Geschichten aus dem ‚Sakayan‘

von Bibi Lajo

Die Mutter von Sri Madan Singh in Amritsar hatte schon in jungen Jahren nach Gott gesucht. Sie war vielen Heiligen und Weisen begegnet, war aber nie mit einem von ihnen zufrieden gewesen. Eines Nachts kam Sri Gaja Singh nach Amritsar und blieb über Nacht bei Madan Singh, einem anderen Ergebenen. Als Madan Singh und Gaja Singh in jener Nacht über ihren Meister sprachen, hörte Madan Singhs Mutter sie und sagte, sie glaube nicht, dass ihr Meister ein verwirklichter Mensch sei. Sie sagte, dass sie niemals zufriedengestellt worden sei, obwohl sie verschiedene Orte aufgesucht habe und vielen Heiligen begegnet sei. Sri Gaja Singh sagte ihr, dass sie ihren Meister besuchen sollte, wenn sie wirklich einen Meister sehen wolle. Die alte Dame nahm die Einladung, wenn auch ungern, an.

Am nächsten Tag gingen sie zu dem Ort, wo der Meister sich aufhielt. Der Meister war von Ergebenen umringt. Zuerst saß die Mutter still, aber sie konnte dem ungeheuren Liebesstrom nicht widerstehen, der vom Meister ausging. Sie war überwältigt von der Liebe des Meisters und nahm die Initiation von Ihm.

In sehr kurzer Zeit wurde sie eine sehr fortgeschrittene Seele. Hazur schätzte sie wegen dem, was sie erreicht hatte.

Eines Tages, als sie den Tempel von Amritsar besuchte, erschien ihr Hazur und gab ihr Zuckerkonfekt (ein Zeichen des Segens). Als sie den Meister sah, dachte sie, wenn sie ihre Familie herbringen könnte, diese auch den Meister sehen und Seinen Segen erhalten könnte. So ging sie nach Hause; aber als sie mit ihrer Familie zum Tempel zurückkehrte, fand sie niemanden.

Am Abend kam sie zum Ort des Meisters. Als Hazur sie sah, lachte Er und sagte:

Hier kommt die Mutter, lasst uns hören, was sie zu sagen hat.

Er sagte zu ihr:

Willkommen, Mutter. Wie geht es dir? Führst du deine Meditationen ordentlich durch?

Die Mutter berührte des Meisters Füße und fing an, über ihre Bemühungen zu erzählen, Seine Lehren zu praktizieren. Während der Unterhaltung begann sie den Meister anzuklagen, ein Dieb und Betrüger zu sein; aber der Meister lachte und lachte nur. Ich fragte den Meister, ob die Mutter nicht wüsste, wie es sich zu sprechen zieme.

Der Meister sagte mir:

Nein, Tochter, die Mutter ist eine sehr fortgeschrittene Seele. Sie ist eine große Liebende. Nur Liebende sprechen so. Die Mutter ist in Göttlicher Liebe.

Dann fragte Er sie:

Wann betrog ich dich, Mutter?

Die Mutter erzählte Ihm ihre Erfahrung im Tempel und wie Er verschwunden war, als sie mit ihrer Familie zurückkehrte, und fragte Ihn, ob dieses Verhalten nicht Betrug sei.

Der Meister sagte:

Hör zu, als du an mich dachtest, kam ich zu dir; als deine Erinnerung zu deiner Familie zurückging, verließ ich dich. Warum ließest du dein Bewusstsein von der Gottheit zur weltlichen Ebene herabfallen? Wenn du mich nicht verlassen hättest, würde ich dich nicht verlassen haben. Nun, wer hat Schuld – du oder ich?

Die Mutter faltete ihre Hände und sagte zum Meister, dass sie ihr Bewusstsein nie wieder auf die weltliche Ebene fallen lassen würde. Heil dem Meister, der den Löwen Gras als Nahrung gibt! Die Frau, die einst so gegen Ihn war, wurde durch Seine Gnade eine große Ergebene und Gottliebende. Heil dem Meister, Dessen Glorie ohne Grenzen ist!

*****

Sardar Ghanan Singh und Ganda Singh waren die Hauptorganisatoren der Arbeit des Meisters in Koite. Alle Personen aus Koite, die um Initiation baten, kamen durch sie. Einmal kam in Koite jemand, der ein Trinker und Fleischesser war, um die Initiation zu erhalten. Als der Meister ging, um unter den Menschen, die in einer Reihe standen, auszuwählen, war dieser Trinker auch dort, und er bat den Meister, ihn mit der Initiation zu segnen. Der Meister sah Sardar Chanan Singh fragend an.

Sardar Chanan Singh senkte die Augen; er konnte nichts sagen. Er dachte, wenn er dem Meister diesen Mann als geeignet empfehlen würde, dieser nicht fähig wäre, sein Wort zu halten, und folglich dem Satsang Schande machen würde. Aber wenn er ihn nicht empfehlen würde, dann wäre ihm die Chance, die Initiation zu erhalten, genommen. Der Meister sah den Mann an und fragte:

Wie steht es mit Fleisch und Wein?

Der Mann sagte, dass er sie nicht mehr zu sich nehmen würde. Der Meister bat ihn, dies zu versprechen, und initiierte ihn.

Nach seiner Initiation versuchte der Mann, den rechten Weg zu gehen, aber nach einiger Zeit konnte er seinen alten Gewohnheiten nicht widerstehen und fing an, sich ihnen hinzugeben. Eines Nachts kam Hazur im Traum zu ihm und schlug und stieß ihn, weil er sein Versprechen nicht hielt. Als er aufwachte, war sein ganzes Gesicht geschwollen und sein Körper voll schwarzer und blauer Flecken. Er lag noch auf dem Bett, als er Sardar Chanan Singh vorbeigehen sah. Er fing an, seinen Namen zu rufen, aber Sardar Chanan Singh wollte ihm nicht nahe kommen, weil er sein Versprechen nicht gehalten hatte. Er ging unwillig hin und der Mann erzählte ihm seinen Traum. Sardar Chanan Singh erklärte ihm, dass er bei einem Wahren Meister Schutz gesucht habe, Der für ihn die Verantwortung übernommen hatte, und dass er lieber bereuen und sich bessern sollte.

Später entsagte dieser Mensch der Welt und wurde ein Sadhu. Heil dem Meister, der aus gottlosen Menschen Entsagende macht!

*****

Eines Tages, als der Meister vom Besuch Seiner Schüler zurückgekehrt war und gerade auf dem Balkon saß, ging ich zu Ihm.

Er sagte liebevoll zu mir:

Tochter, ich habe einen Brief erhalten. Ich will ihn dir vorlesen.

Der Brief erzählte von Ram Singh, der ein sehr ergebener Mensch war und dem Meister als Elektriker gedient hatte. Dann ging er woanders hin, bekam eine gut bezahlte Stellung und verdiente eine Menge Geld. Es liegt in der Natur des Geldes, Menschen vom rechten Weg abzubringen.

Eines Tages hatte Ram Singh ein Verlangen, zu einer Prostituierten zu gehen. Als er sein Haus verließ, um zu ihr zu gehen, erschien ihm der Meister; aber er achtete nicht darauf. Als er ihr Haus betrat, erschien der Meister ihm wieder, aber er kümmerte sich weiterhin nicht darum; er drückte der Prostituierten sein Verlangen aus und gab ihr fünf Rupien. Dann erschien der Meister ein drittes Mal – direkt zwischen Ram Singh und der Prostituierten. Der Meister schlug Ram Singh so heftig ins Gesicht, dass dieser ohnmächtig wurde. Die Prostituierte konnte den Meister nicht sehen, und sie fürchtete sich sehr; sie versuchte ihn zum Bewusstsein zu bringen. Als Ram Singh schließlich das Bewusstsein wiedergewann, entschuldigte er sich bei dem Mädchen für sein unbilliges Verlangen. Er erzählte ihr, dass sein Körper, seine Seele, sein Geld und Gut seinem Meister gehörten, und dass er eine große Sünde begangen habe, indem er versucht hatte, seines Meisters Vertrauen zu missbrauchen. Er bat sie, sein Geld zurückzugeben, was sie tat, indem sie ausrief, dass sie nie wieder jemanden wie ihn hereinlassen würde.

Ram Singh ging nach Hause und schrieb dem Meister den ganzen Vorfall und schloss damit, dass er bei seinen Anstrengungen, Unrecht zu tun, nichts unterlassen habe, und der Meister nichts unterlassen habe bei Seinen Bemühungen, ihn davon abzuhalten, Unrecht zu tun. Heil dem Meister, Der half und Seine Schüler davor beschützte, in Sünde zu fallen! Menschen sprechen über Wunder; der Meister vollbrachte sie.

Nachdem Hazur den Brief gelesen hatte, sagte Er zu mir:

Tochter, Heilige segnen die Menschen in diesem Zeitalter sehr, Sie segnen die Menschen, selbst wenn sie es nicht verdient haben.