In liebevoller Erinnerung an Hazur

von R.N. Bhatnagar

Bei der Initiation sagte Hazur für gewöhnlich:

Wenn ihr initiiert werdet, seid ihr mit der wirkenden Gotteskraft verbunden. Es besteht dann keine Notwendigkeit mehr für äußere Verehrung, Wallfahrten, Fasten usw. Die Menschen irren umher auf der Suche nach dem wortlosen Wert … Der Guru ist immer beim Schüler. Was der Meister euch sagt, solltet ihr tun. Übt Shabd mit ganzem Herzen und ganzer Seele.

Im Allgemeinen vergessen die Menschen das. Es gibt nur wenige der Lieben, die daran denken. Andere suchen nach irgendeiner Ausrede, weil sie dem nicht nachkommen. Natürlich haben einfache und aufrichtige Menschen mehr Vorteil.

Ein einfältiges Mädchen bekam einmal die Initiation. Sie übte täglich und erreichte die Strahlende Form des Meisters – so sehr, dass sie Ihn auch außen sehen konnte. Nach einiger Zeit wurde sie verheiratet. In ihres Schwiegervaters Haus ging man sehr gerne zu Wallfahrtsorten – sie kannten nicht die Technik, wie man nach Innen geht.

Bei einem Satsang stand das Mädchen auf:

Maharaj Ji, ich habe eine Bitte.

Hazur sagte:

Was willst du sagen?

Das Mädchen antwortete:

Maharaj Ji, als ich zu meines Schwiegervaters Haus ging, bereitete die Familie sich darauf vor, ein Bad im Ganges zu nehmen. Sie luden mich ein, ich lehnte aber ab. Sie bestanden aber darauf, so machte ich mit.

Hazur:

Was dann?

Das Mächen:

Dann musste ich ein Bad im Ganges nehmen.

Das Mädchen:

Sie gaben mir eine Peisa (Pfennig), um sie dem Ganges zu opfern. Als ich mich weigerte, waren sie ungehalten. Ich wurde auch wütend, ergriff die Peisa und ließ sie über die Oberfläche der Mutter Ganges gleiten.

Hazur:

Was dann?

Das Mädchen:

Ihr verschwandet, Meister.

Hazur lächelte und sagte ihr:

Was immer geschah, ist geschehen. Fass nun deine Ohren an (ein Zeichen der Reue).

Das Mädchen fasste ihre Ohren an und sagte:

Meister, Ihr solltet auch Eure Ohren anfassen, damit Ihr nicht weggeht.

*****

Wenn Hazur die Anwärter in der Dera initiierte, saßen Männer und Frauen gewöhnlich in zwei verschiedenen Räumen. Er fragte dann jeden, wann er oder sie den Satsang besucht habe und ob sie den Pfad der Heiligen verstanden hätten.

Dann schickte Er sie für gewöhnlich in die entsprechenden Räume.

Einmal bahnte sich eine junge Frau ohne Erlaubnis ihren Weg zum Raum der Frauen, die für die Initiation auserwählt waren. Da saß sie nun unter den anderen, als Hazur hereinkam, um mit der Initiation zu beginnen. Bevor Er anfing, bekam Er die Erlaubnis von Seinem Satguru Baba Jaimal Singh. Nur mit Seiner Genehmigung gab Er die Initiation. Dies ist die Glorie eines Vollendeten Meisters: Ungeachtet dessen, dass Er selbst vollendet und fähig ist, hält Er alles entsprechend dem Willen und Wohlgefallen Seines Meisters.

Der gesegnete Hazur öffnete die Augen und sagte, dass eine Frau ohne Genehmigung hier sei:

 Es ist besser, sie steht auf und geht weg, da sie gegenwärtig die Initiation nicht erhält.

Jeder hörte es, aber die Frau bewegte sich nicht. Hazur schlug vor, dass alle hinaus- und dreimal um die Räume herumgehen und dann wiederkommen sollten. Die Frau ohne Erlaubnis könne dann draußen bleiben. (Dies geschah, um sie nicht in Verlegenheit zu bringen: so konnte sie ruhig weggehen, und keiner würde es wissen.)

Sie befolgten die Anweisung des Meisters, als sie aber zurückkamen, war die Frau noch immer unter ihnen. Hazur sagte, dass die Frau wiedergekommen wäre, sie aber noch immer hinausgehen könne – doch sie ging nicht. So zeigte der Meister auf sie und bat sie, aufzustehen und wegzugehen. Sie war verblüfft, doch sie stand auf und sagte:

Warum bittet mich der Meister hinauszugehen, wo Er doch anderen Naam gibt? Weshalb soll nicht auch ich Es bekommen?

Hazur sagte ihr, dass man das nicht enthüllen könne. Die Dame bestand jedoch darauf, ihr offen zu sagen, welchen Fehler sie begangen habe und warum sie von der Initiation ausgeschlossen würde. Wiederum sagte Hazur ihr, dass es nicht richtig sei, den Grund zu sagen, und abermals wiederholte sie ihre Forderung. Dann sagte der Meister:

Soll ich Ihnen sagen, dass Sie viele Sünden begangen haben?

Dennoch blieb sie dabei:

Sagt mir, welche Sünden ich begangen habe!

Hazur antwortete:

Dann muss ich Ihnen sagen, wie viele Babies Sie getötet haben – wieviele Abtreibungen Sie vorgenommen haben.

Die Frau war verblüfft und entsetzlich beschämt, aber sie erkannte, dass der Meister alles wusste. Sie beruhigte sich und sprach mit gedämpfter Stimme:

Das war nicht meine Schuld. Es war die meines Schwagers.

Hazur sagte:

Sie hatten auch Schuld. Nun gut, gehen Sie jetzt.

Sie war nun vor jedermann bloßgestellt, blamiert und gedemütigt. Es gab da nichts, um ihr Gesicht zu verbergen, und sie fing zu weinen an. Dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und sagte:

 Maharaj Ji, ich bin der schlimmste Sünder von allen.

Daran gibt es keinen Zweifel. Ich gehe. Ich kam zu Euch, weil ich hörte, dass jedermann vergeben wird, wenn er zum Meister geht. Habt bitte Mitgleid mit mir und nennt mir den Ort, wohin ich gehen kann, damit mir vergeben wird.

Nachdem sie diese ergreifenden Worte ausgesprochen hatte, fing sie an zu weinen und zu schluchzen und weinte mehrere Minuten lang. Aber der Meister ist ein Meer der Gnade:

Gut, setzen Sie sich hin. Tun Sie es aber nicht mehr!

Sie erhielt die Initiation.

*****

Als der Große Meister Sawan Singh Sich aus dem Staatsdienst zurückzog (im Jahre 1911), ließ Er Sich in der Dera Baba Jaimal Singh nieder. Es gab damals verhältnismäßig wenig Satsangis; doch eine ganze Anzahl besuchte die Dera wegen des Darshans und des Satsangs von Hazur. Auf dem Weg zur Dera gab es ein Flüsschen, genannt ‚Nala‘, das versiegt war. Es war zu Zeiten der Moguls ein Kanal und wurde von der Regierung unter der Bezeichnung Shah-Kanal geführt. Die Ergebenen, welche die Nala überquerten, fanden es schwierig und manchmal gefährlich, besonders bei Dunkelheit und regnerischem Wetter. Mehrere Male bat Hazur die Bewohner der Dera und des nahe gelegenen Dorfes, sich zusammenzutun und einen Teil des Kanals zu einem Weg aufzufüllen. Alle sagten ja, aber die Arbeit, den Kanal aufzufüllen, wurde trotzdem nicht getan. Hazur war bewegt, als Er die Not der Leute sah, die die Nala überqueren mussten. Wieder und wieder bat Er um einen Übergang, es wurde aber nicht beachtet.

Eines frühen Morgens, ungefähr um 3 Uhr, nahm Hazur einen Korb und eine Schaufel auf die Schultern und verließ die Dera. Die Leute der Nachbarschaft schliefen fest. Hazur war gezwungen, aber willens, diese Arbeit selbst zu tun.

Aber ein Bauer war wach und erkannte Hazur an Seinem Schritt. Er war sicher, dass es Hazur war, und weckte andere auf, so dass sie Ihn auch sehen konnten. Bald waren die Satsangis des ganzen Dorfes aufgewacht, und die Ergebenen liefen eilig herum, um Körbe und Schaufeln zu bringen.

Der Bauer sagte:

Hazur hat uns mehrmals gebeten, einen Verbindungsweg zu machen, aber wir haben uns immer davor gedrückt. Wir sollten uns schämen.

Die Nachricht erreichte die Dera und die benachbarten Dörfer. Bald waren ungefähr zweihundert Leute versammelt, und die Arbeit begann.

Hazur hatte nur wenige Körbe mit Steinen und Erde gefüllt, als die anderen hinzukamen. Sie baten Ihn, nichts mehr zu tun. Die Arbeit ging zügig voran, und es wurde nicht aufgehört, bis ein sicherer Weg aufgeworfen war.

Hazur empfand tiefe Liebe in Sich für die, welche des Darshans und Satsangs wegen zu Ihm kamen. Er opferte immer Seine persönliche Bequemlichkeit für andere. Es war das lebendige Beispiel Seiner Liebe für Seine Kinder.

*****

Es war Mitternacht in Hazurs Dorf, und es regnete, als ob alle Wasser des Monsuns in dieser Nacht herabkämen. Um die Lehmhäuser des Dorfes blies der Wind so heftig, dass es schien, als ob selbst die Berge weggefegt werden würden. Inmitten Wind und Wolkenbruch fiel ein Haus zusammen, und der Meister hörte das Geräusch durch das Heulen des Sturmes. Hazur eilte ohne Kleidung hinaus und erreichte das eingestürzte Haus. Dort entfernte Er den Schutt mit Seinen eigenen Händen und brachte die verletzte Familie, einen nach den anderen, in Sicherheit. Er hielt nicht inne und überlegte nicht, ob sie Hindu oder Moslem, Freund oder Feind, Einheimischer oder Fremder, Satsangi oder Atheist waren. Er kümmerte Sich einfach um sie und fragte nicht nach Seiner eigenen Sicherheit. Am Morgen waren die Dorfbewohner überrascht, zu sehen, was geschehen war, als sie schliefen.

*****

In den Satsangs sagte Hazur gewöhnlich, dass der Guru die Arbeit des Schülers tun würde, wenn Er regelmäßig nach den Anweisungen des Meisters meditiere. Viele hörten es, aber nur wenige unterzogen das einer Prüfung. Es folgt nun ein Augenzeugenbericht von Ganga Ram über das, was eines Tages in der Dera geschah:

Einmal war ich ungefähr fünf Tage lang in der Dera. Die schöne Umgebung, die Abgeschiedenheit, der Friede und die Anziehungskraft der Gemeinschaft mit Hazur brachten große Freude. In späteren Jahren änderte sich die Umgebung, aber damals kamen nur ein paar Leute zu Hazur. 

An einem frühen Abend bat Er uns, eine Arbeit um die Dera herum zu tun, und dann würden wir alle in Bhajan sitzen. Mit diesen Worten begann Er selbst mit der Arbeit, eine dornige Hecke mit Seinen bloßen Händen zu beschneiden. Ich schickte mich an, Ihm zu helfen. Hazur aber bat mich, aufzuhören. So stand ich daneben und konnte nur zusehen.

Dann kam Bibi zum Meister gelaufen:

Maharaj Ji, was macht Ihr? Sind die Straßenwarte und Feger der Dera alle tot?

Hazur antwortete:

Was kann ich schon machen? Die Schüler lassen mir keine Atempause,

und wieder beschäftigte Er Sich mit den Dornen. Wir verstanden es nicht, die Arbeit war aber bald darauf beendet. Dann gingen wir zur Meditation.

Nach Ganga Ram geschah dies am Tag, bevor ich mit einigen anderen Schülern in die Dera kam. Wir waren wegen des Darshans von Attari gekommen. Einer von unserer Gruppe erzählte uns eine sonderbare Geschichte, bei der er am vergangenen Tag Zeuge war:

Die anderen Bauern und ich arbeiteten auf dem Feld, und es wurde spät. Die Zeit für Bhajan war bereits da; aber wir hatten die Dornenhecke noch nicht beschnitten. Lasst uns im Bhajan sitzen. Wir sollten zuerst Bhajan üben, die Arbeit wird dann Hazur Selbst tun. Wir stimmten zu und gingen zu einer ruhigen Stelle, um zu meditieren. Als wir uns vom Bhajan erhoben, waren wir überrascht, dass wir die Dornenhecke bereits geschnitten vorfanden. Wir konnten nicht feststellen, wer die ganze Arbeit getan hatte. Wir waren sprachlos vor Staunen. 

Als der Schüler geendet hatte, lächelte Maharaj Ji und sagte:

Wenn der Schüler unerschütterlichen Gehorsam erweist und seine ganze Arbeit dem Meister übergibt, tut der Meister die Arbeit.