Sein Wohlgefallen erlangen

II

Es gibt nur eine Sache, die man verstehen muss – wie man den trennenden Vorhang zwischen mir und Dir entfernt.

Erlangt vom Guru das Wahre Bhakti; nur dann kann Er in das Gemüt eindringen.

Wenn man sich dem Guru vollständig hingegeben hat, bleiben keine Fragen oder Zweifel. Alles wird heiter, still, ruhig, und das Erwachen dämmert auf. Leben kommt von Leben; es gibt keinen anderen Weg, um die Wahrheit zu erkennen.

Jene, Die Sie in ihrer ganzen Wirklichkeit sehen, sagen:

Diese menschliche Form ist eine sehr eigenartige Erscheinung.

Sie sind nicht die menschliche Gestalt, sondern etwas anderes.

Bhai Nand Lal Ji, ein sehr ergebener Schüler von Guru Gobind Singh Ji, erklärt:

Für ein Haar meines geliebten Satguru will ich beide Welten opfern – diese und die nächste.

Nur wer ein klein wenig von der Widerspiegelung der Wahrheit gesehen hat, kann eine solche Feststellung machen.

Bei den Moslems wird ein Lebender Meister für einen Ketzer gehalten, und als Amir Khusro von seinem Guru initiiert wurde, kritisierten ihn die Menschen und nannten ihn einen Heiden.

Khusro war unerschütterlich und bekannte:

Ja, ich bin ein Ergebener einer Lebenden Gestalt, was hat das aber mit der Welt und ihrer Meinung zu tun?

Wenn ihr Jemandes Eigen werdet, dann werdet Sein genaues Ebenbild. Das Wohlgefallen eines Vollendeten Meisters zu gewinnen heißt, das Wohlgefallen Gottes zu gewinnen.

Soami Ji Maharaj sagt:

Wenn der Guru zufrieden ist, ist Gott zufrieden.

Der Guru sollte aber ein wirklicher Guru sein und nicht nur so genannt werden. Von welchem Wert ist das Wohlgefallen dessen, der unter dem Einfluss von Gemüt und Sinnen steht? Die Menschen machen oft eine bittere Erfahrung und tadeln dann alle Gurus. Jene aber, die vom Glück begünstigt sind und deren Auge, sei es auch nur ein wenig, entwickelt ist, sehen einen Inneren Widerschein der Wahrheit.

Ein einziger belebender Blick von Dir, o Guru, reicht aus, mich mit Leben zu erfüllen.

Wenn Er Seine Augen von uns wendet wird unsere weltliche und Spirituelle Existenz aufhören. Wenn das einmal geschieht, ist es sehr schwierig, Seine Aufmerksamkeit wiederzuerlangen; denn niemand weiß, welches Verhalten Ihm gefallen wird.

Vollendete Meister erlauben keine Eitelkeit, noch Eigendünkel oder Selbstlob bei ihren Anhängern, sondern merzen dies allmählich aus.

Bulleh Shah, der einer hohen Kaste angehörte, bekam die Initiation von Inayat Shah Sahib. Eines Tages schickte der Meister einige Seiner Anhänger zu Bulleh Shahs Haus und sagte ihnen, dass sie dort singen und tanzen sollten. Sie taten es und riefen: O Bulleh Shah, wir sind deine Gurubhais (Brüder unter demselben Meister), komm zu uns heraus. Nun, auf der Straße zu singen und zu tanzen hält man für ein ungehöriges Betragen, es ist das Benehmen von Leuten einer sehr niederen Kaste. Als man Bulleh Shah sagte, dass seine Glaubensbrüder gekommen seien, sagte er: Nein, ich kenne sie nicht – sie haben nichts mit mir zu tun.

Als die Schüler zum Meister zurückkehrten, sagte Er ihnen: Es macht nichts, ab heute werde ich die Pflanze nicht mehr bewässern.

Ihr müsst wissen, dass der Guru den Schülern durch Seine Aufmerksamkeit Nahrung gibt, selbst wenn sie Tausende von Meilen entfernt sind.

Ein Satguru sorgt für Seinen Schüler mit Seinem eigenen Lebensimpuls.

Erst vor wenigen Tagen schrieb mir ein Schüler aus dem Westen:

Wenn ich zur Meditation sitze und auch noch einige Zeit danach, ist ein lieblicher Wohlgeruch da.

Ich erklärte, dass dies die unmittelbare Folge von Gedankenwellen sei, die man erhält, wenn man für den Meister empfänglich ist. Empfänglichkeit ist sehr notwendig. Wenn ein Radiogerät nicht richtig eingestellt ist, gibt es keinen Ton von sich. Es ist äußerst schwierig, einem Guru zu gefallen: Er fragt nicht nach Geldspenden, Reichtum und weltlichen Gütern. Auch kann man Seine Zufriedenheit nicht auf Verlangen erhalten. Man kann sie nur durch respektvolle Aufmerksamkeit, Gehorsam gegenüber Seinen Wünschen, Hingabe und selbstlosen Dienst an der Menschheit gewinnen. Wenn ein Schüler nicht so leben will, was kann dann erreicht werden ohne die Gnade des Gurus?

In Lahore rief mich einmal mein Meister und sagte:

Kirpal Singh, ich habe die Setzlinge gepflanzt, du musst ihnen Wasser geben.

Ich antwortete:

Hazur, wie viel Wasser Ihr auch immer durch diesen Schlauch sendet, wird weitergegeben.

Nachlässigkeit in unserer Haltung und in unserem Tun gegenüber unserem Guru ist sehr gefährlich.

Bulleh Shahs Innere Freude war von diesem Augenblick an verflogen, und auf Anordnung des Gurus war es ihm auch nicht gestattet, des Meisters Haus zu betreten. Damals erlaubte Shah Inayat seinen Anhängern, den Heiligen Hymnen durch Gesang und Tanz vor Ihm Ausdruck zu verleihen, und schien bei solchen Anlässen Sein Gefallen daran zu zeigen. Es war da eine Prostituierte, die im Vortragen der Heiligen Gesänge großes Talent hatte und Ihn jede Woche regelmäßig besuchte. Für Bulleh Shah war es, als ob beide Welten, die Innere und die äußere, in tiefes und lautloses Dunkel versunken wären – dies war sein Zustand ohne den Blick und die Gedankenübertragung seines Meisters. Solchermaßen in der Verzweiflung und äußerst bedacht, die Gunst seines Meisters wiederzuerlangen, ging er zu der Prostituierten und bot sich an, jede Menge Arbeit für sie zu verrichten, wofür sie ihm das Singen beibringen sollte – in der Hoffnung, dem Meister damit Freude zu bereiten.

Wenn ein Meister es zum Beispiel gut heißt, selbstlos zu dienen und den Armen zu helfen, dann sollten es Seine Schüler gleichfalls tun; denn um wahrhaft von Ihm geliebt zu werden, sollten sie des Meisters eigene Gewohnheiten in sich entwickeln. Nur vorzutäuschen, dass man Seinen Willen tut, bringt nichts ein; denn Er weiß und sieht alles.

So studierte Bulleh Shah die Kunst des Singens und Tanzens neun Monate lang, und eines Abends sagte er zu seiner Lehrerin: Lass mich heute abend an deiner Stelle zum Meister gehen und vor Ihm singen. Sie stimmte zu, gab ihm ihre Kleider zu tragen – und mit klopfendem Herzen eilte er zu des Meisters Haus. Seine Lieder sind für den Leser auch heute noch herzzerreißend, erfüllt von tiefer Traurigkeit, wie er seine Trennung vom Meister beschreibt. Wer alles weiß, kann einen Menschen durch das, was er ist, erkennen, nicht dadurch, welche Kleidung er trägt. Als Bulleh Shah mit so viel Gefühl und Schmerz sang, konnte der Meister nicht anders, als von Seinem Sitz zu eilen und Bullen Shah in die Arme zu schließen. Viele, die das sahen, verwunderten sich, dass ein so Großer Meister eine Prostituierte umarmte. Deshalb sagte Shah Inayat: Höre, Bruder Bulleh, entferne diesen Putz, so dass die Leute nicht im Ungewissen bleiben.

Wie kann man das Wohlgefallen des Meisters wiedererlangen, wenn Er mit einem unzufrieden ist? Und was gewinnt man, wenn man diese Gnade wiederbekommt?

Die Hymne Guru Arjans wird einiges Wissen zu diesem Thema enthüllen:

„Ich falle zu Seinen Füßen nieder, um Seine Gunst zu erlangen. O finde einen Satguru, Der Gott Selber ist! Es gibt keinen anderen gleich Ihm.“

Wenn der Guru zufrieden ist, dann ist auch Gott zufrieden; denn Gott Selbst hat Sich im Guru offenbart. Der Satguru ist in der Tat das Abbild der Wahrheit, die maßgebende Kraft; denn Sein Wille lenkt alles, und es gibt keinen, der Ihm in dieser oder der nächsten Welt vergleichbar wäre.

„Ich habe ganz Brahmand erforscht, aber nicht einen gefunden, der meinem Guru gleicht.“

Ein Mensch kann nur von der Ebene aus sprechen, die er erreicht hat. Die Menschen der Welt denken auf weltliche Weise; jene aber, welche sich bis Brahmand erhoben haben und darüber hinausgelangt sind, sagen, dass selbst in Brahmand keiner ist, der dem Guru gleichkommt. Er ist die Wahrheit selbst und auch der Pol, durch Den die Wahrheit offenbart ist.