Paris

VII

Für den Aufenthalt in Paris waren ursprünglich nur zwei Tage vorgesehen, wie für alle anderen Städte. Da aber der Meister noch während der Reise entschied, nicht nach Malta zu gehen, standen diese beiden Tage noch für Paris zur Verfügung.

So flog der Meister am Donnerstag, dem 7. September, um 10:00 Uhr von Mailand ab und erreichte ungefähr 1 ½ Stunden später Paris. Mit Ihm und Seiner Party flogen diesmal elf Satsangis und etwa 30 bis 35 weitere kamen auf dem Landweg – meist von Zürich aus – nach Paris. Zusammen mit den Pariser Satsangis waren am ersten Nachmittag etwa 100 Menschen im Hotel „Saint James et d’Albany“ auf der Rue de Rivoli zum Satsang gekommen.

Das Thema war die Bedeutung des Lebenden Meisters und die Notwendigkeit, sich von den äußeren Bindungen zu befreien.

Wir müssen das Mysterium des Lebens lösen. Dieser Körper hat nur so lange einen Wert, als er von der Seele belebt ist, der kontrollierenden Kraft, die in ihm wirkt. Sobald sich die Seele im Augenblick des Todes zurückzieht, bleibt der Körper als leblose Materie zurück. Wir müssen den Körper verlassen. Von dieser Regel gibt es keine Ausnahme. Der Körper ist unser erster Gefährte in dieser Welt und im Laufe unseres Lebens binden wir uns mehr und mehr an die äußeren Dinge, mit denen wir durch den Körper in Berührung kommen. Wir sollten den eigentlichen Zweck verstehen, für den wir diesen Körper erhalten haben: Er ist die goldene Gelegenheit, unser Wahres Selbst und Gott zu erkennen. Gott ist Liebe und die Seele ist von der gleichen Substanz wie Gott. Alle Meister haben gesagt: Liebe Gott, den Herrn, von ganzem Herzen und mit all deiner Kraft. – Das ist der Weg zurück zu Gott.

Die Liebe zu äußeren Dingen ist keine Liebe, sondern Verhaftetsein. Löst euch von den äußeren Bindungen. Diese Welt ist nicht eure Wahre Heimat. Ihr seid auch nicht der Körper, sondern der Bewohner des Körpers. Beides müssen wir einmal verlassen. So bindet eure Liebe an etwas Bleibendes, und das ist Gott. Die Meister haben Mitleid mit uns und Sie zeigen uns den Weg zurück zu Gott. Sie sagen: Wir müssen das Körperbewusstsein übersteigen, wir müssen uns über die Welt der Täuschung erheben.

Die Worte des Meisters haben eine ungeheure Kraft durch ihre Wiederholung. Es ist nicht genug, die Lehren des Meisters intellektuell zu verstehen, sondern wir müssen sie wirklich zu einem Bestandteil von uns machen. Seine Worte sind geladen mit der Meisterkraft und durch ihre Wiederholung ziehen sie das zerstreute Gemüt an wie ein gewaltiger Magnet, um es auf diese Weise für Seine Ausstrahlung empfänglich zu machen. Oft erlebte ich, dass ich, ohne mir dessen sofort bewusst zu sein, in Gedanken dauernd irgendeinen Satz des Meisters wiederholte, der sich mir besonders eingeprägt hatte, und ich merkte dabei, wie eine Kraft davon ausging, die das Bewusstsein unwillkürlich zum Augenbrennpunkt lenkte, dem Simran vergleichbar.

So ging es mir vor allem mit den Worten:

You must rise above body consciousness. – Ihr müsst euch über das Körperbewusstsein erheben.

und:

God is Love, and Love is God, and the Way back to God is also Love. – Gott ist Liebe, und Liebe ist Gott, und der Weg zurück zu Gott ist auch Liebe.

Die Lehren des Meisters sind so einfach, und so sind es auch Seine Worte und die Art, in der Er spricht. Immer wieder ist man verwundert über die völlige Übereinstimmung zwischen Seinen Worten, Seinen Gesten und der Kraft, die von Ihm ausgeht!

Wie oft kamen mir in Seiner Gegenwart die Worte in den Sinn:

Kommt heim, meine Kinder, ich warte auf euch!

Der Satsang am nächsten Vormittag begann mit einer Meditation. Auch hier gab Er ganz genaue Anweisungen in Bezug auf die richtige Art der Meditation. Er sagt, der beste Weg der Vorbereitung für die Meditation sei das Gebet.

Betet in einer bescheidenen und aufrichtigen Haltung, dass der Meister euch emporheben möge. Dies wird von großer Hilfe sein.

Nach der Meditation gab Er uns Gelegenheit, Fragen zu stellen. Jemand sagte, es sei sehr schwer, dem Meister zu glauben, wenn man bei der Initiation keine Innere Erfahrung gehabt hätte, von der in den Schriften die Rede sei.

Der Meister erklärte, dass Er von niemandem blinden Glauben erwarte. Wirklich glauben bedeute, gesehen zu haben. Er erinnerte an das Ergebnis der Meditation an diesem Morgen und sagte dazu:

Wenn von 100 Menschen in diesem Raum vier nichts gesehen haben und alle übrigen eine Erfahrung des Lichts hatten, dann bedeutet das nicht, dass das, was der Meister sagte, nicht richtig ist. Wenn man keine Erfahrung hat, dann liegt das nur an irgendwelchen Fehlern, die man bei der Meditation macht. – Wie gering die Anfangserfahrung auch sein mag, sie hängt von dem Hintergrund des Einzelnen ab; der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach. Man muss ein Kapital haben, mit dem man beginnen kann. Das Wort „Guru“ bedeutet, dass diese Person fähig ist, den Schleier zu zerreißen.

Auch hier in Paris kam die Frage auf, was Selbstunterwerfung bedeute. – Der Meister erzählte daraufhin eine Geschichte von Guru Amar Das, die ein sehr eindrucksvolles Zeugnis Wahrer Selbstunterwerfung ist: Der Guru wollte prüfen, wie weit die Ergebenheit und das Vertrauen Seiner Schüler zu Ihm entwickelt war und so befahl Er eines Tages, an einem bestimmten Platz Terrassen zu bauen. Als die Schüler diese Arbeit fast beendet hatten, erklärte der Meister auf einmal, Er habe sich in der Stelle geirrt und sie sollten die Terrassen wieder abreißen, um sie an einer anderen Stelle wieder aufzubauen. – Dies wiederholte Er mehrere Male, bis immer mehr Seiner Schüler sagten, der Meister sei alt geworden und Sein Verstand habe offensichtlich gelitten. Und so kam es, dass schließlich nur noch ein einziger Schüler beim Bau der Terrassen blieb – der Nachfolger von Guru Amar Das, Dayanand Lal.

Auf die Frage, warum er nicht auch gegangen sei wie die anderen antwortete der ergebene Schüler mit Tränen in den Augen:

Meister, Ihr seid Allweisheit, Ihr allein seid vollkommen, was immer Ihr sagt und tut, ist richtig. Wie könnte ich Euch da verlassen?

Der Meister erklärte, dass der Weg zu einer solchen Ergebenheit über die Selbstdisziplin führe, die dann nach und nach zur Selbstunterwerfung werde.

Während des Satsangs, einige Zeit nach der Meditation, hatte auf einmal eine Frau laut zu schluchzen angefangen, und selbst, als man sie nach draußen geführt hatte, hörte man noch ihr lautes Weinen. Jemand fragte nun den Meister, wie Er diese Reaktion erkläre. Der Meister antwortete darauf ganz einfach, ohne der Begebenheit größere Bedeutung beizumessen, wie es schien:

Wenn jemand eine höhere Erfahrung gehabt hat, so ist dies eine natürliche Reaktion. Wenn du nach langer Zeit einen Freund wiedersiehst, wirst du aus Liebe weinen.

Am Schluss wurde wie immer das weitere Programm festgelegt. Dabei sagte der Meister, wir sollten doch möglichst pünktlich kommen, da wir sonst etwas verpassen könnten. – Es waren zu diesem Satsang mehrere nach und nach einzeln hereingekommen, als der Meister schon eine Weile sprach. – Irgendwie schämte man sich in diesem Moment dem Meister gegenüber, dass es nötig war, uns auf so etwas aufmerksam zu machen.

Am Nachmittag trafen wir uns um 16:30 Uhr. – Wenn ich jetzt, nachdem die Tage in der Gegenwart des Meisters vorüber sind, daran denke, dass wir in dieser Zeit tatsächlich zwei bis drei Satsangs am Tag mit dem Meister hatten, so merke ich erst jetzt – hinterher! – wie kostbar jede einzelne Minute war. Aber leider neigt das Gemüt selbst in der Gegenwart des Meisters dazu, sich auch an so Großes nach kurzer Zeit zu gewöhnen, so dass es längst nicht jeden Augenblick, nicht einmal jede Stunde, wach genug ist, um den vollen Nutzen zu haben.

Oft, wenn ich mich auf einmal dabei ertappte, dass ich müde oder geistesabwesend war, musste ich mein träges Gemüt erst wieder zur Aufmerksamkeit zwingen, indem ich mir die Bedeutung dieser Tage vor Augen führte und mich erinnerte, wie lange wir auf den Moment gewartet hatten, wo wir in der physischen Gegenwart des Meisters sein würden. – Eine der größten Täuschungen des Gemüts ist wohl die, dass es immer in Zeitzusammenhängen denkt und so nicht in der Lage ist, ganz in der Gegenwart zu leben, die allein von Bedeutung ist.

Der Meister erklärte uns an diesem Nachmittag die wechselseitige Beziehung zwischen der Reinigung des Gemüts und dem Fortschritt in der Meditation:

Haltet euer Haus sauber. Gott ist der Herr bereits in euch, aber Er kann Sich nicht in einem Haus offenbaren, das noch voller Schmutz ist. Ihr werdet nicht erwarten, dass Er in einem solchen Haus wohnt …

Gott können wir nur ganz allein treffen. Niemand kann uns dabei helfen, wir können niemanden mitnehmen. Wir müssen auch die Sinne zurücklassen.

Es gibt Tiere, die von einem einzigen Sinn besonders beherrscht werden. Die Folge davon ist, dass sie in irgendeine Falle laufen – und so müssen sie sterben. Wie aber steht es mit den Menschen, die unter der Herrschaft aller fünf Sinne stehen? Auch sie müssen sterben. So ist die Reinheit des Herzens von größter Wichtigkeit. Christus hat gesagt: „Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“ – Was bedeutet Reinheit? Wenn unsere ganze Aufmerksamkeit an einer einzigen Stelle konzentriert ist, so wird das Reinheit genannt.

Was wollt ihr? Welches ist die vorherrschende Leidenschaft in eurem Leben? Was ist das Ziel? Was ist das Ziel, das ihr euch für euer Leben gesteckt habt? Wir müssen dies klar entscheiden. Es ist nicht nötig, die Welt zu verlassen und in die Einsamkeit der Berge zu gehen. Wir müssen unsere Pflichten gegenüber unserer Familie und anderen Aufgaben gewissenhaft erfüllen. – Wir sind aufgrund vergangener Karmas zusammengeführt worden, aber wir müssen uns ein klares Ziel setzen. Gegenwärtig wollen wir manchmal dies, dann wieder jenes, und so graben wir ständig neue Löcher in den Boden, ohne jemals auf Wasser zu stoßen. Bevor wir nicht eine höhere Wonne erlangt haben, werden wir nicht die äußeren Vergnügungen aufgeben. Wir werden fortfahren, diese äußeren Freuden zu suchen und werden nicht glücklich werden.

Wir sind sehr unglücklich. Was ist es, durch dessen Kenntnis man für immer zufrieden ist? Christus sagte: „Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird ewiglich nicht dürsten.“

Unser wichtigste Aufgabe ist es, unser Haus zu reinigen. Wie können wir davon träumen, dass der König der Könige in einem schmutzigen Haus wohnen wird? Wenn ein Herz rein ist, so wird Er natürlich erscheinen. Das Innere Licht ist da, um euch emporzuziehen. Gott hat die Meister in die Welt geschickt, um Seine Kinder zurückzubringen.

Bringe sie zurück, denn ich möchte sie glücklich sehen! Ihr müsst von neuem geboren werden.

Am Nachmittag beantwortete der Meister wieder Fragen:

“Warum haben wir die Heimat unseres Vaters verlassen?”

Der Meister antwortete, dass dies natürlich eine sehr wichtige Frage sei, dass sie aber eher aus dem Intellekt kommt.

Er fuhr fort:

Wir müssen Ihn im Innern finden, um die Antwort auf diese Frage zu erhalten. Es ist Gott, Der uns hierher gesandt hat, und wenn wir unglücklich sind, wird Er uns an einen Ort bringen, wo wir Trost finden. Gott ist überall. Ihr seid Seine Kinder. Gott ist Liebe, und ihr seid es auch. Warum haben wir das vergessen? Die Meister bringen uns die Religion der Liebe. Vergesst Gott nicht! Geht zurück zu Ihm! Geht in eure Wahre Heimat! Gott hat die Meister zu uns gesandt. Sie nehmen Sich Ihrer Kinder an. Die wichtigste Frage für uns ist, wie wir Liebe zu Ihm entwickeln können. – Wir lieben unsere Familie, unsere Freunde, unser Land, unsere Religion. Jene, die Gott lieben, gehen zu Ihm zurück. Wir müssen die Gesellschaft jener suchen, die Gott lieben und nicht die derer, die die Welt lieben. Lasst alle Bücher beiseite – liebt nur Gott! Gott ist Liebe und wir sind von derselben Substanz wie Gott. Liebt Gott, liebt jeden Menschen, liebt seine ganze Schöpfung! Die Heiligen bringen nur eine Religion, die Religion der Liebe.

Am Abend folgte der Meister einer Einladung des Direktors der „Moschee von Paris“, M. Boubakeur. M. Boubakeur war bereits zwei Mal im Sawan-Ashram gewesen und hatte, als er von der Weltreise des Meisters hörte, die Gelegenheit wahrgenommen, Ihn in die Moschee einzuladen. Er hieß auch alle Satsangis willkommen.

Die meisten von uns trafen schon einige Zeit vor der Ankunft des Meisters dort ein. M. Boubakeur begrüßte uns in einem Vorraum der Moschee und bat uns sehr freundlich, dort so lange zu warten, bis der Meister komme, da es nicht anginge, dass jemand vor Ihm die Moschee betrete. Er hatte offensichtlich eine sehr hohe Achtung vor dem Meister.

Als der Meister kam, führte er Ihn und die Satsangis in einen der Innenräume der Moschee. Ich blickte erst einmal verstohlen im Raum umher, denn ich war von der kostbaren Einrichtung, die sehr fein und geschmackvoll war – nicht prunkvoll und überladen – sehr beeindruckt. Es war ein kleiner Raum mit Wandteppichen, kostbaren Leuchtern und anderen Dingen geschmückt. Gegenüber dem Eingang stand ein langer, schmaler Tisch mit Sitzbänken darum, quer zu den Stühlen, auf denen wir saßen. M. Boubakeur bat den Meister, vorn an diesem Tisch Platz zu nehmen, zusammen mit zwei weiteren mohammedanischen Würdenträgern und einigen Satsangis. Man staunte, wie herzlich und natürlich alles verlief, ohne irgendwelches Ritual, ohne Konvention. Zunächst begrüßte M. Boubakeur den Meister und dankte Ihm dafür, dass Er ihm den Wunsch erfüllt hatte, hierher zu kommen. Er erwähnte dann seinen zweimaligen Aufenthalt im Ashram in Delhi und seine Teilnahme an einer der dortigen Konferenzen der Weltgemeinschaft der Religionen, die der Meister geleitet hatte. Er sagte, es sei ein historisches Ereignis in den Annalen der Moschee, den Meister hier empfangen zu dürfen, Der ein Pionier der Spiritualität unserer Zeit sei und für die Versöhnung, Freundschaft und Einigkeit aller Glaubensbekenntnisse wirke.

Als er geendet hatte, hielt der Meister eine Ansprache, von der im Folgenden einige Auszüge wiedergegeben sind. Nachdem Er zunächst M. Boubakeur sehr herzlich für seine liebevollen Worte gedankt hatte, fuhr Er fort:

Wir sind alle Eins. Der Innere Weg ist derselbe für alle. Die Gotteskraft ist in uns und kontrolliert uns genauso wie das Universum. Wir sind nur Marionetten in Seinen Händen. Die Meister sind von Zeit zu Zeit in die Welt gekommen, um diese Wahrheit neu zu beleben.

Sie sagen: Gott ist Liebe, und der Weg zurück zu Gott ist auch Liebe. Liebe Gott mit deinem ganzen Herzen und, da Gott in jedem Herzen wohnt, liebe auch deinen Bruder. Alle Uneinigkeit zwischen den Religionen entsteht nur durch die Engherzigkeit der Menschen. Sie glauben sich von Gott getrennt und sehen nicht, dass Gott in allen wirkt.

Und direkt an M. Boubakeur gewandt sagte Er:

Alle religiösen Führer sollten sich um die Einheit bemühen. Bringt die Welt zusammen! – Maulana Rumi hat gesagt:

„Wir wissen so viel über unseren Körper und den Intellekt, aber was wissen wir von unserem Wahren Selbst?“ – und: „Nehmt den menschlichen Körper als die Wahre Kaaba.“

Der Meister zitierte hier in der Moschee noch mehrmals die großen Moslem-Heiligen, während Er bei anderen Vorträgen, die vor allem von Christen besucht wurden, besonders häufig die Worte von Jesus Christus wiedergab. So geht Er immer liebevoll auf Seine Zuhörer ein, indem Er die Worte der ihnen am besten bekannten Menschheitslehrer anführt.

Es ist ein großer Segen, den menschlichen Körper erhalten zu haben. Gott wohnt darin und wir auch. Aber es ist bedauerlich, dass wir nicht zu Ihm sprechen können. Warum können wir es nicht? – Wir müssen uns zuerst über das Körperbewusstsein erheben.

Das Gemüt wird von lieblichen Melodien und schönen Dingen angezogen. Wenn es einmal die Inneren Wonnen gekostet hat, verlässt es von selbst die äußeren Freuden. O Mensch, ziehe dich von außen zurück und gehe nach Innen!

Wenn ihr Gott liebt, werden euch alle anderen Dinge zufallen. Wenn unser Wunsch, Gott wiederzufinden, groß genug ist, trifft Er Vorkehrungen, um uns zu Ihm zurückzubringen.

Der Meister schloss Seine Ansprache mit den Worten:

Wir sind alle Brüder und Schwestern in Gott. Wir sind glücklich, dass wir zusammen sind, um die alten Lehren zu verstehen.

Dann wandte Er sich nochmals an M. Boubakeur, der neben Ihm saß:

Ich freue mich, dass wir dieses Gespräch miteinander hatten. Ich bin jetzt hierher nach Paris gekommen, wann werden Sie in den Ashram nach Indien kommen?

M. Boubakeur antwortete auf diese Frage:

Im Augenblick halten mich die Pflichten meines Amtes noch in Paris, aber sobald es mir wieder einmal möglich sein wird, werde ich mich freuen, zum Meister nach Indien zu kommen.

Er fügte hinzu:

Verehrter Scheich (Meister), Ihr habt gesagt, dass die Wahre Spiritualität dort beginnt, wo die Philosophien enden. Wo die verstandesmäßigen Spekulationen aufhören, dort beginnt der Weg zu Göttlichem Wissen. Ich bin davon überzeugt, dass es keinen anderen Weg gibt als den, den der Meister weist. Das Göttliche Wissen ist nicht nur eine Sache des Verstandes, sondern durch die Innere Erfahrung und durch die Gnade eines spirituellen Führers erhebt man sich von Stufe zu Stufe bis zur Göttlichen Wohnstatt. Das Göttliche Wissen ist auch keine Frage des sozialen Standes oder metaphysischer Spekulationen. Um Göttliches Wissen zu erlangen, braucht man einen Führer. Aber ich glaube, dass es besser ist, keinen Meister zu haben, als einen unvollendeten.

Bei diesen Worten nickte der Meister und sagte, das sei richtig.

Der Vollendete Meister gibt uns ein lebendiges Vorbild auf allen Gebieten. Seine Reise hierher nach Paris, einer Stadt mit kultureller Tradition, die in einen weiten Umkreis ausstrahlt, ist für uns ein Ereignis. Sein Besuch war ein großer Segen, und wir bitten Gott, dass Er Sein Leben noch lange erhalten möge für uns alle. Nach Seiner Weltreise wird der Meister in den Ashram zurückkehren, wo Er von vielen erwartet wird. Sobald es meine Verpflichtungen zulassen, möchte ich gern wieder dorthin kommen, wo ich so viel gelernt habe und wo ich so gern war. Ich hoffe, dass mir die Führung Gottes diesen Wunsch erfüllen wird. Ich werde an die Tür des Ashrams klopfen, um dort Frieden und Freiheit zu suchen.

Und der Meister fügte hinzu:

Und um ein Gespräch von Herz zu Herz zu haben. Er ist ein Herzensbruder. Sein Haus ist auch mein Haus. Lassen Sie mich Ihnen danken. – Der Meister umarmte ihn dabei herzlich.

Wir hätten gern ein Essen mit dem Meister gehabt,

sagte M. Boubakeur zu Ihm,

aber leider ist die Zeit, die dem Meister für Seinen Besuch zur Verfügung steht, dafür zu kurz.

Der Meister entgegnete darauf lächelnd:

Wir teilen das Brot des Lebens miteinander.

Schließlich fragte M. Boubakeur Ihn, ob er Ihm die Moschee zeigen dürfe, worauf der Meister lachend zurückfragte, ob er Ihm diese „Moschee“ zeigen könne, und wies dabei auf Seine Stirn.

Nach einem Rundgang durch die herrliche Moschee, von deren Schönheit wir alle begeistert waren, begleiteten M. Boubakeur und zwei weitere mohammedanische Würdenträger den Meister und Seine Party noch bis ans Auto. Der Meister schien eine so große Liebe für M. Boubakeur zu haben, dass Er selbst, als Er sich schon im Wagen befand, noch einige liebevolle Worte mit Ihm wechselte.

Wir waren tief beeindruckt von diesem Satsang in der Moschee, hatte er doch gezeigt, wie leicht Anhänger verschiedener Glaubensrichtungen zusammensitzen und sich verstehen können, wenn dem erhabenen Beispiel eines Meisters gefolgt wird, Der die allen Religionen zugrunde liegende Wahrheit Selbst verwirklicht hat und sie anderen verständlich macht. – M. Boubakeur hatte auf jede Zeremonie verzichtet, und so waren selbst die äußeren Unterschiede weggefallen. Ich hatte aber beobachtet, dass der Meister beim Rundgang durch die Moschee, bei dem Er und die Satsangis sogar in die Räume geführt wurden, die sonst nur von den Geistlichen zum Gebet betreten werden, sich den Gebräuchen anpasste, indem Er nicht mit Schuhen auf die zum Gebet bestimmten Teppiche trat, womit Er seine Achtung gegenüber dem bezeugte, was anderen heilig ist.

Am Morgen des dritten Tages in Paris kamen wir wieder zur Meditation zusammen. Obwohl die Instruktionen des Meisters immer sehr ähnlich waren, sagte Er sie doch jedes Mal in etwas anderen Worten und fügte manchmal das eine oder andere hinzu.

Dieses Mal sagte Er:

Zieht euch in die Kammer eures Herzens zurück. Eure ganze Aufmerksamkeit sollte Innen sein. Wenn euer Geliebter zu euch kommt, werdet ihr euch vollständig von außen zurückziehen. Gott ist ganz allein. Er möchte, dass jeder allein zu Ihm kommt, ohne den Körper. Die Aufmerksamkeit ist der äußere Ausdruck der Seele. Ihr seid Aufmerksamkeit. Richtet eure ganze Aufmerksamkeit auf den Sitz der Seele.

Nachdem der Meister uns eine Meditation gegeben hatte, stellte jemand eine Frage in diesem Zusammenhang. Der Meister antwortete:

Ihr müsst regelmäßig meditieren, wenigsten zwei Stunden am Tag. Meditiert so lange wie möglich. Wenn ihr die Meditation regelmäßig, ernsthaft und ehrlich ausführt, werdet ihr bald keine Fragen mehr haben. Natürlich muss das Hand in Hand gehen mit der Selbstumwandlung durch das ernsthafte Führen des Tagebuches. Sendet bitte eure Tagebücher regelmäßig ein.

Am Abend hielt der Meister eine öffentliche Ansprache in der „Salle Pleyel“. Der Vortrag begann um 20:00 Uhr:

Wir haben uns hier versammelt, um über das Mysterium des Lebens nachzudenken. Wir sehen andere Menschen und haben schon oft einen von ihnen sterben gesehen. Wir haben ihre toten Körper auf unseren eigenen Schultern getragen. Wir haben gesehen, dass etwas ihren Körper verlassen hatte. Was ist es aber, was den menschlichen Körper belebt? Dieser menschliche Körper wurde im Mutterleib von Gottes Händen geschaffen, Gott lebt nicht in Tempeln aus Stein, sondern im Tempel des menschlichen Körpers. Die Heiligen, Verkörperungen Gottes, sind als Menschen in die Welt gekommen. In den Veden ist gesagt, dass in diesem Haus Gott gefunden werden kann. Wir haben den Körper und müssen ihn eines Tages verlassen.

Wir sollten sehr gründlich darüber nachdenken, welches die Kraft ist, die uns darin kontrolliert. So ist vom Menschen gesagt, dass er Gott am nächsten ist. Die Rishis haben den menschlichen Körper angenommen, um darin Gott zu erkennen. Ihr seid nicht der Körper, ihr habt den Körper!

Wir müssen mit der Bewussten Kraft in Berührung kommen, wir müssen Gott erkennen. Wer sind wir? Wir sind vom selben Wesen wie Gott. Wir sind im menschlichen Körper gefangen und haben Gott vergessen. Wir sind mit dem Körper identifiziert. Um Gott zu erkennen, müssen wir zuerst uns selbst erkennen. Alle Heiligen haben gesagt: „Mensch, erkenne dich selbst!“ – Wir beleben den Körper. Er lebt nur so lange, wie wir in ihm sind. Trotz all seiner Öffnungen können wir ihn nicht verlassen. Ihr wisst so viel über euren physischen Körper und kennt dabei euch selbst nicht. Der menschliche Körper ist ein wunderbares Haus. Solange wir nicht fähig sind, ihn nach freiem Willen zu verlassen, können wir uns selbst nicht erkennen und auch nicht Gott. Gott kann nicht durch die äußeren Sinne erkannt werden. Sehen steht über allem. Durch Selbstanalyse, indem wir uns über den Körper erheben, werden wir Wahres Wissen erlangen. Ihr werdet feststellen, dass unsere Seele vom Gemüt kontrolliert wird, das seinerseits wiederum unter der Herrschaft der Sinne steht. So wird das Gemüt ständig durch die Sinne umhergetrieben. Die Frage ist nun: Wie können wir das Gemüt kontrollieren? Das Gemüt wird durch schöne Dinge und liebliche Musik angezogen. Gott hat es so eingerichtet, dass wir Innen mehr Wonne erfahren können. Gott ist die Musik der Sphären und Er ist reines Licht und Schönheit. Wenn wir uns erst an diesem Inneren Licht und der Inneren Musik erfreuen, fallen die äußeren Bindungen von allein ab. Nur Einer, Der völlige Herrschaft über Sich Selbst erlangt hat, kann uns einen Auftrieb geben, um aufzusteigen. Dies ist das Wasser und das Brot des Lebens.

Wir haben nicht nur die beiden Augen aus Fleisch und Knochen, sondern es gibt noch ein drittes Auge, das verborgenes oder Einzelauge genannt wird. Sein Sitz ist hinter und zwischen den Augenbrauen. Mit diesem Inneren Auge können wir das Licht Gottes sehen und mit dem Inneren Gehör die Göttliche Musik hören. Hierher zieht sich die Seele zur Zeit des Todes zurück, bis sie den Körper schließlich ganz verlässt. Wenn die Aufmerksamkeit von außen zurückgezogen und am Augenbrennpunkt gesammelt ist, werden wir eine Erfahrung von Gott erhalten.

Wir beten: O Gott, sende jemanden zu uns, Der uns befreien und ins Jenseits führen kann. Wir müssen lernen, vor dem Tod zu sterben. Maulana Rumi hat gesagt: „Die Kaaba ist in uns verborgen.“ – Und Christus sagte: „So ihr nicht von neuem geboren werdet, könnt ihr nicht in das Reich Gottes eingehen.“ – Diese zweite Geburt erlangt man zu den Füßen eines Lebenden Meisters.

Dies war der letzte Abend, an dem wir mit dem Meister zusammen sein konnten. Die wenigsten von uns hatten das Glück, noch mit nach England fahren zu können, wo sich der Meister in den nächsten acht Tagen aufhalten sollte. Aber am Abend kamen noch viele der Lieben, um sich vom Meister zu verabschieden. Einige von uns durften am nächsten Morgen unmittelbar vor der Abreise des Meisters kurz zu Ihm gehen. Es hatte sich alles ein wenig verzögert, so dass der Meister schon im Mantel in Sein Zimmer kam, wo wir warteten. Aber trotzdem kam Er zu uns, schaute uns allen einzeln in die Augen mit einem so liebevollen Blick, dass ich ihn sicher nie vergessen werde. Er sagte die folgenden Worte zu uns, die noch einmal alle zusammenfassten, was Er uns in diesen segensreichen Tagen gelehrt hatte:

Setzt euer ganzes Vertrauen in die Meisterkraft. Die Meisterkraft wird immer bei euch sein und euch alle Hilfe und allen Schutz gewähren. Bitte, seid ernsthaft und regelmäßig in euren Übungen und führt euer Tagebuch. Lernt, euch über das Körperbewusstsein zu erheben und werdet so Botschafter Gottes. Gott segne euch alle.