Der Wahre Meister und Seine Mission

I

Einmal fragte Raja Parikshat seinen Minister, aus welchem Grund in Zeiten einer moralischen Krise oder einer Katastrophe Gott Selbst Seinen Kindern zu Hilfe komme, obwohl Ihm eine zahllose Dienerschaft auf den leisesten Wink gehorcht und Er jeden von ihnen anweisen könne, die Arbeit für Ihn zu leisten. Der Minister antwortete, dass ein liebender Vater, wie Gott einer ist, nicht anders kann, als herabzukommen, um Seinen Kindern zu helfen. Der Raja ersuchte den Minister, seine Äußerung zu beweisen und Letzterer versprach, es im Laufe der Zeit zu tun.

Nach einigen Tagen fertigte der Minister eine Puppe an, die aussah wie der Sohn des Raja, und kleidete sie in der Art und Weise des Prinzen. Er setzte die Puppe an das Ufer eines Teiches im Garten, wo der Raja spazieren zu gehen pflegte. Die Puppe konnte aus einer Entfernung mit Schnüren bewegt werden. Als nun der Raja beim nächsten Mal mit seinem Minister in den Garten ging, sah er den Prinzen am Ufer des Teiches sitzen. Während er sich wunderte, wieso sein Sohn dort war, sah er, dass sein Sohn einen Sprung in den Teich wagte. Der Raja konnte diesen herzzerreißenden Anblick nicht ertragen und sprang augenblicklich in den Teich, um seinen Sohn vor dem Ertrinken zu retten. Zu seiner großen Überraschung stellte der Raja fest, dass es eine Puppe war und nicht sein Sohn. Der Raja verlangte von dem Minister eine Erklärung, welcher demütig erwiderte, dass die Posse aufgeführt worden sei, um die Wahrheit dessen zu beweisen, was er vor einiger Zeit über Gott gesagt habe, nämlich dass Er Selbst herabkomme, um Seine Kinder in kritischen Momenten zu retten.

Wir alle sind Kinder Gottes, durch Ihn geschaffen nach Seinem Bilde. Die Seele im Menschen ist vom gleichen Wesen wie Gott.

Kabir sagt:

Die Seele, obwohl verkörpert, bildet doch einen entscheidenden Bestandteil des alles durchdringenden Geistes, Der das Universum belebt.

Sie ist nichts anderes als ein Tropfen aus dem Meer allen Bewusstseins. Auf der physischen Ebene von dem begrenzten Beiwerk des Gemüts und der Materie umgeben, haben wir uns so völlig mit der Welt und allem, was weltlich ist, gleichgesetzt, dass wir unseren wahrhaft Göttlichen Ursprung vergessen haben. Die natürliche Folge dieses Vergessens ist Kummer und Leid. Das physische Leben ist nur Trübsal, erklärte Buddha, der Erleuchtete. Wenn der stets liebende Vater die kläglichen Schreie Seiner Kinder nach einem Ausweg aus diesem zauberischen Irrgarten der Welt hört, kann Er nicht anders, als in Gestalt eines Menschen herabzukommen, um die verlorenen Schafe wieder in Seine Herde zurückzubringen.

Gott ist der Guru der Seele, denn die Seele ist wesenseins mit Ihm. In großer Not ruft sie um Hilfe, und Er kommt zu ihrer Errettung. In tiefer Seelenpein sehnt man sich nach einem Weg im Leben, dem Wort oder der Gotteskraft, Die sich in der Form eines Gottmenschen materialisiert, man nenne Ihn, wie man will. Er kommt, um alle mögliche Hilfe zu geben und die Weltmüden und Verzweifelten zurück in Sein Reich zu führen. Wir sind auf Probe in dieser Welt. Wenn es an der Zeit ist, trifft Gott durch Seine Auserkorenen oder Erwählten Vorsorge, um eine geistige Verbindung mit Ihm herzustellen.

Nanak gab eine wunderbare Beschreibung der Seele, die unter Trennungsschmerzen leidet:

Da die Seele den Wahren Urgrund des Lebens vergessen hat, klagt sie im Zustand fortwährender Täuschung über ihr Los.

Bei unserem Abgleiten zur irdischen Ebene haben wir das 'Selbst' in uns derart mit den Hüllen des Gemüts und der Materie verschiedener Dichtegrade umgeben, wie sie den jeweiligen kausalen, mentalen und physischen Seinsebenen eigen sind, dass wir dem Selbst gänzlich verloren gingen und endlos in der Täuschung des gewaltigen Labyrinths der Welt umherstreifen. Trotz kurzen vorübergehenden Erwachens neigen wir dazu, durch die Macht der Gewohnheit, welche uns zur Natur geworden ist, irrezugehen. Unsere Situation kann mit der einer Frau verglichen werden, die von ihrem Mann verlassen wurde und nun zu ihren Eltern zurückkehrt, dort lebt und nicht mehr an ihren Mann denkt. Dieser mag sie weiterhin lieben, aber sie weiß nichts davon, noch will sie ihre eigenen schwachen Seiten zur Kenntnis nehmen, welche unausweichlich die Trennung zwischen ihnen herbeiführte. Wie sehr auch die Eltern sie mit allen Annehmlichkeiten versorgen, ist sie doch verstoßen. Wie anders sähe es aus, wenn sie sich bessern wollte, um ihres Mannes wert zu sein. Die meisten von uns befinden sich in einer solch misslichen Lage.

Wir sind alle Kinder von Gottvater, dem Gott aller, und unsere Seelen sind ihrem Wesen nach Eins mit dem Göttlichen Prinzip, Welches das Universum erhält. Der Herr Selbst ist der Gemahl aller Seelen, aber wie traurig ist es, dass wir, während wir hier auf der physischen Ebene im Exil sind, Ihn ganz und gar vergessen haben und, obwohl wir mit Ihm im gleichen Körper wohnen, keine Gelegenheit fanden, Ihn von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Wir sind von Gott getrennt, denken nicht mehr an unsere Wahre Heimat und haben uns durch die dauernde Verbindung mit Gemüt und Materie gänzlich im Genuss der Sinnesfreuden verloren. Wir sind stets eine Beute für alle Arten von Todsünden. Wie eine Spinne sind wir unentwirrbar im Netz von Lust, Ärger, Habsucht und Verhaftetsein gefangen und von dem sich ständig behauptenden Ego besessen, was alles zusammenwirkt, um uns weiter von Gott wegzubringen.

Wir können zwischen zwei verschiedenen Wegen wählen. Es gibt eine Art von Menschen, die an ein Leben weltlicher Freuden glaubt – esst, trinkt und seid fröhlich! Sie sind noch übler als jene, die nur nichts von ihrem Wahren Selbst und von Gott wissen und ein ruhiges Leben seliger Unwissenheit führen. Die Ersteren sind in einer bemitleidenswerten Lage. Sie scheinen sich des Daseins zu erfreuen, aber für wie lange? Die Freuden der Welt sind nicht beständig; sie vergehen wie der Rauch und lassen einen physisch, mental, moralisch und spirituell als Wrack zurück. Die Wonne, die man von der Liebe des Herrn erhält, kann man nirgendwo sonst bekommen, auch nicht von den Eltern und anderen, die euch lieb und teuer sind und welchen ihr so unbekümmert vertraut. Sollte dieses Erwachen in euch aufdämmern, werden Freunde und Verwandte wie Todesboten aussehen. Wenn wir fähig sind, eine solche Verfassung in uns herzustellen, ist es nur natürlich, dass der Herr, Der bereits in uns ist, der Seele hilft und sie erhält, ganz gewiss auf unsere Klagen voll des Schmerzes und der Qual achten wird.