Der Wahre Meister und Seine Mission

II

Mit den Worten Guru Nanaks bricht es aus der Seele hervor:

O mein Geliebter, höre auf meine sorgenvolle Geschichte. Während Du glücklich in Deinem immer wonnetrunkenen Zustand begründet bist, bin ich in einer Form aus Lehm gefangen und begraben.

Alle Meister erklären dasselbe. Soami Ji sagt:

O Geist, du wurdest ein Strahl der Ewigen Wahrheit.

Die Seele in uns ist ein Spross von königlichem Blut. Sie hat eine glorreiche Herkunft. Aber leider hat sie sich durch die dauernde Verbindung mit dem Gemüt und den Sinnen in diese erbärmliche und erniedrigende Situation gebracht. Das Gemüt ist fürwahr der Wohnsitz der Sinnesfreuden; die verschiedenen Sinnesorgane sind voller Schmutz, und wir, durch die Lüste des Fleisches ganz verblendet, sehen nicht, was unter der Oberfläche liegt. Wenn sich die Seele ihrer Wahren Heimat, der Heimat Ewiger Wonne und Immer Währenden Seins bewusst würde, strebte sie natürlich danach, dorthin zurückzukommen; ein qualvoller Schrei aus der Tiefe des Herzens wird zweifellos den Herrn der Barmherzigkeit rühren. Es ist nichts als ein ernsthaftes Gebet, eine demütige Bitte des zerrissenen und gequälten Geistes, was Sein Mitleid zu erregen weiß. Doch unsere Aufmerksamkeit geht die ganze Zeit durch die neun Tore des Körpers – Augen, Ohren, Nasenlöcher, Mund, Rektum und Zeugungsorgan – nach außen und abwärts, ohne dass wir von der zehnten Öffnung oder dem Zentrum im Kopf wissen, das uns einen inneren Zugang zum Reich Gottes verschafft. Wie sehr wir auch immer versuchen mögen, aus dem Körper zu entkommen, es gelingt uns nicht, weil wir von der Großen Kraft Gottes, Die uns überwacht – dem Heiligen Wort oder Naam – abhängig sind, worüber wir noch nichts wissen.

O Nanak, alles ruht in Naam, aber erst wenn die Zeit reif ist, kommt man mit ihm in Berührung.

Es ist die Wirkende Gotteskraft (das Heilige Wort), Die alles, was sichtbar und unsichtbar ist, kontrolliert und erhält. Einer, der diese hohe Wahrheit erkennt, kann nicht umhin, auf der Suche nach ihr ruhelos umherzuwandern. Alle Großen Seelen haben eindringlich von dieser bedeutsamen Lebenskraft gesprochen.

Maulana Rumi sagt:

Schäme dich, der du den Himmel zur wirklichen Wohnstatt hast und dennoch mit wesenlosen Formen und Farben glücklich bist. Wie lange willst du im Schmutz spielen und wie Kinder das Leben vergeuden?

Bitte merkt euch, dass das Herz, welches durch dieses Erwachen zum inneren Leben aufgerüttelt wird, sich allmählich danach zu sehnen beginnt. Dieses Sehnen in ihm nimmt im Laufe der Zeit so sehr den Charakter einer vorherrschenden Leidenschaft an, dass es Tag und Nacht kläglich fleht, bis Gott, das Große Meer der Barmherzigkeit, in Seinen innersten Tiefen gerührt wird und Vorkehrungen trifft, für einen Weg aus diesem Zauberhaus des Körpers heraus, um das Herz zu sich zu ziehen. Dies ist also die Kraft eines Gebets, das sich aus dem Herzensgrund erhebt.

Was soll ich sagen, und an wen soll ich mich wenden? Es ist der Schrei einer verwirrten Seele, wenn sie zu sich selbst findet. Sie sucht umher und sieht nirgends einen Trost. Als letzte Zuflucht ruft sie Gott den Herrn an, den Wahren Tröster, unser aller Erretter. Das Gebet ist, wie ihr wisst, die letzte Waffe in der Rüstkammer des Menschen und auch die wirksamste. In diesen leidvollen, verzweifelten Augenblicken kommt die Hoffnung und erhellt den Weg.

Sodann erscheint die Gotteskraft in Gestalt eines Gottmenschen und sagt:

Folge mir nach. Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Ich bin der Unvergängliche Weg, die Unfehlbare Wahrheit, das Ewige Leben. Ich bin der Erhabenste Weg, die Letzte Wahrheit, das Wahre Leben, gesegnet und unerschaffen.

Aber wann hat Gott Erbarmen und erscheint in der Form eines Meisters? Die Antwort ist sehr einfach. Der Meister kommt nur zu Hilfe, wenn man allen Lüsten des Fleisches entsagt.

Christus versprach selbst den schlimmsten Sündern Vergebung, wenn sie künftig vom üblen Tun ablassen würden. Er gebot Seinen Anhängern Einhalt, zog einen Strich unter die Vergangenheit und gab den Rat:

Sündige hinfort nicht mehr.

Tulsi Sahib sagte ebenfalls:

Macht euch Wahrhaftigkeit, Demut und Achtung vor der Weiblichkeit zu eigen, dann werdet ihr Gott erreichen; ich verbürge mich dafür.

Eine solche Seele bittet:

O Du, Der du Zutritt zum Reich Gottes hast, überbringe die Botschaft eines Verbannten, sage Ihm, Er möge Sich des erbarmen, der allezeit mit Tränen in den Augen wartet. Dich tränenvollen Auges zu lobpreisen und selbst nichts anzubieten haben, wie kann ich da dem geliebten Herrn näher kommen?

So ruft die Seele in ihrer Pein über das Getrenntsein vom Herrn die Göttlichen Boten an, Die freien Zutritt zu Seinem Reich haben, und sucht Ihre Hilfe in dieser traurigen Lage.

Die Seele erklärt nun ihre Unfähigkeit, den Pfad, der zu Gott führt, zu erreichen, von dem ihr jede Kenntnis fehlt, und bringt darum ihre Hilflosigkeit durch den Erwählten Gottes zum Ausdruck. Dem Regen gehen immer Wolken voran. Gottes Gnade kommt herab, wenn die Seele in tiefster Qual liegt und ganz verwirrt, die Augen voller Tränen und mit einem in Liebe klopfenden Herzen, klagt. In der Sprache der Mystik wird dies die dunkle Nacht der Seele an der Schwelle der Glückseligkeit genannt.