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Liebe und Diene

Es ließe sich schwerlich jemand finden, von dem man sagen könnte, er wäre für sich allein auf der Welt, denn keiner kann ganz für sich leben. Auch ist es wirksamer, den Kranken, Hungernden und Bedürftigen zu dienen, als nur zu predigen. Dienen vor Eigennutz ist der Leitspruch, mit dem die Glut des Mitgefühls, der Güte und Liebe geschürt und entfacht wird. Diese Tugenden haben eine große läuternde Wirkung; sie reinigen den Menschen von allen Schlacken und geben ihm ein Anrecht auf das höchste Wissen von der Gottheit:

Ohne Fleiß kein Preis

sagt das Sprichwort.

Ahimsa oder Nichtverletzen heißt nicht nur, dass man nicht töten, niemandem Gewalt antun oder ihn verletzen darf, sondern bezieht sich ebenso auf schlechte Gedanken und üble Worte. Wenn es auch für Vieh und wilde Tiere nicht gelten mag, den Menschen jedoch erfüllt Ahimsa mit einer Kraft, die nicht nur viele Tugenden in den Schatten stellt, sondern die höchste aller Tugenden ist. Der Dienst an einem aufrichtigen Sucher des Göttlichen Pfades ist von weit größerem Wert als jeder andere Dienst. Andere Wege der Hilfsbereitschaft sind, wirklich Bedürftigen und Notleidenden Almosen zu geben; jenen, die unter außergewöhnlich harten Bedingungen an schwer zugänglichen Stellen arbeiten, besondere Aufmerksamkeit zu erweisen, Kranke zu pflegen und Betrübten beizustehen. All solches Tun ist eine große Hilfe auf dem Pfad und sollte durch unablässige Übung und auf jede nur mögliche Weise gefördert und gepflegt werden. Aber man sollte sich nicht allein damit zufrieden geben, sondern muss mit Hilfe dieses Reinigungsprozesses auf dem Weg zur Freiheit weiter vorstoßen, wie es der Meister zur Pflicht gemacht hat.

Die Liebe ist ein Allheilmittel für die meisten Übel der Welt. Sie ist die vornehmste aller Tugenden. Wo Liebe ist, herrscht Frieden. Liebe, und aller Segen wird dir zuteil, ist der zentrale Gedanke der Lehren Christi.

Das ganze Gebäude des Christentums fußt auf den beiden Grundsätzen:

Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft

und

Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

Gott ist Liebe und so auch die menschliche Seele als Funken desselben Wesens.

Der Heilige Johannes sagt:

Wer nicht liebt, kennt Gott nicht, denn Gott ist Liebe,

und der, welcher Gott liebt, liebt auch seine Brüder.

Ähnlich legte Guru Gobind Singh Nachdruck auf die grundlegende Notwendigkeit der Liebe, wenn Er verkündete:

Wahrlich, ich sage euch, Gott offenbart Sich nur denen, die lieben.

Und ein Moslem-Heiliger erklärt:

Gott schuf den Menschen als eine Verkörperung der Liebe. Zu Seiner Verherrlichung hätten Seine Engel vollauf genügt.

Um all diese Tugenden zu krönen, kommen noch Wahrheit und eine gute Lebensweise hinzu1. In allererster Linie sollte man wahr gegenüber sich selbst sein. Bei den meisten von uns liegt die Schwierigkeit darin, dass Verstand, Zunge und Handlungen nicht übereinstimmen. Während wir eine Sache im Sinn haben, spricht unsere Zunge etwas ganz anderes, und unsere Hände sind wieder mit etwas anderem beschäftigt.

Sei dir selber treu, und es folgt wie die Nacht dem Tage, du kannst nicht falsch sein gegen irgendwen.

William Shakespeare

Ihr seid im Körper; und Gott, die kontrollierende Kraft, ist ebenfalls darin. Wenn ihr zu euch selbst wahr seid, braucht ihr keinen zu fürchten. Bevor ihr den Versuch macht, jemand anderen zu täuschen, täuscht ihr euch zuerst selbst.

Rama kann Rama nicht betrügen

waren die Worte von Swami Ram Tirath, wenn ihn jemand vor der trügerischen Art und Weise der Welt warnen wollte. Wahrhaftigkeit ist die größte aller Tugenden, und noch größer ist die Wahre Lebensweise. Wir müssen uns bemühen, in diesem Tempel des Heiligen Geistes ein reines, sauberes Leben zu führen, und dürfen ihn nicht durch Falschheit und Gelüste des Fleisches entweihen und so in die Werkstatt des Teufels verwandeln.

Gemeinhin glaubt man, dass Wohlstand die Quelle des Friedens ist; aber er täuscht die Toren wie ein Irrlicht und gefährdet die Reichen. Er lässt dem Gemüt die Zügel schießen. Ist es aber erst einmal vom rechten Weg abgekommen, so lädt es sich unbekümmert Sünde um Sünde auf, was schreckliche Folgen nach sich zieht. Das Selbst in Gedanken, Worten und Taten gänzlich in den Schmutz weltlicher Unreinheit zu vertiefen ist eine verabscheuungswürdige Sünde, und ihr Sold ist der Tod.

Weit voneinander liegen die Wege, die zu weltlicher Bereicherung und die, welche zu Gott führen. Man kann einen von beiden einschlagen, wie man es will. Das Gemüt ist ein unteilbares Ganzes, das den Körper einerseits mit der Seele und andererseits mit der Welt und weltlichen Gütern verbindet. So hat man zwangsläufig zwischen diesen beiden Möglichkeiten zu wählen. Sind die Würfel einmal gefallen, muss man sich notgedrungen stets dafür einsetzen, das erwählte Ziel zu erlangen. Reichtum an sich ist kein Hindernis auf dem Weg zur Spiritualität, denn sie ist das gemeinsame Erbgut aller, der Reichen wie der Armen, und keiner kann sie als eine spezielle Gabe für sich beanspruchen.

Alles, was man zum Erfolg auf dem Pfad braucht, sind echtes Verlangen, ehrliche Absicht, ein reines Leben und unentwegte Hingabe an die Sache. Der Reiche muss natürlich darauf achten, dass er keine unredlichen Wege geht, um sein Vermögen anzuhäufen, und dass er seine ehrenhaft erworbenen Schätze nutzbringend anlegt und nicht für verschwenderische Zwecke und vergängliche Werte ausgibt. Er sollte seinen Reichtum immer als ein Gottgegebenes, Heiliges Leben ansehen, um den Armen und Bedürftigen, den Hungernden und Durstenden, den Kranken und Leidenden damit zu helfen, denn sie alle haben als Menschen und Kinder desselben Vaters ein Anrecht darauf.

So lautet der Rat, den der Weise Ashtavakra dem Raja Janaka gab, nachdem er eine praktische Erfahrung in der Wissenschaft der Seele erhalten hatte und sein Königreich zurückbekam, das er seinem Meister-Lehrer vor der Initiation auf den Heiligen Pfad Spiritueller Erfahrung zu Füßen legte. Er sollte seine Würde hinfort als Gabe von ihm – dem Rishi oder Gottmenschen – ansehen und sie für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Volk und Land nutzen, die Gott seiner Obhut anvertraut habe. Wenn redlich erworbener Reichtum nicht weise und zum Guten verwendet wird, ist die Gefahr groß, dass man in die Irre geht, selbstsüchtig und ein Sklave seines unrechtmäßig erworbenen Wohlstandes wird und sich unmerklich in den goldenen Ketten verfängt, die einen in Knechtschaft halten. Als Warnung davor hat Christus in unmissverständlichen Worten erklärt, es sei leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, denn dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.

Der Nobelpreisträger T.S. Eliot sagt:

Denkt nicht an die Ernte, sondern an das rechte Säen.

Das Säen ist demnach von vorrangiger Bedeutung, denn die Güte der Ernte richtet sich nach der Qualität der Aussaat. Als nächstes kommt die richtige Pflege, der Prozess der Menschwerdung, der gewöhnlich lange Zeit in Anspruch nimmt und sich – je nach der früheren geistigen Struktur des Einzelnen – über einige Inkarnationen hinzieht. Aber mit der rechten, unerschütterlichen Hingabe und der Gnade der Meister-Kraft kann man den sonst schweren und verschlungenen Pfad leicht gehen.

Ein Vollendeter Meister, Dem die Krümmungen und Windungen des Weges vertraut sind,

sagt Kabir,

kann den Schüler in kürzester Zeit hindurchführen.

Die Hilfe eines Kompetenten Führers und ehrliches Streben kann die Pilger-Seele mühelos über das Meer der Welt leiten, auch wenn sie mitten im weltlichen Leben steht.

Jene, die Bhajan und Simran nicht täglich Zeit widmen, haben immer Schwierigkeiten. Sie treiben endlos auf dem Strom lüsterner Freuden dahin. Beim Vorgang der Selbstreinigung ist das Praktizieren von Vairagya – Loslösung – sehr hilfreich. Sie befähigt den Schüler allmählich, den Upas-Baum der mannigfaltigen Wünsche zu fällen, indem er zuerst die Äste abschneidet und dann Hand an die Wurzeln legt.

Keiner ist ohne Fehl. Der Mensch ist ein Kind des Irrtums, und der Irrtum ist immer sein Lebensprinzip. In Sünde zu fallen ist menschlich, doch darin zu verharren ist schändlich. Es bringt keinen Nutzen, schlechte Ware zu stapeln. In einem Tempel geboren zu sein ist gut, aber darin zu sterben, sündhaft; denn wir müssen uns nach und nach über die Riten und Bräuche der Kindergartenstufe erheben, wie man sie in allen Religionsgemeinschaften vorfindet, und in den Sonnenschein der Spiritualität hineinwachsen.

Wir müssen, wenn wir unsere Zukunft Gott weihen und für die Wirklichkeit des Jenseits erwachen wollen, den Pfad gut erforschen. Wer nicht an die Zukunft denkt, wird die Gegenwart bald bereuen.

Sünden und Sorgen sind unsere ständigen Begleiter und kommen Hand in Hand. Die kleinen Schwächen öffnen immer den größeren die Tür, während solche, die man sich eingesteht, schon zur Hälfte gebannt sind. Wahre Reue, welcher gute Taten folgen, kann viel Leiden mildern. Der Mensch würde wenig für Gott tun, wenn der Teufel tot wäre. Lebt der Mensch im Schatten eines drohenden Unglücks, so lebt er am besten, denn dann strengt er sich am meisten an. Fehler bei anderen zu finden ist ganz leicht, aber sich selbst zu ändern ist äußerst schwer, weil wir des Balkens in unserem eigenen Auge nicht gewahr werden. Gottesfurcht ist der Anfang der Weisheit, und eine Gefahr voraussehen heißt, ihr bereits halb entgangen zu sein. Der Gewarnte ist gewappnet.

Menschen, die an die physische Ebene gebunden sind, müssen die Gebote eines Befreiten Meister-Heiligen befolgen, wenn sie von der Täuschung des Gemüts und der Materie frei werden wollen. Werft die Lasten all eurer Verantwortlichkeiten zu Füßen eines Spirituellen Meisters ab, und der tödliche Zugriff der Sünden wird langsam, aber sicher seine Macht über euch verlieren.

Lasst alles zurück, und folget mir nach,

war die Aufforderung Lord Krishnas.

Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken,

sagte Christus.

Für den ergebenen Schüler wird sogar das Krankenzimmer zum Tempel der Hingabe. Ein Meister, Der Selbst mit der Praxis des Heiligen Wortes wohlvertraut ist und kompetent, andere in sie einzuführen, ist der Wahre Meister und ein Vollkommener Führer, Murshid-i-Kamil.

Er kann, wie ein fähiger und tüchtiger Verwalter, den Schlussstrich unter unsere Taten ziehen und unsere Rechnung ausgleichen. Er rät wie Jesus:

Geh hin und sündige hinfort nicht mehr.

Ähnlich hielt es Hazur Sawan Singh Ji, wenn ein Schüler während einer öffentlichen Versammlung einen Fehltritt bekannte und um Nachsicht flehte. Er hob sanft Seine rechte Hand mit den Worten:

Bis hierher und nicht weiter.

Sollen wir denn nichts tun? Wie kann das sein? Die Antwort ist einfach. Solange das Gemüt herrscht, kann der Mensch nicht umhin, zu handeln, auch wenn er sich dem Geheiß des Meisters entsprechend in seinen Taten zurückhält und gleichzeitig höchste Tugenden entwickelt. Im Müßiggang lernt der Mensch allmählich, Übles zu tun und erschließt wie Pandora das Böse, das in ihm verborgen liegt. Wer auf Rosen gebettet sein will, muss sich auch die Mühe machen, sie zu züchten und zu kultivieren. Wir aber handeln immer aufs Geratewohl und aus eigennützigen Beweggründen. Wir wissen nicht, was wir tun und was wir lassen sollen.

Der Meister-Heilige ist der Göttliche Gebieter Seiner Zeit. Durch Liebe und Führung, durch Unterweisung und Beispiel leitet Er die Menschen zu Taten der Ergebenheit und Verehrung und zur Liebe für die Göttlichen Bindeglieder – Naam, das Wort, die Innere Stimme Gottes, Kalma oder Kalam-i-Qadim, Akashbani oder Bang-i-Asmani –, die Er in ihnen offenbart.

Man kann einen Meister nicht Seiner Wohnstätte wegen achten, sondern umgekehrt die Wohnstätte Seinetwegen. Er ist der Heilige, Der unsere ganze Achtung und Liebe verdient und aller Verehrung würdig ist. Er gewährt die Verbindung mit dem Göttlichen und eine Erfahrung, durch die wir vorübergehend unser physisches Ich vergessen. Dann werden uns die Göttlichen Bindeglieder im Innern flüchtig sichtbar, und wir erlangen nach und nach immer mehr mystische Erfahrungen. In Seinen Satsangs oder Spirituellen Vorträgen werden viele frühere Verfehlungen sofort getilgt. In der Gemeinschaft mit Ihm in Gedanken, durch Korrespondenz und in der Meditation erwächst uns große Hilfe hinsichtlich der Karmas und sündhaften Beziehungen.

Wenn auch die Sünden des Menschen nie aufhören, so nimmt doch zugleich die grenzenlose Barmherzigkeit in dem unermesslichen Schatzhaus Gottes kein Ende. Unser wichtigstes Hab und Gut auf dieser Lebensreise – ganz gleich an welchem Ort, in welcher Geistesschule, in welchem Land oder welcher Gesellschaft wir uns befinden – ist Naam – das Heilige Wort –; eine Verbindung mit der lebendigen Rettungsschnur im Innern: dem Licht Gottes und der Stimme Gottes. Die verschiedenen Namen für Gott, die wir gewöhnlich kennen und häufig wiederholen, sind nur Worte; Worte unserer eigenen Prägung für die Namenlose Wirklichkeit, Die ein unteilbares Ganzes, unbeschreiblich und unaussprechlich ist.

Der Sant Satguru – der Meister-Heilige – ist der Heilige Vater. Er kommt von weit her zum Wohle aller, der Sünder wie auch der Tugendhaften; denn beide sind gleichermaßen in den weltlichen Fesseln gebunden, seien sie nun aus Stahl oder Gold. Er liebt alle, und Liebe führt zur Vergebung. Habt niemals Furcht, euch Ihm zu nähern, nur weil ihr ein Sünder seid. Er würde nicht zulassen, dass eines Seiner Kinder zur Strafe in eine Besserungsanstalt oder in ein Gefängnis käme, noch es irgendeiner Folterung unterwerfen. Ein liebender und gütiger Vater würde das nie tun. Der Meister wird das Kind, das geirrt hat, schelten oder ihm etwas physisches Leiden auferlegen, um es zu berichtigen, aber dennoch, wenn auch unsichtbar, immer bei ihm bleiben, um es von innen zu stützen, bis die kurze Spanne der Beschwernis vorüber ist. Er handelt genau wie ein Meister-Töpfer, der den Krug auf der Drehscheibe von außen vorsichtig mit dem Schlegel richtig formt, während er die andere Hand innen dagegenhält, damit er nicht zerbricht. Des Meisters Liebe ist grenzenlos. Das Reich eines Darvesh ist eines der Gnade.

*Die Pflicht eines Vorstehers in einem Gefängnis ist, die Gefangenen eingesperrt zu halten, sie zu züchtigen und zu bessern. Ähnlich war es immer das Ziel der Götter und göttlichen Inkarnationen – Avatare –, die Menschen an sich selbst gebunden zu halten, indem sie sie mit Gaben verschiedener Riddhis und Siddhis überschütteten. – Dies bezieht sich auf die Vergabe von Gaben, Wohltaten, Vergünstigungen, Wohlstand, Leichtigkeit und Annehmlichkeit in weltlichen Berufungen und auf die Verleihung übermenschlicher Kräfte, um Gutes oder Böses zu tun. Diese begrenzten Erlösungen und Annehmlichkeiten, welche sie ihren Ergebenen gewähren, reichen nur bis zu der Stufe, die sie selbst erreicht haben und sie können jederzeit in den verschiedenen Bereichen, denen sie vorstehen, einen Aufenthalt in ihrer Nähe gewähren. Sie können nicht dabei helfen, die Vereinigung mit dem Allmächtigen herbeizuführen, denn dieses Höchste Privileg ist diesen untergeordneten Kräften selbst versagt.

Die obengenannten Siddhis oder außergewöhnlichen Kräfte sind Yoga-Kräfte, welche den Aspiranten nach Wahrheit mit ein wenig Sadhan – Übung – von selbst zukommen, aber sie sind eindeutige Hindernisse auf dem Weg zur Gottverwirklichung, da man gewöhnlich versucht ist, in Wundern, wie Gedankenlesen, Wahrsagen, Transvisionen, Durchdringen, Wünsche erfüllen, spirituelles Heilen, hypnotische Trancen, magnetischer Einflüsse und dergleichen zu schwelgen.

Die Siddhis sind von acht Arten:

  1. Anima: für alle äußeren Augen unsichtbar werden;

  2. Mahima: den Körper in beliebiger Größe ausdehnen;

  3. Garima: den Körper so schwer machen, wie man es wünscht;

  4. Laghima: den Körper so leicht machen, wie man es mag;

  5. Prapti: alles, was man will, durch bloßes Wünschen erhalten;

  6. Ishtwa: allen Ruhm für sich erlangen;

  7. Prakayma: fähig sein, die Wünsche anderer zu erfüllen;

  8. Vashitwa: andere unter Einfluss und Kontrolle bringen.

* (Die Übersetzung dieses Abschnitts ist an die
englischsprachige Erstedition von 1965 angeglichen;
Anm. d. Redaktion 2011.)

Ein erfahrener Mahatma andererseits, der Zugang zur Höchsten Ebene hat, vergibt, befreit und gewährt uns Zutritt zum Reich Gottes während der Lebenszeit, vorausgesetzt natürlich, man ist völlig entschlossen, sich Ihm zu unterwerfen und Seinen Geboten mit liebendem und aufrichtigem Herzen zu folgen2. Doch dies ist eher eine schwierige Aufgabe für alle, die daran gewöhnt sind, auf das Diktat ihres Gemüts zu hören. Es entspricht der schwankenden Natur des ungeschliffenen und unbeherrschten Gemüts, etwas einmal anzunehmen und sich ein andermal wieder dagegen aufzulehnen.

Heilige wie Maulana Rumi gehen sogar so weit zu sagen:

Komm, komm wieder und immer wieder, selbst wenn du die Treue tausendmal gebrochen hast; denn es gibt immer einen Platz für dich in der erlösenden Gnade eines Meister-Heiligen.

Wenn ihr einmal des Meisters eigen geworden seid, wird Er euch niemals aufgeben, auch wenn ihr in Augenblicken der Prüfung und Drangsal der Schwäche unterliegen solltet und Ihn verlasst oder vom Pfad abirrt.

Die Christus-Kraft hat erklärt:

Ich will dich nicht verlassen noch versäumen bis ans Ende der Welt.

Sie hat ihr eigenes Gesetz der Liebe und Barmherzigkeit, nach dem Sie Sich um jeden in jedem Augenblick kümmert, auch wenn sich einer den Weg der Selbstdisziplin damit verlängert, dass er des Meisters Liebe verschmäht. Die Quelle allen Friedens und aller Seligkeit liegt über dem physischen Körper, im Innern des Menschen. Wer nicht Inneren Frieden hat, sollte seinem Selbst, dem Gemüt und der Seele die richtige Nahrung angedeihen lassen. Das Wort oder Naam ist der Wahre Tröster, der Friedensbringer, der Ruhe und Erlösung gewährt. Die allgemeine Bedeutung des Wortes Erlösung, wie es im Wörterbuch steht, sollte nicht als bloße Erlösung von der Sünde verstanden werden. Es ist die Befreiung vom Zyklus der Geburten und Tode, die Vereinigung des Geistes mit dem Herrn und Ewiges Geistiges Leben.

Der Durchschnittsmensch macht Witze über die Erlösung, und genauso halten es manche sektiererische Kreise. Die Gründer der verschiedenen Religionsgemeinschaften haben ihre eigenen Spirituellen Erfahrungen von den Inneren Regionen geschildert, zu denen sie Zugang hatten, und beschreiben sie als das höchste oder letzte Ziel der Erlösung und des Ewigen Lebens. Der Meister-Heilige besucht alle himmlischen Regionen und spricht von Seiner Stellung manchmal in Gleichnissen.

Er erklärt unzweideutig:

Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.

Die Heiligen treten folglich für die Ewige Erlösung während des gegenwärtigen Lebens ein und nicht erst nach dem Tode; denn wer weiß, wann das sein wird. Die verheißene Erlösung nach dem Tode mag sich am Ende als eine bloße Täuschung herausstellen; es ist nicht gut, sein Leben in einem Zustand ständiger und fortwährender Ungewissheit zu verbringen. Wäre der Tod dafür Vorbedingung, dann wäre Erlösung nichts als ein Phantasiegebilde. Ein Wirklicher Heiliger befreit die Seele von aller Bindung an Geburten und Tode hier und jetzt. Er baut auf den Tod im Leben oder die Befreiung während der Lebenszeit, die Jivan Mukti genannt wird. So kann sich die Seele, während sie noch im Körper ist, mit dem Unaussprechlichen Einen verbinden und geht letztlich, zur Zeit der endgültigen Loslösung von der Körpergebundenheit im Allmächtigen auf.

Gewöhnlich nimmt man an, dass man nach dem physischen Tod die Erlösung erlangt. Der Begriff Tod jedoch schließt auch das zeitweilige Zurückziehen des Geistesstromes vom physischen Körper ein und bedeutet nicht nur Auflösung und Zerfall der körperlichen Bestandteile, wie es gemeinhin angenommen wird. Es wäre absurd zu denken, dass einer, der während seines ganzen Lebens nur auf Weltliches eingestellt war, beim Tod augenblicklich eine befreite Seele sein wird. Die moralisch Disziplinierten und Spirituell Ergebenen erlangen tatsächlich die Erlösung während des Lebens und besiegen somit den Tod, den letzten Feind der Menschheit, im Leben.

Ich lebe aber, doch nun nicht ich; es ist Christus, Der in mir lebt,

erklärte Paulus.

Ein Pandit im Leben bleibt auch nach dem Tode ein Pandit,

pflegte mein Meister zu sagen.

Karmas abzuwickeln und die Seele von all ihren Fesseln zu befreien liegt nicht im Aufgabenbereich irgendeines Politikers, Diplomaten, Regenten, eines Ministers oder gar eines Staates. Selbst die Avatare – Inkarnationen der höheren Kraft – sind in dieser Hinsicht hilflos. Götter und Göttinnen, welche die niedrigeren Kräfte des Höchsten Wesens darstellen, müssen ebenfalls, wie schon dargelegt wurde, auf eine menschliche Geburt warten, ehe sie zum Höchsten gelangen können.

Die Seelen, die nicht unter den Schutz eines Wahren Meisters oder eines Sant Satguru gekommen sind, tragen weiterhin die schwere Last der Sanchit, Kriyaman und Pralabdh Karmas mit sich. Das Schicksal oder Pralabdh müssen jene, die nicht in die Wissenschaft des Jenseits eingeführt sind, in voller Stärke und ohne mildernde Umstände ertragen und können nur geringe Hilfen erfahren; auch die Früchte der Kriyaman Karmas oder der Taten, die in dieser jetzigen Lebensspanne nach den Wünschen des Gemüts begangen wurden, werden sie unweigerlich in vollem Maße zu ernten haben. Es ist ein strenges und unerbittliches Gesetz, ob man es glaubt oder nicht. Das karmische Gesetz macht keinerlei Ausnahme; es wirkt unbarmherzig fort und zermalmt alle gleichermaßen in der Tretmühle der Zeit.

Unsere Handlungen, ob gut oder schlecht, werden vor Seinen Richterstuhl gebracht, und unsere eigenen Taten werden uns aufwärts steigen lassen oder in die Tiefe stoßen. Jene, Die Sich mit dem Wort verbunden haben, Deren Mühen werden enden, und Ihr Antlitz wird voll Glanz erstrahlen. Nicht nur werden Sie erlöst sein, o Nanak, sondern viele andere werden mit Ihnen die Freiheit finden.

Jap Ji, Epilog

Es ist darum von überragender Bedeutung, einen Kompetenten Meister zu finden, Der dem sonst endlosen Kreislauf der Karmas ein Ende setzt; zu Seinen Lotosfüßen Zuflucht zu nehmen und uns von dem zwingenden Einfluss unserer Handlungen zu befreien.

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Anmerkung: 1) Für Einzelheiten, siehe Anhang I, am Ende des Buches. 2) Für Einzelheiten, siehe Anhang II, am Ende des Buches.