XXIII / (i)

Bitte um Gott

Man kann Gott oder den Gottmenschen in kritischen Augenblicken des Lebens um Hilfe anrufen, denn Er allein kann uns aus solch unsicheren Momenten befreien.

Voll von tödlichen Sünden und von den Begierden des Fleisches gequält, rufe ich: Erlöse mich durch Deine Gnade, so gut es geht. O Großer und Mitleidsvoller, ich brauche Deine Barmherzigkeit! Durch Bußen und Härten kann man nicht entkommen, doch mit einem Schimmer Deiner Gnade. Nimm Nanak heraus aus der blinden Hülle.

Guru Arjan, Kanra M5

O Herr, errette mich, ich bin unfähig, etwas zu tun; o gewähre mir in Deiner Barmherzigkeit die Gabe von Naam.

Guru Arjan, Dhanasari M5

Ich bete zum Guru, dem Geliebten Gottes; ein armer Wurm bin ich nur, gewähre mir das Licht von Naam.

Guru Ram Das, Gujri M4

Das Gemüt kann nur durch den Dhun von Naam oder die Himmlischen Weisen unter Kontrolle gebracht werden, und um dies müssen wir bitten. Keine andere Yoga-Art, wie Jnana, Hatha, Karma usw., kann in dieser Hinsicht von irgendeinem Nutzen sein; noch war bisher jemand imstande, sich dadurch trotz all seiner Klugheit aus den Fängen des Gemüts zu befreien. Das ungebändigte Gemüt kann man nur durch die Praxis von Sat Shabd oder Naam (das Wahre Wort) bändigen, und man kann von einem Adepten in diese Praxis eingeweiht werden. Im Augenblick, wo das Gemüt mit Naam in Berührung kommt, wird es gefügig und ist es satt, ein Erzverräter zu sein wie bisher, verwandelt sich in einen hilfreichen Verbündeten und stützt den Geist bei seinem Fortschreiten auf dem spirituellen Pfad.

O, ich bekam den Schatz von Hari Naam, mein Gemüt streift nun nicht mehr umher, sondern ist in beständiger Ruhe.

Guru Teg Bahadur, Basant M9

Im Hören auf den Ton wird das Gemüt beruhigt, keines der zahllosen Mittel kann dieses Wunder bewirken. Der Yogi führt die Yoga-Übungen aus, der Jnani ist vertieft in Jnana. Der Eremit ermüdet in seiner Einsamkeit. Der Einsiedler unterzieht sich endlosen Härten. Jene, die über mentale Bilder meditieren, leiden ebenso unter einer großen Täuschung. Wissen und Gelehrsamkeit sind nicht von großem Nutzen, denn am Ende werden die Klugen ihre Klugheit beklagen. Der Pandit befaßt sich mit dem Rezitieren der Veden, doch all sein heiliges Wissen bringt ihn Gott nicht näher. Kein anderes Mittel ist von irgendeiner Bedeutung, der einzig nützliche Weg ist der von Shabd. Wenn ein Meister des Tonstroms auf der Bildfläche erscheint, hat der Schüler Verlangen nach der neuen Geburt. Durch die Praxis des Surat Shabd Yoga versinkt der Gemütsstoff allmählich in sich, bis nichts mehr verbleibt.

Soami Shiv Dayal Singh, Sar Bachan 216

Wenn einmal dieser Kontakt mit Naam hergestellt ist, fühlt der Sadhak dauernd die Gegenwart der Höheren Kraft, Die immer bei ihm bleibt, wo er auch ist, auf schneebedeckten Bergeshöhen oder im brennenden Wüstensand. Da er in der Größe dieser Kraft seine Freude hat, überlässt er all seine Sorgen Ihm, und alles, was ihn umgibt, wird für ihn unwesentlich. Was immer ihm in den Weg kommt, nimmt er frohgemut als von Ihm und allein zu seinem Vorteil gedacht. Er sieht bewusst den Göttlichen Willen am Werk und unterwirft sich ihm lächelnd und mit aufrichtigen Dankesworten auf den Lippen. Er will nur noch, was von Gott gewollt ist und hat keine eigenen Wünsche mehr. Nun arbeitet er gleich einem Werkzeug, das sich automatisch unter dem Einfluss dieser Kraft bewegt. Er sieht alle Geschöpfe, hohe und niedere, wie winzige Teilchen, die sich in dem gewaltigen Universum, das ihn umgibt, in regelrechtem Einklang befinden. Nun ahnt er eine klare Abstufung, eine Ordnung, die einträchtig einem unermesslichen Willen gehorcht, der darüber steht und der doch bis ins allerkleinste um ihn besorgt ist. Auf diese Weise ist zwischen der Seele des Menschen und der Seele des Universums eine vollendete Harmonie geschaffen. Bei jedem Schritt ruft er aus: „Dein Wille geschehe“.

Alle Geschöpfe, vom höchsten bis zum niedrigsten, brauchen Deine Barmherzigkeit, und Du sorgst für alle gleich. Was Dir gefällt, ist das Beste. Nanak hat keinen anderen Wunsch als diesen.

Guru Nanak, Bilawal M1

Was immer Dir gefällt, ist gut, Du bist immer und ewig, o Gestaltloser.

Jap Ji

O Nanak! Groß ist die Kraft von Naam. Lass Frieden unter allen sein, nach Deinem Willen.

Der päpstliche Segen endet gewöhnlich mit den Worten: Urbi et Orbi. (An die Bürger und an die Welt.)

Zuletzt kommt eine Stufe, wo der Sadhak keine Notwendigkeit mehr für ein Gebet sieht.

Voller Liebe sind Deine Werke; Nanak verlangt nur Hari Naam.

Guru Arjan, Asa M5

In welchem Zustand ich mich auch befinde, es ist der Himmel für mich.

Guru Arjan, Asa M5

Da Gott die Geheimnisse aller kennt, so gibt es kaum etwas, das Ihm zu sagen übrig bliebe. Wenn der Herr in jedem Einzelnen von uns wohnt und unser ganzes Wesen durchdringt, welche Notwendigkeit besteht dann für ein Gebet und an wen?

Hari wohnt in uns und weiß alles, zu wem sollen wir dann von uns sprechen?

Guru Arjan, Sorath M5

Worum sollen die Niedrigen bitten, wenn Gott in allem wohnt?

Guru Ram Das, Kanra M4

Die Heiligen leben immer in diesem Zustand. Da sie eins mit Seinem Willen und Seine Bewussten Mitarbeiter sind, wäre das Gebet an sich Ketzerei für Sie und würde wie Skeptizismus aussehen. Alle Kräfte der Natur sind Ihnen zu Diensten. Wie wenig sich auch immer ein Gedanke erhebt, er muss, gleich einem unwandelbaren Gesetz Oberhand gewinnen. Gott ist immer mit Seinem Ergebenen und schaut auf Ihn mit mehr Sorgfalt und Aufmerksamkeit als eine liebende Mutter nach ihrem Kind.

Guru Arjan sagt:

Wer von Gott etwas erbittet, bekommt es sogleich, was es auch ist. O Nanak, die Worte des Ergebenen werden wahr, wo Er auch immer sei.

Guru Arjan, Dhanasari M5

Um Seines Ergebenen willen begibt Er sich überall hin und ist immer an Seiner Seite. Und was Dieser auch von Ihm erbittet, muss geschehen.

Guru Arjan, Asa M5

Kabir beschreibt den Zustand Seines Gemüts und sagt uns, dass es – wie das Wasser des Ganges –, so durchsichtig wurde, dass Sich Selbst Gott in Ihn verliebt hat.

Kabir, dein Geist ist nun so klar wie das Wasser des Ganges. Selbst Gott folgt dir rastlos und ruft „Kabir, Kabir“.

Kabir, Shalok Kabir

Wenn alle Wünsche eines Ergebenen ohne weiteres erfüllt werden, wird er naturgemäß wunschlos. Die dem Wunsch willfährigen Schätze von Naam offenbaren sich in ihm und sorgen für ihn bei jedem Schritt.

Mit dem Herrgott als liebendem Vater hat das Kind kein Verlangen nach irgendetwas; Du bist die Schatzkammer von Naam, und das Kind bekommt, was es wünscht.

Guru Arjan, Malar M5

Die Gebete des Ergebenen können nicht vergebens sein.

Guru Arjan, Bilawal M5

Da der große Gönner mit dem Ergebenen ist, braucht der letztere um nichts zu bitten, denn er ist Eins mit Ihm, und es gibt keinen anderen, an den Er sich wenden könnte.

Guru Arjan gibt uns eine wunderbare Beschreibung von diesem Zustand völliger Sättigung:

Er ist unsterblich, und so habe ich nichts zu fürchten; Er ist unvergänglich, und ich habe nichts zu klagen; Er ist nicht arm, und auch ich leide keinen Mangel; Er steht über Sorgen und Leid, und auch ich kenne sie nicht; außer ihm gibt es keinen Zerstörer, Er und ich leben ewiglich. Da Er frei ist, kann auch mich nichts binden, wir stehen beide über der Gebundenheit. Er ist makellos, und auch ich bin unbefleckt; Er ist in mir, welche Mängel kann ich da haben? Er hat nichts, um darüber nachzudenken, so blieb auch mir nichts zu überlegen; keiner von uns hat etwas zu bemänteln. Er ist ohne Wunsch, und auch ich begehre nichts; Er ist fleckenlos rein, und so bin ich es; ich habe kein von Ihm getrenntes Sein, denn Er allein ist. O Nanak! Durch den Meister ist die Täuschung verschwunden; in ihn eingetaucht, sind wir von derselben Farbe.

Guru Arjan, Asa M5