Wie man richtig meditiert

Kirpal Singh erzählt zu Beginn dieser Tonbandaufzeichnung, wie Sein Meister Satguru Hazur Baba Sawan Singh immer sagte, wir sollten vor der Tür sitzen wie ein Armer vor der Tür eines Reichen sitzt.

Beginn des Tonbandauszuges:
I

Wenn ihr vor der Tür sitzt und wartet, muss Gott schließlich fragen, was ihr wollt, versteht ihr? Sitzt also einfach vor der Tür, völlig losgelöst von der Außenwelt, kein Gedanke an den Körper unten, kein Gedanke an eure Umgebung. Schaut einzig und allein mit ganzem Herzen, voll konzentriert, mit all eurer Kraft, mit all eurer Liebe, mit all eurer Hingabe, ganz eindringlich. Schaut – schaut – in das hinein, was vor euch liegt – und wartet. Das ist alles, was ihr zu tun habt. Erfahrungen werden von selbst kommen, ohne dass ihr darum bitten müsst. Die Meisterkraft ist über euch und wird euch ungefragt Hilfe geben. Unsere Aufgabe ist es, vor der Tür zu sitzen, ganz losgelöst von der Umgebung und vom Körper selbst. Ihr seid dort und euer Meister – sonst nichts. Wenn ihr es genau so macht, werdet ihr mit Sicherheit erfolgreich sein. Es gibt keinen Grund dafür, warum ihr nicht erfolgreich sein solltet, es sei denn, dass ihr bei den Übungen etwas falsch macht.

Welche Schwierigkeiten begegnen uns bei unseren Übungen? Wir widmen ihnen Zeit, aber trotzdem erzielen wir keine Ergebnisse – warum? Das kann viele Gründe haben, denn es gibt viele Hindernisse auf dem Weg. Die häufigste Ursache ist, dass wir uns des Körpers bewusst bleiben. Wir nehmen wahr, dass wir in Meditation sitzen und anderes mehr. Jedes Bewusstsein für unseren Körper muss wie abgeschnitten sein. Denkt bitte nicht an den Körper – ihr seid der Bewohner des Hauses, versteht ihr? Schaut mit dem Inneren Selbst in das hinein, was vor euch liegt – mehr nicht. Das ist das erste.

Als nächstes: Manchmal bleibt unsere Aufmerksamkeit auf den Atem gerichtet, wir beobachten, wie der Atmungsprozess im Körper vor sich geht. Er beginnt im Bereich des Nabels und steigt auf bis zum Mund. Wenn ihr euch dieses Vorgangs bewusst seid, befindet ihr euch natürlich im Körper und könnt ihn nicht überschreiten. Nachts oder tagsüber bei eurer Arbeit atmet ihr ja auch, ohne es wahrzunehmen. Die ganze Zeit achtet ihr nicht darauf. So sollte es auch sein, wenn ihr euch zum Meditieren hinsetzt: Beachtet es gar nicht, habt keinen Gedanken an den Atemvorgang. Ihr lest, ihr schreibt, ihr überlegt, ihr erfindet so vieles – bei all dem geht der Atem einfach weiter, ohne dass ihr ihm Beachtung schenkt, nicht wahr? Und auch während ihr in der Meditation sitzt, solltet ihr nicht darauf achten. Lasst den Atem einfach weitergehen! Das ist das zweite.

Drittens: Manchmal benehmt ihr euch wie ein Aufseher – ihr beobachtet, wie weit ihr euch erhoben habt und vom Körper zurückgezogen seid. In diesem Fall verlasst ihr den Sitz der Seele im Körper und befindet euch unterhalb davon.

Unser Meister sagte immer:

Wenn ihr hier (am Dritten Auge) sitzt, übt Simran! Wenn ihr hier sitzt, macht Simran!

Sobald ihr an den Atemvorgang im Körper denkt, seid ihr nicht mehr dort, sondern unten. Seid erst einmal dort! Bleibt dort! Ihr selbst seid bereits dort! Es ist nur unsere Gewohnheit geworden, nach unten in den Körper zu gehen, oder wie man es anders ausdrücken kann: wir haben uns so sehr mit dem Körper identifiziert, dass wir glauben, der Körper zu sein. Nur das ist es, versteht ihr? Das ist also der dritte Punkt.

Was geschieht, wenn man den Vorgang des „Sichzurückziehens“ beobachtet? Man empfindet dann qualvolle Schmerzen im Körper.

Was sagt Plutarch zu diesem Thema:

Die Erfahrung, die man macht, wenn man sich beim Tod vom Körper zurückzieht, ist dieselbe Erfahrung, die man erhält, wenn man in die Mysterien des Jenseits eingeweiht wird.

Das ist nichts Neues, ich wiederhole das nur noch einmal, damit ihr seht, es sind dieselben alten, alten Wahrheiten, von denen ich spreche. Wenn ihr beobachtet, wie sich der Geist vom Körper zurückzieht, werdet ihr Schmerzen empfinden, und ihr könnt euch nicht weiter erheben. Bleibt ihr aber fest im Sitz der Seele hinter den Augen, ohne einen Gedanken an den Atemvorgang oder den Prozess des Zurückziehens im Körper, dann erfahrt ihr in einem Augenblick, meine ich, dass ihr selbst am Sitz der Seele seid und der Körper empfindungslos ist. So leicht, wie sich ein Haar aus der Butter ziehen lässt, ganz sanft und ohne jede Schwierigkeit, wird dann die Seele ohne einen Schmerz zurückgezogen. Doch sobald ihr diesen Vorgang mitverfolgt („Wie weit habe ich mich erhoben?“), spürt ihr Schmerzen, ihr könnt die Übungen nicht weiterführen. Ihr seid wieder unten und habt keine Erfahrung.

Ich möchte euch über das Dritte Auge noch einiges mehr sagen: Manchmal zieht ihr euch vom Körper zurück, doch ihr seid ängstlich darauf aus, das eine oder andere zu bekommen („Dies oder das ist nicht gekommen, dies und jenes hätte ich sehen sollen, warum kommt der Meister nicht?“). Euer Verstand ringt und versucht es krampfhaft festzuhalten. Hört auf damit!

Ich habe euch zuvor ein Beispiel erzählt, das mein Meister oft anführt:

Wenn du immer an der Tür eines reichen Mannes sitzt, wird er dich schließlich fragen: „Mein Freund, warum sitzt du hier?“

Sitzt also einfach da und wartet. Die Hilfe wird von selbst kommen, ohne dass ihr darum zu bitten braucht. Ihr solltet nicht bestimmte Dinge erlangen wollen, denn dabei ist euer Verstand aktiv. Unser Körper sollte als erstes zur Ruhe kommen, versteht ihr? Unser Verstand sollte zur Ruhe kommen, unser Gemüt sollte zur Ruhe kommen – erst dann könnt ihr euer (Wahres) Selbst erfahren. Das ist der vierte oder fünfte Punkt.

Habt keine Eile, sitzt einfach vor der Tür, das ist alles. Guru Armar Das, sagt an einer Stelle:

Schaut her – versucht, immer an der Tür zu sitzen!

Es ist die Tür des Meisters, die hinter den Augen liegt und euch den Weg vom Körper aufwärts zeigt. Durch diese Tür verlässt die Seele den Körper und geht geradeaus ins Jenseits. Verharrt ununterbrochen an dieser Tür im Körper. An einer Stelle heißt es sogar: Selbst wenn der Meister euch ausdrücklich wegschicken würde („Geh jetzt!“), sogar dann bleibt dort! Denn es ist der einzige Ausgang, durch den man die Welt verlassen kann. Lernt also, vor der Tür hinter den Augen zu sitzen, und ihr werdet ganz gewiss Erfahrungen erhalten. Habt ihr irgendeinen Zweifel an dem, was ich sage? Es ist alles genau so. Doch wir befolgen manchmal die Anweisungen nicht genau genug, das ist der Grund für all die Schwierigkeiten.

Wenn ihr sitzt, dann sitzt völlig entspannt, voller Hingabe und Vertrauen, und legt eure Hoffnungen in Ihn. Das ist alles, was ihr zu tun habt. Gleichzeitig solltet ihr die geladenen Namen, die euch gegeben wurden, wiederholen. Sie sind ein Schutz gegen alle Täuschungen im Inneren und verhindern, dass ihr darin verstrickt werdet. Sie sind ein „Sesam-öffne-dich!“ auf dem Weg nach oben, könnte man sagen, das euch hilft und euch weiteren Auftrieb gibt. Die Wiederholung (der Namen) muss äußerst sorgfältig geschehen, sage ich euch. Auch hier gibt es einige Schwierigkeiten. Manchmal wiederholt ihr die Worte mit dem Mund, manchmal im Kehlkopf oder mit dem Herzen – und wieder seid ihr im Körper unten. Ihr müsst die Namen im Geist wiederholen, mit der „Zunge der Gedanken“, wenn man es so nennen will. Geradeso, wie wenn ihr ein paar Tage zuvor jemanden getroffen und ein längeres Gespräch mit ihm geführt habt, und ihr euch heute daran erinnert: „Dieser Mann ist mir begegnet, ich habe ihm vieles erzählt, und er hat mir folgendes geantwortet …“ All das ruft ihr euch ins Gedächtnis, und weder Zunge, Kehlkopf noch Herz sind daran beteiligt, nicht wahr? Wiederholt (die Namen) in Gedanken! Haltet euren Inneren Blick fixiert. Haltet diesen Blick beständig, ganz genau und ohne Unterbrechung auf das gerichtet, was vor euch liegt. Lasst keinen Augenblick davon ab! Wenn ihr beides zusammen tut, aber bei der Wiederholung zu schnell seid, werdet ihr entweder die Wiederholung beibehalten oder nur den Inneren Blick ruhig halten können. Ihr könnt nicht an zwei Dinge gleichzeitig denken.

Versteht ihr mich? Haltet euren Inneren Blick gefestigt und schaut sehr genau, eindringlich und ohne Unterbrechung in das, was ihr vor euch seht. Schaut – schaut – schaut noch genauer! So, wie man Luft in einem Reifen pumpt: wieder und wieder und wieder pumpt man. Macht es genauso: Schaut genau, noch genauer, noch viel genauer! Fahrt fort damit! Und gleichzeitig wiederholt die geladenen Namen, und zwar sehr, sehr, sehr langsam. Wenn ich „langsam“ sage, meine ich damit in zeitlichen Abständen, nicht kraftlos. Die Ladung liegt in den Worten selbst, ihr dürft nicht an deren Bedeutung denken, beachtet das. Sonst ist nämlich euer Verstand aktiv. Wenn ihr es auf diese Weise tut, werdet ihr euch erheben. Ihr könnt das, was in den Schriften steht, mit eigenen Augen sehen: Das Licht Gottes, den Inneren Meister, und ihr werdet Tag für Tag vorankommen.

Eines ist dabei sehr hilfreich: Regelmäßigkeit bei den Übungen, und zwar richtig und gewissenhaft, wie ich es gerade erklärt habe. Diese beständige Regelmäßigkeit ist erforderlich, Tag für Tag, seht ihr? Lasst keinen Tag vergehen, ohne den Spirituellen Übungen Zeit zu widmen. Es ist die Nahrung für die Seele, das Brot des Lebens. Gebt zuerst der Seele Nahrung und dann dem Körper. Macht euch das zum Lebensgrundsatz. Das ist äußerst wichtig, seht ihr. Es ist traurig, sagen zu müssen, dass wir wenig oder keine Zeit dafür haben; wir behaupten einfach, wir hätten keine Zeit. Doch wir müssen Zeit finden, sage ich euch! Nehmen wir an, dass ihr heute sterben müsst. Ihr erhaltet die Mitteilung, dass ihr heute Nacht um zwölf Uhr gehen müsst. Was werdet ihr tun? Seid ihr vorbereitet? Es wird uns nicht vorher gesagt, nur bei Initiierten ist es glücklicherweise so, dass sie vorher eine Nachricht erhalten. Doch nur bei denen, die sich bemühen! Wer gar nichts getan hat, dessen Ende kommt, und der Meister erscheint erst im letzten Augenblick, nicht vorher! Deshalb lege ich soviel Nachdruck darauf. Setzt regelmäßig Zeit ein! Lasst keinen Tag vergehen, ohne der Meditation genügend Zeit zu widmen, versteht ihr? Vier Stunden täglich sind eine Bedingung, zwei Stunden morgens, eine am Abend und eine in der Nacht. Wer soviel Zeit aufbringt, wird keinerlei Grund zur Klage haben, wenn er die Übungen richtig ausführt. Könnt ihr anfangs keine vier Stunden einsetzen – vier Stunden von vierundzwanzig – gut, dann beginnt mit zwei Stunden, aber versucht wenigstens, diese Mindestanforderung zu erfüllen.

Als ich zu meinem Meister kam, fragte ich Ihn:

Wie viel Zeit soll ich für die Spirituellen Übungen einsetzen?

Das war 1924. Er sagte:

Mindestens fünf bis sechs Stunden pro Tag, das ist das Minimum, und sonst soviel du kannst!