Der Wahre Meister und Seine Mission

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O Nanak, die Augen, die Gott sehen, sind ganz verschieden von denen, die wir haben.

Den fleischlichen Augen ist es nur gegeben, die Dinge des Fleisches zu sehen, denn sterbliche Augen nehmen nur das wahr, was sterblich ist. Allein das Innere Auge kann die Glorie des Herrn bezeugen. Es ist das Divya Chakshu der Hindu-Heiligen, das Einfältige Auge nach den Worten Christi und das Nukta-i-Sweda der gottergebenen Moslems. Gleich einem Augenarzt hilft ein Meister das Innere Auge zu öffnen, das jetzt geschlossen ist.

Shamas-i-Tabrez, ein großer Heiliger, lässt uns wissen, dass Er Tausenden, die von Geburt an blind waren, das Augenlicht gab. Was die Gott-Erfahrung angeht, so sind wir alle blind. Wir haben unser ganzes Leben lang in einschlägigen Büchern über Gott gelesen und von anderen über Gott gehört, aber nie eine persönliche Erfahrung vom Ihm gehabt. Dies zeigt, wie blind wir sind und wie wir verblendeten Sinnes dahinleben.

Nanak erklärt sehr eindrucksvoll, was ein Blinder ist:

Nicht jene, die keine Augen im Gesicht haben, sind blind, sondern zweifellos die, welche sich Gott entfremdet haben.

Alle Gründer der verschiedenen Religionen in der Welt stimmen in diesem Punkt überein.

Wir sind unabhängig von den Sinnesorganen mit einem Seh- und Hörvermögen ausgestattet, denn fehlerloses Wissen ist eine Tätigkeit der Seele. Diese ist jedoch seit Myriaden von Zeitaltern von der schweren Bürde des Gemüts und der Materie niedergedrückt und hatte nie Gelegenheit, das Göttliche Licht und die Himmlischen Weisen der Inneren Musik zu beachten. Ein Meister-Heiliger hilft die karmische Last aufzuheben, wodurch Er die Seele befreit, indem Er sie allmählich der verschiedenen sie bedeckenden Koshas oder umhüllenden Schleier des vielfältig begrenzenden Beiwerks entledigt, bis sie, losgelöst von der Liebe zu allen geschaffenen Dingen, zu sich selbst findet und eine entkörperte Seele wird, die in ihrem eigenen Licht erstrahlt und fähig ist, aus sich selbst unabhängig zu denken und zu handeln.

Johannes vom Kreuz legt es kurz und bündig dar:

Darum kann die Seele der Göttlichen Vereinigung solange nicht innewerden, bis sie sich der Liebe zu den geschaffenen Dingen entledigt.

Die Mittel, diese Vereinigung herbeizuführen, sind das Licht Gottes und die Stimme Gottes. Gott ist aus Sich Selbst leuchtendes Licht (Swayam Jyoti Swarup), der Vater allen Lichts, wie die Christen sagen, und das Nurun-ala-Nur (das Licht der Lichter) bei den Moslems. Man spricht von Ihm auch als dem Gesang der Seele, der Stimme der Stille, der Sphärenmusik, Shabd, Vak; dem Wort oder Nad – was alles dasselbe bezeichnet. Diese beiden rettenden Lebensströme sind in jedem Menschen. In ihnen leben wir, bewegen wir uns und haben wir wahrlich unser Sein, aber gleich dem sprichwörtlichen Fisch im Wasser wissen wir nicht, was das Wasser ist:

Gott ist in der Seele, und die Seele ist in Gott, wie das Meer im Meer.

Dies sind sodann die beiden Mittel, durch welche der Meister die Seele zu Gott führt: der Weg des Lichts (Jyoti Marg) und der Weg des Tons (Sruti Marg). Die Großen Lehrer der ganzen Welt leiten Ihre Anhänger auf diesen Wegen, die sich natürlich gegenseitig nicht ausschließen, sondern einander ergänzen – einer führt zum anderen. Sie kommen von Zeit zu Zeit, um uns zum Wohnsitz unseres Vaters zurückzubringen, wir aber sind wie die verlorenen Kinder mit anderen Dingen beschäftigt und laufen rastlos von Pontius zu Pilatus, ständig eine Beute aufkommender Winde und Wasser, dem stürmischen Meer des Lebens ausgesetzt, während unser reiches Erbgut im Himmel vernachlässigt bleibt.

Soami Ji sagt:

Eure Krone und euer Zepter liegen unbeachtet im Reich Gottes.

Auch Guru Nanak sagt:

O verbinde dich mit der glorreichen Musik der Glückseligkeit, und lebe auf ewig in die Gottheit vertieft.

Diese Innere Musik ist Ausdruck Der in jedem von uns wirkenden Gotteskraft. Durch Verbindung mit dem Wort können wir die Stätte erreichen, von der diese Himmlischen Weisen ausgehen.

Es ist die Wahre Heimat der Seele, die gegenwärtig im irdischen Exil umherwandert, obwohl Sich Gott, der Vater, auf unsere Heimkehr freut:

Kehre heim, o Freund! Geh zurück zu deiner eigentlichen Wohnstatt.

Diese Musik kommt herab, uns heimzurufen, so dass wir künftig in Frieden und in der Fülle leben können.

Nun, da der Ruf ergangen ist, folgt ihm und begebt euch auf den Rückweg:

Was will man mehr, wenn Sich die Gottheit innen gezeigt hat? Deine Mühen sind zu Ende, sei ruhig wie der Polarstern.

Wenn durch die Gnade des gütigen Meisters die Kraft Gottes im Inneren offenbart wurde, findet man zu sich und steht der Wirklichkeit gegenüber. Ihr habt dann nichts weiter zu tun. Die Kraft tut nunmehr alles für euch, und ihr stellt fest, dass ihr bloße Zuschauer in einem Spiel des Welttheaters seid. Ihr müsst euch mit dem Heiligen Wort verbinden. Es wird euch nach und nach in eure Ewige Heimat zurückführen. Dann gibt es keinen Abstieg mehr zur Erde, zumindest nicht als Gefangener, der die Strafe einer lebenslänglichen Haft unter dem zwingenden Druck der Karmas verbüßen muss, sondern mit einer Göttlichen Weisung, um den Plan Gottes zu erfüllen:

Mit dem freudvollen Geläut der Inneren Musik wird der Herr Selbst kommen, dich zu empfangen.

Gurbani

Wie wir in der äußeren Welt Trompeten und Trommeln spielen, um unserer Freude Ausdruck zu verleihen, so werden auch in der inneren Welt alle durch erhabene, seelenbelebende Weisen Himmlischer Musik willkommen geheißen, wenn sie in der Begleitung des Guru Devs (der Strahlenden Form des Gurus) dem Himmel entgegengehen. Wohin führt das alles? Wir werden nun zu der Quelle allen Lichts, des Vaters des Lichts, geführt, wo es nichts gibt außer dem Ewigen Licht und der Ewigen Musik, die ungeschaffen und unergründlich sind und doch die materielle und bewirkende Ursache aller geschaffenen Dinge und als solche wahrhaftig ein verbindendes Glied zwischen dem Schöpfer und Seiner Schöpfung, zwischen Himmel und Erde bilden. Naam ist alsdann der Name für die Kraft Gottes, die erste Offenbarung des Namenlosen, wie sie sich im Heiligen Licht und dem Heiligen Chor verkörpert. Dies ist der Einzige Weg, der zu Gott führt. Wir mögen darüber so viel reden, wie wir wollen, aber bloße Philosophie wird uns nicht helfen, der Wahrheit näherzukommen. Je mehr wir theoretisieren, desto weiter entfernen wir uns von der Wirklichkeit. Es ist die mystische Erfahrung innerhalb des Laboratoriums des Geistes, welche zählt, denn sie verbindet uns direkt mit der Gottheit, und diese Erfahrung kann uns mit der Hilfe und Gnade eines Menschen Gottes zuteil werden.