Karma

I

Liebe Brüder und Schwestern,

wir sind sehr begünstigt, den menschlichen Körper erhalten zu haben. Er ist das Höchste in der ganzen Schöpfung – Gott am nächsten. Als der Mensch geschaffen wurde, verneigten sich selbst die Engel vor ihm. Alle Schriften sagen uns, dass wir den menschlichen Körper als Auswirkung guter Taten in der Vergangenheit erhielten. Wir sind daher wirklich sehr begünstigt. Unsere guten Taten haben Frucht getragen und als Folge davon erhielten wir den menschlichen Körper. Das ist eine goldene Gelegenheit, durch die wir alle Rückwirkungen der Vergangenheit ausgleichen können.

Innerhalb bestimmter Grenzen sind wir auch frei. Alle anderen Formen (der Schöpfung), außer der menschlichen Form, sind gebunden; sie haben nicht die Möglichkeit frei zu handeln. Im menschlichen Körper sind wir durch die Auswirkung der Vergangenheit in einem gewissen Ausmaß gebunden – innerhalb gewisser Grenzen aber sind wir auch frei. Wenn wir also klug sind, gleichen wir die Folgen unserer Handlungen, die alten Karmas aus und gehen nach Hause zurück. So ist dies eine Zeit, in der wir entweder nach Hause oder wieder in das Rad des Lebens und Todes zurückgehen können. Seid sehr vorsichtig. Was wir erhalten haben, ist eine goldene Gelegenheit. Versucht zu verstehen, wie die Schulden, die wir haben, abzuzahlen sind. Ihr werdet merken, dass wir sehr vorsichtig sein müssen. Jeder Gedanke, der in uns aufkommt, wirkt sich aus. Jeder Gedanke, jedes Wort und jede Tat muss in der Natur abgerechnet und ausgeglichen werden. Die Natur verschont keinen.

Wie ihr sät, so werdet ihr ernten.

Es gibt keine Ausnahme von der Regel. Denkt nicht unnütz über irgend etwas nach. Wenn ihr das tut, hat selbst das eine Auswirkung.

Der fünfte Meister der Sikhs sagt:

Hütet euch vor den Sünden, die ihr unbewusst tut.

Auch sie haben eine Auswirkung.

So hat jede Ursache eine Wirkung. Diesen Grundsatz, dieses Gesetz müssen wir verstehen. Wenn wir diesen Grundsatz oder dieses Gesetz des Karma verstehen, können wir von ihm frei werden und nach Hause gehen. Andernfalls werden wir weiterhin kommen und gehen, kommen und gehen. Jede Ursache hat also eine Auswirkung. Jede Tat hat eine Rückwirkung zur Folge. Beseitigt die Ursache, und die Wirkung verschwindet. Dies haben die Meister, Die über jene Gesetze hinausgelangt sind, getan. Aber alle anderen sind durch die Bande des Karma, das die Grundursache des physischen Daseins ist, gebunden. Natürlich sind es die Auswirkungen sehr guter Taten, durch die ihr den menschlichen Körper erhieltet. Aber noch müssen wir sehr darauf achten, was wir tun: Entweder sind wir dabei zurückzufallen oder nach Hause zu gehen.

Es gibt also drei Arten von Karma.

Eine heißt Sanchit. Sanchit bedeutet: Was noch auf Vorrat liegt und noch nicht Frucht getragen hat. Solches Karma liegt einfach aus Hunderten früherer Geburten auf Vorrat und hat noch keine Auswirkungen gezeigt. Zur Zeit der Pandavas lebte in Indien Dharitarashtra. Er war ein großer Yogi, doch blind von Geburt an.

Lord Krishna fragte ihn: „Aus welchem Grund bist du seit deiner Geburt blind? Welches Karma hast du auf dich geladen, dass du dadurch von Geburt an blind bist?” Er antwortete: „Durch Yogi-Kräfte kann ich mich an hundert Geburten zurückerinnern – und ich habe keine Tat gefunden, durch die ich blind geworden sein könnte.”

Deshalb half ihm Lord Krishna, der ein Yogishwar war, weiter zurückzugehen. Und er erkannte, dass er in seiner hundertsechsten Geburt die Tat begangen hatte, die der Grund für seine jetzige Blindheit war.

Darum bedenkt, dass es Akash-Aufzeichnungen gibt. Was immer wir sagen und denken, wird im Akash aufgezeichnet. Wer solche Aufzeichnungen lesen kann, kann euch Aussagen wiedergeben, die Hunderte von Geburten zurückliegen. Seit wir das Haus unseres Vaters verlassen haben, seit wir einst auf die Erde geschickt wurden, sind wir am Kommen und Gehen. Taten und Auswirkungen setzen sich ständig fort.

Ein Teil davon wird durch das Pralabdh-Karma beglichen. Pralabdh-Karmas sind die Karmas, die gerade Frucht tragen, die aufgegangen sind und auf denen unser jetziges Dasein beruht. Als erstes haben wir dadurch den menschlichen Körper erhalten. Das ist das Ergebnis sehr hohen Karmas, guten Karmas. Auch jetzt sind wir innerhalb bestimmter Grenzen gebunden, solange, bis die Rückwirkungen nicht (alle) ausgeglichen sind und keine Saaten neuer Taten gesät werden. Pralabdh ist also das Karma, auf dem unser gegenwärtiges Leben beruht. Es ist das, was Schicksal oder Bestimmung genannt wird. Schicksal oder Bestimmung ist die Auswirkung unseres vergangenen Karmas, das jetzt Frucht trägt.

Die dritte Klasse, Kriyaman, entsteht durch unsere täglichen Handlungen. Der Mensch ist also, wie ich dargelegt habe, innerhalb bestimmter Grenzen frei und innerhalb bestimmter Grenzen gebunden. Nehmt als Beispiel einen Jungen, der einen Drachen steigen lässt. Er hat dafür, sagen wir, fünf- bis sechshundert Meter Schnur, mit der er den Drachen steigen lässt. Aber sein Vater steht hinter ihm und behält vierhundert Meter Schnur unter seiner Kontrolle. Seinem Sohn hat er nur zweihundert Meter überlassen, genug, damit der Drachen steigen kann. So kann er den Drachen also nur bis zweihundert Meter und nicht höher steigen lassen.

Die Karmas sind also von verschiedener Art. Ein Karma trägt sehr schnell Frucht, das andere ein wenig später und ein weiteres nach sehr langer Zeit. Man kann es z.B. mit den Gerichten vergleichen. Es gibt die kleinen Amtsgerichte, die obersten Gerichtshöfe und den Bundesgerichtshof. Gewöhnliche Fälle werden innerhalb von Wochen oder vielleicht einem Monat geregelt. Schwierige brauchen Monate, um vor den obersten Gerichtshöfen entschieden zu werden. Und andere Fälle sehr verwickelter Art brauchen Jahre, ehe sie vor dem Bundesgerichtshof entschieden werden. Versteht ihr? Entsprechend laden wir uns durch unsere täglichen Handlungen Rückwirkungen auf. Sie tragen Frucht: einige schnell, andere später und weitere noch später. Wie im Falle von Dharitarashtra, von dem ich euch erzählte: Er erntete die Frucht eines Karmas, das hundertsechs Geburten zuvor bewirkt wurde.

Einen Teil des Kriyaman-Karma ernten wir in diesem Leben – der Rest kommt zum Sanchit-Karma hinzu. Karma ist die Ursache der Wiedergeburt; und jeder Geburt folgt wiederum der Tod. Daher ergibt sich der Kreislauf von Freude und Leid. Manche sind glücklich, manche nicht.

Somit gilt:

Wie ihr sät, so werdet ihr ernten.

Unkenntnis des Gesetzes ist keine Entschuldigung, seid euch dessen bewusst. Wir sagen: „Wir haben es nicht gewusst”, aber wir müssen ernten, was wir gesät haben. Ob wir gute oder schlechte Taten säen – beide binden uns. Ob Handschellen oder Ketten aus Gold oder Eisen sind – gefesselt ist man in jedem Fall.