Katie McCluney

Mit Meister Kirpal Singh in Kaschmir

Ein Reisebericht aus dem Jahr 1973

Wir waren schon etwa einen Monat in Indien, als der Meister eines Abends unbemerkt fortging und uns zurückließ, um Satsang in Delhi zu halten. Wie sehnsüchtig warteten wir auf Seine Rückkehr und saßen in Seinem Haus und versuchten zu meditieren, obwohl wir in Wirklichkeit nur danach verlangten, Ihn zu sehen. Als Er nach Hause zurückkam, saßen wir ganz still in einer Ecke Seines Wohnzimmers und beobachteten eine der liebevollsten Szenen, die man sich vorstellen kann. Er unterhielt Sich mit soviel Liebe und Lachen mit Seinem Sohn Darshan. Er war Sein Vater und gleichzeitig auch unser Vater, und wir waren auch ein Teil Seiner Familie. Sie sprachen meist auf Hindi; ab und zu vernahmen wir die Worte ‚Abrechnung‘ und ‚Einkommensteuer‘ und sehr oft hörten wir Hinweise auf Kaschmir. Später erklärte uns jemand, dass der Meister im Sommer eine Reise nach Kaschmir plane. Wir dachten nicht im Traum daran, dass wir an dieser zeitlosen Reise teilnehmen sollten. Damals waren etwa fünfundzwanzig Westler im Ashram, und wir hatten noch nie gehört, dass der Meister so viele auf die Reise mitgenommen hätte. Aber nacheinander gingen die Leute in den Westen zurück; und am ersten Juni waren nur noch zehn von uns da. Der Meister begann davon zu sprechen, dass Er uns nach Kaschmir mitnehmen wolle; Er neckte uns und machte uns die Sache schmackhaft, sagte aber nicht, wie das geschehen sollte, doch dass es so kommen würde. 

Am siebten Juni kannte unsere Freude keine Grenzen, als der Meister sagte, dass Er zwei Autos für uns besorgt habe und wir am nächsten Morgen um 4 Uhr aufbrechen würden. Wir standen auf und brachten unsere Reisetaschen mit, um festzustellen, dass wir die Einzigen waren, die bereitstanden. Voller Ungewissheit und Erwartung sahen wir die Sonne langsam über den Gebäuden das Ashrams aufgehen. Wir sahen den Meister auf der Dachterrasse, wo Er Sich ausgeruht hatte. Wir sahen, wie Er Sich aufsetzte und Sein Haar kämmte, bevor Er den Turban aufsetzte; dann trank Er Tee. 

Die Klimaanlage im Wagen des Meisters funktionierte nicht; also hatte man den Wagen zur Werkstatt gebracht. So warteten wir im Haus des Meisters und sahen Ihm beim Warten zu. Der Strom fiel aus und die Hitze war schon jetzt bedrückend. Um 10:00 Uhr brachte man Seinen Wagen zurück. Da es eine Woche dauern würde, um die Teile für die Reparatur der Klimaanlage zu bekommen, wollte Er nun ohne Reparatur losfahren. Wir erfuhren gerade, dass unser Wagen zwei kaputte Reifen hatte und wegen irgendetwas anderem zur Werkstatt gebracht werden müsse, sobald die Reifen geflickt seien. Wir waren völlig entmutigt. Es schien, als ob wir mit Zug fahren müssten, wobei wir den Meister erst in Srinagar treffen würden, wo Er in drei Tagen ankommen würde. Aber Er hatte Mitleid mit uns, und mittags kam unser Wagen zurück und wir fuhren los. 

Und die Hitze war wirklich unglaublich! Der Meister hatte einem älteren Mann gesagt, dass er nach Srinagar fliegen müsse, da ihn die Hitze auf der Reise töten würde. Wir fanden heraus, dass er das wörtlich gemeint hatte. Die Luft verbrannte unsere Nasen beim Atmen; wir konnten die Fenster nicht öffnen, weil die Luft wie ein Feuersturm hereinwehte. Wenn wir eine Trinkpause einlegten, durchtränkten wir uns mit Wasser und machten auch die Kleidung nass. Es war vielleicht mehr als 60 Grad heiß, zu heiß, um es sich vorstellen zu können oder um sich wirklich daran zu erinnern. 

Als wir um 1:00 Uhr nachts in dem kleinen Ashram in Pathankot ankamen, wartete der Meister auf uns. Obwohl Er dort unter dem Licht der Sterne lag, ließ Er uns sofort zu Sich kommen, als man Ihm sagte, dass wir eingetroffen seien. Wir setzen uns um Seine Liege, und Er fragte jeden Einzelnen: 

Seid ihr noch lebendig, seid ihr nicht gestorben?

Und Er überreichte jedem eine Flasche Cola. Ohne Seinen Turban und ohne Jacke sah Er so unglaublich schön aus, Er strahlte noch mehr Seines Wesens aus und erfrischte uns zutiefst. Wir hatten uns so müde und abgezehrt gefühlt und waren nun auf wundervolle Weise regeneriert. Er sagte, dass wir nun zu Abend essen sollten – es war nun 2:00 morgens – und wir Ihn morgen früh sehen würden. Ein paar Häuser weiter nahmen wir das Essen zu uns, weil Er es gesagt hatte, und es war das köstlichste Essen aller Zeiten. Wir schliefen auf Feldbetten unter den Sternen und wurden um 4:30 aufgeweckt, um wieder aufzubrechen. Wir sahen den Meister um 5:30, wie Er den Menschen im Ort den liebevollsten Darshan gab; und kurz danach waren wir wieder im Wagen und fuhren hinter dem Meister her. 

Die zwei Autos mit den Westlern mussten in Jammu zum Zoll, und der Meister fuhr voraus. Dieser Tag war auch sehr heiß, aber nicht ganz so heiß wie der Tag vorher, und die Landschaft war unglaublich schön. Die Berge des Himalaya zwangen unsere alten Wagen zu einem Schneckentempo. Doch die Berge, die frisch ergrünten Reisfelder, die schönen Menschen und ihre hübschen Bergdörfer, all die Herden von Kühen, Ziegen, Pferden und Schafen – das war eine ganz neue Welt für uns. Gunga Ram trieb uns auf einmal zur Eile an. Es schien, als ob wir einen Einbahn-Tunnel durchqueren mussten, der die erste Hälfte des Tages in die eine Richtung und die andere Hälfte in die andere Richtung geöffnet sei. Das war die einzige Straße und wir waren spät dran. Es sah aus, als ob wir die Nacht auf dieser Seite des Tunnels verbringen müssten. Der Meister befand Sich etwa eine Stunde vor uns; doch als wir am Tunneleingang ankamen – dort war eine Passkontrolle – wartete Er dort auf uns! Er hatte die Offiziere gebeten, den Tunnel für uns offen zu halten – ein weiteres Beispiel Seiner beständigen Fürsorge.

Endlich kamen wir in Srinagar an, um den Meister im Erdgeschoss des Hauses von Jaswant Singh – er ist der Bräutigam in dem Film von Hazur, der in den 40igern gedreht wurde – zu treffen. Er wartete in einem kleinen, sonnigen Raum auf uns, ganz entspannt, erholt und erfrischt und schaute uns ganz liebevoll an. Danach fielen wir in unsere Betten, ganz berauscht von der Vorstellung, unter demselben Dach wie unser Vater zu sein. Am nächsten Morgen gab Er uns Seinen Darshan in einem hübschen Raum mit großen Glasfenstern im ersten Stock; Er gab uns das Gefühl, in den Baumkronen zu sein. Der Meister war so fröhlich und strahlend; wir waren glücklich jenseits aller Beschreibung. Er schickte uns zur Meditation zurück in unsere Zimmer; und Er schickte uns Gunga Ram mit dem Essen. Gunga Ram sagte, dass der Meister draußen sei; aber wir wollten Ihn nicht stören – wir dachten, dass Er vielleicht mit Schülern aus Kaschmir allein sein wollte. So gingen wir ganz langsam einen Weg hinab, der zu dem Garten führte, wo Er saß, und dachten, wir könnten uns ganz unauffällig in einer Entfernung niedersetzen. Doch als der Erste von uns den Garten betrat, schaute ihn der Meister lächelnd an. 

Hallo, 

sagte Er, 

wie geht’s? Du bist noch lebendig – nicht tot?

Und Er grüßte jeden Einzelnen, als wir in den Garten kamen, und bat uns, nahe bei Ihm zu sitzen. Er freute Sich sehr, uns zu sehen; und Er sah so bezaubernd schön aus, wie Er da unter den Bäumen im Garten saß. Es wurden Fragen gestellt und Antworten gegeben; doch jeder war ganz allein mit dem Meister. 

Am Abend saßen wir mit Ihm unter den Bäumen in einer zeitlosen Seligkeit, als Er uns fragte, ob wir die Stadt sehen wollten:

Sie ist sehr berühmt, die Menschen kommen von überall. Und sie ist auch von historischer Bedeutung – die alten Mogul-Herrscher waren hier.

Wir dachten: 

O nein! Bitte schick uns nicht fort!

Aber Er ließ die Fahrer kommen und bat uns zu gehen. Welch eine Qual, diese Prüfung des Gehorsams! Wir besuchten liebliche Rosengärten und versuchten, fröhlich zu sein, aber wir fühlten uns wie bei einer Theatervorführung, nachdem wir gehörten hatten, dass unser Kind gestorben sei. Mit Seiner Gegenwart kann man nichts vergleichen! Und als wir zurückkehrten, war Er in Seiner Barmherzigkeit sehr liebevoll zu uns.

Am nächsten Morgen brachen wir um 6:00 Uhr zum Erholungsort Phalgham auf, etwa 3000 m hoch im Himalaya. Der Meister hielt in der ersten Ortschaft an und brachte uns köstliches Gebäck; Er sagte, dass es eine Spezialität dieses Ortes sei und wir es essen sollten. Nach einer Stunde der Reise nach Phalgham brach unser Wagen plötzlich zusammen. – Er war schon dauernd am zusammenbrechen. Teile des Vergasers lagen die ganze Zeit im Handschuhfach. Es war Hayat Singhs Aufgabe, ab und zu auszusteigen und auf die Maschine einzuhämmern. – Als wir schließlich doch in Phalgham ankamen, trafen wir den Meister, als Er auf einem Balkon vor Seinem Zimmer im Naturaj Inn saß. Er war unbeschreiblich schön. 

Und der Abenddarshan war keinem anderen gleich. Er sprach ganz deutlich von sehr, sehr subtilen Dingen, und wir empfanden zutiefst, dass wir uns in der Gegenwart Gottes befanden, völlig frei vom Einfluss des Gemüts. Er beschrieb unsere Illusionen auf dieselbe Weise, wie es Plato vor 2500 Jahren ausdrückte, als ob wir in einer Höhle leben und nur Schatten der Wirklichkeit erblicken. Jemand bemerkte, dass er den Meister immer sehen wollte, wann das möglich sei, dass er aber nicht in das Privatleben des Meisters eindringen wollte. 

Der Meister sagte schroff: 

Die Meister haben kein Privatleben. Die Menschen haben eine Privatsphäre – die Meister haben keine. Aber Respekt bedeutet, Anstandsregeln zu beachten. Ich will euch ein Beispiel geben. (Er machte eine Pause und dachte lange nach.) Nehmt an, ihr seid hierher gekommen, um ein paar nette Leute zu treffen. Doch wenn ihr dann immer aus dem Fenster schaut, beachtet ihr die Etikette, die Anstandsregeln nicht. (Er hielt inne.) Also schrieb ich meinem Meister und bat Ihn um respektvolle Liebe. Ein intellektueller Mensch kann kommen und sich erfreuen. Er kommt zur rechten Zeit, er setzt sich nieder und ist ganz aufmerksam, er geht nach Hause und übt seine Meditation. Wohingegen einer, der vor Liebe verrückt ist, keine Gesetze kennt. Die Welt kann nicht verstehen, warum er nicht richtig funktioniert – und er kann nicht ordentlich funktionieren. In dieser Tollheit kann er Ihn nicht verlassen, er möchte, dass der Meister nur ihn ansieht. Der intellektuelle Mensch erfreut sich ganz, er ist wirklich gehorsam. Aber einer, der sich in der Tollheit der Liebe verliert … ich möchte nicht sagen, dass der eine höher ist als der andere ... ich spreche einfach über Etikette.

Jemand fragte Ihn über das Trinken aus einem Becher, den ein anderer gerade benutzt hat. Wir sind uns solcher subtilen Dinge nicht so bewusst, aber beim Reisen mit unseren indischen Brüdern bemerkten wir, dass sie das sehr sorgfältig beachten. 

Der Meister sagte: 

Wenn jemand an einer Seuche leidet, werdet ihr dann aus seinem Becher trinken? Ich denke nicht!

Der Meister sagte das mit großem Nachdruck. 

Ihr werdet die Ausstrahlung seiner Gedanken aufnehmen. Selbst wenn ihr nur an dem Ort sitzt, wo ein Mensch voller Begierden saß, werden genau diese Gedanken in euch aufkommen. Das sind ganz feine Punkte, die ich euch nun erkläre. Jeden Tag erhaltet ihr etwas Neues. Wenn sich eure Aufmerksamkeit auf die äußeren Dinge richtet, bekommt ihr diese Ausstrahlung. Aber ihr könnt andere durch die Achtsamkeit eurer Seele beeinflussen, wenn ihr euer Selbst auf das Licht und den Ton einstimmt.

Hier ist es sehr schön. Die Natur ist sehr inspirierend. Jemand sagte: ‚Wer keine Zeitung liest, ist gesegnet, denn er sieht die Natur und durch die Natur sieht er Gott.‘ So nahe bei Gott sollten wir uns dieses Anblicks erfreuen. Das Wasser strömt hier vom Berg herab. Daheim fließt es tief im Boden und wir müssen danach graben.

Und der Meister war unser Berg.

Der Sonntag des 10. Juni war ein Tag im Himmel. Zum Morgendarshan sprach der Meister ganz wunderbar über Hingabe. Beim Abenddarshan brachte uns der Meister wieder mit Seiner Schönheit zum Staunen. Jemand sang einen Bhajan, und der Meister freute Sich, klopfte auf die Füße oder nickte bei bestimmten Stellen. Manchmal rollten Seine Augen nach oben, und Er ging ein wenig nach Innen. Nach dem Bhajan waren wir alle still und hatten keine Fragen mehr. So schaute uns der Meister ganz lange an und begann dann mit einem ganz allgemeinen Vortrag: über die Bedeutung des menschlichen Körpers und Selbsterkenntnis; die Wahre Bedeutung der Religion, dass die Aufmerksamkeit ein Ausdruck der Seele ist usw. Aber das spielte sich wie ein lebendiges Schauspiel vor unseren Augen ab. Wir waren nur dreißig, aber Er zog uns zu Sich und hielt uns dort fest.

Der Montag war ein weiterer unglaublicher Tag. Der Meister hielt einen wunderbaren Vortrag darüber, dass wir uns um unsere eigenen Angelegenheiten kümmern sollten. Jemand stellte eine lange Frage auf Hindi, und der Meister antwortete: 

Das habe ich nie gesagt. Ich habe gesagt, dass schwere Zeiten kommen werden, aber ich habe nie von Auflösung gesprochen. Ich weiß, dass das andere gesagt haben, aber ich habe das bis jetzt nicht gesagt.

Beim Morgendarshan am Dienstag hielt er einen sehr intensiven Vortrag über die Macht der Gedanken. Und am Nachmittag fand ein unbeschreibliches Picknick statt; wir nannten es Hazurs Picknick. Um die Mittagszeit folgte dem Meister eine Karawane von Autos eine gewundene Straße hinab, die einem rauschenden Fluss folgte. Wir verließen den Wagen an einer hochgelegenen Wiese bei einem großen Baum, an dessen Fuß der Meister saß. Er sah unbeschreiblich aus. Wir aßen zu Mittag und dann schickte uns der Meister fort, um zu meditieren und uns an der Natur zu erfreuen und um 16:00 Uhr zum Tee zurückzukommen. Als wir zurückkehrten – wir konnten nur bis 15:00 Uhr warten –, sahen wir Ihn, wie Er durch einen Feldstecher blickte. Er schaute auf einen bergigen Platz unter Pinien hoch drüben auf der anderen Straßenseite. Später wurde uns gesagt, dass das genau der Platz war, wo der Meister vor fünfunddreißig Jahren mit Seinem Sohn Darshan und Hazur bei einem Picknick saß. Sie waren auf Pferden unterwegs, Hazur war damals 80 Jahre alt. Es war eine ganz besondere Schwingung in der Luft. So wunderbar, dass man es gar nicht beschreiben kann, obwohl wir erst später die ganze Geschichte herausfanden. Viele Bhajans wurden gesungen, und der Meister fragte uns: 

Könnt ihr nicht auch etwas singen?

Jemand sang ein Gedicht, dass der Meister 1927 geschrieben hatte, als Er die Vision von Hazurs Tod erlebte. Darshan übersetzte es für uns. Es war sehr bewegend – wir weinten alle, manche schluchzten, und auch der Meister hatte Tränen in den Augen. 

Am Mittwoch fuhren wir nach Srinagar zurück und hielten in einem alten Mogul-Garten für ein Picknick-Mittagessen. Nach dem Essen forderte uns der Meister auf, die Natur zu genießen; und obwohl wir viel lieber bei Ihm geblieben wären, mussten wir gehorchen. So wandelten wir lustlos im Garten umher und vermissten Ihn. Doch plötzlich sahen wir, dass Er auch gekommen war und direkt vor uns stand! Er ging über eine kleine Brücke, die einen Bach überspannte und stand da lächelnd im Sonnenlicht – was für eine unglaubliche Pracht! Zu Jaswant Singhs Haus zurückgekehrt wohnten wir im zweiten Stock; direkt unter uns im ersten Stock war der Meister. Es war wie im Paradies – wenn wir die Treppe hinuntergingen, sahen wir den Meister, wie Er auf Seinem Bett saß. Oder wenn wir in dem verglasten Raum meditierten, der an Seine Räume grenzte, dann kam Er herein und fragte, wie es uns ging. 

Man sagte uns, dass ein Teil der Mission des Meisters in Kashmir die Aufgabe war, die Vertreter der Bezirksregierung mit dem Manav Kendra vertraut zu machen. Und wir begleiteten Ihn zu einer Anzahl von Terminen, wo Er vom Manav Kendra und natürlich auch über den Pfad der Meister sprach. Zweimal wurden wir zu schönen Teepartys im Freien eingeladen. Nach dem Tee sollte der Meister sprechen und Sich dann mit Regierungsvertretern zu privaten Gesprächen treffen. Wir konnten den Meister gut beobachten, wie Er kam und ging, da uns der Tee im Garten serviert wurde. Am Samstagabend war ein öffentlicher Satsang in Srinagar. Wir waren so lange physisch ganz nahe beim Meister gewesen, dass es nun eine ganz neue Erfahrung war, Ihn fünfzehn Meter weit weg auf der Bühne zu erleben. Das Auge konnte Ihn so ganz erfassen, und Er war so schön, so wunderschön. Seine Hände schufen das Universum und zogen es wieder zurück, nahmen es von Gott und gaben es uns, wieder und wieder und erneut. Er saß in einem großen Ohrensessel gleich neben einem Raja; und der Unterschied zwischen dem Herrn des Universums und dem irdischen König war unermesslich. 

Am Sonntagmorgen wurde in dem Raum, in dem wir immer den Darshan bekommen hatten, eine Initiation gegeben. Also setzte uns der Meister draußen in Meditation. Der Meister war so entspannt und fröhlich; im Licht der Sonne sah Er immer so besonders liebenswert aus. Er gab die Meditationsanweisungen auf Hindi; Er neckte uns, indem Er uns einen Satz sagte und dann pausierte, um zu schauen, ob wir Ihn verstanden hatten. Er war so liebevoll. 

Am Montag sagte man uns, dass wir nun nach Delhi aufbrechen sollten, um den Meister dort in drei bis fünf Tagen zu erwarten. Was für ein schreckliches Schicksal! Aber in Seiner unendlichen Gnade ließ uns der Meister nach Gulmarg kommen, wohin Er mit einer kleinen Gruppe gereist war, um Sich des abgelegenen Fleckens zu erfreuen. Als wir dort am Dienstagmorgen ankamen, gingen wir gleich ins Zimmer des Meisters, wo Er auf einem Bett saß, in eine Decke gehüllt. Er schaute sehr ernst und majestätisch aus – und verteilte Blumen. Wir fanden Platz zu Seinen Füßen vor dem Bett und wagten kaum zu hoffen, dass Er uns welche geben würde. Doch Er tat es – aus einem lieblichen Strauß Wildblumen bekam jeder von uns eine Blume. Nachdem jeder die Seine erhalten hatte, blieb dem Meister eine rein weiße Lilie, die Er ganz intensiv anschaute und dann Seinem Sohn Darshan reichte. Solch ein stiller und bewegender Augenblick! Er verbrachte den ganzen Tag draußen unter den Bäumen. Dort war in einem klaren Bach eine kleine Insel voller Blumen, wo ein paar von uns meditierten. 

Wir verließen Srinagar ganz früh am 20. Juni. Das Wetter war kühl und die Fahrt war angenehm bis auf eine Sache: unser Wagen, der alte Kombi aus dem Manav Kendra, hatte ein großes Loch zum Motorraum, aus dem Rauchschwaden in den Innenraum drangen. Wir konnten uns kaum ausruhen, da wir oft die Plätze wechseln mussten. Der Wagen des Meisters war neuer und schneller und fuhr so immer ein ganzes Stück voraus. Als wir endlich ein kleines Restaurant zum Mittagessen erreichten, empfanden wir große Freude und Dankbarkeit, als wir sahen, dass der Meister schon da war. Wie erhaben und majestätisch sah Er aus, als Er unseren Wagen ganz ernst musterte – erst inspizierte Er die Vordersitze, dann die Rücksitze und dann ging Er langsam um den Wagen herum. Danach hatten wir zwei ganze Tage lang völlige Ruhe vor diesem Rauch, der uns so zugesetzt hatte. 

In dieser Nacht erlebten wir einen wunderbaren Satsang in Jammu. Danach wurde uns das Abendessen im Freien gereicht und zuletzt rief man uns zum Meister. Wir dankten Ihm, dass Er uns nach Kaschmir mitgenommen hatte, und Er sagte ganz ernst: 

Ganz ehrlich gesagt, war es nicht sehr bequem; aber Liebe kennt keine Last.

O Meister, wie können wir Dir jemals danken, dass Du all diese Last auf Dich genommen hast?