Der Wahre Meister und Seine Mission

V

Als Christus einmal gefragt wurde, wohin Er gehe, antwortete Er:

Und ich habe noch andere Schafe, […] und dieselben muss ich herführen.

An einem Junitag war ich gerade bei meinem Meister in Beas. Da das Wetter drückend heiß und schwül war, legte ich Hazur nahe, einige Zeit in Dalhousie (einem Kurort in den Bergen des Punjab) zu verbringen.

Lächelnd antwortete Er:

Sieh, Kirpal Singh, die Leute denken vielleicht, dass ich zu meiner eigenen Annehmlichkeit in die Berge gehe. Aber dem ist nicht so. Ich tue es in der Hoffnung, dass noch einige verirrte Seelen genügend aufgeschlossen sind, die Botschaft des Herrn zu hören, bereit, den Weg zu Gott zurückzugehen. Mir persönlich machen Hitze oder Kälte nicht das Geringste aus.

Solche Meister-Seelen durchforschen die Welt auf der Suche nach uns, nicht umgekehrt, wir nach Ihnen. Sie kommen hierher in einer Göttlichen Mission, um jene herauszufinden, die für den Heiligen Pfad bestimmt sind, oder solche, die weltmüde und schmerzlich nach einem Ausweg rufen.

Diese irdische Ebene ist ein riesengroßes Gefängnis. Sie ist nicht die Wahre Wohnstatt der reinen Seele. Sie ist nur vorübergehend da, bis sie wieder mit dem Göttlichen Gemahl versöhnt und aus dem aufgezwungenen Exil hier zurückgerufen wird. Wenn immer eine Seele in einem fremden Land unter der Trennung leidet, plant Gott für sie einen Ausweg, und dies mit der Hilfe eines Heiligen, Der Gott verwirklicht hat und von der unsichtbaren Gotteskraft erfüllt ist, einer lebendigen Verkörperung des Göttlichen Wortes:

Der Satguru Selbst ist der unbefleckte Eine, wenn auch in menschlicher Gestalt.

Wieder heißt es:

Der Diener Gottes ist Gott gleich, ungeachtet Seines physischen Gewandes.

Gurbani

Wir sind alle noch im Werden. Wir streben allmählich der Vollendung zu. Diese Welt ist ein Übungszentrum mit diesem Ziel. Leid ist der beste Lehrer. Es erweckt in uns ein Verlangen, die Begrenzung des Fleisches zu überschreiten, so dass wir einen Zustand erreichen, wo vollkommene Ruhe herrscht. Wenn immer wir uns in unserem Kampf hilflos fühlen, und wir fühlen uns in vieler Hinsicht hilflos, rufen wir nach der unsichtbaren Hand Gottes um Beistand; dadurch wird die Kraft Gottes bewegt. Ein Gottmensch, mit Seiner Kraft ausgestattet, begegnet uns, tröstet uns in der Not, bietet uns Seine helfende Hand und hebt uns aus dem Sumpf der Verzagtheit heraus, Er richtet uns wieder auf und erbietet Sich, uns zu Gott zu führen.

Folglich ist ein Gottmensch nicht von dieser Welt, wie wir es sind, noch ist Sein Geist wie der unsrige im Gefängnis des physischen Körpers gebunden. Eins mit der höchsten Gotteskraft, weiß Er den Körper willentlich zu verlassen und Sich in die spirituellen Reiche jenseits des Gemüts und der Materie zu erheben. Wirklich wunderbar ist das Haus, in dem wir wohnen. Es ist dem Menschen gegeben, die Grenzen des Fleisches hinter sich zu lassen und zu wirken, wo immer er will, in der materiellen Welt, der materiell-spirituellen, der spirituell-materiellen oder der rein spirituellen – ungleich allen anderen Geschöpfen, die nur an den Körper gebunden sind. Der Mikrokosmos ist nach dem Vorbild des Makrokosmos gestaltet.

Aber im gewaltigen Wirbel der Welt haben wir unsere Fähigkeiten ganz und gar vergessen und sind dahin gekommen, unser großes Selbst mit dem physischen Kleid gleichzusetzen, ohne zu wissen, wie man sich über das Körperbewusstsein in das Kosmische und Überkosmische Bewusstsein erhebt. Ein Gottbegnadeter Mensch erinnert uns nicht nur an unsere großen Entfaltungsmöglichkeiten, sondern gibt uns eine Erfahrung davon, wobei es keine Rolle spielt, auf welcher Ebene, und ermutigt uns, diese in jedem beliebigen Ausmaß zu entwickeln.

Er sagt uns mit wenigen Worten:

Lerne zu sterben, so dass du zu leben beginnen kannst.

Wir sind wirklich ein Tropfen aus dem Meer des Bewusstseins. In der Begrenzung der Sinne, eifrig in die Freuden der Sinnesobjekte vertieft und vom Gemüt umgeben, sind wir unserem Wahren Selbst verloren; gerade wie das sprichwörtliche Löwenjunge eines Schäfers, das er in der Herde seiner Schafe und Ziegen aufgezogen hatte, wie Hazur es so klar veranschaulichte:

Ein Löwe, der des Weges kam, war sehr betrübt, das Junge Gras und Kräuter fressen zu sehen. Er hatte Mitleid mit dem Jungen, so nahm er es zu einem Wasserteich mit, zeigte ihm sein Spiegelbild darin, das dem seinen glich, und riet ihm, gemeinsam mit ihm zu brüllen. Kaum hatten sie dies begonnen, liefen der Schäfer und die Herde Hals über Kopf davon und ließen ihren früheren Gefährten in der Gesellschaft des Löwen zurück.

Desgleichen erinnert uns ein Meister-Heiliger an unsere wirkliche Größe, hilft uns aus unserem scheinbaren Wohlbehagen heraus und stellt uns auf den Weg zur Selbsterkenntnis und Gotterkenntnis.