Buch I / III – (vi)

Die Vorzüge des Wortes

Die Heiligen Bücher berichten uns von den unermesslichen Vorzügen von Naam oder dem Wort. Das Wort wurde in den Evangelien beschrieben als das Brot des Lebens und das Wasser des Lebens, da es allein den Hunger und den Durst der Seele stillt.

Und wen dürstet, der komme; und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst.

Offenbarung Johannes 22:17

Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper ist eine wohlbekannte Redewendung, und beide leiten ihre Gesundheit und Kraft von der Seele ab; und wenn die Seele nicht mit einem angemessenen Vorrat an Nahrung und mit ausreichenden Nährstoffen versehen ist, wird das ganze System, physisch und mental, lahmgelegt werden. Die Seele ist eine bewusste Wesenheit und muss sich daher frei ernähren von Liebe, Leben und Licht, den drei notwendigen Bestandteilen des Größeren Bewusstseins.

1. Naam oder das Wort ist das Heilmittel für alle Leiden:

  • Adhibhautik oder körperliche Leiden wie Krankheit, Siechtum, hohes Alter usw.
  • Adhidevik oder Übel, die von selbst kommen, wie Unfälle, Stürme und Erdbeben usw., über die eine Person keine Kontrolle hat; und
  • Adhiatmik oder mentale Übel, wie Wünsche und Faszinationen der Welt, Ärger, Habsucht und Verhaftetsein usw.

Naam ist das unumschränkte Heilmittel für alle Leiden, Es ist ein Tröster und Wonnespender.

Guru Arjan, Gauri M5

Wiederum hilft Es als Wahrer Führer sowohl hier als auch danach.

Es ist ein ständiger Begleiter in beiden Welten: Lass alles andere beiseite und sei Naam allein hingegeben.

Guru Nanak, Asa M1

Auf dem einsamen und öden Pfad der Seele nach dem Tode, wirkt Naam als Führer und Tröster.

Guru Arjan, Gauri M5

O meine Zunge! Wiederhole du das Naam, du sollst hier gesegnet sein und danach sollst du Trost haben.

Guru Arjan, Gauri M5

2. Vorteile des Hörens auf das Tonprinzip von Naam oder dem Wort:

Guru Nanak zählt in der achten bis elften Strophe des Jap Ji – einem täglichen Gebet der Sikhs –, viele Vorteile auf, die aus dem Hören und der Akzeptanz von Naam entstehen.

Strophe VIII

Durch die Verbindung mit dem Wort kann man ein Siddha1, ein Pir2, ein Sura3 oder ein Nath4 werden; durch die Verbindung mit dem Wort kann man die Mysterien der Erde, des tragenden Bullen5 und der Himmel verstehen; durch die Verbindung mit dem Wort werden die irdischen Regionen, die himmlischen Ebenen und die niederen Welten enthüllt; durch die Verbindung mit dem Wort können wir unversehrt durch die Pforten des Todes entkommen; o Nanak! Seine Ergebenen leben in ständiger Verzückung, denn das Wort wäscht alle Sünden und Sorgen fort.

Strophe IX

Durch die Verbindung mit dem Wort kann man die Kräfte von Shiva, Brahma und Indra erlangen; durch die Verbindung mit dem Wort kann man die Achtung aller gewinnen, ungeachtet seiner Vergangenheit; durch die Verbindung mit dem Wort kann man die Einsicht eines Yogi in die enthüllten Geheimnisse des Lebens und des Selbst gewinnen; durch die Verbindung mit dem Wort kann man den Wahren Sinn der Shastras6, Smritis7 und der Veden8 erkennen. O Nanak! Seine Ergebenen leben in ständiger Verzückung, denn das Wort wäscht alle Sünden und Sorgen fort.

Strophe X

Durch die Verbindung mit dem Wort wird man zur Wohnstatt von Wahrheit, Zufriedenheit und wirklichem Wissen; durch die Verbindung mit dem Wort erwirbt man die Früchte des Badens an den achtundsechzig Pilgerorten9; durch die Verbindung mit dem Wort erlangt man die Achtung der Gelehrten; durch die Verbindung mit dem Wort erlangt man Sehaj10. O Nanak! Seine Ergebenen leben in ständiger Verzückung, denn das Wort wäscht alle Sünden und Sorgen fort.

Strophe XI

Durch die Verbindung mit dem Wort wird man zur Wohnstatt aller Tugenden; durch die Verbindung mit dem Wort wird man ein Sheikh, ein Pir und ein Wahrer König der Spiritualität; durch die Verbindung mit dem Wort finden die Spirituell Blinden ihren Weg zur Verwirklichung; durch die Verbindung mit dem Wort durchquert man das grenzenlose Meer der täuschenden Materie. O Nanak! Seine Ergebenen leben in ständiger Verzückung, denn das Wort wäscht alle Sünden und Sorgen fort.

Mit Hören oder Verbindung meinte Guru Nanak nur die Verbindung mit Naam und nichts anderes, wie aus dem Gurbani klar wird:

Durch das Hören des Tonstroms ist man wahrlich gesegnet und die Reichtümer folgen auf dem Fuße; durch das Hören des Tonstroms erwirbt einer Wunderkräfte und all seine Wünsche werden erfüllt; durch das Hören des Tonstroms erlangt wird man völlig zufrieden und wird Ihm ergeben; durch das Hören des Tonstroms gelangt man zu Sahaj und findet Behaglichkeit.

Durch das Hören des Tonstroms kennt man die Wahrheit und entgeht dem Todesengel; durch das Hören des Tonstroms wird man selbst-leuchtend und alles Dunkel schwindet; durch das Hören des Tonstroms wird man der Kenner des Selbst und erntet den vollen Nutzen von Naam; durch das Hören des Tonstroms wird man von Sünden reingewaschen und findet die reine Wahrheit.

O Nanak! Durch das Hören des Tonstroms erglüht man mit dem Göttlichen Licht; und wahrhaft selten ist der Erwählte des Meisters, der in Verbindung kommt mit Naam.

Durch das Hören des Tonstroms wird das Gemüt ruhig und man fühlt sich gesättigt; durch das Hören des Tonstroms fühlt man sich völlig zufrieden und ist von allem Übel frei; durch das Hören des Tonstroms wird Naam völlig offenbar und man wird personifiziertes Naam.

Guru Ram Das, Sarang War M4

Wenn ein Mensch, indem er das Wort hört, sich ins volle Bewusstsein erhebt, beginnt er den Willen Gottes zu verstehen und passt sein Leben Seinem Plan an. Danach hat er keinen Eigenwillen mehr, welcher von dem seines Schöpfers getrennt ist. Nunmehr sieht er die kosmische Ordnung klar und deutlich, die sich in Übereinstimmung mit Gottes Plan erfüllt, und sich als Teil dieses Zentrums und Mittelpunktes, um den sich alles dreht.

Guru Nanak schildert diesen Zustand in der zwölften bis fünfzehnten Strophe des Jap Ji:

Strophe XII

Keiner kann den Zustand desjenigen beschreiben, der Gottes Willen zu seinen eigenen gemacht hat. Wer immer versucht, es zu tun, muss seine Torheit erkennen. Keine Menge an Papier, Federn oder Schreibkunst kann je den Zustand eines solchen Menschen schildern. O, groß ist die Macht des Wortes, aber wenige gibt es, die das wissen.

Strophe XIII

Durch die Praxis des Wortes erhebt man sich ins Universale Bewusstsein und entwickelt rechtes Verstehen; durch die Praxis des Wortes gelangt man zu Hellsichtigkeit und Übersicht über die ganze Schöpfung; durch die Praxis des Wortes wird man von Sorgen und Leiden befreit; durch die Praxis des Wortes braucht man nach dem Tode nicht zu Yama11 zu gehen. O, groß ist die Macht des Wortes, aber wenige gibt es, die das wissen.

Strophe XIV

Durch die Praxis des Wortes gelangt man ungehindert in die höheren Spirituellen Ebenen; durch die Praxis des Wortes erreicht man die Spirituellen Bereiche offen und ehrenvoll; durch die Praxis des Wortes entrinnt man den Seitenwegen Yamas, des Königs des Todes; durch die Praxis des Wortes kommt man in enge Berührung mit der Wahrheit. O, groß ist die Macht des Wortes, aber wenige gibt es, die das wissen.

Strophe XV

Durch die Praxis des Wortes erlangt man am Ende Erlösung; durch die Praxis des Wortes führt man seine Freunde und Verwandten ebenfalls in die Freiheit; durch die Praxis des Wortes erlöst man nicht nur sich selbst, sondern, wenn man ein Adept wird, viele andere, die man leitet; durch die Praxis des Wortes entkommt man, befreit von Wünschen, dem Rad der Seelenwanderung. O, groß ist die Macht des Wortes, aber wenige gibt es, die das wissen.

Der Zustand, in dem sich solche Menschen befinden, ist unbeschreiblich und liegt weit über den Grenzen von Gemüt und Verstand. Sobald der Kontakt mit dem Göttlichen hergestellt ist, erkennt man den Göttlichen Plan und das Wirken des Göttlichen Willens. Man bleibt danach ungebunden, und Gemüt und Materie haben keine Wirkung mehr auf den Menschen; beim Tod verlässt sein Geist den Körper, wie er es täglich gewöhnt war, und die Strahlende Form des Meisters geleitet ihn weiter.

Bei seinem Aufstieg in die Spirituellen Bereiche gibt es keine Hürden und Barrieren. Die Kraft von Naam wirkt als Sesam, öffne dich für ihn und setzt ihn instand, jede Spirituelle Ebene zu durchqueren.

Die Sikh-Schriften sagen uns:

Durch die Verbindung mit Naam erlangt die ganze Familie Erlösung und ist zufrieden; durch die Verbindung mit Naam gewinnen alle, die Ihm nachfolgen, an Wert, wenn sie in Ihm begründet sind, durch die Verbindung mit Naam sind alle, die darauf hören, durch ständige Übung begünstigt; durch die Verbindung mit Naam schwindet alles Übel, und durch das dauernde Gedenken verlangt man nach nichts anderem; o Nanak! Allein diejenigen erhalten den Kontakt mit Naam, die durch eine Meister-Seele verbunden werden.

Durch die Verbindung mit Naam erlangt der Geist rechtes Verstehen; durch die Verbindung mit Naam vergehen alle Lüste und die Selbstsucht; durch die Verbindung mit Naam wird die Macht Gottes offenbar; durch die Verbindung mit Naam stellt sich der Frieden der Gottheit ein; o Nanak! Naam ist das Kronjuwel, das nur ein dem Meister wirklich Ergebener verehrt. 

Guru Ram Das, Sarang War M4

Durch die Verbindung mit Naam erhebt man sich in das reine Bewusstsein und vertieft sich darin; durch die Verbindung mit Naam wird man zur Heimstatt der Tugend und ist getröstet; durch die Verbindung mit Naam entgeht man aller Täuschung und gerät niemals in Beschwernisse; durch die Verbindung mit Naam singt man wirklich Loblieder auf die Wahrheit und ist frei von allen Sünden.

Guru Ram Das, Sarang War M4

3. Die Praxis von Naam erweckt die Menschen aus einem Schlaf, der sich über lange Zeiten hin erstreckt, zur Selbsterkenntnis und Gotterkenntnis.

Durch die Gnade des Meisters wird man von Naam angezogen und aus einem ewig langen Schlaf erweckt.

Guru Arjan, Gauri M5

Durch das Hören auf Naam gelangt man zur Selbsterkenntnis und erntet den Vorteil der Gotterkenntnis.

Guru Ram Das, Sarang War M4

4. Versunkenheit in Naam führt letzten Endes zur Vereinigung der Seele mit der Überseele und verbindet sie in unlösbaren Banden; die Seele empfindet dann diese enge Verbindung allezeit. Der Meister selbst ist befreit und so auch viele andere, denen Er Naam verleiht.

Naam ist die Wohnstatt aller Tugenden und übernatürlichen Kräfte; man gelangt einfach zu der Quelle, durch Hingabe an den Herrn.

Guru Ram Das, Sawai M4

Einer, der in Naam vertieft ist, lebt im Lichte Gottes; die Verehrung des Göttlichen Lichts kommt durch den Meister.

Guru Amar Das, Sri Rag M3

Mit Naam im Herzen gestaltet sich alles Tun von selbst. Der Ergebene ist nicht länger auf die Menschen der Welt angewiesen, denn Gott tut alles für ihn und lebt in ihm.

Guru Arjan, Gauri M5

5. Naam bringt Erleuchtung und Allwissenheit mit sich.

Durch die Verbindung mit Naam beginnt das Licht Gottes in des Menschen Seele aufzudämmern; er wird wahrlich gesegnet und erlangt die verlorene Göttlichkeit wieder.

Naam macht das Innere Licht offenbar und verleiht alle Glorie; Naam bringt Glückseligkeit mit sich und leitet gottwärts.

Guru Amar Das, Asa M3 

Vertieftsein in Naam führt zu kosmischer Bewusstheit; o Nanak! Jene, die sich mit Naam verbinden, sind immer glückselig.

Guru Nanak, Ramkali M1

Durch Deine Gnade geschah es, wem auch immer der Kontakt mit Naam gegeben ist. O Nanak! Naam leitet zum Turya Zustand.

 Guru Arjan, Gauri M5

6. Naam sprengt alle Bande und gewährt Erlösung:

O Nanak! Wer auch immer mit Naam verbunden ist, dem können die Boten des Todes nicht nahekommen.

Guru Ram Das, Bihagra M4

Durch das Hören auf Naam kommt man an die Wahrheit heran, und die Boten des Todes werden dich nicht beruhigen.

Guru Ram Das, Sarang War M4

Der, welcher die Praxis von Naam übt, errettet nicht allein sich selbst, sondern viele andere dazu.

 Guru Amar Das, Asa M3

Naam hat uns furchtlos gemacht, und Naam nahm uns aus dem Kreislauf heraus

Guru Arjan, Gond M5

O Nanak! Der entgeht den Höllenfeuern, dessen Körper und Geist von Naam durchtränkt ist.

Guru Arjan,  Gauri M5

Man entrinnt aller Gebundenheit und lebt in der Wahrheit; Naam ist eine seltene Gabe in dieser Zeit, und ein Gurumukh (Verehrer) erlangt sie.

Guru Amar Das, Sorath War M3

Außer diesen kann eine Menge anderer Wohltaten von Naam abgeleitet werden. Das Gemüt wird ruhig und nicht weiter durch irgendwelche Wünsche beeinflusst. Alle weltlichen Neigungen schwinden, und das Gift der Welt und die weltlichen Dinge und Beziehungen haben keine Wirkung auf den, der Naam ergeben ist. All sein Tun, alle seine Werke werden im Geiste des Losgelöstseins verrichtet und haben daher keine bindende Wirkung mehr. In der Wahrheit begründet, wird er Eins mit der Wahrheit und erlangt somit Erlösung. Einer, der Naam ergeben ist, ist dem Meister immer teuer.

O mein Freund, Gurumukh, bleibe immer vertieft in Naam. Durch Hingabe an Naam wirst du gesegnet sein; so halte Es getreulich in dir fest. Ohne Naam gleicht man einem Aussätzigen, von blinder Betörung geplagt. Fruchtlos ist all sein Tun, und es hält ihn in der Knechtschaft.

Guru Ram Das, Asa M4

Bleibe Naam ergeben, solange du lebst; denn solche werden von Gott auf den Pfad geleitet und am Ende nimmt Er sie auch an.

Guru Ram Das, Sri Rag M4 

In den Sikh-Schriften begegnen wir sehr häufig aufrichtigen und ernsthaften Gebeten, die dabei helfen sollen, Naam zu erlangen:

Satguru und Sat Purush ist in der Tat der Gottmensch, und zu Ihm bete immer; arme, winzig dahinkriechende Würmer sind wir, und dennoch Dein. O gewähre uns das Licht von Naam.

Guru Ram Das, Gujri M4

Wir wollen nichts anderes als das Licht Deines Wortes; o Meister! Das Licht, welches alle Herzen durchdringt.

Guru Arjan, Gauri M5

Jene, Die Sich mit Naam verbunden haben, Deren Mühen werden enden und Ihr Antlitz wird voll Glanz erstrahlen. Nicht nur werden Sie erlöst sein, o Nanak, sondern viele andere werden mit Ihnen die Freiheit finden.

Jap Ji, Epilog

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Erläuterung: 1) Siddha: ein Mensch, der mit übernatürlichen Kräften begabt ist. 2) Pir: ein Moslem-Heiliger oder Spiritueller Lehrer. 3) Sura: Gottheit. 4) Nath: Yogi – ein Adept in Yoga. 5) Dhaul: ein erdichteter Bulle, der angeblich Himmel und Erde trägt. 6) Shastras: philosophische Abhandlung der Hindus. 7) Smritis: die alten Hindu-Schriften. 8) Veden: die ersten Bücher des menschlichen Denkens. 9) Ath-Sath: Hier bezieht sich Nanak auf den Hinduglauben, wonach ein Bad an achtundsechzig (die buchstäbliche Bedeutung) Pilgerorten Reinigung von allem sündhaften Tun bringt. 10) Sahaj: Dieses Wort bezieht sich auf den Zustand, in dem die Wirren der physischen, astralen und kausalen Welt mitsamt ihrem zauberhaften Panorama überschritten sind und das Große Lebensprinzip im Innern geschaut wird. 11) Yama: Den Menschen, welche die jenseitige Welt kennen, ist bekannt, dass die Seelen, wenn sie ihr sterbliches Kleid ablegen, durch bestimmte Boten, die Todesengel (Yamduts), in die andere Welt gebracht werden. Sünder werden von ihnen schlecht behandelt, während die Übrigen unterschiedslos vor Yama, den König des Todes, kommen. Doch einer, der die Praxis des Wortes übt, entgeht Yama ganz, denn er wird in der Astralwelt von der Strahlenden Form des Meisters empfangen und durch Ihn in die Spirituellen Ebenen geleitet.