Mit dem Meister durch Mitteleuropa

I

Dies ist ein Bericht über die Reise des Meisters durch Mitteleuropa im Rahmen Seiner dritten Weltreise.

Es ist kein Versuch, diese Tage der physischen Gegenwart des Meisters objektiv zu schildern, sondern es können vielmehr nur ganz persönliche Eindrücke wiedergegeben werden. So bitte ich um Verständnis dafür, wenn selbst die Aufzeichnungen über die Gespräche des Meisters persönlich gefärbt sind, denn natürlich kann hier nur ein ganz kleiner Teil Seiner Worte wiedergegeben werden. Und jeder wird das im Gedächtnis behalten haben, was ihn persönlich am meisten beeindruckt hat.

Am Ende der zwei Wochen – am Abend, bevor der Meister nach England weiterreiste, sagte ein Satsangi:

Wir alle haben bei der Initiation ein Kapital in die Hand bekommen. Aber wie haben wir bisher damit gearbeitet? Statt es zu vermehren, haben wir es eher vergeudet. Der Meister ist jetzt gekommen, um es wieder aufzubessern. Nun ist es unsere Aufgabe, von heute an damit zu arbeiten und es zu vermehren.

Gyani Ji, ein Schüler Meister Sawan Singhs, der zu den engsten Mitarbeitern des Meisters gehört und der Ihn auch jetzt auf Seiner Weltreise begleitet, hat die Bedeutung der physischen Gegenwart des Lebenden Meisters mit folgenden Worten umrissen:

Diese Tage, in denen wir mit dem Meister zusammen sein dürfen, sind eine sehr kostbare Gelegenheit. Der Meister ist gekommen, um uns den Wein der Spiritualität zu bringen. Er hat so viel davon zu geben, dass Er damit ständig unsere Schale füllen kann. Aber damit der Wein hineinfließen kann, ist es notwendig, vorher das Gefäß leer zu machen. In dem Maße, wie wir unser Gefäß leer gemacht haben, wird es von der Gnade des Meisters, die Er in diesen Tagen im Überfluss ausgießt, angefüllt werden.

Die letzten zwei Wochen vor der Ankunft des Meisters waren sehr turbulent gewesen. Die Nachricht von Seinem Kommen war erst spät bei Frau Fitting eingetroffen, und so waren noch bis zur letzten Minute Vorbereitungen zu treffen. Dank meiner Aufgabe als Berichterstatterin hatte ich das große Glück, Frau Fitting nach Frankfurt begleiten zu dürfen, um den Meister und Seine Party dort am Flughafen zu begrüßen und dann zusammen mit Ihm nach Köln weiterzufliegen, der eigentlichen ersten Station des Meisters auf Seiner Weltreise.

Nach der letzten Nachricht aus Indien war der voraussichtliche Ankunftstermin der 27. August. Die Maschine musste dann ziemlich früh am Morgen eintreffen, so dass Frau Fitting und ich am 26. abends nach Frankfurt fahren mussten, um am nächsten Morgen rechtzeitig am Flughafen sein zu können. Trotz aller Planung riet uns Frau Fitting, immer auf Änderungen gefasst zu sein; wir würden immer geprüft, auch in unvorhergesehenen Situationen.

So war unsere Überraschung nicht allzu groß, als am 25. August nachmittags ein Anruf von Frau Fitting kam: „Soeben Telegramm aus Indien erhalten. Der Meister trifft schon morgen früh in Frankfurt ein. Bitte seien Sie mit Ihrem Bruder in einer halben Stunde in Bonn! Wir müssen noch heute Abend nach Frankfurt fahren und vorher müssen alle Gruppen von der Änderung informiert werden.“

Das hieß also: Alle Vortragssäle, Hotels, Flugkarten usw. umbestellen! Nach vielen Telefonaten, Telegrammsendungen und anderen dringenden Erledigungen konnten wir schließlich abends den Zug nach Frankfurt nehmen. An diesem Abend war ich noch verhältnismäßig ruhig. Erst, als wir dann am nächsten Morgen auf dem Weg zum Flughafen waren und schon von weitem die landenden Flugzeuge sehen konnten, machte sich allmählich eine innere Unruhe in mir bemerkbar. Ich kannte die äußere Erscheinung des Meisters nur von Fotos her und aus Erzählungen Initiierter, die Ihn entweder auf einer Seiner früheren Reisen in Deutschland oder aber im Ashram in Indien gesehen hatten. Und nun sollte ich Ihm in wenigen Minuten direkt in die Augen schauen! – Wir sprachen nicht viel auf dieser Fahrt und ich merkte, dass Frau Fitting sehr ernst wurde, obwohl sie meist nur über die nächstliegenden organisatorischen Dinge sprach. Ich hatte deutlich das Gefühl, dass die Atmosphäre um uns mehr geladen wurde, je näher die Ankunftszeit des Meisters rückte.

Als wir auf dem Flughafen ankamen, war es schon ziemlich spät, die Maschine des Meisters musste in etwa einer halben Stunde eintreffen. Doch dann kam die zweite Änderung: Das Flugzeug hatte eine Stunde Verspätung, wie man uns an der Auskunft sagte. Es sollte eine sehr lange Stunde werden, denn es kamen immer wieder einige Minuten dazu. Schließlich war die Ankunftszeit auf 09:15 Uhr festgelegt. Da die Zeit bis zum Weiterflug nach Köln etwas knapp geworden war, wurden wir doch recht nervös, besonders als man uns um 09:15 Uhr noch von einem Ausgang zum anderen schickte und niemand uns verbindlich sagen konnte, wo die Passagiere aus Indien nun wirklich ankommen würden. Nach einigem Zögern entschieden wir uns, dem eindringlichen Rat eines Angestellten dort zu folgen und an dem Schalter für den Weiterflug nach Köln zu warten. Man ließ den Namen des Meisters über Lautsprecher ausrufen, in der Hoffnung, das Personal würde Ihn und Seine Begleitung zu unserem Schalter führen, falls Er schon im Gebäude war. „Wenn die Indien-Party nicht in wenigen Minuten hier ist,“ so sagte uns ein Flugoffizier, „müssen wir ohne Sie fliegen. Wir können nicht auf Sie warten.“ Bald war die Frist abgelaufen, und wir mussten den Satsangis, die in großer Zahl in Köln am Flughafen warteten, mitteilen lassen, dass sich die Ankunft des Meisters über drei Stunden verschieben würde – das nächste Flugzeug ging erst mittags. Frau Fitting hatte jetzt nur noch die eine Sorge, den Meister so bald wie möglich zu finden und machte sich nun allein auf die Suche, während ich am Schalter wartete. Ich wartete fast eine Stunde lang, und nun kam auch Frau Fitting nicht wieder! Ziemlich entmutigt rechnete ich kaum noch damit, dass der Meister schon im Gebäude war. Zuletzt machte ich mich auf den Weg, um nun wenigstens Frau Fitting wiederzufinden. Als ich etwa 100 Meter gegangen war, kam ich in die große Haupthalle, und plötzlich entdeckte ich dort in einiger Entfernung den Meister und Frau Fitting. Sie wandten mir den Rücken zu und gingen in die entgegengesetzte Richtung. – Dieser Augenblick hat sich mir ganz tief eingeprägt, aber es ist einfach unmöglich zu sagen, was in einem vorgeht, wenn man dem Meister zum ersten Mal gegenübersteht! – Ich nahm allen Mut zusammen und näherte mich dem Meister von hinten, blieb dann unschlüssig stehen und rief schließlich Frau Fittings Namen. Beide wandten sich um. Der Meister lächelte freundlich, als Frau Fitting mich Ihm vorstellte, und als Er hörte, ich hätte die ganze Zeit über an einer anderen Stelle gewartet, klopfte Er mir liebevoll auf die Schulter und sagte etwas, das ich in meiner Aufregung jedoch nicht verstand. Ich war so verwirrt in diesem Moment! Jetzt kamen auch die Begleiter des Meisters: Gyani Ji, Harjaran Singh und Bhalla Sahib.

Gyani Ji kannte ich schon aus Erzählungen von Satsangis, die in Indien gewesen waren: Als Manager des Sawan Ashrams kümmert er sich vor allem um die Durchführung der einzelnen Programme und nimmt auch sonst dem Meister so viel Arbeit ab, wie irgend möglich. Harjaran vertrat während der Reise Bibi Ji indem er für das leibliche Wohl des Meisters sorgte, und Bhalla Ji erledigte die unterwegs anfallende Korrespondenz.

Wir setzten uns zusammen mit dem Meister in ein Flughafen-Café, und nachdem wir für den Meister und uns Tee bestellt hatten, erzählte Frau Fitting ganz kurz, wie sie den Meister gefunden hatte: Sie hatte von weitem einen weißen Turban gesehen und bald darauf erkannte sie Gyani Ji, der seinerseits auf der Suche nach Frau Fitting war. Er führte sie dann zum Meister, Der zusammen mit Harjaran und Bhalla an einem der Ausgänge stand.

Auf dem Weg zur Halle, in der ich und Frau Fitting von weitem entdeckte, erzählt der Meister ihr, dass am Flughafen von Delhi Tausende von Schülern zusammengekommen waren, um vor Seiner Abreise noch einen letzten Satsang mit Ihm zu haben. Er hatte zwei Stunden zu ihnen gesprochen, bis Er dann schließlich mit einem Wagen zum wartenden Flugzeug gefahren wurde. (Die Maschine war in Japan eingesetzt worden und war mit über zwei Stunden Verspätung in Delhi eingetroffen.) – So hatte die Verspätung für die indischen Schüler den Sinn gehabt, dass sie noch einmal mit dem Meister zusammen sein konnten, und für uns sicher den, uns in Geduld zu üben. – Der Meister hatte dazu gesagt: „Gott hat es so gewollt.“

In diesen wenigen Stunden, in denen wir mit dem Meister im Frankfurter Flughafengebäude warteten, erfuhr ich, dass man aus jeder kleinen Geste des Meisters lernen kann. – In einem Buch des Meisters hatte ich einmal gelesen: „Ihre Botschaft lebt in jedem kleinen Wort und in jeder kleinen Geste.“ – Der Meister gab ein lebendiges Beispiel dafür.

Eine Lektion war die, in weltlichen Dingen genauso wachsam zu sein wie auf spirituellem Gebiet und immer an das Nächstliegende zu denken: Die Bezahlung wurde in diesem Café an einer bestimmten Kasse geregelt und nicht, wie sonst üblich, beim Kellner. Da Frau Fitting zusammen mit Gyani Ji für kurze Zeit wegging, hatte ich die Bezahlung zu regeln, und es war mir sehr peinlich, dass der Meister mir zeigen musste, wo die Kasse war, während ich noch verzweifelt nach einem Kellner Ausschau hielt. Genauso verwirrt war ich dann, als der Meister Sein Portemonnaie hervorholte und mir eine Geldnote geben wollte zur Bezahlung. – In völliger Unkenntnis der Wahren Größe des Meisters neigen wir leicht dazu, Ihn mit einem Schleier vager Vorstellungen zu umgeben, und so verwirrte mich zunächst Seine Nüchternheit in den einfachsten weltlichen Angelegenheiten. Nach einer Weile kam Frau Fitting zurück und wir gingen mit dem Meister in den Warteraum für unsere Maschine nach Köln. – Hier konnte ich die zweite Lektion lernen, deren wirkliche Bedeutung ich höchstens ein wenig ahnen konnte: die unendliche Demut des Meisters. Nach dem langen Flug von Delhi musste der Meister hungrig sein, und so besorgten wir einige Sandwiches. Aber Er nahm nichts. Wir sollten zuerst auch etwas haben. Er nahm erst davon, als wir alle aus Seiner Hand ein Brot erhalten hatten. Auch den Becher Tee, den wir Ihm brachten, ließ der Meister stehen. Er winkte freundlich ab. Wir waren ratlos und so fragten wir Harjaran, der ständig um den Meister ist, was der Meister wünsche. Er ging ein wenig um Ihn herum, bis er Ihm in die Augen blicken konnte. Dann sagt er, der Meister wünsche, dass wir auch etwas zu trinken hätten. Es war aber unmöglich, für uns alle Tee in den Warteraum zu bringen, und so nahm der Meister Seinen Becher, teilte den Tee in drei Teile und gab Frau Fitting und mir davon. Frau Fitting und ich sahen uns nur sprachlos an – man konnte diese Liebe des Meisters einfach nicht begreifen! Seine Ausstrahlung war so gewaltig, dass ich nur mit großer Mühe meine Beherrschung bewahren konnte, ich war einfach überwältigt davon.

Auch aus dem Beispiel der Schüler des Meisters konnte man so viel lernen. Mit welcher Ehrfurcht hatte Harjaran Ji dem Meister in die Augen geschaut, um Seinen Wunsch zu erfahren! – Solche „kleinen“ Begebenheiten können einem sehr schnell den eigenen Maßstab zurechtrücken, und ich merkte, wie sehr ich noch am Anfang stand.

Inzwischen war es Mittag geworden, und wir gingen mit dem Meister zu unserem Flugzeug, das uns nach Köln bringen sollte, wo viele Satsangis seit mehr als drei Stunden auf den Meister warteten. – Wir waren sechs Personen, und es stellte sich heraus, dass diese Maschine, für die wir erst vor einer Stunde gebucht hatten, gerade noch sechs Plätze frei hatte! – Wir flogen bei herrlichem Sonnenschein, und es war ein erhabenes Gefühl, mit dem Meister im Flugzeug über der strahlend weißen Wolkendecke zu fliegen. Ein Herr neben mir schaute immer wieder zum Meister und Seinen Begleitern hinüber und erklärte mir dann, dass die indischen Herren Sikhs seien, was er an der weißen Farbe ihres Turbans erkannte, und dass sie daher in Indien sehr angesehen sein müssten.

Nach etwa 15 Minuten landete die Maschine in Köln-Bonn. Auf dem Weg zum Ausgang, wo die Satsangis warteten, ging der Meister ziemlich schnell vor uns her, ohne darauf zu achten, ob wir nachkamen. Der Moment, als Er dann nach draußen kam und die Satsangis schweigend begrüßte, wird wohl allen, die dabei waren, unvergesslich sein. Der Meister ging langsam an allen vorbei und sah ihnen in die Augen, so wie ein Vater, der nach langer Zeit seine Kinder wiedersieht. „Die Liebe geht über die Augen, und die stille Sprache der Augen ist oft beredter, als tausend Worte.“ – Jeder spürte wohl in diesem Augenblick die tiefe Bedeutung dieser Worte des Meisters.

Nach einigen wenigen sehr liebevollen Begrüßungsworten stieg der Meister dann schließlich in das Auto ein, das Ihn zum „Dom-Hotel“ brachte, wo Er in den nächsten zwei Tagen wohnen würde.

Der erste Satsang an diesem Tag sollte um 16:30 Uhr im Konferenzsaal des Hotels stattfinden. – An diesen Satsangs, die in den jeweiligen Hotels des Meisters gehalten wurden, nahmen hauptsächlich Initiierte teil, während die Vorträge auch noch den Zweck hatten, die Mission des Meisters in die Öffentlichkeit zu tragen.

Kurz vor dem Satsang waren einige von uns im Zimmer von Frau Fitting, als auf einmal Gyani Ji hereinkam und uns fragte, ob wir für einige Minuten zum Meister kommen wollten. Und ob wir wollten! So gingen wir ganz leise hinüber und setzten uns in einem Halbkreis auf den Boden. Nach einer Weile kam der Meister aus dem Nebenzimmer herein. Er war so herzlich und liebevoll! Auf Seinen Wunsch stellte Frau Fitting Ihm alle einzeln vor. Bei einem der Lieben, der schon mehrmals im Ashram gewesen war, fügte sie hinzu: Herr Soundso, den der Meister ja sicher wiedererkenne. Der Meister wandte sich darauf hin an den Herrn und fragte ihn: „Erkennen Sie mich wieder?“ – Dabei lachte Er herzlich. Er hat so viel Humor! Dann fragte Er uns, ob wir alle englisch verstünden. Einer der Lieben sagte, es täte ihm so leid, dass er die Sprache des Meisters nicht verstünde, worauf der Meister entgegnete: „Der Meister spricht eine andere Sprache, die jeder verstehen kann. Seine Sprache geht über die Augen.“ Während des folgenden Gesprächs schaute Er fast ununterbrochen diesen Herrn an, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht initiiert war.

Der Meister sprach über den Pfad der Meister, die Notwendigkeit, uns über den Körper zu erheben und dadurch aus der Welt der Täuschung hinauszukommen. Er sagte, der menschliche Körper sei die goldene Gelegenheit, unser Wahres Selbst zu erkennen und uns auf den Weg zurück zu unserer Wahren Heimat zu begeben. Er sprach etwa eine Viertelstunde zu uns. Welche Gnade war es, so vor Ihm sitzen und in Sein strahlendes Gesicht schauen zu dürfen! Der Zauber, der von Ihm ausgeht, ist einfach unbeschreiblich.

Schließlich war es schon fast 17:00 Uhr, und so ging der Meister hinunter in den Konferenzraum, wo ungefähr 150 Satsangis auf Ihn warteten. Die meisten von ihnen hatten schon längere Zeit meditiert, und es herrschte vollkommenes Schweigen, als der Meister eintrat. Alle erhoben sich und der Meister sah ihnen liebevoll in die Augen, während Er nach vorn ging.

Er begann Seine Ansprache, indem Er die Lieben, die zum Teil noch nicht am Flughafen hatten sein können, noch einmal begrüßte:

Einige von Ihnen habe ich schon bei meiner letzten Weltreise 1963 gesehen, andere sind inzwischen neu dazugekommen. Sofern ihr noch nicht im Ashram wart, sehe ich euch heute zum ersten Mal. Diejenigen, die eine Zeit lang im Ashram waren, sind etwas besser zurückgekommen.

Der Meister sagte dann, Er habe eigentlich schon im letzten Jahr kommen wollen:

Aber Mutter Natur hatte mir eine Rechnung geschickt, die zuerst beglichen werden musste.

In diesem Jahr hatte der Meister zunächst Seine Ärzte befragt, ob sie Ihm zu der Reise raten könnten, Sie rieten Ihm zum gegenwärtigen Zeitpunkt davon ab. Der Meister hatte sich dann dennoch entschieden zu kommen.

Ich musste kommen, denn die Bande der liebenden Herzen waren stärker als alle Vorsicht der Ärzte. Eure Liebe hat mich hierher gezogen.

Der Meister übermittelte uns dann die Grüße von Tai Ji.

Es ist das erste Mal in ihrem Leben, dass sie vom Meister getrennt ist. Sie ist zurückgeblieben, um während der Abwesenheit des Meisters die Arbeit im Ashram weiterzuführen. Sie hat dieses Opfer aus Liebe zu euch auf sich genommen.

Als sie die Auskunft der Ärzte hörte, hatte sie zum Meister gesagt, dass Er gehen müsse, da Seine Kinder im Westen Ihn brauchten. – Dann fuhr der Meister fort:

Ich bin kein Redner. Was ich euch sagen möchte, sage ich euch in einem Gespräch von Herz zu Herz. Die Wahrheit ist sehr einfach. Der Mensch ist Eins. Er wurde von Gott geschaffen. Gott hat alle Menschen mit den gleichen Vorrechten ausgestattet. So gibt es in Wahrheit keine Unterschiede, kein „hoch“ und kein „niedrig“. Wir sind alle gleich. Kann es irgendeinen Zweifel hierüber geben? Der Mensch nimmt den höchsten Rang in der Schöpfung ein. Wir sind glücklich, indem wir den menschlichen Körper haben, denn er ist die goldene Gelegenheit, darin zu Selbsterkenntnis und Gotterkenntnis zu gelangen. Alle Meister, Die in der Vergangenheit kamen, haben gesagt: Der menschliche Körper ist der Wahre Tempel Gottes. So müssen wir Gott in uns suchen.

Der Meister sagte dann, dass wir diese Wahrheit vergessen hätten. Wir hätten uns so sehr mit der Welt identifiziert, mit unserem Körper und allem, was zu ihm gehört, dass wir glaubten, wir seien der Körper. – Die Seele hat sich an das Gemüt gebunden, das Gemüt an die Sinne und die Sinne an die äußeren Freuden. So treiben wir hilflos im Meer des Lebens umher und wissen nicht, wer wir wirklich sind. Der Meister hat bei der Initiation unser Inneres Auge geöffnet, Er hat uns dem Weg gezeigt, der aus dieser Welt der Täuschung hinausführt. Jeder von uns hat ein Kapital in die Hand bekommen, der eine mehr, der andere weniger. – Dieses Kapital muss entwickelt werden.

Und nochmals wies der Meister auf die Einheit hin, die Einheit der Menschen und die der Satsangis im Besonderen, da sie die Wahren Brüder und Schwestern in Gott sind. – Wir sollten alle dasselbe Ziel vor Augen haben und uns gegenseitig in der Sache des Meisters bestärken.

Ihr solltet zusammenarbeiten. Ihr habt Frau Fitting, die hier die Arbeit leitet. Ich bin glücklich, sie zu haben. Ihr solltet mit ihr zusammenarbeiten. Ihr könnt klüger werden, wenn ihr ihren Ratschlägen folgt. Sie vereint die Satsangis.

Und schließlich:

Ich habe mich gefreut, euch nach so langer Zeit wiederzusehen. Wir hatten ein Gespräch von Herz zu Herz. Nur ein Drittel von dem, was ich euch gelehrt habe, habe ich durch Worte gelehrt, zwei Drittel lernt man über die Augen – durch die Ausstrahlung und durch Empfänglichkeit. Gott segne euch alle.

Als der Meister geendet hatte, rührte sich niemand im Saale, niemand wollte sich schon von Ihm trennen.

Auch der Meister blieb sitzen und sah lange schweigend durch die Reihen der Satsangis. In dieser vollkommenen Stille, die mehrere Minuten währte, war die Atmosphäre ganz stark geladen mit Seiner Ausstrahlung. Der Meister schaute auf uns, und wir schauten auf Ihn. Es blieb da kein Raum mehr für irgendwelche äußeren Gedanken. – Nach einer Weile unterbrach der Meister die Stille mit den Worten:

Ihr lernt mehr durch die Ausstrahlung. Wenn euer Gemüt still ist, beginnt die Stille zu sprechen.

Auf Seinem Weg zur Tür ging der Meister sehr langsam durch die Reihen der Satsangis und blieb oft stehen, um den Lieben in die Augen zu schauen. – Er unterließ dies nie während der ganzen Reise. Ich konnte dabei oft beobachten, dass es nichts zu bedeuten hatte, ob man gerade nah beim Meister stand oder in einiger Entfernung von Ihm: Der Meister sah im Ganzen kaum einzelnen Satsangis in die Augen. Oft sprach Er einen an, der überhaupt nicht darauf gefasst war. Und ich konnte bei mir selbst feststellen, dass, wenn immer ich auch nur den leisesten Wunsch hatte, jetzt möchte der Meister auch mir einen Blick schenken, Er ganz bestimmt gerade dann in eine andere Richtung sah. Was hatte das zu bedeuten?

Je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer kam mir folgender Gedanke:

Der Blick des Meisters ist eine große Gnade. Sobald man seinen eigenen Willen mit hineinbringt, ist das Gefäß nicht mehr rein, man ist dann nicht mehr offen für das, was Er uns geben will. Wir wussten, dass diese Tage sehr kostbar waren und sehr kurz, und so entstand manchmal der Wunsch, „so viel Liebe wie möglich“ vom Meister aufzufangen, besser wäre es wahrscheinlich gewesen, so viel Hingabe wie möglich zu entwickeln. Wenn wir die Liebe des Meisters für uns persönlich wollen, heißt das dann nicht, dass der Meister unser Ego lieben soll, unser Gemüt? Aber der Meister liebt in Wahrheit unsere Seele, unser Höheres Selbst. Wenn Er auf die vielen Schleier des Gemüts schauen würde, was bliebe dann Liebenswertes an uns? – Der Meister sagte: „Wir sind Eins.“ – So kam mir der Gedanke, dass ich mich eigentlich genauso freuen sollte, wenn der Meister jemand anderem Seinen Blick schenkt, wie wenn ich es selbst wäre.

Der nächste Morgen, Sonntag, der 27. August, begann mit einem Satsang um 09:00 Uhr. Der Meister sprach über die Notwendigkeit, die Tagebücher regelmäßig zu führen und der Meditation regelmäßige Zeit zu widmen. Er wies dabei auf den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Selbstanalyse durch das Tagebuch und den spirituellen Fortschritt hin. Mit Hilfe des Tagebuches werden wir mit der Zeit mehr und mehr Herr über unsere Gedanken werden und damit auch über unsere Worte und Taten. Die Kontrolle über die Gedanken zusammen mit regelmäßiger und genau ausgeführter Meditation wird schließlich zu der Reinheit des Herzens führen, die notwendig ist, um spirituell fortzuschreiten.

Schon nach den wenigen Worten, die der Meister gesprochen hatte, bevor Er uns dann meditieren ließ, merkte ich, dass Seine Ausstrahlung kühlend und beruhigend auf das Gemüt wirkt. In Seiner Gegenwart werden die Dinge einfach und klar, so dass kein Raum mehr bleibt für Gefühle, verschwommene Vorstellungen oder intellektuelle Schlussfolgerungen.

Seeing is above all. – Sehen steht über allem.

So oft ich diesen Satz auch in den Schriften gelesen hatte, noch nie hatte er so viel Gewicht gehabt, wie in der physischen Gegenwart des Meisters.

Bevor wir dann mit der Meditation begannen, gab der Meister uns mehrmals hintereinander die genauen Instruktionen, wie Er es in den folgenden Tagen immer wieder tat. – Einmal wurde Er gefragt, wie man sich am besten auf die Meditation vorbereiten könnte. Er antwortete, die beste Vorbereitung sei das Gebet. Wir sollten in einer demütigen Haltung zum Meister beten, dass Er uns einen Auftrieb geben möge.

Als wir eine knappe halbe Stunde meditiert hatten, sagte der Meister: „Leave up, please.“ – „Hört nun bitte auf.“ – Anschließend fragte Er im Einzelnen nach unseren Erfahrungen, das heißt, Er nannte die verschiedenen Möglichkeiten und forderte uns auf, jeweils die Hand zu heben. Der Meister machte Sich nach jeder Meditation Notizen über das Ergebnis. Da sich auch auf die Frage, wer gar kein Licht gesehen habe, Einzelne meldeten, erklärte der Meister die möglichen Ursachen dafür:

  1. Der Gedanke an den Atem, was zu Verkrampfungen führt und die Aufmerksamkeit teilt.

  2. Der Gedanke an die Stirn. Dadurch entsteht Spannung in der Stirn, welches Kopfschmerzen hervorrufen kann. Daher betont der Meister immer, die Aufmerksamkeit nicht direkt zwischen den Augen zu konzentrieren, sondern auf das, was vor den Augen liegt.

  3. Der Wunsch, etwas zu sehen. Wir sollten unsere ganze Hoffnung in die Meisterkraft setzen. Wir sollten es der Meisterkraft überlassen, uns eine Innere Erfahrung zu geben.

  4. Das Denken an den Körper unten, wodurch auch die Aufmerksamkeit geteilt ist. Deshalb sagt der Meister auch, wir sollten uns nicht mehr bewegen.

  5. Es kommt auch vor, dass jemand bei der Meditation einschläft, so dass er natürlich keine Erfahrung haben kann. Man sollte sich am besten immer dann zur Meditation setzen, wenn man frisch ist.

Nachdem das weitere Programm für diesen Tag festgelegt worden war, war dieser Morgen-Satsang beendet.

Im Zusammenhang mit der Meditation kommen mir wieder die Worte Gyani Jis in den Sinn, die er an einem Abend sagte, als einige von uns etwas haarspalterische Überlegungen über die richtige Ausübung der Meditation anstellten:

Meditation ist in erster Linie eine Sache der Liebe. Wenn auch die Liebe zwischen Gott und der Seele etwas viel Höheres ist als die irdische Liebe, so kann diese uns doch oft veranschaulichen, was wir anders nur schwer verstehen: Wenn eine Braut nach ihrem Geliebten Ausschau hält, wird sie sich da Rechenschaft geben, ob sie genau nach vorn schaut, in welche Entfernung von ihren Augen ihr Blick gerichtet ist oder dergleichen? – Ganz sicher nicht. – Sie wird einfach voller Liebe und Sehnsucht unverwandt in die Richtung schauen, aus der Er kommen muss. Sie ist so vertieft in ihrer Erwartung des Geliebten, dass sie darüber ohne Anstrengung alles andere vergisst. – Der Weg, den der Meister lehrt, ist genauso einfach und natürlich. Es ist alles eine Sache der Liebe.

Dann fuhr er fort:

Eine große Hilfe liegt darin, während des Tages seine Pflichten mit voller Aufmerksamkeit zu verrichten. Der Meister gibt den wichtigen Rat, immer nur eine Sache auf einmal zu tun. Die Pausen zwischen den einzelnen Beschäftigungen sollte man in liebevoller Erinnerung an den Meister verbringen. So wird die Braut in jeder freien Minute denken: Was wird mein Geliebter jetzt tun, wo hält er sich gerade auf? – Unsere Gedanken müssen den Meister anziehen, und Er wird mit tausendmal größerer Liebe an uns denken.

Durch eine solche Konzentration sollten wir auch in der Lage sein, die Wünsche, die ständig wie Ameisen aus dem Gemüt aufsteigen, hinauszuschaffen und so unser Gefäß leer zu halten. Dann wird es uns auch nicht schwerfallen, uns bei der Meditation für die Meisterkraft zu öffnen und voller Liebe nach Ihm Ausschau zu halten.

Gyani Ji beendete seine Ausführungen, indem er sagte:

Ein wichtiger Faktor bei allem ist natürlich die Zeit. – Man is in the make, and man making takes time. – Der Mensch ist in der Entwicklung, und die Heranbildung zum Menschen braucht Zeit. Wir sollten unser Bestes geben und unsere Hoffnung in den Meister setzen. Eine große Kraft ist das Gebet. Betet einfach: Meister, ich bin Dein schlechtes Kind. Du hast so viel Sorge meinetwegen. Ich bitte Dich, reinige Du mich von meinen Fehlern, denn ich allein kann es nicht. Aber ich werde tun, was in meinen Kräften steht.

Ein solches aufrichtiges Gebet wird der Meister niemals überhören.

So wie die Mutter ihr geliebtes Kind nicht ewig auf dem Arm tragen kann, sondern ihm alle mögliche Hilfe gibt, damit es selbst laufen lernt, so will der Meister, dass wir an Seiner Hand laufen lernen, dass wir spirituell stark werden.

Und nochmals: „Der Mensch ist in der Entwicklung, alles braucht seine Zeit.“

Der nächste Satsang an diesem Tag fand um 16:30 Uhr statt. Dieses Mal beantwortete der Meister Fragen, die nicht persönlicher Art sein sollten, sondern von allgemeinem Interesse. Als Ihn am Morgen einer der Lieben gebeten hatte, doch mehr im großen Kreis Fragen zu beantworten als in Einzelgesprächen, damit alle Satsangis so oft und so lange wie möglich in Seiner Gegenwart sein könnten, hatte der Meister heiter und liebevoll geantwortet:

Ja, in Ordnung. Frau Fitting mag das Programm machen. Ich werde mich dann danach richten. – I am prepared like a soldier. – Ich bin bereit wie ein Soldat.

Mehrere Fragen bezogen sich auf die Meditation. Der Meister sagte dazu, dass es vor allem auf Regelmäßigkeit in den Übungen ankomme. – Es ist uns selbstverständlich, unserem Körper regelmäßig Nahrung zu geben. Die Nahrung für die Seele ist aber noch viel wichtiger als die Nahrung für den Körper. Während der Meditation sollen wir den Körper vollständig vergessen.

Wir gehören nicht in den Körper, unsere Heimat liegt außerhalb des Körpers.

Wenn man diese letzten Worte des Meisters hört und sich dabei unsere gegenwärtige Situation vor Augen führt – wo wir spirituell stehen – wird man sehr nachdenklich werden.

Das ABC der Spiritualität beginnt mit dem Übersteigen des Körperbewusstseins,

lautet ein anderer Satz des Meisters. So waren die meisten von uns nicht einmal ABC-Schützen? …

Bei diesem Gedanken fielen mir immer die folgenden Worte Gyani Jis ein: Er war gefragt worden, warum der Meister nur so kurze Zeit in Europa bleibe im Gegensatz zu den Staaten, für die doch ein ungleich längerer Zeitraum vorgesehen war. Gyani Ji hatte geantwortet:

Die Reise des Meisters lässt sich mit dem Start eines Flugzeuges vergleichen: Zuerst rollt die Maschine am Boden an, dann hebt sie ein wenig ab und gewinnt schließlich immer mehr an Höhe. In der gleichen Weise richtet sich auch das Reiseprogramm des Meisters nach der Inneren Entwicklung der Satsangis. Der Meister bleibt an Orten am längsten, wo die Empfänglichkeit der Schüler am größten ist.

Wie immer wieder aus den Schriften des Meisters hervorgeht, ist es eine notwendige Voraussetzung für den spirituellen Fortschritt, dass wir unsere Lage richtig einschätzen. Auch in diesen Tagen forderte Er uns mehrmals auf:

Prüft, wo ihr steht!

Oder auch:

Kritisiert euch selbst genauso scharf, wie ihr sonst andere kritisiert! Schont euch nicht!

Wir befinden uns gegenwärtig in einer ständigen Selbsttäuschung. Wir haben Angst davor, uns so zu sehen, wie wir wirklich sind. Warum eigentlich? – Der Meister kennt doch ohnehin alle unsere Fehler viel, viel besser als wir selbst, und trotzdem hat Er uns angenommen. Aber Er möchte, dass wir endlich ehrlich gegen uns selbst sind, wenn wir spirituell fortschreiten wollen. Wenn wir uns das höchste Ziel gesteckt haben, müssen wir natürlich auch den höchsten Maßstab an uns anlegen.

Eine große Mystikerin hat gesagt:

Sich in Gott sehen müssen, führt zur tiefsten Verdemütigung, aber sich in Gott sehen dürfen, heißt immer: der eigenen Nichtigkeit und Verwerflichkeit im Spiegel der Ewigen Liebe innewerden.

Ein Satsangi stellte dem Meister eine Frage, die sich auf eine höhere Berufsausbildung bezog. Der Meister antwortete darauf:

Wir müssen uns über unser letztes Ziel klar werden. Was wollen wir in diesem Leben erreichen? Wünschen wir eine weltliche Karriere oder spirituellen Fortschritt? Die meisten von uns treiben ständig hin und her. Einmal wollen wir die Welt, mal dies und ein andermal jenes. Wir müssen uns entscheiden. An erster Stelle sollte Gott stehen, erst an zweiter Stelle die Welt. Natürlich müssen wir in der Welt das Geben und Nehmen ausgleichen, aber unsere wichtigste Aufgabe ist es, uns selbst zu erkennen und den Tod, unseren größten Feind, zu besiegen.

In Seiner Antwort auf eine weitere Frage veranschaulichte der Meister, wie Sich Heilige verhalten, wenn Sie zu unrecht angegriffen werden:

Heilige werden oft vom Hass der unwissenden Menge verfolgt. Ein Großer Heiliger wurde sogar dazu verurteilt, durch Marter zu sterben. Er wurde gefragt: ,Was geschieht mit denen, die euch Gutes wollen?‘ Er antwortete: ,Sie sind hundert Mal gesegnet.‘ Dann fragte man Ihn: ,Und was ist mit jenen, die euch Böses wollen?‘ - ,Sie sind tausend mal gesegnet.‘ – war die Antwort des Heiligen.

Am Schluss dieses Satsangs sagte der Meister:

Der menschliche Körper ist eine goldene Gelegenheit und wir haben ihn erhalten, um darin Gott zu erreichen. Wir haben so viel für unseren Körper und Intellekt getan. Nun sollten wir auch etwas für unsere Seele, für uns selbst tun.

Und auch heute fügte Er hinzu:

Was ich euch heute gelehrt habe, habe ich nur zu einem Drittel durch Worte gelehrt. Zwei Drittel lernt man durch die Ausstrahlung, wenn man empfänglich ist. Die Ausstrahlung wirkt ständig, gleichgültig, in welcher Entfernung sich der Schüler vom Meister befindet. Der Meister mag jenseits der sieben Meere leben und der Schüler auf der anderen Seite. – Die äußere Entfernung zählt nicht. Christus hat gesagt: ,Wo zwei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.‘

Was ist Liebe zum Meister? – Kein anderer Gedanke ist da als der an Gott. Nichts sollte zwischen dir und dem Meister stehen. Was ist ein Meister? Gott ist im Meister. Er ist im Menschen. Es ist die Göttliche Ausstrahlung, die ihr durch den Meister empfangt. Empfänglichkeit ist notwendig. Es gibt Hoffnung für jeden. Jeder Heilige hat eine Vergangenheit, jeder Sünder hat eine Zukunft. Zuweilen sind Heilige direkt vom Himmel gekommen, aber ich sage euch, für jeden ist Hoffnung. Auch ich war einmal wie ihr. – Gott segne euch alle.

Genau wie am Vortag wollte auch heute nach den letzten Worten des Meisters niemand gehen. Gerade bevor sich der Meister erhob, fragte Ihn jemand laut, was jeder Einzelne im Raum dachte, nämlich ob Er noch einige Minuten schweigend bei uns bleibe. – Ich glaube, während der ganzen Reise hat der Meister uns diese Bitte nicht ein einziges Mal abgeschlagen.

Am Abend fand ein öffentlicher Vortrag des Meisters im Wallraf-Richartz-Museum statt. Ich ging schon recht früh dorthin. Unterwegs kam ich durch eine sehr belebte Straße und sprach jemanden an, um mir den Weg zum Museum sagen zu lassen. Der Herr antwortete mir zu meiner Überraschung: „Ach, wollen Sie auch heute Abend zu dem Vortrag von Sant Kirpal Singh?“

Es kamen lange vor Beginn des Vortrages so viele Menschen, dass der Saal schon bald brechend voll war. Gegen 19:45 Uhr waren nach polizeilichen Bestimmungen bereits fünfzig Menschen zu viel im Raum und so konnte niemand mehr hereingelassen werden. Viele Leute, die schon am Eingang standen, mussten wieder weggeschickt werden. – Wie wir später erfuhren, kamen auch am nächsten Tag, für den nach dem ursprünglichen Programm ein zweiter Vortrag vorgesehen war, noch sehr viele Menschen.

Als der Meister um 20:15 Uhr eintraf, erhoben sich nicht nur die Satsangis, sondern alle im Saal, und sie blieben stehen, bis Er vorn Platz genommen hatte. – Sein Podium und das Pult des Übersetzers waren dicht umringt von Jugendlichen, die sich aus Platzmangel auf die Bühne gesetzt hatten.

Während des Vortrages herrschte eine wunderbar konzentrierte Atmosphäre. – In der Gegenwart des Meisters werden selbst fremde Menschen zu einer Familie. So stark ist die vereinende Kraft, die von Ihm ausgeht. – Jemand hatte einmal einen Unterschied zwischen Satsangis und jenen, die nicht initiiert sind, gemacht und der Meister hatte geantwortet:

Die Meister machen keinen Unterschied zwischen Initiierten und Nichtinitiierten. Alle sind Satsangis, alle sind Kinder des einen Gottes.

Während der Meister sprach, hatte ich das Gefühl, dass Er gleichzeitig unendlich weit entfernt von uns ist, unbeeinflusst von allem, was um Ihn geschieht, und doch jedem von uns viel, viel näher, als wir ahnen.

Der Meister sprach über den allgemeinen Irrtum, dass wir glauben, wir seien der Körper, den wir aber ja alle eines Tages einmal ablegen müssen.

Wir haben alle unser Wahres Selbst vergessen, und die Meister sind gekommen, um uns zu zeigen, wer wir wirklich sind, und um uns in unsere Wahre Heimat zurückzuführen.

Die knappen und bestimmten Gesten des Meisters unterstreichen noch die Klarheit und den Zauber Seiner einfachen Worte. In Seiner Gegenwart werden alle Dinge zurechtgerückt, alles wird klar – der Intellekt und die Gefühle sind still, so dass Seine Worte in tiefere Bewusstseinsschichten eindringen können.

Am Ende des Vortrags war alles still, niemand applaudierte. Der Meister verabschiedete Sich auf so liebevolle Weise, indem Er sagte:

Dies war keine Rede, die ich Ihnen gehalten habe, sondern ein Gespräch von Herz zu Herz. Ich danke Ihnen, dass Sie mir zwei Stunden lang zugehört haben.

Der Vortrag hatte etwa zwei Stunden gedauert. Als der Meister gerade ins Auto gestiegen war und man schon anfahren wollte, kam noch ein junges Mädchen an den Wagen gelaufen, so dass Er noch einmal das Fenster herunterdrehte. Sie fragte ziemlich aufgeregt, wann sie denn so schnell wie möglich die Initiation bekommen könnte. Es schien ihr so ernst damit zu sein, dass der Meister schließlich sagte, Er sei am 1. und 2. September in Stuttgart und wenn sie wolle, könne sie dorthin kommen. Dann fuhr Er zum Hotel.

Obwohl es inzwischen 22:30 Uhr geworden war, führte Er dort noch viele persönliche Gespräche. – Fast immer, wenn man in diesen Tagen in der Zeit zwischen den Satsangs und Vorträgen an der Tür des Hotelzimmers vorbeikam, in dem der Meister gerade wohnte, konnte man dort eine größere Zahl von Satsangis sehen, die auf ein persönliches Gespräch mit dem Meister hofften. Es waren auch viele dabei, die Ihn um die Initiation bitten wollten. Manchmal kamen so viele Menschen im Flur zusammen, dass sie gebeten werden mussten, im Erdgeschoss des Hotels zu warten, bis sie einzeln zum Meister hereingerufen würden. Da der Andrang so groß war, mussten sich einige von ihnen über mehrere Stationen der Reise hin gedulden, ehe sie an der Reihe waren. Der Meister ließ sich kaum einmal eine Ruhepause – von morgens bis spät abends war Er für Seine Kinder da. Selbst auf Seinem Weg vom Konferenzraum zu Seinem Zimmer war Er dauernd dicht umringt.

Es war schön zu beobachten, wie alle, die aus dem Zimmer des Meisters herauskamen, voller Trost und zufrieden zu sein schienen!