Der Adept der Mystik: Verkörperte Liebe

von Dr. George Arnsby Jones

Das Wahre Wesen der Adepten der Mystik ist das des Höchsten Herrn selbst. Der Adept der Mystik ist wie jeder andere Mensch in die Welt hineingeboren worden. Aber Seine Seele ist vollkommen mit Gott verschmolzen, und Seine Geburt in die Welt ist die Folge eines direkten Auftrages vom Höchsten Herrn selbst. Dieser Auftrag besteht nur darin, Seelen vom Rad der wiederholten Geburten und Tode zu erretten. Wenn wir im höchsten Spirituellen Sinn lieben und geliebt werden wollen, müssen wir uns einen Wahren Adepten der Mystik suchen und Ihm unsere Ergebenheit zu Füßen legen.

Bhai Gurdas hat gesagt:

Im Guru liegen alle Veden und Heiligen Schriften verborgen. Eine Verbindung mit Ihm genügt, einen Menschen sicher über das Meer des Lebens zu bringen. Wir können die Wahrheit ohne einen Meister der Wahrheit nicht erkennen. Gott selbst muss zu diesem Zweck hier herabkommen.

Und Maulana Rumi hat geschrieben:

Komme völlig unter den Einfluss eines Heiligen; durch einen bloßen Initiator kannst du den Weg nicht finden.

Der Adept der Mystik löscht den Spirituellen Durst des Aspiranten durch das berauschende Getränk der Liebe. Dies ist der Wein, der aus dem Herzen eines wahrhaft Liebenden fließt. Das Elixier der Liebe gibt einen so feinen Wohlgeschmack, der alle weltlichen Reize übertrifft, denn Er ist die höchste Wonne für den Geist. Der Spender des Weins der Liebe ist der Adept der Mystik, ein Wahrer Heiliger.

In Johannes 14:9 steht geschrieben:

Wer mich sieht, der sieht den Vater.

Der Adept der Mystik ist in Seinem physischen Körper für unsere physischen Augen sichtbar; und er ist die Verkörperung des Höchsten Herrn. Wir können die geistige Größe Gottes nicht mit unserem sterblichen Auge erkennen. Wie sonst können wir daher den Höchsten Herrn lieben, außer durch Seine Offenbarung? Aber die Wahre Form des Adepten der Mystik erscheint nur in den Inneren Bereichen, und wenn die Seele in diese Reiche aufgestiegen ist, erblickt sie die Strahlende Form des Heiligen.

O Geliebter!,

rief Hafiz,

ich habe manch eine Erzählung über Deine wundervolle Schönheit gehört; aber nun, wo ich Dich im Innern gesehen habe, erkenne ich, dass Du wirklich tausendmal schöner bist, als die Erzählungen Dich beschreiben.

Den Adepten der Mystik als eine Verkörperung des Höchsten Herrn zu lieben, bedeutet, den Höchsten Herrn selbst zu lieben. Schließlich liebt der Spirituelle Aspirant den Adepten der Mystik mit solcher Stärke, dass sein ich vollkommen mit dem des Adepten der Mystik und dadurch mit dem des Höchsten Herrn verschmilzt.

Das ist das allergrößte Geheimnis der geistigen Meister-Schüler-Beziehung, der Weg zur letztlichen Vervollkommnung. Liebe für den Adepten der Mystik ist kein Personenkult und nicht die Verehrung eines Menschen, wie die Unwissenden gewöhnlich glauben, sondern sie ist Wahre Liebe für den Höchsten Herrn, dessen physische Form die des Adepten der Mystik ist.

Im Meister wohnt sowohl Gott als auch der Mittler in Ihm,

erklärte Maulana Rumi. Und tatsächlich, es gibt zwischen den beiden keinen Unterschied.

Banne jeden Gedanken der Zweiheit aus deinem Gemüt, sonst wirst du dich in der Wildnis verirren, und das wird das Schicksal deiner ersten Unterrichtsstunden in der Spiritualität sein. Wer die beiden als voneinander getrennte Wesenheit betrachtet, hat noch nichts vom Meister gelernt oder erfahren.

Liebe für den Höchsten Herrn wird also äußerlich gefördert, indem man Gemeinschaft mit einem Adepten der Mystik hält. Aber der wichtigste Aspekt dieser Liebe ist der Innere, wenn Herz zu Herz kommt auf dem Wege der Hingabe. Wenn sich diese Höchste Liebe in das Herz des Ergebenen einprägt, wird die Betrachtung der Strahlenden Form des Geliebten zu einer beständigen Wirklichkeit, da der Geliebte allgegenwärtig im Herzen des Liebenden wohnt.

Der König aller Könige thront in uns hinter einem dichten Vorhang,

sagte Shamas-i-Tabrez.

Im gemeinen Gewand des Fleisches kommt Er, um uns Zutritt zu Sich zu gewähren.

Das größte Geschenk des Lebens ist die Gabe der Gnade für den Aspiranten durch den Adepten der Mystik; aber es gibt wirklich wenige, die diesen Göttlichen Schatz empfangen, denn um Liebe für den Höchsten Herrn im Herzen zu entwickeln, muss der Aspirant eine lebendige Verkörperung von Gottes Liebe lieben. Wenige Menschen sind bereit, diese Vorbedingung der Spirituellen Gnade anzunehmen. Der fromme Mensch mag mit weltlichen Dingen sehr vertraut sein, und als Gelehrter der Theologie und Philosophie mag er vielleicht sein intellektuelles Wissen in sorgsam zusammengestellten Sätzen und wunderbarer Rhetorik ausdrücken können; aber ein Liebender des Höchsten Herrn ist eine weit seltenere Seele, und er bringt die Bitterkeit der Trennung von Gott in Seufzern und Tränen zum Ausdruck. Er ist in fortwährender Erinnerung an den Herrn versunken, denn:

Ich erinnere mich jener, die sich Meiner erinnern,

wie der Koran feststellt.

Der Höchste Herr ist grenzenlos und hat weder Gestalt noch Namen. Er wird von den orientalischen Heiligen ‚Anaami‘ (Namenloser Eine) genannt. Er ist frei von Begrenzungen und Eigenschaften; jedoch schreiben wir Ihm Namen und Eigenschaften zu in unserem Bemühen, Ihn zu erkennen. In Seiner grenzenlosen Liebe und Weisheit sendet Er einen Adepten der Mystik, eine Lebende Verkörperung Seiner Selbst in die niederen Regionen des Gemüts und der Materie, auf dass wir Gott

durch die Gnade eines solchen Gottmenschen erkennen. Der Ergebene sieht die physische Form des Adepten der Mystik, aber seine Liebe für diese Verkörperung Gottes ist nicht physisch, sie ist geistig. Wir menschlichen Wesen kennen beide Arten der Liebe. Physische Liebe ist in die äußere Welt hinein und auf Menschen und Dinge gerichtet, aber geistige Liebe ist im Innern eines Ergebenen des Höchsten Herrn, und er sieht die äußere Offenbarung des Höchsten Herrn in der Form des Adepten der Mystik.

Die Erfahrung physischer Liebe ist ihrer Natur nach vergänglich. Und tatsächlich erkennen Mann oder Frau, die fortwährend eine Erweiterung der Sinneserfahrung suchen, schließlich, dass die dauerhafte Befriedigung solcher Wünsche unmöglich ist, bis endlich das Gemüt sich von ihnen abwendet und darauf verzichtet. So ist die Suche nach vollkommener Erfüllung im Wechselspiel sinnlicher Freuden ein Fallstrick und eine Täuschung, obwohl der Mensch auf dem Rad von Geburt und Tod so lange bleiben kann, wie er will, um nach Erfüllung seiner Sinneserfahrung zu suchen. Und hemmungsloses sinnliches Verlangen wird niemals befriedigt, nicht einmal in den Astralwelten jenseits der physischen Ebene. Sehr selten kann ein Mensch durch physische Liebe, die vergänglich ist, Spirituelle Liebe, die unvergänglich ist, erlangen.

Liebe beginnt im Fleisch und endet im Geist,

versicherte der heilige Bernhard.

Und Maulana Rumi, ein persischer Dichter der Mystik, hat berichtet:

Physische Liebe ist wie eine Brücke, und eine Brücke ist nur dafür gedacht, den Fluss zu überqueren, und nicht, um darauf zu leben. Jene, die auf der Brücke bleiben, erlangen keinen Fortschritt in ihrem Bemühen, dem Herrn zu begegnen.

Physische Liebe sollte also niemals für mehr als ein Anfangsschritt zu dieser letztlichen Spirituellen Liebe angesehen werden. Wenn sich die Seele nur der Befriedigung der Sinne hingibt, kann nur wenig Platz für den Höchsten Herrn in den Gedanken des Ergebenen übrig bleiben. Liebe für die Welt und ihre Dinge ist eine Verhaftung, die die Gefühle aufwühlt und Selbstsucht und andere niedere Eigenschaften hervorruft. Vortragsredner und Schriftsteller (auch wenn sie in geistliche Gewänder gekleidet sind), die uns anweisen, die liebende Kraft des Höchsten Herrn für unsere begrenzte Ziele einzusetzen, führen uns und sich selbst schließlich in Schmerz und Unglück. Sie gehen nicht den Weg der demütigen Heiligen und Adepten der Mystik. Die Adepten der Mystik lehren uns, weltliche Bindungen zu meiden, mit unserem materiellen Besitz als Treuhänder des Höchsten Herrn weise umzugehen und unsere liebende Hingabe auf den Gottmenschen selbst zu richten. Mit solch einer Herzensfülle zu lieben heißt, das Opfern des kleinen Selbst zu kennen. In wahrer Liebe nimmt das größere Selbst den Platz des niedrigeren ein, und der Liebende wird zum Sprachrohr Gottes.

In den orientalischen Schriften wird ein Sprachrohr Gottes ein ‚Gurumukh‘ genannt. Durch den bloßen Anblick eines solchen Gurumukhs wird der Ergebene von Liebe durchdrungen und von liebevollem Gedenken an Gott durchtränkt.

Bhai Gurdas hat gesagt:

Nur nachdem der Geist voller Glauben und bewusst das Himmlische Wort als Meister angenommen hat, wird er zu einem Gurumukh und erkennt, dass das Wort und der Meister wirklich Eins sind.

Der Ergebene schafft so einen Ewigen Zustand der Liebe in sich selbst, und sein Herz vereinigt sich mit dem des Adepten der Mystik durch ein starkes Band der Liebe. Solche Liebenden des Höchsten Herrn erzeugen in sich fortwährendes Denken an Gott durch die Praxis von Simran, der Wiederholung der geladenen Namen Gottes, und durch das Innere Betrachten der Strahlenden Form des Adepten der Mystik. Das Innerste Wesen des Adepten der Mystik wird von allen vibrierenden Strömen der Liebe durchdrungen, die der Wahren Heimat der Seele entspringen. Den Adepten der Mystik zu lieben bedeutet, eine wundersame Liebe für Gott selbst zu entwickeln.

Die Adepten der Mystik lehren den Pfad der Liebe, da Gott und die Liebe Eins sind, und die Widerspiegelung Gottes ist jene Liebe, die die ganze Schöpfung durchdringt. Ein Adept der Mystik ist Mensch gewordene Liebe; er liebt sowohl schlechte als auch gute Menschen. Sein hoher Grad an Liebe erhebt einen Adepten der Mystik über den gewöhnlichen Menschen; und dies ist der einzige Unterschied. Die höchste Form religiöser Praxis ist, Spirituelle Liebe im Herzen zu erzeugen. Wenn die lebendigen Flammen der Liebe die religiösen Bewegungen und Glaubensgemeinschaften verlassen haben, werden sie zu leeren Muscheln und erbärmlichen Hüllen.

Bleibende Liebe kann nur zu den Lotosfüßen eines Adepten der Mystik, eines Lebenden Gottmenschen, erlangt werden. Die Lehren eines solchen Heiligen verstricken den Aspiranten nicht in einem Netz von Ritualen und Zeremonien. Er lehrt nur die praktische Anrufung der Kraft der Liebe, die der Seele innewohnt.

Spirituelle Liebe wird durch Hingabe an den Adepten der Mystik erweckt und belebt und durch bewusste Verbindung mit dem Inneren Licht- und Tonprinzip, das der schöpferische Ausdruck von Gottes Liebe ist. Dieser hörbare Lebensstrom ist die Nahrung der Seele, und Er entfacht eine glühende Liebe im Herzen des Schülers.

Wenn einmal diese Flammen der Liebe zum Leben erweckt werden, wird der Schüler zum Herrn des Lebens. Frei von Egoismus und äußeren Bindungen, erhält er alles, was er für sein tägliches Leben braucht. Für jedes seiner Bedürfnisse wird gesorgt, ohne dass ein inneres Vorstellen oder ein Gebet um persönliche Vorteile erforderlich wäre. Und obwohl der Adept der Mystik weltlichen Materialismus verwirft, rät er dem Schüler dennoch nicht zu schädlichen Härten und Kasteiungen des Fleisches. Er zeigt statt dessen, dass die einzig Wahre Härte die Liebe selbst ist. Liebe verleiht dem Schüler Demut und Gehorsam und befähigt ihn, seine Innere Aufmerksamkeit auf die Spirituellen Höhen zu konzentrieren.

Es ist für den Ergebenen auf dem Weg der Liebe nicht notwendig, sich in die Wildnis zurückzuziehen. Gott wohnt in jedem menschlichen Herzen, und die geographische Lage ist für Ihn bedeutungslos. Ob ein Schüler in einer Stadt oder einem Dörfchen, im Flachland oder in den Bergen oder wo auch sonst lebt, ist für den Höchsten Herrn ohne Belang. Die Fülle der Liebe für den Adepten der Mystik kann sich in jeder Lage entwickeln, und in ihrer glühenden Stärke werden äußere Bindungen ohne die Notwendigkeit für harten Verzicht auf körperliche Bedürfnisse und Bequemlichkeiten beseitigt.

Guru Arjan hat gesagt:

Wiederholungen von heiligen Worten, Kasteiungen, Bußen, Bequemlichkeiten, Hochmut und Ruhm – all dies sollte am Altar der Liebe geopfert werden; auch wenn es nur für eine Sekunde wäre!

Ein solches Opfer ist natürlich und mit wenig Anstrengung für den Ergebenen verbunden, denn die Liebe des Adepten der Mystik ist eine lodernde Flamme, die alles äußere Blendwerk und alle Versuchungen verbrennt. Ein Adept der Mystik ist einer, der sein eigenes Ich auf dem Altar der Liebe völlig geopfert hat und der sich selbst dem Zustand der Liebe geweiht hat, der höher ist als jede Religion. Er ist berauscht vom Nektar der Liebe, und ein Blick von ihm kann diese Göttliche Berauschung dem Ergebenen übermitteln.

Ein Mensch, dessen Herz bar der Liebe ist, kann niemals die Liebe eines Adepten der Mystik verstehen, solange sein eigenes Leben nicht durch die Liebe umgeformt worden ist. Und ein Leben ohne Liebe ist nichts, wie Kabir versichert hat:

Ein Mensch, in dessen Herz keine Liebe ist und der nicht den Namen Gottes auf seiner Zunge hat, ist nicht besser als ein wildes Tier, und er stirbt, ohne einen der Vorteile seiner menschlichen Geburt erhalten zu haben … Verehrung ohne Liebe ist unecht. Unwissende Menschen verlieren jeden Vorteil der wertvollen menschlichen Form, mit der sie beschenkt worden sind, indem sie einfach ihre Mägen wie wilde Tiere füllen.

Und Shamas-i-Tabrez drückte dieselben Gefühle aus:

Liebe erhält man nur durch sehr großes Glück. Ohne sie ist das Leben fruchtlos. Nur ein paar wenige äußerst begünstigte Menschen werden mit dem Geschenk der Liebe gesegnet. Der Teil des Lebens, der ohne Liebe zu Gott vergeudet worden ist, sollte nicht gezählt werden, denn er ist sinnlos. Wenn das Leben ohne Liebe vorübergeht, wird man sich vor dem Altar Gottes schämen müssen.

Es ist die Liebe für den Adepten der Mystik, die solch ein seliges Bewusstsein des Höchsten Herrn erzeugt als auch eine solch süße Traurigkeit im tiefen Empfinden jeder Trennung von Ihm, wie Maulana Rumi bestätigt hat:

Das Auge ist glücklich zu schätzen, das im Gedenken an seinen Geliebten Perlen von Tränen vergießt. Das Herz ist glücklich zu schätzen, das in der Trennung von seinem Herrn brennt, da jedes bisschen Trauer von einem einzigartigen Glücksgefühl begleitet wird.

Wer auch immer geliebt hat, hat Gott gefunden,

sagte Tulsi Das.

Niemand hat dieses Ziel ohne Liebe erreicht… Ein frommer Mensch, ein Dieb, ein Räuber – alle versuchen, an Gott zu denken, aber ohne den Funken der Liebe kann man Ihm nicht gefallen.

Liebe ist die antreibende Kraft und der Geist der höchsten Freuden der Seele, und von der Liebe ist in allen Heiligen heiligenSchriften Lob gesungen worden. Laotse schrieb in seinem Tao-te-king oder dem ‚Einfachen Weg‘ von Liebe; Buddha gab eine beispielhafte Erörterung der selbstlosen Liebe im Achtfältigen Edlen Pfad; Jesus sprach in der Bergpredigt von Höherer Liebe; Mohammed stellte im Koran Vorschriften über die Liebe auf, und Tulsi Das rief den Höchsten Geist der Liebe in Seinem Ramayana an; Zarathustra legte in dem Zend Avesta ein Evangelium der Liebe nieder, und Lord Krishna erläuterte die Liebesideale in der Bhagavad Gita. Alle großen Adepten der Mystik: Kabir, Nanak, Tulsi Sahib, Shamas-i-Tabrez, Soami Ji, Jaimal Singh, Sawan Singh und andere Verkörperungen des Höchsten Herrn waren vollkommen von dem Göttlichen Liebesfeuer erfüllt. Liebe ist der höchste Pfad, der zur Verbindung mit dem Herrn führt.

Ein Yogi, ein Enthaltsamer, ein Asket und ein Philosoph – keiner von ihnen ist fähig, den Herrn ohne Liebe zu erkennen,

sagte Kabir.

Und Shamas-i-Tabrez stellte fest:

Wenn der Weg lang ist, solltet ihr mit den Flügeln der Liebe fliegen. Wenn ihr die Flügel der Liebe entfaltet, braucht ihr nicht die lange Treppe hinaufsteigen.

Wenn ein Mensch in die äußeren Vergnügungen der Welt vertieft bleibt, kann er niemals Liebe für den Adepten der Mystik und Liebe für Gott entwickeln. Die Geschichte ist voll an Beispielen von jenen, die in der Verkleidung und den Gewändern der Frömmigkeit handelten und sich eitel hervortaten, aber keine Liebe in ihrem Herzen hatten. Nur durch liebende Hingabe an den Adepten der Mystik kann der Ergebene Liebe für den Höchsten Herrn in seinem Herzen entwickeln; der Weg des bezahlten Predigers, der sich vor seiner Gemeinde schniegelt und herausstellt, ist ein Weg der Täuschung, denn Wahre Liebe kann nicht durch Riten und Rituale, Pomp und äußere Aufmachung hervorgebracht werden. Nur wessen ganzes Wesen - Körper, Gemüt und Seele – in das Meer der Liebe getaucht ist, kann den Zustand der Liebe erfahren. Bulleh Shah, ein Moslem-Mystiker des Punjab, hat sich über diesen Zustand Göttlicher Liebe geäußert:

Ich habe meinen Geliebten geliebt, und die Leute verspotten mich. Niemand versteht den Zustand meines Herzens, denn ich fühle, dass ich mich in einer fremden Umgebung befinde. Nur wer eine Sehnsucht nach dem unzerstörbaren Herrn empfindet, kann Ihn verstehen. Es ist schwierig, den Gipfel der Liebe zu ersteigen. Der allein weiß es, der es getan hat. Das Feuer Deiner Liebe hat mich in einem Augenblick verzehrt, und diese Liebe ließ mich der Welt verkünden: ‚Wer immer vom Feuer der Liebe verzehrt wird, ist der einzige, der sie verstehen kann. Keiner sonst kennt sie.‘

Die beiden Seelen des Adepten der Mystik und des Schülers vereinigen sich im Feuer der Liebe, und auf diese Weise wird die Göttliche Vereinigung mit dem Geliebten erlangt. Der Adept der Mystik führt den Schüler in die Inneren Reiche, wo die Liebe als das himmlische Licht- und Tonprinzip offenbart ist. Zuerst sieht man das Licht als helle, vorübergehende Blitze, aber bald sieht man Sterne und Monde. Dann scheinen die Sterne in eine weit ausgedehnte Helligkeit zu zerbersten, und der Ergebene erblickt größere Monde und Sonnen. In einer höheren Bewusstseinsstufe begegnet der Schüler der Leuchtenden Form des Adepten der Mystik, die ihn dann zu höheren Bereichen der Astral- und Kausaluniversen geleitet. Der Adept der Mystik erinnert den Schüler daran, dass er die Natur seiner Inneren Erfahrungen anderen nicht enthüllen darf, da es gegen das Gesetz des Höchsten Herrn verstößt, es sei denn, der Adept der Mystik gibt aus einem besonderen Grund seine Erlaubnis dazu.

Durch die Gnade des Adepten der Mystik nehmen die Inneren Erfahrungen des Schülers von Tag zu Tag zu. Seine Liebe für den Adepten der Mystik wird größer, und sein Sehnen nach Vereinigung mit dem Höchsten Herrn wird noch stärker. Seine Freude und sein Glücksempfinden werden einer Umwandlung in eine erhabene Seligkeit unterzogen, denn nun empfindet er keine Trennung vom Adepten der Mystik mehr, selbst wenn er von der physischen Form des Heiligen durch viele tausend Kilometer getrennt sein mag. Der hinreißende Zustand der Liebe wird nur von jenen erlangt, die ihr kleines Ich aufgegeben haben und die mit dem leuchtenden Wesen des Adepten der Mystik verschmolzen sind. Solch eine glückliche Seele kann berechtigt die Worte Kabirs aussprechen:

Mein Gemüt ist ein Vogel geworden und in den Himmel über uns geflogen. Er fand den Himmel leer, da Er immer in den Herzen der Heiligen zu finden ist.