IV / I

Der Tod in Knechtschaft

In der Natur folgt dem Leben der Tod, und aus dem Tod geht das Leben hervor. Der Tod als das Ende des Lebens in einer Form ist nur der Beginn zu neuem Leben in einer anderen, und dies im allgemeinen auf einer höheren Seinsebene als vorher und in einer besseren und geeigneteren Umgebung.

Evolution ist das Gesetz des Lebens und besteht darin, die in der Geist-Materie verborgenen Möglichkeiten zu entfalten. Sie umfasst in ihrem Bereich nicht nur die Entwicklung der Geist-Materie, die auf ihrem weiteren Weg plastischer und durchsichtiger wird, sondern auch die Entfaltung der Formen von den Mineralien bis zum Menschen und zuletzt die Ausdehnung des Selbstbewusstseins. Die sogenannte tote Materie ist nicht wirklich tot, wenn sich auch die Energie in ihr für eine gewisse Zeit in einem erstarrten Zustand befindet.

Ein abgetragenes Kleid, das seinen Zweck erfüllt hat, wird weggeworfen und durch ein neues ersetzt, in der Machart, die einem am besten gefällt. Dies ist das Gesetz von Mutter Natur, der Schöpfung Gottes. Der gütige Vater, heißt es, hat bestimmt, dass Seine Kinder haben können, wonach sie sehnsüchtig verlangen.

Indem der erhabene Herr des Universums für das Lebensnotwendige auf Erden sorgt, für Liebe, Licht und Leben und alles, was dazugehört, wie Erde, Wasser, Sonne. Luft und Raum mit allen Mitteln der Erhaltung, ist Er über alle Maßen großzügig. Er gewährt dies allen frei, wenn auch jedem nach seinem Bedarf und entsprechend seinem Abstieg. Seine Gaben sind zahllos und unerschöpflich, und zu allen Zeiten hat der Mensch in verschiedener Weise davon gelebt. Nicht zufrieden mit ihrer grenzenlosen Fülle, verlangt er nach mehr – mehr Gold und Silber, mehr Wohlstand und Bequemlichkeiten des Lebens, mehr von allem, was es gibt, und unaufhörlich kämpft er darum und müht sich dafür ab.

Anstatt dem Herrn für alles, was Er uns in Seiner Güte gegeben hat, dankbar zu sein, verwünschen wir uns selbst, fluchen auf jene, die bessergestellt und reicher sind als wir, beschimpfen die unschuldigen Sterne und zögern nicht, mit scharfen Worten über unser Los oder Schicksal zu murren und zu klagen, das wir durch unsere eigenen Handlungen geschaffen haben.

Trotz aller Besitztümer verliert man seinen Kopf für einen Hungerlohn.

Das menschliche Leben ist ein großes Vorrecht, ein seltenes Gut und ein Segen. Es wird einem zuteil, nachdem man einen langen Entwicklungsprozess von endloser Dauer durchgemacht hat. Dies ist eine günstige Gelegenheit, die Reichtümer der Spiritualität anzuhäufen, die in uns verborgen liegen und von denen wir kaum wissen. Doch die meisten von uns trachten nach vergänglichen und unwesentlichen Dingen, nach den Sinnesfreuden des Erdendaseins und nicht nach wahrem Glück. Wegen dieser kurzlebigen flüchtigen Vergnügungen, die wir erlangen oder nicht, versuchen wir auf jede Weise, ehrlich wie unehrlich, Himmel und Erde in Bewegung zu setzen, wobei wir in den meisten Fällen teuer, ja selbst mit unserem Leben dafür bezahlen, und wir verlassen die Bühne des Lebens mit tiefem Bedauern um der einen oder anderen Sache willen und wegen der unehrenhaften Mittel, derer wir uns bedienten, sowie der Sorgen, die uns unsere Unternehmungen bereitet haben.

Die Natur ist nicht maßlos in ihren Plänen und Zielen.

Wie man denkt, so wird man.

Unsere Empfindungen und Gefühle, Gedanken und Leidenschaften, Wünsche und Bestrebungen vergehen nicht mit dem Tod unseres Körpers. Sie bilden ein inneres Gewand (den Astralkörper), ein Kleid unter dem physischen Mantel; und der darin eingeschlossene Geist umgibt sich mit einer weiteren Hülle, indem er die karmischen Saaten anzieht, die im Saatkörper, dem kostbaren Schatzhaus, lagern. Es ist dieser kausale oder Instrumentalkörper mit seinen gewaltigen Hilfsmitteln, der seinem Bewohner, dem Geist, hilft, eine neue Form zu schaffen, ein neues Tabernakel des Fleisches. Als geeigneteres Gefäß mag es zur Erfüllung dessen beitragen, was im unbewussten Selbst an oberster Stelle liegt.

Schließlich hebt sich der Vorhang und gibt das ganze Panorama des Lebens bis in alle Einzelheiten frei, bevor man diesen Schauplatz verlässt. Auf dem Totenbett wird man vielleicht einen Schimmer der Wirklichkeit gewahr, aber dann ist es zu spät, sie zu begreifen. Dieser Prozess wirkt unablässig fort und gibt am Ende jeder Lebensspanne auf Erden dem Rad des Lebens und des Todes mit seinen natürlichen Begleitern wie Freude und Leid, Wohl und Weh, Höhen und Tiefen, neuen Antrieb. Es bewegt sich in unendlichen Kreisläufen, da man mit dem, was man während seines irdischen Daseins erhält, nie zufrieden ist und fortfährt, neue Hoffnungen und Wünsche zu nähren – oft vermischt mit Bedauern über das, was man ersehnte, aber nicht bekam. Ohne es zu wissen, ist man ständig damit beschäftigt, die Drachensaat zu säen, und bringt ein Leben nach dem anderen damit hin, die selbst begonnenen Schlachten mit selbst aufgestellten Kriegerscharen auszutragen, die sich einem, den ungezähmten Furien oder Rachegeistern gleich, wie Schatten an die Fersen heften.

Wie ein Töpfer stellt die Natur in Form von vielen Tongefäßen ein Mittel nach dem anderen bereit, um den unstillbaren Durst und die Erwartungen jedes einzelnen zu befriedigen. Von zahllosen Wünschen niedergedrückt, macht man sich selbst zum Sklaven. Ohne sie könnte man sich seiner Gottheit erfreuen. Denn was ist der Mensch? – Gott plus Wünsche. Und was ist umgekehrt Gott? – Mensch ohne Wünsche.

Der große Dichter und Philosoph William Wordsworth (1770–1859) entwirft in seiner denkwürdigen Ode über die Unsterblichkeit ein schönes Bild des heranwachsenden Kindes:

Die mit uns aufsteigt als des Lebens Stern, die Seele: hatte Heimat einst besessen woanders – kommt von fern: nicht ganz erinn’rungslos, und völlig nackt und bloß: wir kommen, goldnen Wolkenzügen gleich, aus unsrer Heimat, Gott. Der Himmel liegt auf unserem Kinderreich! Stet um den Knaben, der heranwächst, schließt sich Kerkerschatten dann […] Die Erde füllt den Schoß mit eigner Lust; Sehnsüchte hat sie ihrer eignen Art; und wie mit mütterlichem Herzen spart die Amme nichts von ihrer Pracht (nicht schlimmen Ziels bewusst), dass sie ihr Pflegekind, den Menschen, ihren Gast, den alten Glanz vergessen macht und seine Herkunft aus der Herrschermacht Palast.

Dies ist das beklagenswerte Bild des Lebens auf Erden, wie es uns täglich vor Augen geführt wird. Obwohl wir, wie es uns vorherbestimmt wurde, immer unser gerüttelt Maß haben, sind wir dennoch unersättlich – voller Gier nach immer mehr Reichtum und Macht, mehr der flüchtigen Freuden und Sinnesvergnügungen. Weit davon entfernt, für die Gaben der Natur dankbar zu sein, schauen wir nach vorn und zurück und nach dem, was nicht ist. Die Natur kann unserer unbefriedigten Gier nicht lange untätig zusehen. Wie Circe mit ihrem Zauberstab verwandelt sie uns in Schweine, damit wir genug des Unrats haben und daran zugrunde gehen. Nur ein kluger Odysseus kann mit seiner Zauberblume von Merkur (dem Götterboten) die Magierin mit ihren eigenen Waffen schlagen und seine Gefährten retten, indem er sie von Schweinen in Menschen zurückverwandelt und mit ihnen alle anderen, die von der Zauberin in vielen verschiedenen Formen, jeder seinem Wesen gemäß, gefangengehalten werden. Nicht nur hier in der lebendigen Gegenwart, sondern auch im Jenseits bestimmt die Art der vorherrschenden Leidenschaften unseren Lebenslauf.

Werfen wir nun einen Blick auf den unvermeidlichen Verwandlungsprozess, den wir Tod nennen. Dieser Übergang von einer Lebensform in eine Andere ist ein notwendiger Bestandteil des Lebens und kommt zu gegebener Zeit, plötzlich, mit atemberaubender Schnelligkeit, gerade dann, wenn man ihn am wenigsten erwartet. Der Tod kennt keine Zeitrechnung. Niemand kann ihn vorhersehen und keiner ihm trotz aller Klugheit und List entkommen. Jedem Wesen ist seine eigene Lebensspanne zugemessen. Wir alle leben und bewegen uns in der Zeit und haben unser Sein in ihr. Wenn sie abgelaufen ist, tritt diese Umwandlung ein und vollzieht sich immer wieder, bis man über die entferntesten Grenzen der Zeit hinausgelangt ist und sich in die Zeitlosigkeit erhebt.

Der Tod ist somit etwas erschreckend Wirkliches und Unvermeidliches. Er scheint das einzig Wirkliche inmitten der Unwirklichkeit dieser Welt zu sein. Jeder, ob reich oder arm, König oder Bettelmann, jung oder alt, gesund oder krank, muss durch die Falltür des Todes gehen, ob er es will oder nicht. Man mag lange oder kurz, hundert Jahre oder nur eine Weile leben, aber man kann nicht ewig ein und dieselbe Lebensform behalten. Sie wird im Laufe der Zeit mit Sicherheit verfallen und zu einer bleiernen Last werden, als trüge man einen schweren Mühlstein um den Hals. In völliger Verzweiflung mag man dann aufschreien und in seiner Qual flehen, von der großen inneren Bürde, die an einem hängt, erlöst zu werden:

Weder Könige noch Bettler bleiben alle gehen; jeder zu seiner Zeit.

Guru Nanak, Ramkali M1

Ein Moslem-Heiliger rät daher:

Dein ganzes Leben lang hast du den Tod anderer beklagt, warum hältst du nicht eine Weile inne, um über dein eigenes Geschick nachzudenken?

Ist der Tod ein schmerzvoller Vorgang? ist die nächste Frage. Bei den meisten ist es so, um eine allgemeine Antwort zu geben. Die Schriften berichten uns von dem qualvollen Schmerz, den ein Sterbender im Tod erleidet. Im Bhagvad Purana heißt es, dass die schrecklichen Todesqualen, die einem widerfahren, so groß sind, als würde man von einer Million Skorpione auf einmal gestochen. Der heilige Koran vergleicht den Todeskampf mit der Situation eines Menschen, dem ein Dornbüschel von einem Ende des Verdauungskanals bis zum anderen gezogen wird. Die Sikh-Schriften drücken es ganz ähnlich aus: Die Lebensströme werden herausgezogen.

Alle diese Darlegungen verdeutlichen nur das Ausmaß der Qual, die einer erleidet, wenn die Todesengel erscheinen, um den Geist gewaltsam aus dem Körper zu nehmen. Was in dem Augenblick tatsächlich geschieht, weiß allein der Sterbende. Niemand, der den Tod wirklich erfahren und die Grenzen des Totenreichs überschritten hat, ist je von dort zurückgekehrt, um uns Genaues über seine Leiden zu berichten. Jeder leidet für sich und wird für immer still. Auf dem Totenbett zu liegen ist eine wahre Kreuzigung, und das Sterbezimmer gleicht einem Leichenhaus.

Man kann schwerlich davon unberührt bleiben, wenn sich Menschen tagelang mit einem Röcheln in der Kehle ruhelos hin- und herwerfen und auf dem Sterbelager in äußerster Agonie vor Schmerzen krümmen. Wer kann die Qualen des Todes lindern? Alle stehen hilflos dabei: die besten Ärzte verabreichen bis zuletzt Drogen, die betreuenden Krankenschwestern, die auf Zehenspitzen gehen, und die nächsten Verwandten und Freunde, weinend, mit traurigem Blick und bedrücktem Gesicht, und alle erwarten das unvermeidliche Ende. Wer hört das mitleiderregende Weinen des armen Opfers und der Lebensgefährten, seiner Frau und der Kinder?

Während die Frau mit aufgelöstem Haar klagt, geht die einsame Seele ihren Weg allein.

Kabir

Über Alexander den Großen (356–326 v. Chr.), König von Mazedonien und Eroberer der damals bekannten Welt, wird berichtet, dass man ihm prophezeit habe, er werde erst dann sterben, wenn die Erde aus Stahl und der Himmel aus Gold sei. Da keines von beidem möglich sein konnte, wähnte sich der König auf ewig in Sicherheit. Er bildete sich ein und glaubte daran, dass er wie die olympischen Götter unsterblich sei. Als er nach langen und mühsamen Feldzügen im fernen Osten auf dem Rückweg nach Griechenland war und durch eine Wüste in der Nähe von Babylon kam, wurde er von Fieber befallen. Da er sich nicht mehr im Sattel halten konnte, half man ihm abzusteigen; und einer seiner Generäle breitete sein Panzerhemd auf dem Boden aus, das mit Samt gefüttert war, und ließ den König darauf niederlegen. Über seinem Gesicht spannte er seinen goldbestickten Schirm auf, um ihn vor den sengenden Strahlen der Wüstensonne zu schützen.

In diesem Augenblick erkannte der große Held so vieler Schlachten, der unbesiegbare Eroberer, dass sein Ende nahe war, denn jetzt lag er auf stählernem Boden mit einem goldenen Dach über sich. Große Bestürzung überkam ihn. Mit Tränen in den Augen wandte er sich an die besten Ärzte, die ihn betreuten, und flehte sie an, etwas zu tun, um ihn noch einmal zu retten, damit er die Heimat erreichen und seine Mutter aufsuchen könne, die er sehr liebte. Aber sie alle brachten ihre Hilflosigkeit zum Ausdruck. Er bot ihnen zuerst die Hälfte seines Königreiches an und dann das ganze, wenn sie mit ihrer ärztlichen Kunst so viel Aufschub verschaffen könnten. Doch wer konnte schon helfen, den göttlichen Ratschluss aufzuhalten? Als am zehnten Tag der Krankheit seine Generäle einer nach dem anderen durch das Zelt des sterbenden Königs gingen, nahm er von ihnen Abschied und ordnete an, dass bei seinem Begräbnis beide Hände aus dem Leichentuch herausschauen sollten, damit alle sehen konnten, dass ein großer Herrscher die Welt mit ebenso leeren Händen verlässt, wie er sie betreten hat.

Ähnliches hören wir in der traurigen Geschichte einer großen und begabten Königin, die ein gewaltiges Reich regierte. Sie wurde von ihrem Volk wegen ihrer ungewöhnlichen Schönheit verehrt und wegen ihrer Klugheit bewundert. Sie hatte eine lange Zeit gut und weise regiert. In Reichtum und Glanz aufgewachsen und von Hunderten von Dienern umgeben, konnte sie keinen Augenblick glauben, dass es so etwas wie den Tod gäbe. Als ihr Ende nahte, überfiel sie tiefe Betrübnis und quälender Schmerz. Die königlichen Ärzte an ihrem Bett konnten nichts tun, um ihre Qualen und Ängste zu mildern.

Da ihr der Tod ins Gesicht sah, versuchte man, sie zu trösten und riet ihr, sich auf die letzte Reise vorzubereiten.

Wie?

rief sie in ihrem Schrecken aus und wollte wissen, wohin sie gehen werde.

Ach, in das Land, aus dem es keine Rückkehr gibt,

war die einfache Antwort. Sie traute ihren Ohren nicht.

Träume ich?

fragte sie.

Nein Majestät, Ihr werdet gehen müssen.

– Gibt es ein Land, aus dem man nicht wiederkommt? Und wenn ja, wo ist es?

Es ist weit von dieser Welt entfernt,

erwiderten die Höflinge.

Konntet ihr es nicht rechtzeitig für mich ausfindig machen? Und welche Vorbereitungen habt ihr getroffen, mir den Aufenthalt dort angenehm zu machen?

fragte die Königin.

Keine, Eure Majestät.

– Wie viele von euch werden mich in dieses Land begleiten?

erkundigte sich die erschrockene Königin.

Ihr werdet allein gehen müssen, ganz auf Euch gestellt,

antwortete das Gefolge.

– Wie viele Diener werde ich mitnehmen dürfen?

Keinen, nicht einen.

So groß ist in der Tat unsere Unwissenheit über die Wirklichkeit des Lebens. Wir sind klug, sehr klug in den alltäglichen Dingen der Welt. Doch wie seltsam es auch anmutet, wir wissen nichts über die unerbittliche Gerechtigkeit, die uns alle erwartet, und dass wir, wie alle anderen, ganz allein und mit leeren Händen gehen müssen.

Nackt kam ich in die Welt und nackt werde ich gehen,

Prediger Salomo 5:15

sagt der Hymnendichter.

Dies ist das unvermeidliche Geschick aller. Weinend kommen wir in die Welt und weinend verlassen wir sie wieder.

Dass wir weinend kommen, ist verständlich. Ein neu geborenes Kind weint, wenn es aus dem Mutterleib kommt, denn es wird vom Licht der Lichter, dem Licht des Lebens, getrennt, von dem es, mit dem Kopf nach unten liegend, während der Schwangerschaft erhalten wurde. Das ist der Grund, warum wir im Allgemeinen nach der Geburt des Kindes für einige Nächte irgendein Licht brennen lassen; und immer wenn es schreit, wenden wir sein Gesicht diesem Licht zu, oder wir rasseln mit einer Klapper, um es zu erheitern oder zu beruhigen.

Aber warum sollten wir bei unserem Weggang weinen, wenn wir doch in die Obhut unseres liebenden Vaters zurückgehen? Wir hatten die Möglichkeit, uns durch bewusste Arbeit auf dieses Ziel hin mit der Lebensschnur im Innern wieder zu verbinden. Doch unentschlossen wie wir sind, kümmern wir uns nicht darum, und die menschliche Existenz war von der Wiege bis zur Bahre nutzlos. Wenn diese günstige Gelegenheit einmal versäumt ist, gehen wir auf der Stufenleiter unserer Existenz abwärts.

Der Fall von der obersten Sprosse der Leiter ist in den meisten Fällen verhängnisvoll: die mit der Welt geknüpften und jahrelang ausgedehnten Beziehungen zu zerreißen ist schmerzlich und der Weggang äußerst bitter, und dies umso mehr, als uns die fristlose Kündigung gänzlich unvorbereitet trifft. Wir wissen nicht, wie wir das Mietshaus verlassen und wo wir hingehen sollen. Die Aussicht, ins Unbekannte geworfen zu werden, wofür wir das Leben nach dem Tod halten, verwirrt uns. Dies alles versetzt uns in Schrecken, einen unvorstellbaren Schrecken schlimmster Art.

Deshalb heißt es:

Denke an den Tag, als du weinend in die Welt kamst, zur Freude derer, die um dich waren. Lebe so, dass du lachend scheiden kannst, während alle anderen weinen und klagen.

Francis Quarles (1592–1644), ein Dichter der Mystik, sagt über den Tod:

Wenn du den Tod als einen Freund erwartest, sei bereit, ihn willkommen zu heißen; erwartest du ihn als Feind, bereite dich vor, ihn zu überwinden. Der Tod hat nur dann die Oberhand, wenn er als Fremder kommt.

Hierin liegt der Unterschied zwischen der östlichen und der westlichen Denkweise über den Tod.

Paulus, der den Tod als den letzten Feind des Menschen bezeichnet, hat gesagt, dass er täglich sterbe, der Tod ist verschlungen in den Sieg, und er fragt höhnisch:

Tod, wo ist dein Stachel?

1. Korinther 15:55

Die östlichen Weisen begrüßen ihn als Gelegenheit, sich mit dem Geliebten zu vereinigen. Die Folgerung ist jedoch in beiden Fällen die gleiche: Der Tod ist uns nur dann überlegen, wenn er plötzlich und schnell wie ein unerwarteter Fremder kommt – weder als Freund, auf den man wartet, noch als gefürchteter Feind – und wir völlig unvorbereitet sind, ihn zu empfangen oder seiner Herausforderung zu begegnen.

Jene, die auf ihn vorbereitet und immer gerüstet sind, lassen ihn ein, heißen ihn willkommen, betrachten ihn als Heimkehr und als Mittel zur Vereinigung mit dem Geliebten. Ein wahrer Gottliebender wird, selbst wenn er als Ketzer zum Tode verurteilt wurde, seinen Kopf freudig auf den Richtblock legen und flehentlich den Scharfrichter herbeirufen und ihn bitten, seinem Körper mit dem Schwert ein rasches Ende zu machen, da er darin das Licht seines Geliebten (Gott) widergespiegelt sieht.

Denn was ist schließlich der Tod?

Der Tod,

sagt Euripides,

ist eine Schuld, die wir alle begleichen müssen.

Wenn dies der Fall ist, warum zahlen wir dann nicht die Schuld, um für immer von der Verpflichtung frei zu sein? Der Körper ist das Lösegeld oder die Mitgift, die die Seele einbringen muss, um Befreiung vom Gesetz der ausgleichenden Gerechtigkeit zu erlangen.