II

Das Gebet – Instinktiv im Menschen

Der Mensch neigt von Natur aus zum Gebet, und keiner kann ohne Gebet, sei es zu der einen oder anderen Zeit, auskommen, welche Form es auch annehmen mag. Der Gläubige und der Glaubenslose, ein Momin und ein Kafir, der Mann Gottes und ein Mensch, welcher nicht an Gott glaubt, alle beten, jeder natürlich auf seine eigene besondere Weise. Die Notwendigkeit für ein Gebet ergibt sich im Allgemeinen, wenn man sich in Bedrängnis, Unglück, unter dem Druck einer furchtbaren Krankheit befindet oder wenn man Befriedigung in irgendeiner ungewöhnlichen physischen oder spirituellen Not begehrt, die nicht auf andere Weise Erfüllung finden kann, oder aber, wenn man gegen feindliche oder dunkle Mächte ankämpfen will. Unter solchen Umständen erkennt der Mensch, dass er sich durch seine eigenen Anstrengungen – ohne Unterstützung – nicht die Befriedigung, derer er bedarf, sichern kann, und in äußerster Hilflosigkeit sucht er Kraft im Gebet. Im täglichen Leben gibt es den Schüler, der, um irgendwelche schwierigen Probleme zu lösen, die Hilfe seines Lehrers sucht, den Patienten, der in der Krankheit auf den Beistand des Arztes hofft, den Angestellten, der die Unterstützung seines Vorgesetzten erwartet, und so fort. All dies sind Gebete verschiedener Grade und Formen. Um seinen täglichen Bedürfnissen zu genügen, wendet sich das Kind wiederum an seine Eltern, die Ehefrau an ihren Gatten usw.

In allen schwierigen Fällen ist das Gebet die letzte Waffe in unserer Rüstkammer. Wo alle menschlichen Anstrengungen fehlschlagen, hat das Gebet Erfolg.

[…] Dinge sind durch das Gebet erwirkt worden, als sich diese Welt träumen lässt. […] Inwiefern sind Menschen besser als Schaf oder Ziege, die in ihrem Gehirn ein blindes Leben nähren? Wenn sie Gott erkennen, erheben sie nicht ihre Hände im Gebet für sich selbst und jene, die sie Freunde nennen.

Tennyson

Wenn das Gebet das Salz des Lebens ist, können wir nicht ohne es auskommen. Aber, zu wem beten wir? 

Die Antwort ist natürlich:

Zu dem Einen Höchsten Gott oder dem Gottmenschen, in Dem Seine Kraft wohnt und durch Den Sie in der Welt wirkt.

Alle Religionen stimmen in dem Punkt überein, dass ein Gebet am Sitz der Seele alle latenten Kräfte der Gottheit im Innern bewegt und man dadurch spirituelle Glückseligkeit erlangen kann. Es ist ein Bindeglied zwischen Gott und Seiner Schöpfung, zwischen Gott und Mensch. Es ist eine Stütze in den Händen eines spirituell Strebenden, und die Pilger-Seele braucht es vom Anfang bis zum Ende ihrer Reise, denn es bewahrt sie vor vielen Fallgruben, die auf dem Weg liegen, und verwandelt das Gemüt durch und durch, bis es aufleuchtet und das Licht der Seele zu reflektieren beginnt.

Durch Seine Gnade verwandelt sich der Seeadler in einen königlichen Schwan, o Nanak! Er kann aus einer Krähe einen jungen Schwan machen.

Guru Nanak, Sri Rag M1