XII / I

Sein Wohlgefallen erlangen

Jeder Ort, wo man sich der Gott-Trunkenheit erfreuen kann, hat seinen eigenen Wert, sei es ein Tempel, eine Kirche, eine Moschee oder irgendein anderes Gotteshaus. Es leuchtet jedoch ein, dass der beste Ort, um Gott zu finden und sich Seiner Gegenwart zu erfreuen, der ist, wo Seine Widerspiegelung sichtbar wird. Die aus Stein erbauten Andachtsstätten wurden alle zum Gedenken Gottes errichtet, es ist aber nicht möglich, in irgendeiner von ihnen das Abbild des Herrn zu erblicken. Man kann Ihn nur in der menschlichen Form finden – in einer bestimmten menschlichen Gestalt, in der Gott Sich Selbst offenbart hat. Eine solche Persönlichkeit ist sozusagen Der auf Erden wandelnde Gott. Jene, die in religiösem Wissen geschult, an Rituale und Bräuche gefesselt sind, raten im Allgemeinen davon ab, Gott in der menschlichen Gestalt zu suchen. Ein ernsthaft Prüfender sollte aber genau überlegen, welchen Nutzen er von einem Lebenden Guru haben kann.

Wenn wir beispielsweise einen Tempel oder eine Moschee betrachten, stellen wir fest, dass Ersterer wie der menschliche Kopf kuppelförmig ist und Letztere die Form der Stirn hat. Beide sind dem menschlichen Körper nachgebildet, und man betet darin mit großer Ehrerbietung. Es wird ihnen die höchste Bedeutung beigemessen, während man den Wahren Tempel, die Wirkliche Moschee des menschlichen Körpers, nicht beachtet; dorthinein gehen wir nie. Die Wahrheit liegt vergessen in uns, und es bleibt nichts anderes übrig, als sich mit äußeren Dingen zu trösten. Ein Modell des menschlichen Körpers zu machen ist ganz leicht, aber wir legen fortwährend eine Hülle um die andere über das Wahre Licht Gottes in unserem Wesen; und es ist tatsächlich äußerst schwierig, damit aufzuhören.

Mein Meister pflegte das Beispiel einer getreuen Ehefrau anzuführen, die ungeachtet der guten oder schlechten Bemerkungen, die die Welt über ihren Charakter macht, ihre Aufmerksamkeit immer nur auf ihren Gatten gerichtet hält und weiß, dass sie wahr zu sich und zu ihm ist. So sollten wir, wenn wir zu Gott gehen, einzig dieses Ziel vor Augen haben und uns niemals darum kümmern, was von anderen gesagt wird. Geht euren Weg, die Aufmerksamkeit unaufhörlich bei dem Herrn, denn ihr seid Sein, und Er ist euer.

Das Ziel für alle Religionen war immer ein und dasselbe, aber was geschah?

Hafiz Sahib erklärt:

Wir hatten uns aufgemacht, dem Herrn zu begegnen, aber mittendrin wurde unsere Aufmerksamkeit gefangen genommen.

Religiöse und herkömmliche Bräuche haben unsere Aufmerksamkeit vom wirklichen Zweck der Reise abgelenkt, und solange das Mysterium des Lebens nicht gelöst ist, können wir unser ganzes Leben mit der Suche in äußeren Dingen dahinbringen, ohne dass die Wahrheit je enthüllt würde. Wer sind wir, und welche Beziehung haben wir zur physischen Gestalt? Auf welche Weise sind wir mit Gott verbunden? Bevor sich diese Fragen beantworten lassen, muss das Auge geöffnet werden, mit dessen Hilfe bei tatsächlichem Sehen die Wahrheit offenbart wird.

Ein Moslem-Maulvi-Sahib ermahnt uns:

Warum zerstreut ihr eure Aufmerksamkeit mit verstandesmäßigen Bestrebungen? Welchen Weg ihr auch geht, taucht darin ein, taub und stumm gegenüber allem anderen. Mit voller Konzentration geht auf euer Ziel zu; stürzt euch kopfüber hinein! Abwägen und Zweifeln hält nur euren Fortschritt auf.

Weiterhin sagt Er:

Ich bin in Ihm.

Das geschieht nur bei der großen Begegnung, wenn zwei Eins werden – wenn Er alleine da ist, Er, Dessen Ebenbild wir sind. Wird der Vorhang der Trennung beiseite gezogen, gibt es kein Auseinandergehen und Zusammenkommen, keine Sehnsucht mehr.

Christus sagte uns:

Ich und der Vater sind Eins.

Johannes 10:30

Guru Arjan tut kund:

Der Vater und der Sohn haben die gleiche Farbe.

Wenn die Seele diesen erwachten Zustand erlangt, hört das Wandern, das Suchen und die leidvolle Trennung auf. Ein Wahrer Guru ist nicht von Gott getrennt, darin liegt Seine Größe. Indem Er Sich Selbst verlor, wurde Er in der Tat das Ebenbild Gottes, und wer im Guru aufgeht, wird dem Guru gleich – ein Gurumukh oder das Sprachrohr des Gurus.

Paulus erwähnte diesen Zustand, wenn Er sprach:

Ich lebe aber: doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.

Galater 2:20

Unser Moslem-Prophet fährt fort:

Der Raum innen ist so erfüllt von meinem Geliebten, dass es keinen Platz für mich gibt; nur Er ist da. Ich bin in Dir; seht in meine Augen und nehmt die Einheit wahr. Wenn ihr sie nicht wahrnehmt, trage ich dann die Schuld?

Selbst der Gedanke Ich bin nicht da, kommt nicht auf. In den Augen einer erleuchteten Seele vibriert die Kraft, um euch wie mit einem Magneten ins Jenseits zu ziehen. Das war der ursprüngliche Grund, weshalb man Arti ausführt – ein Hindu-Ritual mit brennenden Kerzen.

Bei einem Satsang saß ich neben Hazur – Er hieß mich manchmal neben Ihm zu sitzen, so wie es ein Vater tun würde – , und ich sagte, dass es in der Vergangenheit eine Zeit gab, wo der Guru Seine große Zehe in Wasser wusch und es die Schüler trinken ließ, da eine große Aufladung darin war. Unter dem zehnten Guru der Sikhs erhielten sie Amrit – Nektar, der aus gesüßtem Wasser hergestellt wurde; und wenn sie ihn tranken, waren sie – wiederum durch die Aufladung – mit Leben erfüllt. Zur Zeit von Tulsi Sahib und Soami Ji Maharaj war es schließlich üblich, Arti zu praktizieren, indem man vor dem Guru in Augenhöhe mit Ihm saß; aber diese Phase ging auch vorüber. Zu Lebzeiten meines Meisters Hazur war es Sitte, die Füße des Gurus zu berühren. Auch das ist vorbei, und es bleibt nur, in die Augen des Meisters zu sehen und in Seine Strahlung vertieft zu sein, da die Augen die Fenster der Seele sind. Der Zweck all dieser Gesten war, dass die Schüler Vorteil von der Ausstrahlung des Gurus haben sollten. Doch wenn die Gurus gehen, besteht nur noch die leere Handlung.

Die höchsten Sinnesorgane sind die Augen. Nase, Ohren, Mund usw. sind auf einer niedrigeren Ebene. Wenn die beiden Augen am Punkt der Praxis über der Nase zusammenkommen, werden sie eins, und der Innere Pfad, durch den wir mit dem Jenseits bekannt werden, wird geöffnet. Wenn sich die vier Augen begegnen und Eins werden, gibt es kein Getrenntsein und keine Frage der Dualität. Der Schatz wird von Auge zu Auge gegeben. Von Auge zu Auge erfährt man eine Trunkenheit, und der physische Körper wird unbedeutend – wertlos. Selbst der Gedanke an ihn ist nicht mehr da. Kritik, Spott und unangenehme weltliche Angelegenheiten gleiten, ohne zu schaden, über einen hinweg. Dies ist das Wissen vom Einssein.

Hafiz Sahib hat gesagt, dass die Worte, die von den Heiligen geäußert werden, für jene gedacht sind, die sie empfangen wollen. Dies ist ihre letzte Verbindung mit der Welt; denn ihr Herz ist rein geworden, und sie haben das rechte Verstehen. Sie sind daher bereit, den Herrn zu erkennen. Die noch unreif sind, werden mit ihren äußeren Übungen fortfahren; denn ihre Zeit ist noch nicht da. Obwohl die Wahrheit in jedem Wesen ist, muss sie dennoch vom Guru durch die Augen neu belebt werden, weil die Kraftaufladung, die in diesem Vorgang liegt, nicht durch Bräuche und Rituale übermittelt werden kann. Diese Aufladung ist eine Trunkenheit, die von dem Menschen sein ganzes Leben lang nicht vergessen wird. Manche denken, dass die Nachfolge des Gurus durch juristische Dokumente zustande kommt. Doch wie ist das möglich oder auch nur durchführbar?

Es gibt nur eine Sache, die man verstehen muss – wie man den trennenden Vorhang zwischen mir und Dir entfernt.

Erlangt vom Guru das Wahre Bhakti; nur dann kann Er in das Gemüt eindringen.

Wenn man sich dem Guru vollständig hingegeben hat, bleiben keine Fragen oder Zweifel. Alles wird heiter, still, ruhig, und das Erwachen dämmert auf. Leben kommt von Leben; es gibt keinen anderen Weg, um die Wahrheit zu erkennen.

Jene, Die Sie in ihrer ganzen Wirklichkeit sehen, sagen:

Diese menschliche Form ist eine sehr eigenartige Erscheinung.

Sie sind nicht die menschliche Gestalt, sondern etwas anderes.

Bhai Nand Lal Ji, ein sehr ergebener Schüler von Guru Gobind Singh Ji, erklärt:

Für ein Haar meines geliebten Satguru will ich beide Welten opfern – diese und die nächste.

Nur wer ein klein wenig von der Widerspiegelung der Wahrheit gesehen hat, kann eine solche Feststellung machen.

Bei den Moslems wird ein Lebender Meister für einen Ketzer gehalten, und als Amir Khusro von seinem Guru initiiert wurde, kritisierten ihn die Menschen und nannten ihn einen Heiden.

Khusro war unerschütterlich und bekannte:

Ja, ich bin ein Ergebener einer Lebenden Gestalt, was hat das aber mit der Welt und ihrer Meinung zu tun?

Wenn ihr Jemandes Eigen werdet, dann werdet Sein genaues Ebenbild. Das Wohlgefallen eines Vollendeten Meisters zu gewinnen heißt, das Wohlgefallen Gottes zu gewinnen.

Soami Ji Maharaj sagt:

Wenn der Guru zufrieden ist, ist Gott zufrieden.

Der Guru sollte aber ein wirklicher Guru sein und nicht nur so genannt werden. Von welchem Wert ist das Wohlgefallen dessen, der unter dem Einfluss von Gemüt und Sinnen steht? Die Menschen machen oft eine bittere Erfahrung und tadeln dann alle Gurus. Jene aber, die vom Glück begünstigt sind und deren Auge, sei es auch nur ein wenig, entwickelt ist, sehen einen Inneren Widerschein der Wahrheit.

Ein einziger belebender Blick von Dir, o Guru, reicht aus, mich mit Leben zu erfüllen.

Wenn Er Seine Augen von uns wendet wird unsere weltliche und Spirituelle Existenz aufhören. Wenn das einmal geschieht, ist es sehr schwierig, Seine Aufmerksamkeit wiederzuerlangen; denn niemand weiß, welches Verhalten Ihm gefallen wird.

Vollendete Meister erlauben keine Eitelkeit, noch Eigendünkel oder Selbstlob bei ihren Anhängern, sondern merzen dies allmählich aus.

Bulleh Shah, der einer hohen Kaste angehörte, bekam die Initiation von Inayat Shah Sahib. Eines Tages schickte der Meister einige Seiner Anhänger zu Bulleh Shahs Haus und sagte ihnen, dass sie dort singen und tanzen sollten. Sie taten es und riefen: O Bulleh Shah, wir sind deine Gurubhais (Brüder unter demselben Meister), komm zu uns heraus. Nun, auf der Straße zu singen und zu tanzen hält man für ein ungehöriges Betragen, es ist das Benehmen von Leuten einer sehr niederen Kaste. Als man Bulleh Shah sagte, dass seine Glaubensbrüder gekommen seien, sagte er: Nein, ich kenne sie nicht – sie haben nichts mit mir zu tun.

Als die Schüler zum Meister zurückkehrten, sagte Er ihnen: Es macht nichts, ab heute werde ich die Pflanze nicht mehr bewässern.

Ihr müsst wissen, dass der Guru den Schülern durch Seine Aufmerksamkeit Nahrung gibt, selbst wenn sie Tausende von Meilen entfernt sind.

Ein Satguru sorgt für Seinen Schüler mit Seinem eigenen Lebensimpuls.

Erst vor wenigen Tagen schrieb mir ein Schüler aus dem Westen:

Wenn ich zur Meditation sitze und auch noch einige Zeit danach, ist ein lieblicher Wohlgeruch da.

Ich erklärte, dass dies die unmittelbare Folge von Gedankenwellen sei, die man erhält, wenn man für den Meister empfänglich ist. Empfänglichkeit ist sehr notwendig. Wenn ein Radiogerät nicht richtig eingestellt ist, gibt es keinen Ton von sich. Es ist äußerst schwierig, einem Guru zu gefallen: Er fragt nicht nach Geldspenden, Reichtum und weltlichen Gütern. Auch kann man Seine Zufriedenheit nicht auf Verlangen erhalten. Man kann sie nur durch respektvolle Aufmerksamkeit, Gehorsam gegenüber Seinen Wünschen, Hingabe und selbstlosen Dienst an der Menschheit gewinnen. Wenn ein Schüler nicht so leben will, was kann dann erreicht werden ohne die Gnade des Gurus?

In Lahore rief mich einmal mein Meister und sagte:

Kirpal Singh, ich habe die Setzlinge gepflanzt, du musst ihnen Wasser geben.

Ich antwortete:

Hazur, wie viel Wasser Ihr auch immer durch diesen Schlauch sendet, wird weitergegeben.

Nachlässigkeit in unserer Haltung und in unserem Tun gegenüber unserem Guru ist sehr gefährlich.

Bulleh Shahs Innere Freude war von diesem Augenblick an verflogen, und auf Anordnung des Gurus war es ihm auch nicht gestattet, des Meisters Haus zu betreten. Damals erlaubte Shah Inayat seinen Anhängern, den Heiligen Hymnen durch Gesang und Tanz vor Ihm Ausdruck zu verleihen, und schien bei solchen Anlässen Sein Gefallen daran zu zeigen. Es war da eine Prostituierte, die im Vortragen der Heiligen Gesänge großes Talent hatte und Ihn jede Woche regelmäßig besuchte. Für Bulleh Shah war es, als ob beide Welten, die Innere und die äußere, in tiefes und lautloses Dunkel versunken wären – dies war sein Zustand ohne den Blick und die Gedankenübertragung seines Meisters. Solchermaßen in der Verzweiflung und äußerst bedacht, die Gunst seines Meisters wiederzuerlangen, ging er zu der Prostituierten und bot sich an, jede Menge Arbeit für sie zu verrichten, wofür sie ihm das Singen beibringen sollte – in der Hoffnung, dem Meister damit Freude zu bereiten.

Wenn ein Meister es zum Beispiel gut heißt, selbstlos zu dienen und den Armen zu helfen, dann sollten es Seine Schüler gleichfalls tun; denn um wahrhaft von Ihm geliebt zu werden, sollten sie des Meisters eigene Gewohnheiten in sich entwickeln. Nur vorzutäuschen, dass man Seinen Willen tut, bringt nichts ein; denn Er weiß und sieht alles.

So studierte Bulleh Shah die Kunst des Singens und Tanzens neun Monate lang, und eines Abends sagte er zu seiner Lehrerin: Lass mich heute abend an deiner Stelle zum Meister gehen und vor Ihm singen. Sie stimmte zu, gab ihm ihre Kleider zu tragen – und mit klopfendem Herzen eilte er zu des Meisters Haus. Seine Lieder sind für den Leser auch heute noch herzzerreißend, erfüllt von tiefer Traurigkeit, wie er seine Trennung vom Meister beschreibt. Wer alles weiß, kann einen Menschen durch das, was er ist, erkennen, nicht dadurch, welche Kleidung er trägt. Als Bulleh Shah mit so viel Gefühl und Schmerz sang, konnte der Meister nicht anders, als von Seinem Sitz zu eilen und Bullen Shah in die Arme zu schließen. Viele, die das sahen, verwunderten sich, dass ein so Großer Meister eine Prostituierte umarmte. Deshalb sagte Shah Inayat: Höre, Bruder Bulleh, entferne diesen Putz, so dass die Leute nicht im Ungewissen bleiben.

Wie kann man das Wohlgefallen des Meisters wiedererlangen, wenn Er mit einem unzufrieden ist? Und was gewinnt man, wenn man diese Gnade wiederbekommt?

Die Hymne Guru Arjans wird einiges Wissen zu diesem Thema enthüllen:

„Ich falle zu Seinen Füßen nieder, um Seine Gunst zu erlangen. O finde einen Satguru, Der Gott Selber ist! Es gibt keinen anderen gleich Ihm.“

Wenn der Guru zufrieden ist, dann ist auch Gott zufrieden; denn Gott Selbst hat Sich im Guru offenbart. Der Satguru ist in der Tat das Abbild der Wahrheit, die maßgebende Kraft; denn Sein Wille lenkt alles, und es gibt keinen, der Ihm in dieser oder der nächsten Welt vergleichbar wäre.

„Ich habe ganz Brahmand erforscht, aber nicht einen gefunden, der meinem Guru gleicht.“

Ein Mensch kann nur von der Ebene aus sprechen, die er erreicht hat. Die Menschen der Welt denken auf weltliche Weise; jene aber, welche sich bis Brahmand erhoben haben und darüber hinausgelangt sind, sagen, dass selbst in Brahmand keiner ist, der dem Guru gleichkommt. Er ist die Wahrheit selbst und auch der Pol, durch Den die Wahrheit offenbart ist.

Wenn sich zwei Herzen derselben Sache erfreuen, werden sie sich ganz gewiss lieben. Wenn einer gerne den Armen dient und meditiert, sollte der andere dasselbe tun, und ohne jede Anstrengung wird die Liebe zwischen ihnen wachsen.

Maulana Rumi hat gesagt:

Wer sich Dir nähert, nähert sich Gott; und wer sich von Dir entfernt, geht von Gott weg.

Leere Worte zu sprechen ist unnütz; denn eine Sache zu sagen und etwas anderes zu tun mag der Welt Sand in die Augen streuen, aber niemand kann den Guru täuschen. Mein Meister sagte gewöhnlich, dass die Guru-Kraft alle Bewusstheit ist, und wenn sich eine Seele nicht dafür eignet, wird ihr der Innere Weg nicht bewilligt. Es sollte vom Gemüt oder den Sinnen nichts übrig bleiben.

Guru Arjan, Dessen Hymne ich nun heranziehe, wurde von Seinem Meister sehr schwer geprüft. Die Meister prüfen den Schüler immer wieder, um zu sehen, wie viel der liebenden Hingabe er hat und in welchem Ausmaß er noch unter dem Einfluss des Gemüts steht. Wer alles für seinen Guru opfert, hat alles erreicht.

Während der kriegerischen Tage zur Zeit Guru Gobind Singhs wurde ein gewisser Mann namens Nabi Khan Ali Khan getötet, und jemand ging zu dessen Frau, um sie über den Tod ihres Mannes zu informieren.

Als sie die Nachricht gehört hatte, waren ihre ersten Worte:

Ist mein Guru wohlauf?

Von einem Wahren Schüler wird der Meister mehr geliebt als jede andere Verbindung; denn es ist eine Verbindung der Seele mit Gott. Natürlich erfreut sich das Kind, das den kleinsten Wunsch des Vaters beachtet, seines Wohlgefallens. Wer auf seiner eigenen Meinung besteht und nicht gehorchen will, wird zweifellos auch des Meisters Liebe bekommen, aber der innere Schlüssel wird ihm nicht anvertraut.

Ich will euch nun erzählen, wie Guru Arjan das Wohlgefallen Seines Meisters gewann.

Jemand aus der Verwandtschaft von Guru Ram Das Ji – Guru Arjans Meister – heiratete in Lahore, der Guru Selbst war aber zu der Zeit in Amritsar. So ließ er seinen ältesten Sohn Prithi Chand kommen und sagte ihm, er solle nach Lahore gehen und ungefähr fünfzehn Tage bei den Hochzeitsfeierlichkeiten bleiben.

Wenn diese hocherleuchteten Persönlichkeiten erscheinen, sind Sie immer von Leuten umgeben, die entweder Ihr Geld haben oder Ihr Nachfolger werden wollen.

Prithi Chand protestierte gegen die Anordnung seines Vaters: Wer wird sich dann hier um alles kümmern, wenn ich dorthin gehe? Er fürchtete, dass sein Vater die Nachfolge Guru Arjan übertragen würde, der von Ihm am meisten geliebt wurde, und so weigerte er sich zu gehorchen. Der andere Sohn von Guru Ram Das war Maha Dev, der gewöhnlich in einem spirituell berauschten Zustand war. Darum sandte der Guru nach Arjan Sahib und teilte ihm mit, er solle anstelle von Prithi Chand zur Hochzeit gehen, und wies ihn an: Komme nicht zurück, bis ich dich rufen lasse.

Guru Arjan nahm des Meisters Auftrag ohne Zögern entgegen und ging nach Lahore. Jemand mit weniger spiritueller Kraft hätte die Anweisung übergangen und erklärt, dass er aus Liebe zum Meister habe zurückkehren müssen. Für Guru Arjan waren jedoch die Anweisungen seines Meisters von größter Wichtigkeit, sie waren eine Schranke zwischen dem Meister und ihm, die er nie zu übersteigen gewagt hätte.

Merkt euch, wer den Anweisungen nachkommt, wird hinsichtlich seines Ziels Erfolg haben.

Viele Tage gingen vorüber, und keine Nachricht kam, so schrieb Guru Arjan Sahib diese Worte und sandte sie seinem Meister:

Meine Seele verlangt nach Deinem Darshan; wie der Regenvogel in seiner Qual, der Durst bleibt ungestillt – es gibt keinen Frieden. So lebe ich ohne den Darshan des Geliebten.

Er schickte diese Nachricht seinem Meister, aber der Bote gab den Brief dem Sohn des Meisters, Prithi Chand, und so gelangte er nie in die Hände des Meisters. Was tut ein Sterbender nicht alles in seiner Verzweiflung? Er schrieb einen weiteren Brief. Von Lahore nach Amritsar sind es nur dreißig Meilen, aber er konnte wegen der Anordnung seines Meisters nicht hingehen.

Erinnert euch, wer die Trennwand der Anweisungen seines Gurus zerbricht, wird niemals Inneres Wissen verwirklichen. Er mag eine kleine Innere Erfahrung und Hilfe erhalten, aber er wird nie vollkommen werden.

So schrieb er im zweiten Brief:

Gerühmt sei die Stätte, an der Du weilst. Dein Antlitz ist so wunderbar, dass sich, erblickt man es, der Innere Ton mühelos erhebt.

Auch dieser Brief gelangte in Prithi Chands Hände, und wieder kam keine Antwort. Er schickte dann einen dritten Brief, den er mit der Nummer 3 versah. In diesem schrieb er:

Die Trennung von Minuten wurde zu einem Jahrhundert; o Geliebter, wann wird die Zeit kommen, wo ich Dich sehen kann? Ich kann nicht schlafen, und die Nächte gehen nicht vorbei ohne den Einen, Der mein Herr ist.

Als dieser Brief ankam, war Prithi Chand glücklicherweise gerade nicht da, und Guru Sahib erhielt ihn.

Obwohl die Meister alles wissen, verraten Sie es nicht, sondern lassen die Dinge auf der materiellen Ebene nach ihren eigenen Gesetzen in Erscheinung treten. Vergebt, aber wir halten unseren Guru häufig für geringer als einen Menschen.

Der Guru Sahib rief Prithi Chand und fragte ihn nach den zwei vorhergehenden Briefen, aber Prithi Chand antwortete: Maharaj, glaubt Ihr, dass ich ein Dieb bin? Der Meister sah ihn streng an, wandte sich an einen anderen Mann und sagte: Geh und sieh in den Taschen seiner Kleider nach. Er schickte dann nach Guru Arjan Sahib, und als dieser kam, sagte Er zu ihm: Du schriebst mir drei Briefe, und wer auch immer das Gedicht vervollständigt, wird mein Nachfolger.

Wenn eine Prüfung kommt, wird eine einfache Sache schwierig. Ich schrieb auch manchmal Gedichte an meinen Meister – durch die Trennung kommen gewöhnlich die Gedanken, und die Gedichte wurden dann geschrieben. Einige Rivalen fingen an, mich nachzuahmen, aber Wein und Wasser sind immer zu unterscheiden.

Guru Arjan schrieb die vierte Strophe so:

Durch ein großes Schicksal begegnete ich Ihm. Der Ewig-Seiende Herr wurde in dem Haus gefunden. Ich wünsche nur zu dienen und nie auch nur für einen Augenblick (von Ihm) getrennt zu sein: Ich bin Dein Diener, o Herr.

Dies lässt die Achtung erkennen, die der Schüler für seinen Meister haben sollte.

Einmal schrieb ich meinem Meister und bat Ihn, Er möge mir die Fähigkeit zu lieben geben, aber die Art von Liebe, welche die Grenzen des Respekts nicht überschreitet. Der Meister war in Dalhousie, als Er den Brief erhielt, und nachdem Er ihn gelesen hatte, drückte Er ihn an Sein Herz und sagte mit so viel Demut:

Eine solche Liebe erkenne ich an.

Ein Ergebener schreibt ein Gedicht, um die Gunst Seines Meisters zu gewinnen. Guru Arjan Sahib war Einer der seltenen Ergebenen, denen es tatsächlich gelang; und gegen Ende dieser Hymne deutet Er an, was damit erreicht wird.

Wie wir nicht sagen können, was Gott ist, so ist es auch unmöglich, den Guru zu beschreiben. Er hat eine physische Gestalt, aber Er ist nicht diese Gestalt. Was könnte Er uns geben, wenn Er es wäre? Würde die ganze Erde zu dünnem Papier und die Meere sich in Tinte verwandeln, aus allen Bäumen Federn gemacht und wir die Seiten mit Lobpreisungen des Herrn füllten, gelänge es uns doch nie, Seine Herrlichkeit zu schildern.

Ich besuchte eine christliche Schule und war immer wissensdurstig. Ich wusste, dass wir Sri Guru Nanak Dev Ji Maharaj sagten, denn in Indien fügen wir den Namen von Meistern und manchen angesehenen Persönlichkeiten verschiedene Respektbezeigungen bei und ich hatte bemerkt, dass die Christen ihren Großen Heiligen lediglich Jesus nannten.

Ich ging zu einem christlichen Bischof und fragte ihn:

Warum gebt ihr Christus keinen Ehrentitel, wo man doch jede unbedeutenden, gewöhnlichen Menschen mit Herr … anredet?

Der Bischof erwiderte, und ich kann mich noch genau an seine Antwort erinnern:

Wir halten Christus für den Sohn Gottes, und da wir Gott nicht verherrlichen können, können wir auch nichts zum Ruhme Christi sagen. Wenn wir anfingen, Seinen Namen zu erweitern, würden wir Ihn kleiner, nicht größer machen.

Ein anderer Meister sagt:

Du bist der Herrscher über alles, wie kann man Dich rühmen?

Ohne Zweifel gibt es niemanden, der dem Guru gleicht. Wer beginnt, einen anderen als seinem Meister ebenbürtig zu betrachten, dessen Seele wird zur Ehebrecherin. Gewiss ist das Licht in jedem, aber nicht wie im Guru offenbart. Wenn sich zwei Große Seelen begegnen und beide Gott im anderen sehen, dann ist das wieder etwas anderes – etwas, das Sie auszeichnet.

Ich erinnere mich an einen Vorfall in Lahore, in einem Pari Mahal (Elfen-Palast) genannten Haus, wo sich damals Maharishi Shivbrat Lal Ji während eines kurzen Besuchs in Lahore aufhielt. Er war der Nachfolger von Rai Saligram Ji, einem der führenden Schüler von Soami Ji. Als man meinem Meister sagte, dass er in Lahore sei, ging Er ihn besuchen, und ich begleitete den Meister. Es bot sich mir ein seltsamer Anblick. Mein Meister, Der immer die Demut selbst war, versuchte seine Füße zu berühren, er aber wollte Hazurs Füße berühren.

„Seine Liebenswürdigkeit ist größer als die aller anderen; sie übertrifft die von Vater und Mutter.“

Für ein Kind, welches auf dem Schoß der Mutter spielt, ist sie das Liebste, was es gibt. Der Wahre Ergebene, der in seines Meisters Schoß spielt, wird diese Beziehung über alle anderen stellen.

„Schwestern, Brüder und alle meine Freunde stehen mir sehr nahe; aber es gibt keinen wie Dich in dieser Welt.“

Einem Kind, das auf dem Schoß seines Vaters spielt und keinen anderen Gedanken hat, als ihm zu gefallen, wird der Vater geben, was es nur will. Wenn alle anderen Beziehungen zerbrochen sind und einzig der Guru verbleibt, dann habt ihr in eurer Arbeit Erfolg gehabt. Auf diesem Pfad haben bloße Worte keinen Wert: ihr müsst jede Seiner Weisungen befolgen. Macht euer Leben rein und keusch, dient anderen, nehmt euch vor bösen Worten in Acht. Liebt jeden, da Gott in jedem Wesen ist. Wenn ihr anderen dient, dient ihr Ihm.

„Auf Dein Geheiß kam Sawan (die Regenzeit), und ich pflügte den Acker der Wahrheit.“

Der Regen kommt in Form des Gurus wie erfrischende Kühle auf die ausgedörrte Erde. Meines Hazurs Name war Sawan. Wie ein Regen des Erbarmens kommen sie auf Anordnung Gottes. Wir sollten vollen Nutzen daraus ziehen, indem wir das Land unseres ganzen Wesens durch den Satsang reinigen, wo jeglicher Schmutz und Unrat hinausgeworfen wird. Wir zerstreuen unsere Gedanken im Äußeren, im Satsang aber können wir uns auf die Wahrheit konzentrieren. Alle Meister ermutigen dazu.

Christus sagt:

Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.

Matthäus 18:20

Es wird dort eine starke Ladung sein, selbst wenn sie Tausende von Kilometern von des Meisters physischer Gestalt entfernt sind.

Guru Gobind Singh sagt:

Wo fünf Schüler zusammensitzen, da ist Gott.

Wie kann etwas Gutes von einer Versammlung ausgehen, die voller Kritik und Uneinigkeit ist?

Dieser Satsang wurde auf Weisung meines Gurus begonnen, darum werft eure Trägheit und Interesselosigkeit ab, und werdet rein. Im Satsang ergießt sich ein Gnadenstrom in euch, so zieht den größten Nutzen daraus. Befreit euch allmählich von allen Unvollkommenheiten. Es ist aus dem Grund, warum ich von euch verlange, ein Tagebuch zu führen. Wenn der Boden vom Unkraut gesäubert wurde, kann die Saat gelegt werden und das echte Wachstum beginnen. Wenn Kiesel und Geröll nicht entfernt werden, mag wohl die Saat aufgehen, wird aber keine Frucht bringen.

„Mit großem Verlangen wurde die Saat von Naam gesät. Ich bitte jeden Augenblick um Gnade, damit sie Frucht trägt.“

Keine Macht kann diese Saat von Naam beseitigen, wenn sie einmal gesät ist. Sie wird früher oder später Frucht bringen. Wie kann man aber erwarten, dass sie ohne das Wasser des Satsang grün und frisch in all ihrer Schönheit gedeiht? Wenn sie einmal gesät ist, wird sie nicht verderben, wird aber in einem unvorbereiteten Boden fruchtlos bleiben. Wer seine Meditationen nicht in diesem Leben ausübt, muss wiederkommen. Da diese Saat in keiner anderen Form aufgehen kann, wird das Zugeständnis gemacht, dass man nicht unter die menschliche Geburt absinkt. Warum aber nicht jetzt eure Aufgabe beenden? Wer im Leben ungebildet ist, kann nicht dadurch gelehrt werden, dass er die Umwandlung durchmacht, die Tod genannt wird. Niemand sollte der irrigen Auffassung sein, dass er durch die Verbindung mit dem Heiligen Naam die Erlösung bekommen hat. Er wird sie bekommen, aber in wie vielen Leben?

„Als ich dem Guru begegnete, wusste ich, dass Er der Einzige ist. Mein Herz kann niemals einen anderen annehmen.“

Wenn der Schüler einmal seinen Guru erkannt hat, versteht er nur die Lehren seines Gurus und keine anderen.

Hanuman – der größte Ergebene von Lord Rama – wurde einmal gefragt, was für ein Tag sei, und er antwortete: O Ram. Auf die Frage, welcher Monat sei, sagte er: O Ram. Er war so sehr in die liebevolle Erinnerung an seinen Geliebten vertieft, dass er an nichts anderes denken konnte. Wohin immer er blickte, sah er Ram, und jeder, mit dem er sprach, war Ram. Es ist viel wert, einen Guru zu haben, wenn ihr so empfänglich seid.

„Alle vergänglichen Dinge sind abgefallen, seit ich die Gemeinschaft eines Heiligen habe.“

Zu den Füßen eines Wahren Gurus gibt es keine Uneinigkeit, keine parteilichen Auseinandersetzungen oder religiöses Gezänk. Der Meister stellt euch nur vor eine menschliche Aufgabe. Er sagt uns, dass es für Ihn nichts anderes mehr im Leben gab, nachdem Er Seinem Guru begegnet war. Er ist Einer, und doch ist Er nicht Einer – das ist gleichfalls ein Mysterium.

Wer erkennt und Einssein mit Ihm erlangt, wird der Handelnde und der Gebende.

Wir sind Ergebene des Lichts; es hat nichts zu sagen, in welchem Pol es sich zum Ausdruck bringt: alle sind Ein und Derselbe. Wessen Auge offen ist, der kann das wunderbare Spiel der Manifestation Gottes sehen.

„Jedem Menschen wurde die Aufgabe zugewiesen, doch der Erfolg hängt von Deinem Willen ab.“

Der Satsang begann nach Seiner Weisung, und Er führt die Arbeit zum Erfolg.

Hazur erzählte uns gewöhnlich, dass Er, als Baba Jaimal Singh Ji Ihm den Auftrag gab, mit dem Spirituellen Werk zu beginnen, zu Baba Garib Das und Chacha Partap Singh Ji ging, die Ihm beide sagten:

Wenn wir die Initiation geben, wird die Seele vielleicht keine Erlösung finden; gibst Du sie aber, wird sie bestimmt erlöst.

Als mein Meister mir gebot die Arbeit zu tun, fragte ich Ihn, zu wem ich für eine solche Versicherung gehen könne, und fügte dann hinzu, dass ich die Arbeit wie angewiesen tun würde, Er aber Seinen Schutz geben solle. Hazur ließ mich wissen, dass es so sein werde. Mit Seiner Unterstützung begann ich den Satsang, es ist nicht meiner, sondern Seiner, und Er wird jeden hinüberbringen. Aller Segen, den Er gibt, wird ausgeteilt. Ihm allein gebührt Ehre.