Seid ihr für euer Schicksal erwacht?

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Vom Gesichtspunkt der Gesellschaft aus müssen wir in der einen oder anderen Religion leben, aber es muss die wirkliche Arbeit getan werden. Wahre Meister sind immer sehr selten gewesen. Zur Zeit Janakas konnte man nur einen einzigen Meister finden, der fähig war, das Wissen zu vermitteln: eine Ersthand-Erfahrung. Warum nehmen wir an, dass es heute Hunderte sind?

Je mehr es gibt, desto glücklicher wird die Welt natürlich sein. Damit ist nicht gemeint, dass man eine bestimmte Religion oder Gemeinschaft wählen sollte; eine Motte wird sich in jedes Licht stürzen, ob es nun im Hause eines Schuhmachers oder eines Kaufmanns ist – unabhängig von Stand oder Kaste. Spiritualität ist eine Sache des Lebens – und Leben kommt von Leben.

„Der unglückliche Manmukh erhielt nichts; der Rubin war hinter dem Brennpunkt verborgen.“

Jene, die nicht das besondere Glück haben – die Manmukhs –, bleiben ohne den spirituellen Reichtum.

Guru Amar Das sagt über den Manmukh:

Ein Manmukh ist, wer den Shabd nicht kennt; er kennt nicht die Ehrfurcht vor dem Guru.

Der Manmukh weiß nicht um den Wert von Naam, er ist keiner Verwirklichten Seele begegnet; oder er fand eine Solche, aber sein Gemüt ist sich nicht bewusst, dass Ihm (dem Guru) alles bekannt ist, und darum hat er keine Ehrfurcht. Erlaubt, aber selbst nachdem wir dem Satguru begegnet sind, können wir noch ein Manmukh bleiben, denn wenn Seine Liebe nicht in unser Herz eingedrungen ist, glauben wir nicht, dass Er alles weiß. Dieser Glaube ist aber die Grundlage der Spiritualität; er ist tatsächlich der Urgrund aller Religion. Wie kann man ein festes Haus bauen ohne richtiges Fundament? Bringt euer Herz mit dem Herzen einer wahrhaft Verwirklichten Seele in Einklang, dann werdet ihr jeden Tag spirituell fortschreiten. Solche, die das Sprachrohr der Sinne bleiben, deren Aufmerksamkeit sich in äußeren Attraktionen zerstreut, sind weiterhin Manmukhs, obgleich sie dem Guru anhängen mögen; sie werden nie ein Gurumukh sein. Diesen Menschen bleibt die wirkliche Wahrheit und der Reichtum von Naam unbekannt.

„Der Rubin war hinter dem Brennpunkt verborgen.“

Wenn aber nun auch nur ein kleiner Gegenstand vor die Pupille gehalten wird, kann sie nicht darüber hinaussehen. So muss der Schleier der Unwissenheit entfernt werden; und wenn ihn der Guru bei einer Meditationssitzung ein wenig beiseite zieht, sieht man das Licht Gottes. Je mehr Er ihn wegnimmt, desto mehr Licht wird natürlich gesehen. Der Reichtum ist bereits hinter dem Schleier, kann aber nicht durch eigene Anstrengung entfernt werden.

Wenn irgendjemand denkt, er sei für eine solche Aufgabe geeignet, mag er es versuchen. Doch wir können uns auf die Worte der Meister verlassen, die alle gemäß ihrer eigenen Art und Weise dasselbe sagen:

Keiner erhält etwas ohne den vollendeten Guru, selbst wenn er ein Verdienst von Millionen guter Karmas hätte.

Das Innere Auge muss geöffnet werden. Obwohl wir die physischen Augen aufmachen können, bleibt doch das spirituelle Auge geschlossen; und während wir innen alles haben, vermögen wir es dennoch nicht zu sehen: es ist alles dunkel.

Guru Nanak sagt am Anfang des Asa Dewar:

Auch wenn Hunderte von Monden und Tausende von Sonnen schienen, herrschte dort ohne einen Guru, trotz allen Lichts, undurchdringliche Dunkelheit.

Jeder Meister hat erklärt, dass Gott Licht ist.

Durch Meditation über Naam wird das Licht von Millionen Sonnen offenbar.

Die Sonne mag aufgegangen sein, und doch besteht für einen Menschen, der blind ist und es nicht sehen kann, nur Dunkelheit. So ist es von größter Bedeutung, dass einem von der Verwirklichten Seele, Welche die Augen Tausender öffnet, erst das innere Auge aufgetan wird.

Maulana Shamas-i-Tabrez sagt, wir haben unzählig viele, die blind geboren wurden, mit dem Augenlicht gesegnet. Er spricht von der inneren oder geistigen Schau. Auch wenn einem physisch Blinden eine Meditationssitzung gewährt wird, sieht er das Licht Gottes in sich, denn er wird mit dem Inneren Auge sehen.

Nicht jene sind blind, o Nanak, die keine Augen im Gesicht haben; blind sind die, welche den Geliebten nicht sehen.

Nach der Ansicht Guru Nanaks sind die Blinden nicht die ohne das physische Augenlicht, vielmehr jene, die sich von Gott losgesagt und das Innere Auge nicht entwickelt haben, mit dem man den Herrn schauen kann. In einem solchen Fall sind Gebildete und Ungebildete gleichermaßen blind, wenn ihr Inneres Auge nicht offen ist.

Hazur Soami Ji sagt:

Der Guru stellt fest, dass die ganze Welt blind ist, denn sie hat nicht die innere Welt gesehen.

Dies ist eine durchaus allgemeine Bemerkung: Die ganze Welt ist blind. Warum? Weil der größte Teil der Weltbevölkerung niemals diesen inneren oder spirituellen Pfad sieht, der durch die physischen, astralen und kausalen Ebenen verläuft.

Im Gurbani heißt es:

O Blinder, du wusstest nichts vom Pfad. Es ist der verborgene Weg, der die Seele über alle Ebenen hinausbringt und sie zum Herrn führt.

Guru Ram Das hat uns klar gesagt:

„Der unglückliche Manmukh erhielt nichts; der Rubin war hinter dem Brennpunkt verborgen.“

Es ist ein ganz winziger Schleier, der einen unermesslichen Reichtum verdeckt; und das Entfernen dieses Schleiers ist die Arbeit eines Gottverwirklichten Meisters.

Wenn der Satguru kommt, kann das Auge sehen; im Innern des Hauses erkennt man die Wahrheit.

Man braucht dann nicht die Bestätigung anderer; man wird selbst sehen.

Maya (Täuschung) und Brahma (der Herr der Schöpfung) sind nicht voneinander getrennt, denn Täuschung ist die Widerspiegelung Brahmas. Brahma drückt sich durch Maya aus. So erkennt Brahm in ihr, und vergesst Ihn nicht.

Die Gaben werden geliebt, aber der sie gibt wird vergessen; man weiß nichts vom Tod und denkt nicht an ihn.

Wenn sich unser Blick der Wahrheit zuwendet, kann uns die Täuschung nichts anhaben. Aber jene, die ihr zu Diensten sind, vernichtet sie. Die weltlichen Menschen werfen sich weg, ja opfern ihr Leben den Qualen der Täuschung und schenken der Wahrheit keinen einzigen Gedanken. Das ganze Leben eines Menschen wird auf diese Weise vergeudet.

„Wem sein Geschick vom Jenseits auf die Stirn geschrieben ist, dem gewährt der Satguru Hilfe.“

Man kann einem Satguru nur begegnen, wenn einem dieses außergewöhnliche Schicksal auf der Stirn geschrieben steht. Und was ist der Satguru?

Der Satguru ist der Inbegriff der Wahrheit.

Er ist Einer, Der seine Seele nach Belieben über Gemüt und Sinne erhebt: Einer, welcher mit der Wahrheit Eins wurde.

Satguru ist der Name Dessen, Der den Sat Purush erkennt; in Seiner Gemeinschaft wird der Schüler erhoben. O Nanak, dann rühme Gott.

Man kann Gott nur in der Gemeinschaft einer Gottverwirklichten Seele wahrlich preisen.

So hat uns Guru Ram Das gesagt, dass man einen Satguru findet, wenn das große Schicksal erwacht ist; man hat dann das doppelte Glück, Ihm zu dienen.

Das dritte Glück haben jene, die Seine Gebote halten. Wer alles opfert, wird den Altar der Gebote des Gurus mit Blumen schmücken. Das Herz sollte für Sein Herz empfänglich sein. Es ist folglich die besondere Gnade Gottes, dem Satguru zu begegnen; dies ist etwas Großes. Wenn ihr Ihm begegnet, könnt ihr mit Naam verbunden werden und euch von da an durch Meditation der täglichen Verbindung erfreuen. Auf diese Weise werden sich sowohl Hingabe als auch Glauben entwickeln. Wenn der Schüler empfänglich wird, wird aller Lohn des Gurus auf ihn herabkommen.

Das Traurigste ist, dass wir nicht einmal auf ihn hören, nachdem wir den Guru gefunden haben; aus diesem Grunde gehen wir leer aus. Dem Satguru kann man nur durch Ergebung, Glauben und Empfänglichkeit dienen. Ohne Empfänglichkeit zu entwickeln, wird nicht der volle Nutzen abgeleitet.

Guru Amar Das sagt:

Durch Hingabe an den Guru erkennt man den Herrn; dann wohnt Er zweifellos in diesem Herzen.

„O Nanak, man erhält die Edelsteine; Ehre dem Gurumat, der uns zum Herrn hinzog.“

Alle Ehre gebührt dem Wissen des Gurus (Gurumat – die Lehren des Gurus), durch welches Gott erkannt wurde. Und was erhält man durch Sein Wissen? Das unschätzbare Juwel, den Schatz von Naam, mit dem man den Herrn erkennt. Es ist ein großes Glück, die Verbindung mit Naam zu bekommen und dann hart dafür zu arbeiten.

In dieser Hymne hat Guru Ram Das erklärt, welche unter allen Seelen, die die menschliche Form erhielten, das größte Schicksal haben und über Naam meditieren.

Mit einem so erwachten Schicksal entwickelt man sich in jeder Beziehung, gibt seine physische Form im Dienen hin, erweitert das Fassungsvermögen seines Verstandes und meditiert bei alledem über Naam. Ein solcher Mensch macht fürwahr sein ganzes Leben zu einem Erfolg, wodurch es keine weiteren Geburten und Tode gibt. Das ist die Lehre der Meister.