Buch II / XXII

Musikalische Melodien im Inneren

Die ursprüngliche Form Gottes ist das Tonprinzip und Myriaden von Tönen spielen allezeit an Seinem Tor.

Glücklich bin ich, den Herrn zum Freund und Gefährten zu haben, denn endlose Symphonien spielen fortwährend an Seinem Tor.

Guru Arjan, Bilawal M5

Durch Shabd kam die Schöpfung samt ihrer verschiedenen Aufteilungen und Unterteilungen ins Sein. Jede Abteilung hat ihre eigenen wohlklingenden Töne, die man vernimmt, wenn man sich von einer höheren Ebene zur anderen erhebt. Alle Heiligen haben ins einzelne gehende Berichte über diese Töne gegeben, und besonders um Gurbani finden sich über dieses Thema vollendete Darstellungen.

Es ist allgemein bekannt, dass die Hindus, wenn sie einen Tempel aufsuchen, die großen Glocken anschlagen, die über dem Eingang hängen. Die christlichen Kirchen sind ausnahmslos mit einem Glockenstuhl ausgestattet, und vor Beginn des Gottesdienstes werden die Glocken geläutet. In den früheren Sikh-Tempeln wurde entweder ein Muschelhorn geblasen oder der Gong geschlagen, aber jetzt wurden sie durch eine große Trommel (Nakara) ersetzt. Eine sorgfältige Nachforschung über dieses Thema ergibt, dass alle diese äußeren Dinge – Glocken, Gongs, Muschelhörner etc., nur symbolische Repräsentationen ohne den Inneren Tonstrom sind. Wiederum hilft uns auch ein sorgfältiges Studium der Struktur all dieser Andachtsorte ein bedeutsames religiöses Moment, welches darin involviert ist, zu verstehen. Die Hindutempel haben eine domgleiche Form, mit einer großen Glocke im Innern, die untertassenförmig von der Mitte der Kuppe herunterhängt, und wer auch immer das Gotteshaus betritt, lässt die Glocke ertönen. Auch im Tempel des menschlichen Körpers, im domähnlichen Bau des Kopfes, hört die Pilgerseele, wenn sie die Astral-Region betritt, einen Ton, welcher dem des Gongs oder des Muschelhorns gleicht. Genauso haben die Kathedralen der Christen entweder die Form eines großen Domes, der dem menschlichen Kopf ähnlich ist, oder sie sind turmförmig, was an die ansteigende Nase im Gesicht des Menschen erinnert, über der sich, so sich die Seele an dem stillen Punkt hinter und zwischen den Augenbrauen konzentriert, ein glockenartiger Ton erhebt.

Khawaja Hafiz, ein mystischer Poet von großem Ansehen, spricht daher von ihm:

Keiner weiß, wo mein Geliebter verweilt, doch ganz gewiss kommt der Ton der Glocke daher.

Und in den Sikh-Schriften wird angegeben:

Der Gongschlag wird überall gehört.

Guru Arjan, Asa M5

Die buddhistischen Klöster sind ebenfalls domförmig und jeweils mit zwei Trommeln ausgeschmückt: eine auf der rechten und die andere auf der linken Seite. Das Schriftgut aller Religionen enthält Hinweise auf Glockenläuten, Hörnerschall und Muschelklang. Der Grund dafür ist, dass dies die ersten Erfahrungen der Seele sind, sobald sie sich über das Körperbewusstsein erhebt und den Tempel des Meister-Höchsten betritt; der Weg dorthin beginnt an der Nasenwurzel hinter den beiden Augenbrauen. Auf gleiche Weise heißen unzählige Melodien die Seele bei ihrem Fortschritt auf dem Pfad willkommen, nur fünf von ihnen werden allgemein als von ungeheurem Wert erachtet und akzeptiert, weil sie die Seele auf ihre Reise gottwärts leiten und führen. Diese melodischen Töne führen abwechselnd von Ebene zu Ebene, bis man, die ursprüngliche Melodie ergreifend, die Heimat seines Vaters erreicht, mit der Hilfe und unter der Führung eines Meister-Heiligen.

In den Wars von Bhai Gurdas stößt man in diesem Zusammenhang auf viele Hinweise:

Die Seele hört das Spiel der Singhi (Zither).

War 20, Pauri 11

Die unendliche Musik erklingt, und das Licht vom (Berg) Toor erscheint.

War 23, Pauri 13

Im Schweigen der Seele erhebt sich ein strahlendes Licht; sei du vertieft in die süße ergötzliche Musik.

Kabit 22

Hafiz sagt:

Lausche du dem himmlischen Orchester, in dem Ton der Zimbel, Flöte, Zither und Gitarre.

Die Inneren melodischen Töne, mit denen man durch einen Meister in Verbindung kommen kann, helfen, die Seele aus den Mauern der Endlichkeit zu befreien, und nehmen sie in die Hohe Heimat des Vaters hinauf, in das Reich Gottes – denn dies ist der einzige Weg.