Der letzte Darshan

Samstagabend, 17. August 1974 im Sawan Ashram, zusammengestellt und verfasst von der Dokumentationsabteilung.

Der Meister war während der letzten paar Wochen immer schwächer geworden. Der vier Tage dauernden Feier zum 117. Jahrestag der Geburt von Baba Sawan, die am 26. Juli begann und damit endete, dass der Meister mehr als tausend Seelen die Initiation gab, folgte am 1. August die Ansprache des Meisters an das indische Parlament; dies alles beanspruchte Seine ganze Aufmerksamkeit. Die Anspannung muss ungeheuer gewesen sein.

Obwohl die neuen Termine, zu denen westliche Schüler den Ashram besuchen konnten, im Mai angekündigt worden waren, erlaubte der Meister fast zwanzig Schülern, am Ende bei Ihm zu sein. Trotz Seiner Krankheit gab Er ihnen beinahe jeden Abend Seinen gesegneten Darshan, manchmal unten im Vorraum, manchmal in Seinem Schlafzimmer. Es gab Augenblicke solcher Schönheit, solchen Friedens, welche die Erinnerung an Sein Leiden übertreffen. Sein Humor war in anderen Augenblicken so fein, dass sich irgendein Gefühl der Hoffnungslosigkeit, das wir empfunden haben möchten, niemals festsetzte. Doch gab es auch Augenblicke schrecklicher Vorahnung. Am Abend des 2. August fragte eine Schülerin, ob sie den Meister nach dem Darshan allein sehen könne. Er sagte:

Ja, solange der Atem reicht …

So viel Liebe und Ermutigung strömte aus. Am 6. August sagte Er zu uns:

Wenn ihr mit Hingabe auf den Meister seht, bekommt ihr es mit gleicher Münze zurückbezahlt.

Später sagte Er:

Das Reich der Heiligen ist das aller Vergebung.

Dann gab es plötzlich einen Augenblick der Unbeschwertheit, als der Meister Sich mit einem Mal vorbeugte und Seine Hand nach einem deutschen Schüler ausstreckte, der einige Zweifel geäußert hatte;

Berühre mich,

sagte Er,

ich bin ein Mensch wie du.

Der junge Mann ergriff die ausgetreckte Hand. Der Meister hatte in den letzten Jahren physisch so viel gelitten, dass wir annahmen, diese Krankheit würde wie in der Vergangenheit mit der Zeit wieder von Ihm gehen. Rückblickend können wir jetzt die Zeichen lesen, die Er uns gab, dass Er bald die irdische Ebene verlassen würde.

Die letzte Darshanansprache des Meisters wurde am Samstag, dem 17. August, auf der Dachterrasse direkt vor Seinem Schlafzimmer gehalten. Das Wetter war drückend heiß. Der Meister befand sich auf einem weißen Bett, manchmal sitzend, manchmal liegend, manchmal beinahe unfähig zu sprechen. Es gab lange Pausen. Es gab Augenblicke strahlender Schönheit. Mindestens ein Schüler sah einen goldenen Schein um den ganzen Körper des Meisters – wenn Er Sich etwas bewegte, blieb dieses Licht dort, wo Er gewesen war, und bildete auf diese Weise eine goldene Figur neben Ihm; es schien, als ob des Meisters Göttlicher Geist sich bereits aus Seinem Körper zurückzog – aber natürlich wusste zu diesem Zeitpunkt niemand, wie wenig Zeit blieb; nur vier Tage.

Der Meister begann, indem Er uns sanft und beharrlich fragte, ob wir irgendwelche Fragen hätten; Er sah jeden an, aber niemand wollte sprechen. Nach einem langen Schweigen sagte Er dann betont:

Keine Frage von irgend jemand? Nein? Irgendwelche Zweifel? Wenn es keine Fragen gibt, irgendwelche Zweifel? Etwas, was im Gemüt schlummert?

Jetzt scheint es klar, dass der Meister in diesem Stadium einige Schlussworte sagen wollte, und da Er wusste, dass tatsächlich einige Dinge in unserem Gemüt schlummerten und geklärt werden mussten, zog Er sie in Form folgender Fragen heraus, die es Ihm ermöglichten auszusprechen, was zu sagen blieb.

Doch gab Er bei dieser Gelegenheit nach einer Weile und ohne auf eine Frage zu warten, diese Erklärung ab:

Dies ist Gottes Auswahl. Sie senden die Frucht – bestimmte Menschen, um bestimmte Dinge auszuführen. Sie wissen, wann Sie kommen und wann Sie zurückgehen. Sie lassen euch nicht im Stich, denkt daran.

Dann fragte der Meister nach einem weiteren langen Schweigen wieder, ob es irgendwelche Fragen gäbe. Jemand, der nicht initiiert war und der den Darshan des Meisters zum ersten mal hatte, sagte, er würde morgen einige vorbringen, doch der Meister antwortete:

Wenn Sie morgen irgendwelche Fragen vorzubringen haben, warum sie nicht heute zur Sprache bringen? Verschiebt niemals etwas auf morgen, was ihr heute tun könnt. Aufschub ist der Dieb der Zeit … Wenn Sie nicht bereit sind, so ist das etwas anderes.

Der Meister zeigte ein verständnisvolles Lächeln. Es folgten einige bange Augenblicke; der Meister rang nach Luft. Ein junger Amerikaner stellte dann die erste Frage:

Meister, warum heilt ihr Euch nicht selbst…? Ihr seid allmächtig.

Der Meister wiederholt:

Warum heilt Ihr Euch nicht selbst?

Dann erschien ein strahlendes Lächeln auf Seinem Gesicht, und Er fragte so liebevoll:

Wenn jemand, den ihr liebt, euch etwas gibt, würdet ihr es ablehnen? Sagt es mir. Was hofft er? Es sollte freudig angenommen werden.

Es folgte eine lange Pause, während der Meister hustete. Schließlich begann der Meister, wieder umherzublicken und erkundigte sich nach weiteren Fragen. Endlich fragte jemand:

Gibt es irgendeinen weltlichen Wunsch, der richtig ist?

Der Meister sagte:

Alle Gedanken, die aufkommen, sind auf zwei Dinge zurückzuführen: entweder Rückwirkungen aus der Vergangenheit – wie du säst – oder auf äußere Notwendigkeiten. Wie du säst, so wirst du ernten. Die Dinge bewegen sich auf dem Rad des Lebens, wenn und solange man nicht ein Bewusster Mitarbeiter am Göttlichen Plan wird. Er ist es, der jedermanns Arbeit tut, und wir sind alle nichts als Marionetten in Seinen Händen. Nur dann könnt ihr der Rückwirkung dessen entkommen, was ihr gesät habt. Versteht ihr? So müssen wir den Menschenkörper als den höchsten in der ganzen Schöpfung betrachten – als eine goldene Gelegenheit, nach Hause zurückzukehren. Unterdessen sollten wir alle unnötigen Dinge ausmerzen und das tun, was uns Gott nahe bringt. Das ist alles.

Dann fragte jemand anders:

Wie können wir unterscheiden zwischen notwendigen Bedürfnissen des Körpers und so weiter und Wünschen, die ausgemerzt werden sollten?

Der Meister sagte:

Ihr habt ein Paar Stiefel bekommen, ja? Dann bekommt ihr noch ein weiteres Paar Stiefel. Das wird euch etwa ein Jahr ausreichen. Sie sind für euren Gebrauch erforderlich; jedes Paar darüber hinaus muss einfach in euren Häusern gehortet werden und schafft eine unschöne Atmosphäre. Wir fügen einfach unseren Wünschen weitere hinzu: um des Besitzes willen möchten wir alles besitzen … Sonst noch jemand?

Eine Amerikanerin, die am folgenden Morgen abreiste, fragte:

In Bezug auf Wunschlosigkeit – sollten wir nicht wünschen, nach Sach Khand zu gehen? Oder ist das eine andere Falle?

Und der Meister sagte ihr:

Was immer euch näher bringt, was immer dabei hilft, euch näher zu Gott zu bringen, sollte entwickelt werden. Was immer dazu angetan ist, im Wege zurück zu Gott zu stehen, das meidet! Führt ein einfaches Leben.

Hier sagte derselbe Mann, der geäußert hatte, dass er seine Frage morgen vorbringen würde:

Meister, ich habe Eure Schriften sehr sorgfältig gelesen, nach bestem Vermögen, und ich trinke nicht, bin ein Nichtraucher und lebe von vegetarischer Kost. Habe ich die nötige Eignung für die Initiation?

Der Meister lächelte:

Dies sind die Mindestforderungen …

Dies brachte ihn nicht ab; er sagte:

Ich möchte gern initiiert werden.

Der Meister fuhr fort:

Das Wichtigste ist, dass Sie imstande sind, die Theorie bis ins einzelne zu verstehen. Wenn Sie dann auf den Weg gestellt sind, werden Sie Ihr ganzes Herz und Ihre ganze Seele für die Praxis einsetzen, nicht lau oder auf gleichgültige Art und Weise. Ein Sterbender mag es aufgrund des Verlangens bekommen – er wird auf den Weg gestellt –, aber er hat immer alles auf morgen verschoben, was er heute tun konnte. Dies ist falsch. So fahren Sie bitte fort mit Ihren Übungen.

Ein Schüler sagte dann:

Ich möchte euch nur bitten, mehr Liebe und Glauben in Euch zu entwickeln.

Der Meister sagte ihm:

Die Liebe wird keimen, wenn Sie mit dem Licht- und Tonprinzip in Verbindung kommen … oder durch die liebevolle Erinnerung an den Meister.

Ein anderer gab ein Zeichen, um eine Frage zu stellen.

Der Meister sagte: ‚Ja, bitte?‘ und wurde gefragt:

Welche Art des Lebens ist dem Spirituellen Fortschritt am meisten dienlich?

Der Meister erklärte:

Die Gebote hundertprozentig zu halten und Empfänglichkeit zu entwickeln. Dann werden Sie hundert Prozent der Frucht haben.

Dann frage der Meister:

Sonst noch jemand?

Die letzte Frage wurde gestellt:

Bei mancher Art von Arbeit bin ich nicht fähig, völlige Erinnerung an den Meister zu bewahren. Wie kann ich Euch ständig nahe sein und zur selben Zeit meine Arbeit tun?

Die letzte Antwort war:

Anfangs, versteht ihr, muss alles, was auch immer eure Erinnerung oder euren Verstand beschäftigt, als eine Sache zu einer Zeit getan werden. Später, wenn diese Gewohnheit entwickelt ist, geht das automatisch. Geht nur heiter auf euer Ziel zu, so werdet ihr auch den Willen des Meisters befolgen. Aber das wird sich zu gegebener Zeit entwickeln, nicht an einem Tag. Seid guten Mutes.