III / I

Leben in Fülle

Diese Erde, die Arena so vieler Kämpfe und Mühen, voll krasser Gegensätze und Widersprüchlichkeiten, ein gewaltiges Panorama des Lebens in seiner Vielfalt von Formen und Farben, ist nur ein Staubkorn in dem grenzenlosen Universum des großen Schöpfers.

Es gibt kein Ende der Schöpfung; zahllos sind ihre Lebensformen mit unterschiedlichen Arten, Farben und Namen, von der ewig gleitenden Feder des Schöpfers auf die objektive Welt niedergeschrieben.

Nanak

Trotz aller scheinbaren Unvollkommenheit dient diese Welt einem nützlichen Zweck im göttlichen Plan, so wie ein vermeintlich unbedeutendes Rädchen in der Maschinerie eines großen Kraftwerkes. Die Natur, das Werk Gottes, ist keineswegs verschwenderisch in ihrer Planung und Gestaltung. Diese Welt ist eine Strafanstalt, ein Ort zur Besserung, eine Art Fegefeuer, ein Ort der Sühne, eine Schulungsstätte, wo die Seelen durch Erfahrung geläutert werden. Sie ist eine Zwischenstation auf dem Weg von den physischen Ebenen zu den spirituellen Bereichen.

*Die Mächte der Erde sind strenge Lehrmeister, die noch an das alte mosaische Gesetz von

Auge um Auge und Zahn um Zahn

glauben.

* (Die Übersetzung dieses Abschnitts ist an die
englischsprachige Erstedition von 1968 angeglichen;
Anm. d. Redaktion 2011.)

Hier werden alle Arten von Foltermethoden angewandt und harte Schläge ausgeteilt, die uns mehr als zu Recht bestrafen, ungerührt durch Mitleid und Barmherzigkeit, so dass man seine Lektionen ernst nehmen und sich allmählich von dem Weg der Welt abwenden sollte, um den Weg Gottes zu gehen. Das Leben auf Erden ist eine furchtbare Sache, trostlos vor Angst und Schrecken, und wir sind Kinder Gottes, die seit langer Zeit in der Wirrnis der Welt verloren sind.

Evolution ist die Natur der Lebensmonaden, und sie besteht darin, sich zu ihrem Ursprung hinzubewegen und eins mit Ihm zu werden, denn wahres Glück liegt in der

göttlichen Gemeinschaft, der Gemeinschaft mit dem inneren Sein, bis wir in Licht erstrahlen, völlig verwandelt und frei vom Raum.

Doch die Tragödie auf Erden ist, dass wir nicht wissen, was wir sind, und noch viel weniger, was wir werden können,

Was wir sind, sehen wir nicht; was wir sehen, ist unser Schatten,

sagt Sokrates.

Unser inneres Sein ist so nach dem Bilde Gottes geschaffen, dass es ruhelos ist, bis es Ruhe findet in Ihm.

Eine wahrhaft religiöse Erfahrung,

sagt Plotin,

besteht darin, dass die aus dem Himmel verbannte Seele in ihre wahre Heimat findet.

Und diese Erfahrung kann die unsrige sein, wenn wir nur wissen, wie man das Selbst vom Joch des Körpers und Gemüts befreit.

Selbstverwirklichung und Gottverwirklichung sind die höchsten Ziele des irdischen Daseins. Selbstverwirklichung geht der Gottverwirklichung voraus.

Erkenne dich selbst,

war immer ein Glaubenssatz bei den Alten.

Zuerst legten die Griechen und nach ihnen die Römer großen Nachdruck auf gnothi seauton und nosce te ipsum, wie sie es jeweils nannten. Beide Begriffe bedeuten Selbsterkenntnis oder Erkenntnis des Selbst in uns. Das Erkennen des Selbst oder der atma jnana der Hindu-Rishis und khud shanasi der Moslem-Heiligen kommt zuerst. Danach kommt die Verwirklichung und Erfahrung des Überselbst oder Gottes, Paramatman oder Rab-ul-almeen, und dies wird Khuda shanasi oder Gotterkenntnis genannt.

Der Prozess der Selbstverwirklichung, durch den das Selbst aus dem gewaltigen Irrgarten von Gemüt und Materie befreit werden kann, beginnt, wenn man sich nach innen wendet und die Aufmerksamkeit, den äußeren Ausdruck des Geistes in der sichtbaren Welt, zurückzieht. Es ist die Kunst der Umkehrung von der Welt der Sinne zu der inneren Welt und jenseits der Sinne, was mit dem Begriff Para Vidya bezeichnet wird. Wahres Leben oder die Wirklichkeit erkennt man nur in einem todesähnlichen Zustand, der eintritt, wenn man die Sinnesströme bewusst vom Körper zum Augenbrennpunkt lenkt. Das Leben ist ein aktives Prinzip, jedoch den Sinnen und der Wahrnehmung entzogen.

Im täglichen Leben kommen bei uns alle Arten von Lust auf, die Lust des Fleisches, der Augen, Ohren und anderen Sinne – und wir werden ständig durch zahllose Bindungen, Myriaden von Wünschen und Sehnsüchten beherrscht, die aus dem Verlangen des Herzens und dem unbekannten Verborgenen in den Tiefen des Gemüts kommen. Alle Arten von Zuneigung und Abneigung, Stolz und Vorurteil, Liebe und Hass und vieles andere nisten sich dauernd, ohne dass wir es merken, in unser Bewusstsein, unser persönliches Bewusstsein, ein, verzehren unsere Energie und halten uns vom letzten Ziel und Zweck des Lebens fern, der Selbstverwirklichung.

Die Unwissenheit über das Lebensziel ist eine schlimme Krankheit, die uns befallen hat. Sie ist die Ursache der Knechtschaft, der Knechtschaft der Seele in einer Welt, die zum Bersten voll ist von Sünde und Leid. In uns aber ist eine Kraft, die die Seele zu neuem Leben erweckt. Wir müssen uns daher von diesem Drama hektischen Treibens abwenden und den Ruhepunkt unseres Seins im Innern des menschlichen Körpers finden, wo die alles durchdringende und vollkommen freie Kraft ihren Sitz hat.

Dieser Körper ist wahrlich der Tempel Gottes, und der Heilige Geist wohnt darin. Alle gegenwärtige Aktivität muss daher umgekehrt und in die entgegengesetzte Richtung gelenkt werden. Emerson hat es das Innere Anklopfen genannt; Präsident Truman bemerkte einmal, dass er ins Schützenloch des Kopfes gehe; denn dorthin zog er sich zurück, wenn er Frieden und Entspannung von der Bürde seines hohen Amtes suchte. Die Veden nennen es Brahmarendra oder die Öffnung, durch die man eine Verbindung mit Brahma erlangen kann.

Klopfet an, so wird auch aufgetan,

Matthäus 7:7

heißt es sehr bezeichnend.

Dies zeigt, dass es im Körper eine Tür gibt, die in die Welt des Jenseits, das Reich Gottes, führt. Von diesem Eingang heißt es:

Und die Pforte ist eng, und der Weg ist schmal, der zum Leben führt; und wenige sind ihrer, die ihn finden.

Matthäus 7:14

Wenn man diese Pforte findet und weiß, wie man hindurchgelangt, ist man persönlich überzeugt; denn nichts wird zur Wirklichkeit, solange man sie nicht erfahren hat. Der Verstand ist begrenzt und ebenso das Denken, welches auf ihm beruht. Die biblischen Texte sprechen von der Wahrheit, können sie aber nicht beweisen, geschweige denn eine Verbindung mit ihr geben. Logisches Denken ist eine Sache von Schlussfolgerungen und daher nicht unbedingt zuverlässig. Gewissheit stellt sich erst ein, wenn das ewige Wort spricht.

Der kürzeste, schnellste und sicherste Weg, auf dem man die Wahrheit erforscht, ist der tödliche Sprung ins Unbekannte,

sagt der große Philosoph Henri Bergson.

Wahrnehmung, Intuition und Denken können uns auf der Ebene des Intellekts bis zu einem gewissen Grad helfen, die Wirklichkeit zu verstehen; doch Sehen ist Glauben, inneres Sehen mit dem eigenen Auge, dem so genannten Einzelauge. Von diesem Eingang oder Einlass wissen die Menschen im Allgemeinen nur wenig.

Nanak sagt mit Nachdruck:

Die Blinden finden nicht die Tür.

Um die enge Pforte und den schmalen Weg zu finden, die zum Leben führen – zum ewigen Leben –, dem Leben des Geistes im Gegensatz zu dem des Fleisches, müssen wir von der gegenwärtigen Ausdehnung nach unten und außen ablassen und die nach außen fließenden Kräfte des Gemüts am Sitz der Seele sammeln, der hinter und zwischen den Augenbrauen liegt. Mit anderen Worten: Wir müssen den Mittelpunkt unseres Seins vom Herzzentrum, wo er sich jetzt befindet, zum Augenzentrum (Tisra Til oder Nukta-i-Sweda) verlegen und das Einfältige Auge entwickeln, von dem Jesus sagt:

Wenn dein Auge einfältig ist, wird dein ganzer Leib voll von Licht sein.

Matthäus 6:22

Dieses Einfältige Auge oder Dritte Auge, das von den Weisen verschieden als Shiv Netra, Divya chakshu oder Chashm-i-batin bezeichnet wird, verschafft einen Zugang zur spirituellen Welt – dem Reich Gottes –, das derzeit für die meisten von uns ein verlorenes Gebiet ist. Hier muss man immer wieder fest anklopfen, als ungeteilter Mensch mit voll konzentrierter und zielbewusster Aufmerksamkeit, um Zugang und Einlass in die Astralwelt zu erlangen.

Daher die Ermahnung:

Jetzt ist die Zeit, zu erwachen und liebevoll des Herrn zu gedenken.

Wie aber soll das geschehen? Wir haben Ihn nicht gesehen. Man kann sich nicht auf die formlose Leere, die Er ist, konzentrieren und über sie meditieren. Im selben Atemzug geben die Weisen ihren Rat:

Lernt von einem Gottmenschen, (wie man dem Absoluten näher kommen kann).

Und was sagt der Gottmensch?

Hefte deine Aufmerksamkeit auf den Augenbrennpunkt, den Sitz von Lord Shiva (dem Shiva Netra); wenn du dann eine Erfahrung vom Selbst in dir erlangst, wird zu gegebener Zeit alles andere von allein folgen.

Die Meister sagen uns, dass die ganze Welt blindlings im Dunkeln tappt und nach den flüchtigen Schatten jagt, die uns ständig täuschen und sich in Nichts auflösen, wenn wir ihnen näher kommen. Dabei liegt die Quelle aller Glückseligkeit und Harmonie unberührt im Augenzentrum, wo die Seele im Wachzustand ihren Sitz im Körper hat. Wenn man dieses Zentrum ausfindig gemacht hat, erhält man einen Zutritt und eine überbewusste Verbindung mit den Bereichen, die jenseits der äußersten Reichweite des menschlichen Geistes liegen. Mit den Sinnesorganen ausgestattet, haben wir kein anderes Mittel der Erkenntnis. Die Seele ist ohne die Sinne vollkommen, denn ihre Wirkungsweise ist direkt und unmittelbar und hängt nicht indirekt von äußeren Hilfen wie dem weltlichen Wissen ab.

Wenn man diese Verbindung erhalten hat, wird man Schritt für Schritt zur wahren Heimat des Vaters geführt. Dies ist das Leben in Fülle. Der Mensch ist dreifach gesegnet, denn es ist ihm gegeben, sowohl die astrale als auch die kausale Region zu überqueren und ins Jenseits (Brahm und Par Brahm) zu gelangen, der Region immer währender Glückseligkeit, (Sach Khand) die außerhalb der Grenzen der sich wiederholenden Schöpfung, Auflösung und großen Auflösung liegt.

Doch solange man sich nicht von der Welt und ebenso von sich selbst zurückzieht, von Körper, Gemüt und Verstand, kommt man Gott in keiner Weise näher.

Nur wenn der äußere Mensch stirbt (der Mensch durch Überwindung des Körpers zum Übermenschen wird), erneuert sich der innere Mensch (der Geist) und erreicht die schwindelnde Höhe des Berges der Verklärung. Man wird ein lebendiger, vom Körper und seinen Behinderungen freier Geist und fähig, eine Begegnung mit den alten Meistern wie Moses und Elias im Innern zu erfahren

Matthäus 17:1-3

und dem Herrn ein Osterlamm zu bereiten. (Matthäus 26::26-29; Markus 14:22-25).

An diesem Ort erwartet der Herr den Schüler:

Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. So jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich eingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.

Offenbarung 3:20

Alle Erfahrung, die uns Johannes offenbart, erlangt er, als er in den Geist verwandelt wurde (Offenbarung 1:10); und er spricht vom Kommen des Herrn als einem Dieb in der Nacht (in der Dunkelheit der Seele – 1. Thessalonicher 5:2).

Hafiz, ein persischer Mystiker von großem Ansehen, bezeugt ebenfalls:

Der Murshid kommt in der Dunkelheit mit einer Laterne in der Hand.

Der Weg zu Gott, sagt der Prophet Mohammed, ist schmäler als ein Haar und schärfer als des Messers Schneide.

Nanak beschreibt ihn als khande-di-dhar (Schneide des Schwertes) und sagt ebenfalls, dass er schmäler ist als ein Haar; man muss wirklich durch eine todesähnliche Erfahrung hindurchgehen.

In diesem Zusammenhang sagt Plutarch:

Im Augenblick des Todes erfährt die Seele die gleichen Eindrücke und macht den gleichen Prozess durch, wie jene, die in die großen Mysterien eingeweiht wurden.

Aber wie viele von uns sind vorbereitet, den Todesvorgang bei Lebzeiten zu erfahren? Wir haben alle eine entsetzliche Angst vor dem Tod. Und warum haben wir sie, wenn wir doch genau wissen, dass er das notwendige Ende aller erschaffenen Dinge ist? Man braucht nicht lange nach den Gründen zu suchen. Erstens haben wir noch nicht gelernt, während des Lebens „willentlich zu sterben“, und zweitens wissen wir nicht, was nach dem Tod geschieht. Wohin werden wir gehen? Was liegt hinter dem Tor des Todes?

Aus diesem Grund erfüllt uns der Tod mit Grauen; und die bloße Vorstellung von ihm hält uns in einem Zustand großer Furcht:

Die ganze Welt hat schreckliche Angst vor dem Tod, und jeder möchte endlos leben. Wenn man durch die Gnade des Gurus im Leben zu sterben lernt, erkennt man die göttliche Weisheit. O Nanak, wer einen solchen Tod stirbt, erlangt die Gnade ewigen Lebens.

Somit ist der Tod letzten Endes kein furchterregendes Ereignis.

Wie schön ist die göttliche Philosophie, nicht streng und schwer verständlich, wie die Unwissenden meinen, sondern lieblich und wohlklingend wie die Laute Apollos und ein immerwährendes Fest nektargleicher Süße.

Sie öffnet in Wirklichkeit neue Ausblicke und Horizonte jenseits des Grabes oder der Flammen des Scheiterhaufens, die die sterblichen Überreste verschlingen, begraben und auslöschen.

Du bist Staub und wirst wieder zu Staub werden

Genesis 3:19

bezieht sich nicht auf die Seele.

Das Lebensprinzip, das tatsächlich in uns wie in jedem anderen Lebewesen zu finden ist, stirbt niemals. Lediglich die aus den Elementen bestehenden Teile erfahren einen Wandlungsprozess, den wir irrtümlich Tod nennen und fälschlich als Auflösung verstehen.

In der Natur nährt der Tod das Leben, und das Leben erhellt den Tod.

Überall, auf allen Seinsebenen, herrscht das universale Gesetz.

Die Weisen stellen fest, dass die Erkenntnis der Wirklichkeit mit dem Auslöschen des Ich kommt (des körperlichen Ich, in dem der Geist eingekerkert ist).

In dem Augenblick, wo der Geist freiwillig die Ketten sprengt, bricht etwas mit einer überwältigenden Erleuchtung aus der Welt hinter der Welt über den Geist herein und macht ihn zum Propheten des höchsten Gottes.

Auf dem Berg der Verklärung gelangt man zu Offenbarungen und sieht das Verschmelzen von Himmel und Erde.

Matthäus 17:2

Hier wird man gewahr, dass die Dunkelheit leuchtend und die Leere fruchtbar ist.

Jeder muss natürlich eines Tages sterben: der Mensch, die Vögel und anderen Tiere, Reiche und Arme, Junge und Alte, Gesunde und Kranke. Die Seele, die das physische Kleid anlegt, muss es eines Tages wieder ablegen. Nur der Tod ist gewiss und wirklich, während das Leben (in dieser Welt) ungewiss ist. Wir halten selten inne, um über die lange Reise nachzudenken, die unser inneres Sein noch vor sich hat. Wir beklagen im Allgemeinen den Tod anderer und trauern endlos lange um sie, sind aber nicht klug genug, für unser eigenes Ende Sorge zu tragen und uns auf die letzte Reise ins große Unbekannte vorzubereiten, das uns nach dem Lebensende erwartet. Bevor wir den Todesprozess analysieren, so nützlich und aufschlussreich das sein mag, wäre es der Mühe wert, zu erkennen, was wir sind. Wer sind wir? Woher kommen wir? Wohin wir gehen? Und vor allem, welches ist der Sinne und Zweck des menschlichen Lebens?

Der Mensch ist seiner gegenwärtigen Beschaffenheit nach eine Verbindung von Körper, Gemüt und Verstand, mit einer großen Antriebskraft im Hintergrund, die Seele genannt wird. Seit langen Zeiten wurden wir geformt und eingehüllt, und so fließt unsere Aufmerksamkeit ständig durch die neun Tore des Körpers nach außen und unten – durch die Augen, die Ohren, die Nasenöffnungen, den Mund und die zwei unteren Kanäle. Wenn wir das auch nicht wollen oder absichtlich tun, so ist es uns doch zur Gewohnheit geworden. Wir sind noch nicht Herr des Hauses, in dem wir leben. Pausenlos werden wir durch Gemüt und Sinne über die verschiedenen Sinnesorgane in die weiten und abwechslungsreichen Gefilde der Sinnesfreuden hinausgezogen.

Diese dauernde Gemeinschaft unseres inneren Selbst (der Aufmerksamkeit) mit dem Gemüt und den materiellen Dingen hat uns nicht nur erniedrigt, sondern bis zur Unkenntlichkeit entstellt – und nun erkennen wir nicht mehr, was wir wirklich sind. Wir haben uns so sehr mit unserem begrenzten Beiwerk identifiziert, dass wir unabhängig und getrennt davon nichts wissen.

Das Selbst muss vom Persönlichen befreit werden, indem es die Maske des wertlosen Ich, die es sich aufgesetzt hat, ablegt und nichts als das reine, einfache Selbst wird, das sich von den zahllosen begrenzenden Kräften gelöst hat:

  1. dem Gemüt, das die Fähigkeit besitzt, Eindrücke zu speichern (chit), dem Denken (manas), dem folgernden Verstand (buddhi) und dem Egoismus oder der Selbstbehauptung (ahankar);

  2. der physischen (ann-mai), der feinstofflichen (pran-mai und mano-mai) und der kausalen (vigyan-mai und anand-mai) Hüllen oder Umkleidungen;

  3. den angeborenen Gunas: und natürlichen Neigungen der Rechtschaffenheit (satva), der treibenden Unrast (rajas) oder der aus Unwissenheit geborenen Trägheit (tamas);

  4. den fünf Elementen (tattvas): Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther, woraus die ganze physische Schöpfung besteht, und

  5. den 25 in verschiedenen Anteilsgraden zusammengesetzten Elementen, prakritis, welche die physischen Formen oder Körper in vielfältigen Gestaltungen und Muster, Schattierungen und Farben, entsprechend dem Ergebnis der karmischen Rückwirkung, vorbereiten. Solange dies nicht erreicht ist, kann das in dem Netzwerk gefangene Selbst von seiner wahren Natur nichts wissen, geschweige denn von seiner göttlichen Abstammung und reichen Erbschaft. Dies alles kommt erst dann ans Licht, wenn es zu sich kommt und sich als das selbstleuchtende Selbst erkennt.

Wir wollen sehen, was uns einige englische Dichter hierüber zu sagen haben:

Der Mensch ist eine kleine Welt in sich, die aus Elementen und einem engelhaften Geist kunstreich erschaffen wurde. Seine gottgleichen Eigenschaften entarteten durch seinen Sündenfall und er wird beständig vom Zorn Gottes – von Kriegen, Seuchen und Unwettern – heimgesucht. Dennoch kann er sich eines zivilisierten Glücks erfreuen, wenn er die Welt als Vorbereitung für die nächste betrachtet und den Körper seiner Seele unterwirft.

John Donne

Welchen Sinn hat es, auf Unbeständigkeit zu bauen, da doch nichts von Dauer ist in dieser Welt!

John Skelton

In dem allumfassenden Bereich des tierischen Instinkts gibt es einen verborgenen Drang, der die erwählten Menschen dazu treibt, sich über die animalischen Impulse zu erheben. Das Überwinden dieser Impulse zeigt sich in völliger Interesselosigkeit (gegenüber allem, was der äußeren Welt zugehört). Der Trieb des animalischen Egos bleibt vollkommen unbeachtet; und diese Nichtbeachtung zeigt sich darin, dass man sich willentlich einem 'selbst gesuchten Tod' unterwirft und die Auslöschung des animalischen Instinkts annimmt, der sich gegen diese Annahme wehrt […] bis auf der subjektiven Seite nichts mehr verbleibt als reine Bewusstheit und man in ein höheres Wesen umgewandelt ist, das man betrachtet […]

Nichts wird jemals wirklich, wenn es nicht auf tatsächlicher Erfahrung beruht. Aber wie viele Philosophen sind zu dieser Erkenntnis gelangt?

Zu diesem Zweck muss das Gemüt als Sinneskraft wieder in sich vereinigt (ein ungeteiltes Ganzes) werden, was der Beginn und die notwendige Voraussetzung dafür ist, dass man sich ganz von ihm löst. Das Ich muss eine Einheit sein, bevor man sich gänzlich davon befreien kann (vom Körper, Gemüt und Intellekt). Es ist dann ein alles erkennender Geist, der die Gesamtheit des Seins unter dem Aspekt der Ewigkeit umfasst. So wir Zugang in die Welt des Seins erlangen, ist uns vollkommene Einsicht gegeben.

Middleton Murray

Es gibt eine Verbindung von Mysterium und Mysterium, der unbekannten Seele und der bekannten Wirklichkeit; an einer besonderen Stelle im Gewebe des Lebens scheint die verborgene Wahrheit den Schleier zu durchbrechen.

Middleton Murray

Wie wird nun dieser innere Drang befriedigt? Der Vorgang, bei dem man ganz in den Augenbrennpunkt gelangt und dort verweilt (im Tor des sogenannten Todes), ist dem Todesvorgang teils sehr ähnlich.

Man zieht die Sinnesströme freiwillig vom Körper unten zurück und bekommt eine Erfahrung von den Geheimnissen des Jenseits, in das eine Meister-Seele (Sant Satguru) einen Schüler zu Lebzeiten initiiert. Er gibt eine innere Ersthand-Erfahrung der bewussten Verbindung mit dem Heiligen Naam – dem göttlichen Licht und dem Heiligen Tonstrom, Heiligen Geist, – siehe Lukas 3:16 – der von der rechten Seite kommt, als niedrigster Ausdruck der Gottheit im Innern.

Nur durch eigene Anstrengung, ohne Führung und Hilfe, kann man keinen Zugang zur Welt des Geistes erlangen, da man nicht einmal in der physischen Welt, von der Wiege bis zur Bahre, ohne die aktive Hilfe und Führung so vieler Lehrer auskommen kann. Hierin besteht die hervorragende Bedeutung und Notwendigkeit eines Satgurus oder Murshid-i-Kamil (Vollendeter Meister und Adept in der Kunst und Wissenschaft der Seele), Der kompetent ist, die Geistesströme von jeder Pore des Körpers, also der Ebene der Sinneswahrnehmungen, zurückzuziehen und sie über das Körperbewusstsein zu heben, damit man selbst den inneren Glanz der Herrlichkeit Gottes sehen kann.

Der todesähnliche Prozess beginnt mit dem Zurückziehen der Sinnesströme vom Körper. Man hat nichts weiter zu tun, als sich ruhig, gelassen und ganz entspannt hinzusetzen, die Aufmerksamkeit am Augenbrennpunkt zu festigen und sich in Simran oder die Wiederholung der geladenen Namen zu vertiefen, die alle Zeiten hindurch den Lebensimpuls der Meister tragen und als Passwort für die Bereiche des Jenseits dienen. In einer solchen einfachen Haltung (asan) und in gesunder Umgebung vergisst man sich selbst und auch die lebens-spendenden und lebenerhaltenden pranas (Lebensenergien), wodurch sie wie das ganze Atmungs- und Kreislaufsystem des Körpers von selbst allmählich langsamer und rhythmischer werden.