Der Dieb eures Lebensodems

III

Die Meister sagen uns, dass der direkte Ausweg nicht über Karma – die vergangenen oder gegenwärtigen Handlungen – oder Dharma – Gewissenhaftigkeit in religiösen oder rituellen Dingen – führt, denn diese beziehen sich nur auf die Sinnesebene. Solange die Seele keine Verbindung mit Gott hat und nicht von Naam durchdrungen ist, muss sie in diese Welt zurückkehren.

Im Gurbani steht:

Einem Gurumukh zu begegnen, die Gemeinschaft eines Sadh zu haben und die Farbe von Naam zu tragen, das ist die Wahre Begegnung, Geliebter, und wer immer dies erlangte, nannte Deinen Namen von Herzen.

Nur Der kann den Schatz geben, Der ihn besitzt. Wenn sich zwei Betrunkene begegnen, tanzen beide nach derselben Melodie. Ähnlich ist es, wenn jene zusammenkommen, die den Nektar von Naam trinken – wie sehr erheben sich ihre Seelen! Welchen Umgang ihr auch habt, dementsprechend werdet auch ihr.

Die die Wahrheit sehen, beschreiben das Gleiche, doch in verschiedenen Sprachen. Maulana Rumi hat gesagt, dass, wenn man so begünstigt ist, sich zwanzig Minuten lang in der Gemeinschaft von Gott im Menschen zu befinden, es einem mehr Vorteil bringt, als wenn man dem Herrn aufrichtig und ohne sich zur Schau zu stellen hundert Jahre voll der Ergebung weiht. Diese einzigartige Farbe kann nicht geschaffen oder hergestellt werden, man kann sie nur von der direkten Versorgungsquelle erhalten. Sie ist bereits in uns, aber vom Schmutz der Jahrhunderte überdeckt und wird nur in der Gemeinschaft eines Menschen sichtbar, der Seine Aufmerksamkeit ganz unter Kontrolle hat, – ja, Der voll der Berauschung ist. Ihr mögt es das Almosen von Naam nennen.

Meditation ist sehr nötig, denn nur durch sie wird alles andere dazugegeben. Es gibt Menschen, welche die Zeit ihrer Meditation wegstehlen.

Die Diebe des Bhajan sind ständig von irgendwelchen Nöten bedrängt.

Es heißt:

O Nanak, die ganze Welt ist unglücklich.

Welches ist das Heilmittel für diese schreckliche Lage? Nur die sind glücklich, welche durch Naam erhalten werden.

Der Mensch in der physischen Gestalt ist ohne Halt, wie kann er den Herrn lobpreisen? Groß sind die Sinnesfreuden; Ärger und Leidenschaft quälen ihn täglich.

Das sind die Worte von Guru Amar Das. Von hundert Menschen werden alle, wenn sie klug sind, das Gleiche sagen. Bedauernswert ist die Lage jener, deren Gemüt rastlos zwischen den neun Toren – den neun Öffnungen des menschlichen Körpers – umherwandert, die inmitten der Sündhaftigkeit des weltlichen Lebens hin- und hergezerrt werden. Die arme Seele fällt manchmal sinnlichem Verlangen zum Opfer oder verliert sich in Zorn. Um den genauen und sichersten Weg kennen zu lernen, auf dem man Gott erreicht, muss man Gemeinschaft mit einem Erleuchteten Menschen halten. Bei Ihm wird es möglich, die Wahre Erinnerung an den Herrn zu haben. Er kann uns lehren, wie man an diesem Gedenken in jeder Phase des Lebens festhält: bei der Arbeit, im Gehen, beim Essen, Sitzen usw.

Dieser Bereich der Sündhaftigkeit ist schal und abgeschmackt, gib sie auf, Freund, und trinke den Nektar von Naam.

Durch die Sinne lässt sich die ganze Welt von der einen oder anderen Art des Lasters treiben. Wie nachteilig kann es sein, wenn auch nur ein einziges Sinnesorgan im Vordergrund steht. Bei Motten zum Beispiel ist der Gesichtssinn so stark, dass sie sich, durch die Anziehungskraft des Lichts auf das Auge, darin verbrennen. Fische, die in Meeren und Flüssen frei umherschwimmen, haben einen dermaßen entwickelten Geschmackssinn, dass sie sich von verschiedenen Leckerbissen ködern lassen; sie werden gefangen und verlieren ihr Leben. Der arme Fisch, mit dem Angelhaken im Maul, gibt seine Freiheit auf, nachdem er qualvoll herumzappelte, um dem Angler zu entkommen. Denkt an die schwarze Biene, deren Geruchssinn sie von Blume zu Blume lockt, bis sie von einer bestimmten Blüte, die sich bei der leisesten Berührung schließt, verschlungen wird.

Wir haben vom Sehen, Schmecken und Riechen gesprochen. Wie ist es mit den beiden übrigen Sinnen, dem Gehör und dem Tastsinn? Hirsche sind so schnell, dass es äußerst schwierig ist, sie einzuholen. Selbst wenn sie rückwärts springen, kann ihr Sprung neun bis zwölf Meter messen. Wie wird dieses Tier gefangen? Seine Schwäche liegt in dem ausgeprägten Gehörsinn. Wenn ein bestimmter Trommelschlag ertönt, vergisst der Hirsch alles und kommt ganz nahe, um seinen Kopf auf die Trommel zu legen. Auf diese Weise verbringt er den Rest seines Lebens in Gefangenschaft, in die ihn der Mensch gebracht hat. Man denke nun an den Elefanten, dessen Stärke so offensichtlich beeindruckt, dass der Mensch bei seinem bloßen Anblick erschrecken mag. Doch während der Brunftzeit ist des Elefanten Drang, das Weibchen zu berühren, so mächtig, dass er alle Kontrolle verliert, Amok läuft und auf seinem Weg sogar riesige Bäume entwurzelt. Solange er in diesem Zustand der Leidenschaft ist und alle seine besseren Instinkte verloren hat, kann ihm der Mensch eine Falle stellen. Ein riesiges Erdloch wird ausgehoben und mit Zweigen und Gras bedeckt. In der Nähe wird ein weibliches Tier als Lockmittel angebunden, und wenn der Elefant herbeigelaufen kommt, fällt er in die dazwischen liegende Grube. Nachdem man ihn viele Tage hungern ließ, ist er schwach genug, um gefesselt und für den Rest seines Lebens – bis zu 100 Jahren – in die Sklaverei gebracht zu werden.

Das sind Beispiele von Geschöpfen, die nur einem Sinn versklavt sind. Was ist nun mit einem, bei dem alle fünf Sinne vorherrschen? Es mag eine einfache Sache sein, über diese Dinge zu sprechen, aber bedenkt diese schwierige Aufgabe! Es erscheint unmöglich, Kontrolle über diese fünf Sinne zu gewinnen. So ist es nur durch die Gnade eines Wahren Meisters möglich, für eine Weile von dem dunklen Abgrund dieser kraftvollen Sinne wegzukommen.

Mit einer unbeschreiblichen Kraft zieht der mächtige Guru die Aufmerksamkeit an.

Und im Innern ist der Immer Seiende Herr, beschrieben als Naam.

Durch die Wiederholung von Naam wird das Licht von Millionen Sonnen sichtbar.

Im Innern ist Licht, und die Melodie des Herrn – der immer währende Gesang – ertönt. Der Guru stellt eine Verbindung damit her – das ist Seine Größe, die von Gott in Ihm. Und wenn man Sein kostbares Geschenk bekommt, muss es vermehrt werden. Wenn die Freude daran wächst, schwinden die niederen Neigungen.

In der Bhagavad Gita – einer vedischen Schrift – steht:

Nicht durch Wiederholung oder Kasteiung, weder durch Riten noch durch Gebete oder Schriften; nicht durch Almosengeben oder Pilgerfahrten […]

Zahllose andere Dinge werden erwähnt, und zuletzt heißt es:

Nicht einmal durch Kontrolle der Sinne kann Mich der Jiva so rasch erkennen wie in der Gemeinschaft eines verwirklichten Menschen.

Durch großes Glück kommt man zu einem Meister, und nur bei Ihm wird das Gemüt seine andauernde Ruhelosigkeit aufgeben und eine Zeit lang vollkommen still sein.

Wer ist der Meister? Er wurde auf die gleiche Weise wie andere Menschen geboren, indem Er die menschliche Gestalt annahm, und wir können Ihn täglich essen, trinken und in der Welt wirken sehen; und doch …

besteht zwischen dem Sadh und dem Herrn nicht der geringste Unterschied, o Bruder.

Das sind Guru Arjans Worte.

Wo beginnt also die Meisterschaft? Wer die neun Tore überschreitet und in voller Kontrolle seines ganzen Seins ins Jenseits geht – der kann wissen, was ein Meister ist.

Die neun Tore? Es sind die beiden physischen Augen, die Nasenlöcher, der Mund, zwei Ohren, die Geschlechts- und Ausscheidungsorgane. Wer seine Aufmerksamkeit zurückziehen und durch das zehnte Tor hinter den Augen hinausgehen kann, ist auf dem Weg, eine verwirklichte Seele zu werden. Aber wo stehen wir? Von einem, der sein ganzes Leben auf der Sinnesebene zugebracht hat und dessen religiöse Übungen sich auf diese Ebene beschränken, kann kaum angenommen werden, dass er weiß, wie man sich über all das erhebt. Er wird zweifellos für seine guten Taten belohnt, aber er wird wieder und wieder in die Schöpfung kommen, da er sich als den Handelnden sieht. Dies sind die goldenen und eisernen Ketten, wie sie von Lord Krishna beschrieben werden, wenn er von guten und schlechten Taten spricht.

Erlösung kommt nur durch das Heilige Naam. Im Ramayana wird es mit dem Anzünden einer Lampe in einem Flur verglichen, deren Lichtschein ihn von innen und außen erhellt. Dies veranschaulicht, welche Wirkung die Wiederholung von Naam auf unser Inneres und äußeres Leben hat. Simran zu wiederholen ist der erste Schritt. Das Erscheinen Desjenigen, Dem der Simran gilt, ist eine andere Sache.