Kapitel IV

Simran und wie man ihn übt

Nun erhebt sich die Frage, wie Simran zu üben ist. Um Simran auszuüben, muss man eine bequeme Haltung einnehmen und dann seine Aufmerksamkeit auf den Göttlichen Grund zwischen den beiden Augenbrauen richten.

Simran ist ein rein geistiger Vorgang und somit nur geistig, mit der Zunge des Gedankens, zu üben, während man mit seinem ganzen Sehvermögen die Stelle hinter den beiden Augenbrauen – wie oben gesagt – fixiert.

Die Worte, die vom Meister gegeben werden, sollen geistig oder – wie es heißt – mit der Zunge des Gedankens ganz langsam wiederholt werden.

Es soll ausgeübt werden, ohne irgendeine Anspannung oder Druck auf der Stirn zu verursachen. Man soll diese Übung mit etwa einer halben Stunde, wie es gerade passt, beginnen, und sie im Laufe der Zeit auf zwei oder drei Stunden täglich oder auch länger ausdehnen. Simran der Göttlichen Namen kehrt den Geist nach Innen und bringt ihn von den weltlichen Gedanken und weltlichen Dingen ab, bis er ruhig und im Gleichgewicht ist.

Manche üben Simran mit geschlossenen und andere mit offenen Augen. In manchen Fällen führt Ersteres zu Schläfrigkeit, die zu dem, was Yog Nidra genannt wird, leiten kann; und das andere beschäftigt den Geist mit seiner Umwelt. Vor beiden Fällen muss man sich hüten. Simran mit geschlossenen Augen ist vorzuziehen, vorausgesetzt, dass man bei vollem Bewusstsein bleibt. Man muss jeden Tag zu einer bestimmten Zeit und regelmäßig üben.

Hafiz, ein persischer Sufi-Dichter, sagt:

Die einzige Arbeit ist, zu beten, und dies ungeachtet dessen, ob es erhört wird oder nicht.

Das heißt also, man muss Innerlich des Herrn gedenken, ohne nach etwas zu greifen oder, um das eine oder andere zu erhalten. Wir haben alles Gott oder dem Meister, Der über uns wirkt, zu überlassen. So wie wir Nahrung für den Körper brauchen, müssen wir auch Nahrung für die Seele haben. Wir sind sehr besorgt darum, das Pferd – den Körper – zu ernähren, lassen jedoch den Reiter – den Geist – den lebensspendenden Urquell, der den Körper belebt und ohne den er wertlos ist, darben. Wir müssen den Geist regelmäßiger und rechtzeitiger mit Nahrung versehen als den Körper; und es hat da nichts zu sagen, wo wir sind, zu Hause oder draußen und ungeachtet der bestehenden Verhältnisse. Es sollte unsere erste und vordringlichste Sorge sein.

Simran von Naam, dem Wort, oder dem Tonstrom, ist ein Lebenselixier und in der Tat ein Allheilmittel für das Übel, sei es physisch oder mental, zufallsbedingt oder auferlegt. Es ist Nahrung für den Geist, und wenn der Geist stark und gesund ist, wird er den Körper mit Strömen von Leben und Licht, Lebenskraft aufladen, die von Kopf bis Fuß alle Dunkelheit vertreibt. Es ist der Odem des Lebens, von dem Christus gesprochen hat, als Er erklärte:

Ihr lebt nicht nur vom Brot allein.

Aber ihr könnt allein vom Namen Gottes leben.

Simran und Dhyan – Meditation – überfluten den Geist mit den Wassern des Lebens. Der Geist kommt zu sich in seine Latente Gottheit und stürzt wie ein ungestümer Gebirgsfluss eilig dem Meer des Lebens entgegen, das sein Ewiger Ursprung ist, und verschmilzt mit Ihm, wobei er seine getrennte Wesenheit verliert.

Hinsichtlich Zeit und Ort gibt es keine Begrenzung. Simran kann zu jeder Zeit und an jedem Ort geübt werden, sitzend oder stehend, gehend oder liegend, aber er muss in einem völlig bewussten Zustand ausgeführt werden. Die beste Zeit für Simran sind die frühen Morgenstunden.

Ein leichtes und einfaches Mahl am Abend und Waschung am Morgen sind in jeder Hinsicht hilfreich. Reinheit in Gedanken, Worten und Taten tragen viel dazu bei, um beim Sadhan, Spirituelle Übung, Erfolg zu haben; denn ein ethisches Leben geht dem Spirituellen Leben voraus und ist in der Tat der rechte Boden, auf dem das Spirituelle Gefüge zu errichten ist.

Für einen Familienvater ist es sehr wichtig, im Leben strenge Disziplin zu beachten, besonders in Hinsicht auf Nahrung, Getränke und Rede. Wiederum muss Simran langsam geübt, und die Worte müssen ganz klar wiederholt beziehungsweise gedacht werden. Um schnelle Ergebnisse zu sichern, muss der ganze Vorgang mit Liebe, Ergebenheit und zielbewusster Ergebenheit ausgeführt werden.

Wenn er für einige Zeit genau geübt wird, überkommt den Geist ein Zustand Göttlicher Trunkenheit, und eine Heilige Stille wird erfahren. Alle weltlichen Gedanken schwinden wie dünne Luft, der Geist fühlt sich von den irdischen Hüllen befreit und wird durch die Unsichtbare Kraft des Meisters unwiderstehlich aufwärts gezogen. Wenn er sich von den Sinnesebenen zurückgezogen hat, gelangt er gesammelt zu seinem Wirklichen Sitz; das Innere Licht beginnt zu dämmern, und eine Spirituelle Erfahrung nach der anderen, wie der gestirnte Himmel, der Mond und die Sonne offenbaren sich.

Man begegnet in den alten und neuen Heiligen Schriften, wie in den Veden, Upanishaden, dem Heiligen Koran, dem Gurbani – Worte eines Lebenden Meisters – und dem Evangelium usw. häufig Hinweisen auf diese Dinge.

Die Propheten Mohammed und Moses sprechen von den verschiedenen Inneren Lichtern. Das Evangelium bezieht sich wiederholt auf Blitz und Donner in Verbindung mit der Stimme Gottes, als Er zu den Propheten sprach.

Sobald der Geist diese Anfangsstufen überschreitet und auf die feinstoffliche Ebene kommt, erscheint die Strahlende Form des Meisters, nimmt die Seele in Ihre Obhut und führt sie auf ihrer Spirituellen Reise weiter von Ebene zu Ebene. Mit diesem Kommen des Meisters ist das Werk von Simran erfüllt und die Seele des Strebenden ist völlig in den Händen der Meister-Seele.

Guru Arjan, der fünfte Guru der Sikhs, hat über die Erfolge, die ein Mensch haben kann, wenn er sich der liebevollen Wiederholung der Worte widmet, einen glühenden Bericht gegeben. Er prägt dem Menschen ein, allezeit in so vielen Worten an Ihn zu denken, wie sie die früheren Heiligen gebraucht haben.

Es gibt viele Namen für die Eine Wirklichkeit, und unser Ziel und Streben ist das Gleiche. Wir müssen mit dem Namen beginnen und mit dem Benannten in Verbindung kommen. Wenn ihr nicht mit dem Benannten in Verbindung kommt, könnt ihr nicht den vollen Nutzen aus den Worten, die ihr wiederholt, ziehen. Ihr sagt zum Beispiel water im Englischen, aqua im Lateinischen, pani und asb in Urdu und im Persischen, jal und nir in Hindi; aber allein durch die Wiederholung dieser Namen wird euer Durst nicht gestillt. Nur dadurch, dass ihr diese besondere Flüssigkeit, die mit so vielen Namen benannt wird, trinkt, kann der Durst gelöscht werden.

Man kann Simran auf zwei Arten anwenden:

Die eine, das Üben des Simran der Welt mit allem, was sie umschließt, hat so sehr Besitz von uns ergriffen, dass wir die Welt und das, was zu ihr gehört, geworden sind. Dieselbe Methode müssen wir nun gebrauchen, um alle weltlichen Gedanken von innen her zu entfernen, indem wir liebevoll des Herrn gedenken und dies mit so vielen Namen, wie sie bisher von den Heiligen erdacht wurden. Somit ist die eine da, um mit dem Simran der Elektrisch geladenen Worte, die von einem Kompetenten Meister gegeben wurden, beim Zurückziehen vom Körper zu helfen, und die zweite, um die Welt und die weltlichen Gedanken durch ständiges Denken an Gott, auf so viele Arten wie vorgeschrieben, aus unserem Inneren zu verbannen. Die Beschreibung davon wurde oben im Einzelnen gegeben.