IV / II

Der Tod in Knechtschaft

Um eine gewisse Vorstellung von dem zu haben, was nach dem Tod geschieht, wollen wir noch einmal die heiligen Schriften untersuchen. Die Meister teilen die Menschheit in vier Gruppen ein. An erster Stelle kommen jene, die nicht das Glück hatten, bei einem Sant Satguru Zuflucht zu finden; und diese bilden eine beachtliche Menge. Sie müssen ganz allein gehen, jeder für sich, ohne irgendeinen Freund oder Gefährten. Alle diese Seelen haben vor dem gerechten Gott (Dharam Rai) zu erscheinen und sich seinem Urteil zu beugen. Er hält ein strenges und unnachgiebiges Gericht, ohne Mitleid und Erbarmen, nach dem Grundsatz: Wie du säst, so wirst du ernten (siehe Galater 6:7).

Es wird das unerbittliche Gesetz des Karma genannt, das schonungslos wirkt. Dieses Gesetz nimmt keine Rücksicht auf ungewöhnliche Umstände und duldet keine Ausnahme:

Rasse oder Standeszugehörigkeit gelten hier nicht; man erhält den Lohn entsprechend seiner Taten.

Guru Amar Das, Asa M3

Einen jeglichen dünkt sein Weg recht; aber der Herr wägt die Herzen.

Sprüche 21:2

Zur festgelegten Zeit, die keiner kennt, kommen die guten oder bösen Engel (Ramgans oder Yamgans), wie der Fall gerade liegt. Sie nehmen die Seele gewaltsam aus dem Körper und man muss mit ihnen gehen. Sie bringen sie vor den Richterstuhl, wo jeder über seine Gedanken, Worte und Taten Rechenschaft ablegen muss.

Du Tor, glaubst du, weil kein Boswell da ist, deine Rede aufzuzeichnen, sie darum vergeht oder verborgen bleibt? Nichts vergeht, nichts kann vergehen. Das unwichtigste Wort, das du sprichst, ist eine Aussaat in die Zeit, welche Frucht trägt in alle Ewigkeit.

Thomas Carlyle

Jesus hat in unmissverständlichen Worten gesagt:

Ich sage euch aber, dass die Menschen müssen Rechenschaft geben am jüngsten Gericht von einem jeglichen unnützen Wort, das sie geredet haben. Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden.

Matthäus 12:36-37

Alle Gedanken, Empfindungen und Gefühle, alle Worte, die absichtlich oder unabsichtlich ausgesprochen werden, und alle Handlungen, die man bedacht oder unbedacht ausübt, hinterlassen unauslöschliche Eindrücke (sanskaras oder naqsh-i-amal) im Gemüt, und nach dem Tod muss man dafür Rechenschaft ablegen. Es geschieht alles in einem Schnellverfahren, aber gerecht, ohne logische Zergliederung und Beweisführung, und man kann an keine höhere Instanz appellieren, noch besteht irgendeine Möglichkeit, davon befreit zu werden.

Wer sich sein ganzes Leben lang sündigem Tun hingegeben hat, muss in die Hölle gehen (Narak oder Dozakh), wo er für eine bestimmte Zeit die Strafe abzubüßen hat, die er nach seinen Taten verdiente, um sich dadurch von den üblen Eindrücken freizumachen und das Gesetz zu verstehen, das letzten Endes zu seinem Besten wirkt. Wenn die zugemessene Zeit vorüber ist, wird ihm, befreit von dem Übel, das jetzt abgewaschen ist, durch eine weitere Geburt Gelegenheit gegeben, ein besseres Leben zu führen, einen neuen Anfang zu machen, indem er die Fallgruben der Vergangenheit meidet.

Wenn man ein Leben der Rechtschaffenheit führt, erhält man einen Platz im Himmel oder Paradies (Swarg, Baikunth oder Bahisht), wo man sich eine zeitlang der Früchte seiner guten Taten erfreut, um dann ebenfalls wieder auf die irdische Ebene zurückzugehen.

Darum bewegen sich alle Menschen, die sich auf dem karmischen Rade des Lebens befinden, auf und ab, von ihren eigenen Taten unaufhörlich angetrieben. Es gibt kein Entrinnen von diesem gewaltigen, sich ewig drehenden Rad, bis man durch eine günstige Schicksalswendung einem Sant Satguru begegnet, Dieser einen annimmt und einem dabei hilft, herauszukommen und den Gottespfad zu betreten.

Die Seelen, die aus der Unterwelt des Pluto kommen, arbeiten sich allmählich von den Mineralien zum Pflanzenreich hinauf und von dort zur Welt der Insekten und Reptilien, weiter zu den gefiederten Brüdern, dann zu den Vierfüßlern und schließlich zum Menschen.

Nachdem das Rad der Vierundachtzig durchlaufen war, hast du den höchsten Punkt erreicht. O Nanak, ergreife jetzt die Kraft Gottes und sei auf ewig frei!

Guru Arjan, Sri Rag M5

Selbst die Devas oder Gottheiten, die verschiedenen Götter und Göttinnen, von denen es heißt, dass sie in Regionen der Glückseligkeit regieren, befinden sich dort aufgrund ihrer besonders verdienstvollen Taten auf den niedrigeren Ebenen. Sobald sie den erworbenen Lohn erhalten haben, müssen auch sie in die physische Welt zurückkehren.

Der gesegnete Lord Krishna, der Verehrungswürdige, erklärte einmal Udhav, einem Seiner ergebenen Schüler, das Wirken des karmischen Gesetzes, indem Er auf ein Insekt zeigte, das im Schmutz kroch:

O Udhav, dieses Insekt, das du vor dir siehst, ist oft Indra, der Gott des Regens und des Donners, gewesen, der wiederholte Male im Schmutz gewühlt hat. Dies ist tatsächlich das Schicksal aller.

Selbst Avatare oder Inkarnationen, die Verkörperungen der göttlichen Kräfte, sind gegen das unbeugsame Wirken des Karmischen Rades nicht gefeit und werden zur Rechenschaft gezogen. Ein Avatar steht wie ein Soldat nicht außerhalb des Zivilgesetzes, sondern ist diesem genauso verantwortlich, wie er mit seinen Verpflichtungen dem Militärgesetz untersteht, das für seinen Stand maßgeblich ist. Selbst wenn er unter dem Befehl der Vorgesetzten seine Pflicht erfüllt, was für ihn Gesetz ist, kann er dennoch gegen eine Bestimmung des Zivilgesetzes verstoßen. Er hat sich in zweifacher Weise zu verantworten: einmal vor dem militärischen Gesetz, das ihn verpflichtet, genau auszuführen, was die Offiziere befehlen, da er sonst vor ein Kriegsgericht gestellt wird, und zum anderen vor der zivilen Verwaltung, wenn ihm nachgewiesen wird, dass er bei der Ausübung seiner Pflichten seine Befugnis überschritten hat.

Die Götter, Göttinnen und Inkarnationen der verschiedenen göttlichen Kräfte gehören daher zu dieser Gruppe, soweit das Gesetz des Karmas reicht. Trotz ihrer bevorrechteten Stellung stehen sie und alle Engelscharen unter dem Gesetz, nicht darüber. Deshalb verlangen auch sie nach der menschlichen Geburt, die ihnen die Möglichkeit bietet, Kampf und Mühsal zu entrinnen und zur Wohnstätte unvergänglichen Lebens und ewigen Friedens zu gelangen.

Auch die großen Rishis erstreben, wenn ihr Ende naht, trotz all ihrer Härten und Bußen, die menschliche Geburt und ziehen sie den himmlischen Wohnstätten vor, wo sie als die Leuchtenden (Devas) weilen könnten. Sie tun es, weil sie nur auf diese Weise die günstige Gelegenheit haben, einem Satguru zu begegnen, von Ihm Unterweisungen zu erhalten und sich über das unerbittliche Gesetz der Kausalität (oder das Gesetz von Ursache und Wirkung) zu erheben.

*Helden wie Arjuna und die Pandava-Brüder, mit Ausnahme Yudishtras, des Dharamputra – der Verkörperung des Dharma –, wie er gemeinhin bekannt war und für den er gehalten wurde, wurden in die niederen Regionen gesetzt, weil sie sich auf einen Krieg eingelassen hatten, wenn auch auf einen der Rechtschaffenheit, und zu dem sie von keiner geringeren Persönlichkeit als dem gesegneten Lord Krishna veranlasst wurden, denn indem sie dies taten, konnten sie sich trotz all seiner Ermahnungen nicht der Vorstellung entziehen, selbst der Handelnde zu sein.

* (Die Übersetzung dieses Abschnitts ist an die
englischsprachige Erstedition von 1968 angeglichen;
Anm. d. Redaktion 2011.)

Von Lord Krishna selbst wird gesagt, dass Er den Tod durch den Pfeil eines bhil (Urbevölkerung in Ostindien, Teil des Drawidenstammes) fand, der Ihn versehentlich traf. Damit beglich Er sein vergangenes Karma, das Er lange Zeit vorher als Rama verursacht hatte, als Er aus der Deckung eines Baumes den unbesiegbaren Bali, einen Herrscher des Waldes, durch sein Geschick im Bogenschießen tötete. Es mag erwähnt werden, dass Rama und Krishna in verschiedenen Zeitaltern Inkarnationen von Lord Vishnu waren.

Ähnliches wird von König Dasrath, dem Vater von Rama, berichtet. Als er eines Nachts im Wald jagte, hörte er einen glucksenden Ton. Es schien ihm, als ob ein wildes Tier in dem nahegelegenen Schilf- und Binsendickicht Wasser schlürfte. Von dem Geräusch geleitet, lenkte er seinen Pfeil in die Richtung und traf einen jungen Mann namens Sarwan. Dieser war zum Flussufer gegangen, um einen Eimer Wasser für seine blinden und durstigen Eltern zu holen, die er in einem Korb auf seinen Schultern trug und gerade in einiger Entfernung zurückgelassen hatte. Als der König die jämmerlichen und qualvollen Schreie seines Opfers vernahm, eilte er zu dem Sterbenden, der ihm seine Lage beschrieb und ihn bat, das Wasser zu seinen Eltern zu bringen. Grambeladen ging der König zu dem alten Paar und brachte ihm die Unglücksbotschaft. Sie konnten diesen plötzlichen Schlag nicht überwinden und starben, wobei sie ihr Los beklagten und dem unbekannten Täter ein Schicksal wünschten, das dem ihren glich.

Zur gegebenen Zeit ereilte den König dasselbe Los, als der durch die Qualen der Trennung von seinem Sohn Rama, der für vierzehn lange Jahre verbannt worden war, dem bitteren Todesschmerz erlag. So sucht Nemesis (die Göttin der ausgleichenden Gerechtigkeit) einen jeden heim, wenn seine Zeit gekommen ist, und vergilt ihm durch das, was ihm gebührt. So kommt jeder auf seine Weise in die Welt und geht unter der zwingenden Gewalt des Karmas aus ihr hinaus in das Tal des Todes.

In die zweite Gruppe gehören alle Menschen, die mit einem Vollendeten Lebenden Meister in Kontakt kommen, von Ihm angenommen und in die esoterische Wissenschaft der Seele initiiert werden, aber aus dem einen oder anderen Grund nicht in der Lage sind, die Verbindung mit dem Wort in einem genügenden Ausmaß zu entwickeln, sei es, weil sie sich den Sinnesfreuden hingeben, oder aus Trägheit, Gleichgültigkeit oder sonst einem Grund.

Ihre Stellung ist eine andere als die der ersten Gruppe. In der Todesstunde, wenn sich die Sinnesströme vom Körper zurückzuziehen beginnen, oder ein wenig eher, erscheint ihnen der Satguru innen in Seiner strahlenden Form, um sich der scheidenden Seele anzunehmen. Seine strahlende Form erfreut das Herz des Ergebenen, und er vertieft sich so sehr in Ihn, dass alle Bindungen an die Welt wie Blätter im Herbstwind von ihm abfallen; furchtlos und voller Freude folgt er Ihm in den Schatten des Todes.

Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn Du bist bei mir,

sagt der Psalmist (23:4).

Und dies ist in der Tat Sein Gelöbnis:

Jedermann, ich will mit dir gehen und dein Führer sein, in der größten Not will ich dir zur Seite stehen.

Und wiederum:

 […] Ich will dich nicht verlassen noch versäumen bis an der Welt Ende.

Hebräer 13:5

Der Meister behält die Angelegenheiten des Schülers ständig im Auge. Er ist immer bei ihm in Freude und Leid.

Er steht ihm selbst vor dem Richterstuhl Gottes zur Seite,

sagt Nanak.

Bei den Heiligen (Darveshs) gibt es keine Abrechnung über die Taten ihrer Schüler. Der Meister ist Alles in Allem, der Einzige, der über die Taten des Schülers zu richten und zu urteilen hat, ob diese nun redlich oder unredlich sind; und Er hält es mit ihnen, wie Er es für richtig findet.

Denn wie der Vater das Leben hat in sich selber, so hat Er auch dem Sohn gegeben, das Leben zu haben in sich selber, und hat Ihm Macht gegeben, Gericht zu halten, weil Er des Menschen Sohn ist.

Johannes 5:26-27

Aus großer Besorgtheit um den Schüler sagt Nanak mit allem Nachdruck:

Liebe den wahren Meister und erwirb die wahren Schätze; Wer an Ihn bis zuletzt glaubt, den wird der Meister wahrhaft erretten. Wie wandernde Geister steigen die vom Gemüt Beherrschten auf und ab, Tiere in Menschengestalt – ganz und gar des Lichts beraubt.

Guru Nanak, Malar War1

Entfernung hat für den wahren Meister keine Bedeutung. Die Meisterkraft erscheint im letzten Augenblick oder schon früher, wo auch immer der Schüler sein mag, nah oder fern, und lässt ihn wissen, dass die unvermeidliche Stunde seines Scheidens von der Welt unmittelbar bevorsteht und der Meister daher kommt, ihn zu begleiten. Die leuchtende feinstoffliche Form des Meisters führt den Geist in höhere Regionen und weist einem jeden den angemessenen Platz zu, der ihm entsprechend seinen Sadhan oder der Praxis des heiligen Wortes bei Lebzeiten zusteht. Zugleich gibt Er ihm die notwendigen Weisungen für eine weitere und bessere Entwicklung auf dem spirituellen Pfad.

In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen. Wenn’s nicht so wäre, würde ich dann zu euch gesagt haben: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten? Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, so will ich wiederkommen und euch zur mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin.

Johannes 14:2-3

Wenn einer wegen seiner Nachlässigkeit bestraft werden muss, tut Er das selbst, doch liefert Er einen nie dem Höllenfeuer aus. Der König des Schattenreiches, der die göttliche Waage der Gerechtigkeit hält und jeden nach seinen Taten richtet, hat keine Macht über die bewährten Schüler des Meisters, denn sie leben

im Namen des Herrn, der eine feste Burg ist

Sprüche 18:10

Es ist ihm nicht gegeben, über sie zu richten und eine Strafe zu verhängen. In allen diesen Fällen entscheidet der Meister selbst und handelt so, wie Er es für richtig hält.

Der Herr hat Gefallen an denen, die ihn fürchten, die auf Seine Güte hoffen.

Psalm 147:11

Und wiederum heißt es:

Denn welchen der Herr liebhat, den züchtigt Er, denn Er straft einen jeglichen Sohn, den Er aufnimmt.

Hebräer 12:6

Kurz gesagt:

Jene, die den Meister lieben, sind niemals allein, noch sind sie jemandem Rechenschaft schuldig oder haben Qualen zu erleiden.

Guru Amar Das, Gujri War M3

Aber solche Initiierte, die keine Liebe für die Welt haben, werden nicht auf der irdischen Ebene wiederverkörpert, wenn der Meister es nicht aus einem besonderen Grund für notwendig hält. In einem solchen Fall geht man nicht die Stufenleiter hinunter, sondern wird in eine Familie frommer und gläubiger Eltern wiedergeboren, so dass der Neugeborene leicht mit einem Meister-Heiligen in Verbindung kommt und schon im frühen Alter seinen Weg heimwärts völlig ungehindert fortsetzt, denn die vom Sämann (dem Meister) gelegte Saat des Wortes bleibt immer in den Tiefen seiner Seele und kann nicht anders, als zu gegebener Zeit durch das Wasser des Lebens, das er mit Sicherheit von dem Meister seiner Zeit bekommt, aufzugehen, zu blühen und Frucht zu tragen.

Die Gabe des Gurus kann einem niemals genommen werden. Der sie verliehen hat, ist in der Lage, einen ans andere Ufer zu bringen.

Guru Nanak, Maru M1

 Wenn ein Sant die Saat einmal gesät hat, hat keiner die Macht, sie zu vernichten.

Soami Ji

Hafiz, der Mystiker und Dichter aus Persien, sagt:

Sei dessen gewiss, dass es am Tag des Gerichts im Land der Heiligen (Darveshs) keine Abrechnung der Taten gibt.

Shamas-i-Tabrez, ein anderer großer Mystiker Persiens, sagt:

Der Tod zerbricht den Käfig und lässt den Geist frei. Der Tod hat keine Macht über den Phönix, der stirbt, um sich wieder zu erheben. Warum sollte ich nicht in meine wahre Heimat zurückfliegen? Warum sollte ich säumen in der irdenen Form?

Und weiter:

Die Liebenden wissen, wo und wie sie sterben müssen, sie begrüßen den Tod und nehmen ihn freudig an als eine Gabe des Geliebten: mit dem geöffneten inneren Auge sehen sie die Herrlichkeit Gottes, wo andere blindlings in die Sackgasse gedrängt werden. Während die Liebenden glücklich dem Herrn entgegengehen, sterben die Unwissenden einen schrecklichen Tod. Die ihre Nächte in Gottesfurcht durchwachen, haben nichts im Leben zu bereuen, noch zu hoffen oder fürchten; während sie hier Seinen Blick der Gnade suchen, gehen sie weiter in Seine Heilige Gegenwart.

Zur dritten Gruppe gehören solche Menschen, die aus den Unterweisungen des Meisters das Beste machen, aber noch nicht die Vollendung erreicht haben, obwohl sie auf dem Weg dorthin sind. Diese Seelen kennen schon im voraus Tag und Stunde ihres Weggangs. Da sie mit dem Todesvorgang völlig vertraut sind und jeden Tag eine Erfahrung davon haben, fürchten sie den Tod nicht, denn sie kennen sein schattenhaftes Wesen. Sie erwarten im Gegenteil sehnsüchtig die festgesetzte Zeit und legen die abgetragene sterbliche Hülle freiwillig ab, so wie sie sei bei ihrem Eintritt in die Welt angelegt hatten. Sie kennen einige Ebenen der höheren geistigen Welt, die sie täglich mit der Meisterkraft durchqueren, und kennen genau die Ebene, zu der sie zuletzt für ihren Aufenthalt nach dem Tode gehen müssen. Dort leben sie eine Zeitlang und arbeiten für ihren Aufstieg zu noch höheren Regionen. Sie leben ständig bewusst in der Liebe zum Meister, und die Meisterkraft ist immer in ihnen. Er ist ihre Hauptstütze und ihr Halt, und sie schulden keinem anderen Treue.

Regiert euch der Geist, so seid ihr nicht unter dem Gesetz (des Karma).

Galater 5:18

Nicht zuletzt kommen die vollendeten Seelen. Sie sind zu Lebzeiten befreite Wesen (Jivan-muktas) und leben ein freies Leben des Geistes. Sie wissen weit vor der Zeit genau, wann Sie zur Wohnstatt des Herrn zurückzukehren haben, erwarten mit Freude die Stunde, in der Sie aufgefordert werden, den Körper zu verlassen, und heißen die Art und Weise willkommen, in der dies zu geschehen hat, sei es am Kreuz oder am Galgen, auf glühendheißen Eisenplatten oder auf dem Richtblock.

Ohne eigenen Willen leben Sie im Willen Gottes und nehmen den Tod freudig an als Mittel zur Vereinigung mit dem Geliebten. Sie achten nicht darauf, ob es ein schneller oder langwieriger Todesvorgang ist, wie er manchmal von den religiösen Eiferern und tyrannischen Kirchenfürsten und Machthabern verhängt wird; denn dies ist der Zeitpunkt Ihrer höchsten Wonne. Von da an führt Sie jeder Augenblick dem Ende ihres Lebens zu. Es kümmert Sie nicht, ob Ihnen bei lebendigem Leibe die Haut abgezogen wird, ob Sie in Stücke geschlagen oder am Pfahl verbrannt werden, ob man Ihnen den Schierlingsbecher reicht oder Sie zusammen mit Verbrechern ans Kreuz schlägt. Sie reichen dem Tod entschlossen die Hand, wenn er zu Ihnen kommt, ganz gleich, in welcher Form. Dies ist der Weg, den Gurumukhs, Heilige und Propheten gehen.

Von Guru Amar Das wird gesagt, dass Er, als die Zeit Seines Todes näherkam, den Sangat (Gemeinschaft) rufen ließ und sich mit folgenden Worten an ihn wandte:

Ich gehe zurück zum Herrn (Hari). Niemand sollte um mich weinen. Wer es dennoch tut, wird mein Missfallen erregen. Wenn ich gegangen bin, seid alle in die stille Musik der Seele vertieft.

Ähnlich sagte Shamas-i-Tabrez:

Am Tag meines Todes, wenn die Bahre langsam weggetragen wird, denkt keinen Augenblick, dass ich dem Leben in irgendeiner Weise nachtrauere. Wenn ihr meinen Sarg seht, sprecht kein Wort der Trennung aus, denn dann allein bin ich mit dem Herrn vereint. Wenn ich mein Gesicht von der Welt abwende, sehe ich mich der ewigen Wirklichkeit gegenüber.

Hazur Baba Jaimal Singh Ji Maharaj hatte den Zeitpunkt, an dem Er gehen würde, lange vorher vorausgesagt. Als Er Sich dem Ende Seiner irdischen Pilgerreise näherte, sagte Er:

Ich gehe zurück in meine Heimat, und niemand soll mich drängen zu bleiben. Meine Mission in diesem Leben ist beendet, und ich habe unermessliche spirituelle Reichtümer gesammelt. Ich gehe glücklich zur Wohnstatt des Herrn.

Es ist ein Frevel, das Ableben von Heiligen zu beweinen und zu beklagen, da Sie in Ihre wahre Heimat zurückkehren. Man mag, wenn man will, viele Tränen über den Tod eines weltlich Gesinnten vergießen, der vom Herrscher der Unterwelt gewaltsam aus dem Körper vertrieben und herausgezogen wird und in einem gewundenen Auf und Ab die verschiedensten Prozesse durchläuft:

O Kabir, warum einen Heiligen beweinen, der in Seine Heimat zurückkehrt? Beweine, wenn du willst, einen Weltklugen, der von einem zum anderen gestoßen wird.

Wenn Heilige zurückgerufen werden, erhalten Sie nach der Vollendung ihrer Mission einen Ehrenplatz in Gottes Reich. Einen solchen Tod zu sterben ist ein seltenes Vorrecht und ein wirklicher Segen, der den Neid mächtiger Kaiser und Könige erregen könnte.