was ist es, dessen Erkenntnis alles andere erkennen lässt?

Die Seele ist ein bewusstes Wesen; solange sie nicht im Allbewusstsein aufgeht, wird sie niemals Frieden finden. Weiterhin kann man nie Herr über das Gemüt werden, solange es ohne Verbindung mit Naam oder der Gotteskraft bleibt.

Wenn man Naam erhält, wird das Gemüt bezwungen.

Aus dem Leben von Lord Krishna ist bekannt, dass er tief im Jumna-Fluss einer tausendköpfigen Schlange begegnete, die er überwältigte, indem er auf seiner Flöte spielte. Diese Schlange stellt das Gemüt dar, das tausend Wege hat, um uns zu vergiften.

Mit dem Sieg über das Gemüt erlangt man den Sieg über die Welt.

Außer dem Gemüt gibt es kein anderes Hindernis zwischen uns und dem Herrn. Wenn euer Herz den starken Wunsch hat, Gott zu erkennen, dann setzt einen Fuß auf euer Gemüt, um es zur Ruhe zu bringen, und der nächste Schritt wird euch zur Heimat des Herrn führen.

Im Koran steht, dass ein Mensch, wenn er sein wirkliches Selbst erkennt, auch Gott erkennen wird. Dieselben Lehren wurden von allen Meistern für alle Menschen verkündet. Ein Licht erscheint in menschlicher Gestalt, und dadurch werden alle Religionen erleuchtet, denn jene, die Ihm begegnen, erlangen die Erleuchtung. Immer, wenn eine erleuchtete Seele die Welt verlässt, beginnt eine neue Religion, um Seine Lehren am Leben zu erhalten; aber ohne die praktische Führung setzt ein Verfall ein. Ein jeder hält übereifrig an seinen eigenen Überzeugungen fest, und keiner ist gewillt, auf allgemeiner und gleicher Grundlage Spirituelle Dinge zu erörtern. Die Wahre Lehre bleibt zu allen Zeiten die gleiche – es gibt für alle nur Eine Wahrheit. Gott ist nicht jeweils ein anderer für Hindus, Moslems, Christen usw. Er ist der Gott der ganzen Welt und kein Hindu, Moslem, Christ oder Buddhist.

Auch jetzt noch erinnere ich mich eines kleinen, amüsanten Vorfalls, der sich zutrug, als ich in die neunte Schulklasse in Peshawar ging. Ich pflegte meine Bücher in den Garten Shahi Bagh mitzunehmen und dort zu lernen. Eines Tages fragte mich ein Mann, dessen Name – Darbari Lal – mir im Gedächtnis blieb:

Wo ist der Shahi Bagh?

Ich informierte ihn, dass er an eben dem Garten stünde, worauf er sagte:

Ich bin gekommen, mein Urteil über eine strittige Frage abzugeben, denn es ist mir gesagt worden, dass der Hindu-Gott weint, weil ihn der Moslem-Gott geschlagen und ihm ein Bein gebrochen hat.

Die Menschen versammelten sich im Shahi Bagh hauptsächlich, um alle möglichen Streitfragen zu diskutieren. Selbst in diesen jungen Jahren war ich erschüttert, festzustellen, dass die Leute glaubten, jede Religion habe einen anderen Gott.

Geringes Verständnis ist weit verbreitet, da sich die Menschen nicht über die weltliche Ebene erheben, um die Tatsachen aus einem angemesseneren Blickwinkel zu betrachten. Bis zur Zeit des zehnten Gurus hatte kein Meister die Umstände Seiner früheren Geburten so frei enthüllt, wie Er es tat. Im letzten Abschnitt Seines Lebens sprach er von vielen seltsamen Dingen, unter anderem von der siebenfachen Pracht von Hemkunt, einem Ort mit sieben Hügeln, wo Er in einem vergangenen Leben viele Härten auf Sich genommen hatte, durch die Er das Persönliche verlor und mit dem Herrn Eins wurde. Er lebte dort in großer Glückseligkeit, aber der Herr gab Ihm die Weisung:

Kind, gehe in die Welt und wirke!

Guru Gobind Singh Ji berichtete, dass Er nicht den Wunsch hatte, zur Welt zurückzukehren, jedoch dafür gewonnen wurde, und so sagte Er:

Was ordnest Du an, mein Herr?

Der Herr antwortete:

Jene, die dort sind, und die meisten, die dort waren, haben zum Lobpreis ihres eigenen Namens ermuntert. So geh und erzähle von Meinem Namen – zeige ihnen, dass es Gott gibt.

Als Guru Gobind Singh gefragt wurde, wer Er sei, sagte Er:

Ich bin der Diener des Höchsten, Der gekommen ist, um das Spiel der Welt zu sehen; erkennt mich als Seinen Diener, es gibt keinen Unterschied zwischen Ihm und mir.

Er hat auch gesagt:

Jene, die von mir als Gott denken, werden alle zur Hölle gehen.

Gott sendet Sein Wasser des Lebens durch ein Gefäß, aber das Gefäß sollte nicht meinen, selbst der Handelnde zu sein. Kein Wahrer Meister wird sagen: 'Ich bin der Guru', denn der Strahl kommt von der Sonne, aber indem man mit dem Strahl verbunden ist, kann man die Sonne selbst erreichen. Durch einen einzigen Strahl des Herrn wurde die ganze Schöpfung hervorgebracht.

Von einer Quelle gingen Millionen Flüsse aus.

Was und wer Gott genau ist, kann niemand wissen, denn der Mensch hat sich selbst erschöpft in dem Bemühen, Seinen Ruhm zu besingen.

Im Jap Ji sagt Guru Nanak:

Manche besingen Seine Größe, doch nur nach dem Ausmaß an Kraft, das ihnen verliehen wurde; manche besingen Seine Gaben und nehmen sie als Zeichen von Ihm; manche besingen Ihn als den Unbegreiflichen; manche besingen Ihn als den, der Staub zu Leben und Leben zu Staub verwandelt: als den Schöpfer und Zerstörer, Der das Leben gibt und es wieder nimmt. Manche singen von Ihm als dem Nächsten und doch dem am weitest Entfernten. Es gibt keine Grenze, wenn man Ihn beschreiben will.

Nichts ist über Gott Selbst erwähnt worden – nur über die Dinge, die Er schuf.

Man kann Ihn nicht durch Reden erkennen und wenn man Jahrmillionen lang spräche.

Selbst den Meistern ist es nicht möglich gewesen. Schließlich bleibt Ihnen nur die Feststellung: Neti, neti – Er ist nicht dies, Er ist nicht das.

Ein Moslem-Prophet sagt:

Generationen haben sich darin versucht, Ihn auf philosophischem Wege zu beschreiben, aber das Wesen Gottes bleibt unausgesprochen.

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Erläuterung: 1) Der erste Tag des indischen Monats Basakh; er entspricht ungefähr dem 15. April.