Der Zweck des menschlichen Lebens

II

Das Thema dieses Vortrages ist, wie verschiedene Heilige das Geheimnis des Lebens gelöst haben. Sicher gibt es nur Eine Wahrheit, man kann Sie aber auf verschiedene Weise darstellen. So ist unser Vorbild stets die Wahrheit. Hören wir, was Soami Ji zu diesem Thema sagt: 

Verbinde deine Seele mit Naam.

Uns wird geraten, unsere Seele mit dem Wort zu verbinden. Das besagt, dass unsere Aufmerksamkeit gegenwärtig mit anderen Dingen als dem Wort verbunden ist. Was bedeutet Aufmerksamkeit? Es ist die Bewusstheit, ein Zustand des Wachseins oder Gewahrseins. Wir können es Aufmerksamkeit nennen, Geist oder Seele. Es ist dieser Lebensstrom, Der aus unserem Selbst, unserer Seele fließt, welcher als treibende Kraft in uns wirkt. Soami Ji regt an, diesen Strom mit dem Wort zu verbinden. Wo ist nun der Ursprung dieses Stromes? Er ist am Sitz der Seele, zwischen den beiden Augenbrauen. Was geschieht in der Todesstunde? Das Leben zieht sich zurück und steigt von den Füßen an aufwärts zum Augenhintergrund. Die hinter den Augen konzentrierte Kraft ist unser Wirkliches Selbst. Nachdem diese Kraft sich zurückgezogen hat, ist der Körper ohne jede Bedeutung. Dies ist die wichtigste, jedoch meist übergangene Tatsache.

Um diese Sache weiter zu erforschen, muss man sich vergegenwärtigen, dass die Seele ein vom Körper getrenntes Wesen ist. 

Wir müssen lernen und üben, die Seelenströme von den unteren Zentren des Körpers zum Augenbrennpunkt zurückzuziehen. Dieser Vorgang gleicht jenem, der sich im Augenblick des Todes vollzieht. Wir müssen uns über das Körperbewusstsein erheben. Die theoretische Kenntnis dieses Vorgangs reicht nicht aus. Weit wichtiger ist die Praxis. Ein Gramm Praxis ist mehr wert als Tonnen von Theorien.

Wir müssen also unsere Seele mit dem Wort verbinden. Lasst uns nun überlegen, was das Wort, Naam besagt. Es hat zwei Bedeutungen: Die eine ist die Bezeichnung von etwas; die andere ist jene grundlegende Kraft, auf die sich die Bezeichnung bezieht. 

Zum Beispiel ist Wasser an sich ein Ding, aber es hat viele Namen, wie water, aqua, H2O, usw. Ganz ähnlich ist es mit der Wahrheit; Sie ist Eine, aber die Weisen haben Sie auf viele Arten beschrieben. 

Guru Nanak sagt:

Ich möchte mich selbst allen Deinen Namen zum Opfer bringen, o Gott.

Guru Gobind Singh, der zehnte Sikh-Guru, sammelte Hunderte von Gottbezeichnungen in Seinem Werk Jaab Sahib. Diese Namen sind Ergänzungen zu allen jenen, die bereits in den verschiedenen Heiligen Schriften erwähnt werden. Trotz Hunderter von Namen bleibt Gott der Eine. 

Ähnlich ist es mit den verschiedenen Religionen, deren Ziel nur eines ist.

Wir müssen zunächst die Gotteskraft mit Hilfe gesprochener Namen verstehen lernen. Dies ist aber nur unser erster Schritt. Obwohl der Name vom Benannten nicht verschieden ist, scheint es zunächst so, bis man mit dem Benannten wirklich in Berührung kommt. Da kostet jemand eine Mangofrucht und erklärt, sie sei süß. Aber einer, der weder eine Mango gesehen, noch Zucker probiert hat, kann nicht wissen, wie süß sie ist. 

Gott zu erkennen ist somit von äußerster Wichtigkeit. Wir müssen also mit gesprochenen Namen beginnen. Es ist bedauerlich, dass sich Leute über die verschiedenen Gottesnamen, die von den jeweiligen Religionsgründern gebraucht wurden, entzweien. Alle diese Namen beziehen sich auf den Höchsten Gott, und sie alle verdienen unsere Ehrerbietung. Das Eigentliche ist ja die Gotteskraft, auf Die sich diese Namen beziehen. Jene Kraft ist Ewige Wahrheit, Es ist das Eine, wird immer das Eine bleiben und wird Naam oder Wort genannt.

Das Wort ist der Ursprung der ganzen Schöpfung, und Es kann nur durch die Hilfe eines Satgurus, eines Wahren Meisters erfahren werden. 

Guru Nanak hat dies deutlich im Jap Ji erklärt:

Was auch immer ins Dasein kommt, ist eine Schöpfung des Wortes.

Das Wort ist die Kraft, welche im kleinsten Teilchen des Universums vorhanden ist. Es ist das Göttliche Bindeglied, Das den Körper mit der Seele verbindet. Wenn Es zerreißt, tritt der physische Tod ein. Es ist dasselbe Bindeglied, welches das ganze Universum und die Höheren Spirituellen Ebenen erhält. Wenn dieses Göttliche Bindeglied zurückgezogen wird, erfolgt die gänzliche Auflösung.

Nun erhebt sich die Frage, welches die Stelle im Körper ist, an der sich dieser über das Göttliche Bindeglied mit der Seele berührt. 

Guru Nanak sagt uns, dass man mit dem Wort in Verbindung käme, nachdem die sechs Chakras, Kraftzentren des Körpers überschritten seien und das Aggya Chakra hinter und zwischen den beiden Augenbrauen erreicht sei. Einzig hier ist die Stelle des Göttlichen Bindeglieds, nicht irgendwo sonst im Körper. 

Der Weise Patanjali und andere Heilige der Vergangenheit haben diesen Vorgang ebenso erklärt. Wenn man sich über die sechs niedrigen Chakras erhoben hat und das Aggya Chakra erreicht, ist man mit dem Himmlischen Tonstrom, dem Anhat Ton verbunden, und geht in Sahasrar ein, der ersten spirituellen Ebene. 

Der Anhat Ton ist das Göttliche Bindeglied. Er ist das Wort oder die Göttliche Kraft, Welche in jedem menschlichen Wesen vorhanden ist. Dies ist der Ursprung alles Seienden.

Im Gurbani heißt es:

Naam, das Wort, sei Unsichtbar, Unergründlich, Grenzenlos und Lieblich – einfach Unbeschreiblich. Es birgt eine andauernde Göttliche Berauschung und Glückseligkeit. Wer auch immer dies erfährt, vergisst alle weltlichen Freuden.

Die Seele ist ein Tropfen aus dem Meer des Allbewusstseins, bedeckt durch zahllose Hüllen des Körpers, des Gemüts und der Sinne. Solange ein Mensch in die materielle Welt vertieft ist, wird er sich des Göttlichen Naam im Innern nicht bewusst.

Was bedeutet Naam? 

Aus dem Gurbani wissen wir, dass die Verbindung mit Naam innen einen grandiosen Blick auf das Göttliche Licht – das Licht Gottes – eröffnet. Es bezieht sich auch auf das Tonprinzip – den Ton Grenzenloser Freude. 

Es gibt also zwei Bedeutungen von Naam – der Gotteskraft – Licht und Ton. 

In den Veden wird Naam als Udgit oder Nad – die Musik des Jenseits – beschrieben. Nach den Veden hat Nad vierzehn Sphären hervorgebracht. Moslem-Weise sprechen von Kalma. Sie sind ebenfalls der Ansicht, dass Kalma vierzehn tabaks, Sphären schuf.

Einst betete Maulana Rumi:

O Gott, führe mich dahin, wo man Gespräche ohne Worte führt.

Christus sagt:

Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.

Im Gurbani steht:

Naam hat die Erde und den Himmel geschaffen. Alles Licht ging von Naam aus. Die ganze Schöpfung entstand aus Naam, Das in allen menschlichen Wesen ertönt.

Das Wort existierte bereits vor der Schöpfung. Es ist somit der Ursprung aller Schöpfung.

Heilige aller Religionen äußerten ähnliche Gedanken zum gleichen Thema:

Das Wort war während aller vier Yugas, Zeitalter der Erlösungsquell der Menschen.

Gurbani

Gott ist Wortlos, Namenlos und jenseits aller Beschreibung. Als Er Sich zum Ausdruck brachte, nannte man das Naam, das Wort, Das Sich in Licht und Ton kundgab. Wer sich mit Naam verbindet, ist fähig, einen Inneren Kontakt mit Gott herzustellen.

Hafiz Sahib, ein persischer Dichter der Mystik von Ruf, sagte:

Niemand kennt die Wohnstatt des Geliebten, aber es ist sicher, dass der Glockenton von dort kommt.

Wenn man der Melodie des Tons folgt, wird man Seinen Ursprung erreichen. Deshalb ist das Wort – Licht und Ton – das sicherste Mittel zum Ziel: Der Weg zurück zu Gott.

Um eine Verbindung mit dem Göttlichen Licht zu erhalten, muss man sich durch Selbstanalyse über das Körperbewusstsein erheben. Nur dann ist es möglich, mit dem Göttlichen Ton in Berührung zu kommen. Durch die Verbindung mit Naam findet man Frieden und Ewige Glückseligkeit.

Jene sind gesegnet, die mit dem Wort verbunden sind, o Nanak, wer immer der Ewigen Musik lauscht, erlangt Erlösung.

Gurbani