III

Das Gebet – An wen zu richten

Man muss allein zum Herrgott beten, Der allmächtig und kompetent ist, alle Wünsche zu erfüllen.

Es gibt nichts, das Gott nicht gewähren kann.

Kabir

Reich ist wahrlich Der, Dem die Natur völlig zu Gebote steht.

Guru Arjan, Gauri M5

Die verschiedenen Götter und Göttinnen haben ein beschränktes Betätigungsfeld und wirken somit innerhalb ihrer Grenzen. Sie selbst erhalten ihre Kraft von Ihm und können kleinere Wohltaten, die innerhalb ihrer Sphäre liegen, gewähren oder versagen, aber sie können der Seele bestimmt nicht die Erlösung bringen. Nur eine befreite Seele kann Freiheit gewähren, sonst niemand. Guru Arjan sagt uns, dass Gott allein alle Arten von Leiden aufheben kann, und es hat dabei nichts zu sagen, ob es sich um körperliches (wie Schmerzen, Gebrechen und verschiedene Arten von Krankheiten), astrales (wie unvorhergesehene und unerwartete Katastrophen durch Unglücksfälle, Gewitter, Überschwemmungen oder Erdbeben usw.) oder kausales (eingewurzelte oder angeborene üble Neigungen, wie Lust, Zorn, Habsucht, Verhaftetsein und Egoismus) handelt.

Gott! Du zerstreust alles Übel und schenkst Frieden; wer auch immer zu Dir betet, bleibt vom Übel verschont.

Guru Arjan, Todi M5

Das Dämmern des Himmlischen Lichts allein lässt uns die Wahrheit anbeten; das Aufblühen liebender Hingabe macht uns die leblosen Gegenstände der Verehrung vergessen; das Wissen um Ihn zeigt die Nutzlosigkeit aller Riten und Rituale; die Offenbarung des Göttlichen Lichts im Innern unterscheidet den Reinen vom Unreinen.

Guru Gobind Singh

Wiederum sagt Guru Arjan:

Ich bete zu Ihm, Der alle Segnungen gewährt und von allem Übel erlöst. O Barmherziger, schütte Deine Gnade herab, dann wird mein Streben recht geleitet!

Guru Arjan, Sri Rag M5

Gedenke des Einen und singe zu Seinem Ruhm, stimme Seinen heiligen Namen an, und halte Ihn verborgen in deinem Herzen. Meditiere unaufhörlich über Seine Eigenschaften, und diene Ihm von ganzem Herzen und von ganzer Seele. Es gibt nur einen Gott, unvergleichlich und edel; vollkommen in Sich selbst, alles durchdringend; der Urheber dieser gewaltigen Schöpfung ist der Eine. Betet folglich den Einen an und keinen anderen, lasst Leib und Seele in Seiner Liebe gesättigt sein. O Nanak! Durch die Gnade des Meisters wird der Eine erkannt.

Guru Arjan, Gauri M5

Wenn immer du einen Wunsch hast, bitte den Herrn um seine Erfüllung; Er wird ihn dir gewähren, dafür ist der Meister Zeuge. Grenzenloser Reichtum kommt von Ihm und ebenso das Elixier des Lebens; barmherzig ist, Der alle Ängste bannt. Er bleibt immer bei Seinem Sklaven.

Guru Ram Das, War Sri Rag M4

Ich bete zu Dir, o Gott, Du bist der Herr meines Leibes und meiner Seele, Nanak misst Dir seine Größe zu, denn keiner kannte ihn je zuvor.

Guru Arjan, Asa M5

Du bist die Grundform aller Dinge, o Herr, und ich bete zu Dir, denn Du bist mein Altar in Freud oder Leid.

Guru Ram Das, Suhi M4

Vergebens bitten wir die Menschen der Welt, die voll der Unruhe sind; bete allein zum Herrn, wenn du das Meer des Lebens überqueren willst.

Guru Arjan, Gujri M5

Im heiligen Koran ist klar gesagt, dass man allein Gott anrufen soll, denn eine Bitte an Ihn ist die einzig wahre Anrufung im rechten Sinne des Wortes.

Ähnlich erklärte Abraham, während er seine Anhänger rügte:

Ich verlasse euch und alle Götter, die ihr anbetet; ich rufe meinen Gott an und vertraue darauf, dass ich nicht mit leeren Händen bleiben werde.

Und nochmals wandte er sich an sie:

O ihr Getreuen, lasst uns einig werden und zu einer gemeinsamen Grundlage kommen – der Grundlage der Gottheit – und keinen anderen als Gott anbeten, und keinen als Ihm ebenbürtig betrachten, denn keiner kommt Ihm gleich.

Koran, Al-Umar: Ajat 9-10

Der Instinkt der Liebe kann sich nicht entfalten, wenn man den Geliebten nicht sieht. Solange wir die Gottheit oder die Glorie Gottes nicht sehen, können wir nicht an die Existenz Gottes glauben; und ohne dies sind alle Gebete umsonst. Der Meister oder der Gottmensch jedoch ist die Wohnstatt des Gotteslichts und sein strahlender Mittelpunkt. Wir können mit gleicher Wirksamkeit zum Meister beten, Der Eins ist mit Gott. Er ist mit dem hinter Ihm liegenden Kraftwerk verbunden und ebenso mächtig, die Erfüllung unserer Wünsche zu gewähren.

Es heißt:

Gott manifestiert Sich Selbst in der Form eines Sadh (einer geschulten Seele).

Guru Arjan, Maru M5

Und Christus sagt uns:

Gott offenbart Sich durch Seine Propheten.

Im Gurbani lesen wir:

Gott spricht durch einen Sadh.

Guru Arjan, Gauri M5

Ein Moslem-Heiliger sagt uns:

Seine (Meisters) Worte sind Allahs (Gottes) Worte, wenngleich es scheint, als ob sie aus einer menschlichen Kehle kämen.

Ein Gebet zum Lebenden Meister ist so gut wie ein Gebet zu Gott. Man muss sich deshalb einzig und allein auf den Meister verlassen und sich für die Erfüllung aller Wünsche an Ihn wenden.

So sollten alle Gebete an Einen gerichtet sein, Der das Mysterium des Lebens und des Todes in Seinen Händen hat. Wir müssen vollkommenen Glauben haben an den Lebendigen Gott, Der in einer menschlichen Gestalt unter uns lebt und Sich bewegt. Wenn wir die Aufmerksamkeit ganz auf Ihn konzentrieren, sollten wir an keinen anderen denken.

Dies ist der einzige Weg, auf dem wir uns mit Gott verbinden können. Kabir Sahib sagt uns, dass die Entfernung in der Beziehung zwischen Meister und Schüler nicht zählt. Sie mögen beide durch riesige Meere getrennt sein, doch der bloße Gedanke des Schülers an den Meister zieht ganz gewiss die Aufmerksamkeit des Meisters an, und Er kann den Schüler leiten, wo er auch immer sein mag. Von Vivekananda wird berichtet: Als er sich zu einer Ansprache vor dem Weltparlament der Religionen in Chikago erhob, mangelte es ihm an Selbstvertrauen. Er bat um ein Glas Wasser, schloss für einen Moment die Augen und dachte an seinen Meister Paramhansa Ramakrishna, den Weisen von Dakshineswar; im nächsten Augenblick öffneten sich in ihm die Schleusen der Inspiration, und er hielt einen beispiellosen und leidenschaftlichen Vortrag, der mehrere Stunden dauerte. Ein Gottmensch ist ein wahrhaftiger König, und an Seiner Tür beugen alle mächtigen Könige der Erde ihr Haupt in demütiger Bitte und suchen um Erfüllung ihrer Wünsche und Bestrebungen nach, die anders nicht erlangt werden können.

Guru Arjan sagt in diesem Zusammenhang:

Alle Machthaber unterstehen Seiner kontrollierenden Kraft, ja, selbst die gewaltige Schöpfung steht unter Seinem Zepter. Überall hat Sein Wille die unumschränkte Herrschaft, und nichts liegt außerhalb Seines Göttlichen Willens. Bringe dein Gebet allein deinem Meister dar, denn Er wird alle Wünsche deines Herzens erfüllen. Sein Sitz ist in den Höchsten Himmeln, und Ergebenheit in Ihn liegt in der Verbindung mit Seinem Wort. Alles durchdringend, ist Er vollkommen in Sich selbst, und Sein Licht leuchtet in jedem Herzen. Die Erinnerung an Ihn vertreibt alle Sorgen, und selbst der Todesengel kommt Seinen Ergebenen nicht nahe. Die Toten werden lebendig durch die Kraft Seines Wortes; die Niedrigsten und Verlorenen werden aufgenommen und geehrt. O Nanak! Dein Gebet wurde angenommen und erhört; durch die Gnade des Meisters wurde Sein Licht im Innern offenbar.

Guru Arjan, Gauri M5

Ein Gottmensch hat innerhalb Seiner Reichweite alles, was einer braucht – die Gaben des Dharma, Artha, Kaama und Moksha (die Verdienste der Rechtschaffenheit, irdischen Reichtum und Besitz, die Erfüllung der Wünsche und Sehnsüchte und die Erlösung selbst).

Will jemand eine dieser vier großen Gaben, so muss er einem Sadh dienen. Sucht einer Befreiung von Kummer und Sorgen, muss er sich in den Tiefen seiner Seele mit dem Wort verbinden. Hegt einer Verlangen nach Name und Ruhm, muss er in der Gemeinschaft eines Heiligen sein Ich verlieren. Fürchtet sich einer vor den Qualen von Geburt und Tod, muss er Schutz suchen zu den Lotosfüßen eines Heiligen.

Guru Arjan, Gauri M5

Nach Obigem ist es völlig klar, dass wir uns im Gebet an Gott oder einen Gottmenschen wenden müssen, und nachdem wir imstande sind, uns mit Ihm zu verbinden, sollten wir uns auf Ihn allein verlassen und nicht auf irgendeine andere Kraft; denn nur Er kann uns aus dem gewaltigen Wirbel und aufgewühlten Pfuhl des Gemüts und der Materie herausziehen und den gequälten Herzen, die durch die ungezügelten Wünsche und Versuchungen hin- und hergerissen wurden, einen heilenden Balsam auflegen. Er ist die Stärke der Schwachen, der Notanker in den Stürmen und Unbilden des Lebens und der sichere Hafen für die Heimatlosen. Sein gnadenvoller Blick bringt den gebrochenen Herzen Ruhe.

Ein Vollendeter Meister achtet auf das Herz, und von Herz zu Herz fließt ein Lebensimpuls.

Bhai Nand Lal

Es liegt am Schüler, sein Herz ohne Zögern dem Meister auszuschütten und Ihm seine Schwierigkeiten darzulegen, ganz gleich, wo er sich befindet, denn der Meister steht jenseits von Raum und Zeit und hört auf des Schülers Wehklagen.

Öffne dein Herz deinem Meister, lege all deine Klugheit und Schlauheit ab; nimm mit Körper und Seele zu Seinen Füßen Zuflucht.

Guru Arjan, Gujri M5

Im heiligen Koran heißt es:

Außer Ihm gibt es keinen, der auf die traurige Geschichte der Bedrängten und den qualvollen Schrei der Hilflosen hört und ihnen Trost gibt.

Und Christus bemerkte sehr bedeutungsvoll:

[…] auf dass, so ihr den Vater bittet in meinem Namen, Er's euch gebe.

Johannes 15:16

Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun.

Johannes 14:14

Da Gott oder der Gottmensch die Schatzkammer aller Segnungen ist, müssen wir unsere Gebete einem von Ihnen darbringen und keinem anderen.